[298] 21. ›itara-vyapadeçâdd hita-akaraṇa-âdi-dosha-prasaktiḥ‹
›weil sie den andern [als ihn] bezeichnet, [ist] Eintritt des Fehlers, dass er das ihm Gute nicht schaffe u.s.w. [und das ihm Schädliche schaffe].‹

Wiederum wird die Lehre, dass das Geistige die Weltursache sei, in anderer Weise angegriffen. ›Nimmt man nämlich an, dass die Anordnung der Welt von dem Geistigen ausgehe, so treten die Fehler ein, dass dasselbe das ihm Gute nicht hervorgebracht und [das ihm Schädliche hervorgebracht] habe. Warum? »weil sie den andern [als ihn] bezeichnet«. Nämlich der andere, d.h. die verkörperte Seele, wird von der Schrift als Brahman bezeichnet, wenn sie lehrt: »das ist die Seele, das bist du, o Çvetaketu« (Chând. 6, 8, 7); – oder auch: der andere, nämlich das Brahman, wird als die verkörperte Seele bezeichnet, denn es heisst: »nachdem er dieses geschaffen, so ging er in dasselbe ein« (Taitt. 2, 6); hier wird von dem Schöpfer selbst, nämlich dem unerschaffenen Brahman gelehrt, dass es zufolge seines Eingehens in die Weltwirkung das Wesen der verkörperten Seele ausmache; und auch wenn es heisst: »ich will mit diesem lebenden Selbste in sie eingehen und auseinanderbreiten Namen und Gestalten« (Chând. 6, 3, 2), so bezeichnet hier die höchste Gottheit die individuelle Seele als ihr Selbst | und giebt dadurch zu verstehen, dass die verkörperte Seele von Brahman nicht verschieden ist. Hieraus folgt, dass die dem Brahman beigelegte Schöpferthätigkeit eine solche der verkörperten Seele ist; dann aber hätte diese, da sie der freie Weltschöpfer ist, nur dasjenige hervorbringen müssen, was für sie selbst gut und lustbereitend ist, nicht aber das Übel, nämlich den Komplex von Geburt, Tod, Alter, Krankheit und mancherlei anderem Unheile. Denn niemand, der nicht von einem andern abhängig ist, baut für sich selbst ein Gefängnis und geht in dasselbe ein. – Auch lässt sich nicht annehmen, dass der absolut Fleckenlose in den befleckten Leib mit seinem Selbste eingegangen sei, hätte er es aber auch allenfalls gethan, so würde er doch [in der Folge] dasjenige, was ihm Leiden bringt, aus freien Stücken aufgeben und das, was ihm Lust bereitet, sich verschaffen. Auch müsste er sich daran erinnern, dass er es ist, welcher diese mannigfache, bunte Welt geschaffen hat; denn jeder, der etwas gemacht hat, ist sich doch dessen bewusst, dass er es[298] gemacht hat. Und wie ein Zauberer das von ihm selbst ausgebreitete Blendwerk aus freien Stücken und ohne Mühe wieder in sich zurückzieht, so würde auch die verkörperte Seele diese Weltschöpfung wieder in sich zurückziehen. Nun aber kann die verkörperte Seele nicht einmal ihren eigenen Leib ohne Mühe wieder in sich zurückziehen. Deswegen, also weil nicht ersichtlich, dass sie das ihr Gute geschaffen habe u.s.w., ist es unrichtig anzunehmen, dass von der geistigen Seele die Anordnung der Welt herrühre‹; – so meint der Gegner.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 298-299.
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