[382] 5. ›syâc ca ekasya, brahma-çabdavat‹
auch kann ja das eine [Wort einmal bildlich und dann wieder eigentlich gebraucht werden], so wie das Wort Brahman‹.

[382] Dieses Sûtram ist die Antwort auf einen [zweifelhaften] Punkt. – Man könnte nämlich [den Ausführungen des Gegners] mit den Worten entgegentreten: nun ja, aber wie ist es möglich, dass das eine und nämliche Wort »entstanden« in der Stelle: »fürwahr aus diesem Âtman ist der Äther entstanden« u.s.w. (Taitt. 2, 1), im weitern Verlaufe der Stelle, bei dem Feuer u.s.w., wo es wieder vorkommt, im eigentlichen Sinne, | bei dem Äther (Raum) hingegen uneigentlich gebraucht sein soll? – Hierauf antwortet der Gegner: ›»auch kann ja das eine«, nämlich das Wort »entstanden«, indem es sich auf verschiedene Gegenstände bezieht, uneigentlich und dann wieder eigentlich gebraucht werden, »so wie das Wort Brahman«. So wie nämlich das eine Wort »Brahman in der Stelle: ›durch Busse suche das Brahman zu erkennen, Busse ist das Brahman‹ u.s.w. (Taitt. 3, 2) von der Nahrung und den folgenden in bildlichem, von der Wonne hingegen in eigentlichem Sinne gebraucht wird; – und so wie [ebendaselbst] von der Busse als einem Mittel der Erkenntnis des Brahman das Wort ›Brahman‹ bildlich gebraucht wird, hingegen von dem zu erkennenden Brahman in eigentlichem Sinne, ebenso könnte es auch hier sein.«‹ – Aber wie kann, wenn der Äther nicht entstanden sein soll, die Behauptung, dass die Weltursache »eines nur und ohne zweites« sei (Chând. 6, 2, 1), zu Rechte bestehen? würde dann nicht das Brahman den Raum als ein zweites neben sich haben? Und wie kann es dann (z.B. Bṛih. 2, 4, 5. Chând. 6, 1. Muṇḍ. 1, 1, 3) heissen, dass durch die Erkenntnis des Brahman alles erkannt sei? – Darauf antwortet der Gegner: ›was zunächst das Wort »eines nur« (Chând. 6, 2, 1) betrifft, so kann dasselbe nur gelten in Hinsicht der aus Brahman hervorgegangenen Wirkungen. Es steht damit ähnlich, wie wenn einer am vorhergehenden Tage in dem Hause eines Töpfers den Thon, den Stab und die Töpferscheibe bemerkt hat, und am folgenden Tage bemerkt er die verschiedenen, daraus gearbeiteten Gefässe und spricht: »gestern war dieses alles nur Thon allein«; womit er doch offenbar nur sagen will, dass dasjenige, was aus dem Thone entstanden ist, am vorigen Tage noch nicht vorhanden gewesen sei, nicht aber, dass auch der Stab und die Töpferscheibe damals nur Thon gewesen seien. In ähnlicher Weise will die Schriftstelle von der Zweitlosigkeit des Brahman nur jeden Vorsteher[383] des Urstoffes ausser Brahman ausschliessen und besagen, dass, während z.B. bei der Hervorbringung der Gefässe aus dem Thone der Töpfer es ist, welcher dem Thone vorsteht, hingegen bei der Hervorbringung der Welt aus dem Brahman kein anderer Vorsteher vorhanden ist als Brahman selbst. – Übrigens wird auch damit, dass der Raum als ein zweites neben Brahman besteht, die Zweitlosigkeit des Brahman noch gar nicht aufgehoben. Denn eine Verschiedenheit ist nur da, wo ein Gegensatz der Merkmale vorliegt; | zwischen Brahman und dem Raume aber besteht vor der Schöpfung kein Gegensatz der Merkmale, weil beide, ähnlich wie Milch und Wasser, wenn sie gemischt werden, in gleicher Weise die Eigenschaften der Alldurchdringung und Gestaltlosigkeit besitzen; zur Zeit der Schöpfung hingegen tritt das Brahman in Aktion, um die Welt hervorzubringen, während der Raum unbewegt bleibt, wodurch dann die Verschiedenheit beider zu Tage tritt. – Ebenso ist auch aus Schriftstellen wie: »das Brahman hat den Raum als Leib« ersichtlich, dass dabei Brahman und der Raum als etwas Identisches betrachtet werden; und darum ist es auch möglich, dass mit der blossen Erkenntnis des Brahman schon alles erkannt ist. – Hierzu kommt, dass alle Wirkung, wenn sie entsteht, in der Art entsteht, dass sie an Ort und Zeit nicht über den Raum hinausreicht, und dass der Raum hinwiderum an Ort und Zeit nicht über das Brahman hinausreicht; und hieraus folgt, dass in der Erkenntnis des Brahman und des aus ihm Erschaffenen die Erkenntnis des Raumes schon mit einbegriffen ist. Es ist damit, wie wenn man in einen Topf voll Milch einige Tropfen Wasser giesst; wer die Milch trinkt, trinkt dieselben mit; denn nachdem die Milch ausgetrunken ist, bleiben keine Wassertropfen mehr übrig. Weil also der Raum über das Brahman und seine Hervorbringungen nach Ort und Zeit nicht hinausreicht, deswegen ist in der Erkenntnis des Brahman der Raum schon mit einbegriffen. – Somit ist die Schriftstelle, welche eine Entstehung des Raumes lehrt, bildlich zu nehmen.‹

Auf diese Behauptungen des Gegners dient zur Antwort:

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 382-384.
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