[706] 14. itarasya api evam asaṃēleshaḥ, pāte tu
ebenso auch Nichtanhaftung des andern; jedoch erst beim Dahinfallen.

Im vorigen Adhikaraṇam haben wir uns nach Anleitung der Schrift vergewissert, dass für die als Ursache der Bindung bestehende, der Natur anhaftende Sünde vermöge der Erkenntnis Nichtanhaftung und Vernichtung eintritt. | Wie steht es aber nun mit dem guten Werke? Dieses wird doch von der Schrift befohlen[706] und kann, so könnte man denken, der gleichfalls aus der Schrift stammenden Erkenntnis [des Ātman] nicht widerstreiten. Um diese Meinung auszuschliessen, folgt hier eine Erweiterung der Regel des vorigen Adhikaraṇam. Auch für »das andere«, d.h. für das gute Werk, gilt ebenso gut wie für das böse, dass es bei dem Wissenden vernichtet wird und ihm nicht anhaftet; warum? weil auch das gute Werk eine ihm entsprechende Vergeltung bedingt und somit die Frucht der Erkenntnis verhindern würde. Daher die Schrift in Worten wie: »er überwältigt beide« (Bṛih. 4, 4, 22) die Vernichtung des guten Werkes ebenso wohl wie die des bösen lehrt. Denn für die Vernichtung der Werke, wie sie erfolgt aus der Erkenntnis, dass man der nichthandelnde Ātman sei, sind gute und böse Werke gleichwertig, und die Schrift macht keinen Unterschied zwischen ihnen, wenn sie sagt: »und seine Werke werden Nichts« (Muṇḍ. 2, 2, 8.) An den Stellen aber, wo nur das böse Werk erwähnt wird, hat man das gute Werk als in ihm einbegriffen zu betrachten, weil auch seine Frucht, im Vergleiche mit der der Erkenntnis, eine niedrige ist. Auch findet sich in der Schrift für das gute Werk die Bezeichnung als böses Werk; nämlich an der Stelle: »diese Brücke überschreiten nicht Tag und Nacht«, wird nach Erwähnung des bösen und des guten Werkes gesagt: »alle Sünden kehren vor ihr um« (Chānd. 8, 4, 2); hier wird das Wort »Sünde« ohne Unterschied auf die vorher erwähnten Werke bezogen. – »Jedoch erst beim Dahinfallen«; – das Wort »jedoch« dient zur Verstärkung; d.h. nachdem in dieser Weise festgestellt ist, dass die guten und die bösen Werke, welche beide die Ursache der Bindung sind, kraft des Wissens nicht mehr anhaften und vernichtet werden, so bekräftigt der Lehrer, dass für den Wissenden unausbleiblich beim Dahinfallen des Leibes die Erlösung eintritt.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 706-707.
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