[399] 14. viparyayeṇa tu kramo 'ta', upapadyate ca
vielmehr ist die Reihenfolge umgekehrt wie jene, auch geht es so von statten.

Wir haben die Reihenfolge des Entstehens der Elemente erwogen, und es bleibt noch die Reihenfolge ihres Vergehens zu erwägen. Hierbei fragt sich, ob dieses Vergehen ohne bestimmte Reihenfolge stattfindet oder in der Reihenfolge des Entstehens oder etwa in der ihr entgegengesetzten. Zunächst nun lehrt die Schrift, dass Ursprung, Bestand und Untergang der Wesen alle drei in dem Brahman vor sich gehen, denn es heisst: »woraus diese Wesen entspringen, wodurch sie entsprungen, leben, | und worein sie, dahinscheidend, wieder eingehen« (Taitt. 3, 1.) ›Dieses könnte dafür sprechen, dass der Untergang ohne bestimmte Reihenfolge geschehe, weil eine solche nicht angegeben wird.‹ Oder man könnte denken, ›da für das Entstehen eine Reihenfolge vorliegt, so müsse auch das Vergehen eine Reihenfolge haben, und diese wäre dieselbe wie die Reihenfolge des Entstehens.‹ Das sind die Annahmen. – Darauf erwidern wir: die Reihenfolge des Vergehens muss vielmehr »umgekehrt wie jene«, wie die Reihenfolge des Entstehens, sein. So nämlich zeigt es die Erfahrung; denn nachdem man in einer bestimmten Reihenfolge eine Treppe hinaufgestiegen ist, so steigt man in der ihr entgegengesetzten Reihenfolge wieder herab. Ferner lehrt die Erfahrung, wie die aus dem Thone entstandenen Töpfe und Krüge zur Zeit ihres Vergehens in das Sein des Thones zurückkehren, und wie das, was aus Wasser entstanden ist, z.B. Eis, Hagel u.s.w., in das Sein des Wassers zurückkehrt. Darum geht auch dieses »so von statten«, dass die Erde, da sie aus dem Wasser entstanden ist, wenn die Zeit ihres Bestehens verstrichen ist, in das Wasser zurückgeht, und dass das Wasser, weil es aus dem Feuer entstanden ist, in das Feuer zurückgeht. Indem alles stufenweise in das Feine und das noch Feinere als in seine nächste und übernächste Ursache zurückkehrt, geht zuletzt alles Entstandene in die letzte Ursache und in das Allerfeinste, nämlich in das Brahman zurück; so ist es anzunehmen. Denn es geht nicht an, dass eine Wirkung mit Überspringung ihrer eigenen Ursache in die Ursache ihrer Ursache zurückgehe. Und auch die Smṛiti lehrt mehrfach, dass die Reihenfolge des Vergehens der Reihenfolge des Entstehens entgegengesetzt sei; | so wenn es heisst (Mahâbh. 12, 12893):[399]


»Der Grund der Lebenswelt, die Erde, schmilzt

In Wasser, und das Wasser schmilzt in Feuer,

Das Feuer wiederum zerschmilzt in Wind.«


Hingegen ist es nicht notwendig, dass dieselbe Reihenfolge, weil die Schrift sie nur bei dem Entstehen lehrt, auch beim Vergehen gelte; und dieses ist um so weniger zu postulieren, als es nicht wohl denkbar ist; denn es lässt sich nicht wohl denken, dass eine Ursache vergehe, während ihre Wirkung noch weiter besteht, weil es unmöglich ist, dass eine Wirkung noch fortbestehe, nachdem ihre Ursache geschwunden ist. Dass hingegen die Ursache noch fortbesteht, während ihre Wirkung schon geschwunden ist, lässt sich sehr wohl denken, indem es an dem Thone und andern [Substanzen, die auch nach Vernichtung ihrer Produkte noch bestehen] sich in der Erfahrung so zeigt.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 399-400.
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