[450] 6. hasta-âdayas tu; sthite, 'to na evam
vielmehr die Hände u.s.w.; da dies feststeht, so ist es folglich nicht an dem.

Es werden vielmehr ausser jenen sieben noch andere Lebensorgane, wie z.B. die Hände u.s.w., erwähnt in Schriftstellen wie: »die Hände fürwahr sind ein Halter; dieser wird durch das Werk als Gegenhalter gehalten, denn durch die Hände thut man das Werk« (Bṛih. 3, 2, 8); – »da dies feststeht«, dass es mehr als sieben giebt, so kann man die Siebenzahl so zurecht legen, dass sie darin einbegriffen wird; denn wo ein Widerspruch zwischen einer kleineren und grösseren Zahl vorliegt, muss man die grössere Zahl festhalten, weil in ihr die kleinere, nicht aber in der kleineren die grössere enthalten ist; | und »so ist es folglich nicht an dem«, dass man der einfacheren Annahme zuliebe nur sieben Lebensorgane annehmen darf. Vielmehr muss man der grösseren Zahl zuliebe die Lebensorgane in der Elfzahl festhalten, und für sie spricht auch die angeführte Schriftstelle: »es sind die zehn Lebensorgane am Menschen, und der Âtman als elftes« (Bṛih. 3, 9, 4), wo unter dem Worte »Âtman« das Innenorgan [d.h. das Manas] zu verstehen ist, indem es sich hier um Organe handelt. – ›Aber wurden nicht auch mehr als elf Organe, nämlich zwölf und dreizehn angeführt?‹ – Allerdings wurden sie angeführt, aber es giebt doch nur elf natürliche Verrichtungen und keine weitere natürliche Verrichtung, um deren willen man ein weiteres annehmen müsste. Nämlich es giebt fünf Unterarten des Erkennens, das Hören, Fühlen, Sehen, Schmecken und Riechen; auf diese beziehen sich die fünf Erkenntnisorgane. Ferner giebt es fünf Unterarten des Handelns, nämlich das Reden, Greifen, Wandeln, Entleeren und Zeugen; auf diese beziehen sich die fünf Thatorgane. Endlich ist da noch das auf alle Zwecke bezügliche, die Dreiheit der Zeiten [Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft] umspannende Manas, welches eines ist, jedoch verschiedene Funktionen hat, daher es wegen der Vielheit seiner Funktionen zuweilen wie ein Vielheitliches, nämlich als Manas, Buddhi, Aha kâra (Ich-Bewusstsein) und Cittam (Denken) aufgefasst wird. Dem entsprechend zählt auch die Schrift die mannigfaltigen Funktionen desselben, das Verlangen u.s.w.,[450] auf und fügt hinzu: »alles dies ist nur Manas« (Bṛih. 1, 5, 3.) Hierzu kommt, dass, wer nur die sieben Organe am Kopfe annehmen wollte, in Wahrheit deren vier annehmen würde, indem an der betreffenden Stelle diese vier wegen ihrer örtlichen Trennung als sieben aufgezählt werden in den Worten: »zwei Ohren, zwei Augen, | zwei Nasenlöcher und ein Mund« (Taitt. saṃh. 5, 3, 2, 5.) Man kann sich aber nicht auf diese beschränken und die übrigen Lebensorgane als specielle Funktionen derselben betrachten, indem z.B. die Funktion der Hände u.s.w. von ihnen gänzlich verschieden ist. – Ferner wenn es heisst: »neun fürwahr sind der Organe am Menschen und der Nabel ist das zehnte« (Taitt. saṃh. 5, 3, 2, 3), so werden hier zehn Organe genannt in der Absicht, die verschiedenen Öffnungen des Leibes aufzuzählen, nicht aber, die verschiedenen, wirklich vorhandenen Lebensorgane zu bezeichnen, wie daraus ersichtlich, dass der Nabel als zehntes gezählt wird. Denn der sogenannte Nabel ist keineswegs als eines der Lebensorgane zu betrachten; vielmehr ist der Nabel ebenfalls nur als einer der bestimmten Standorte des Hauptlebensodems anzusehen, daher er hier als zehntes gezählt wird. Überhaupt muss man bedenken, dass häufig nur gewisse Lebensorgane zum Zwecke der Verehrung aufgezählt werden, und häufig wiederum [sämtliche] zum Zwecke der Belehrung; hieraus entspringen die mannigfaltigen Angaben über die Anzahl der Lebensorgane, und man muss dabei unterscheiden, wo und in welcher Absicht eine derartige Angabe vorkommt. In Anbetracht der Anzahl der natürlichen Verrichtungen aber muss man die Erwähnung der Elfzahl in Betreff der Organe als die Richtschnur festhalten, das steht fest.

Hier folgt noch eine andere Auslegung der beiden letzten Sûtra's. – ›Es müssen nur sieben Lebensorgane sein, weil nur von sieben die Schrift den »Gang« erwähnt in der Stelle: »wenn er auszieht, so zieht das Leben mit ihm aus, und wenn das Leben mit ihm auszieht, so ziehen alle Lebensorgane mit ihm aus« (Bṛih. 4, 4, 2.)‹ – Aber hier ist doch von »allen« Lebensorganen die Rede; warum soll denn gerade nur von sieben das Ausziehen angenommen werden? – ›Das Sûtram antwortet: »wegen der Specifikation«; d.h. nur sieben Lebensorgane vom Auge an bis zur Haut werden hier im Vorhergehenden specificiert, | wo es heisst: »der Geist aber, der im Auge wohnt, kehrt nach auswärts zurück; alsdann erkennt einer keine Gestalt mehr; weil er zur Einheit geworden ist, darum sieht er nicht, so meinen sie«, woran sich dann die weitere Aufzählung anschliesst (Bṛih. 4, 4, 1.) Auf dieses Vorhergegangene bezieht sich der Ausdruck »alle Lebensorgane«; ähnlich wie in dem Satze: »alle Brahmanen sind gespeist worden« durch das Wort »alle« nur gesagt sein soll, dass die in Rede stehenden, nämlich die eingeladenen Brahmanen, alle gespeist worden, nicht auch die andern; ebenso werden auch[451] hier nur die sieben vorher erwähnten Lebensorgane unter dem Worte »alle« verstanden und keine andern.‹ – Aber wird hierbei nicht auch die Erkenntnis als achtes aufgezählt (vgl. Bṛih. 4, 4, 2)? – ›Wie kann man also eine Aufzählung von nur sieben behaupten? – ›Das macht nichts aus, denn weil das Manas und die Erkenntnis nicht wesensverschieden sind, so ist ungeachtet der Verschiedenheit der Funktionen die Siebenzahl zulässig. Somit giebt es nur sieben Lebensorgane‹. – Auf diese Behauptung erwidern wir: »vielmehr die Hände u.s.w.« werden noch als weitere, von den sieben verschiedene Lebensorgane angenommen in Stellen wie: »fürwahr die Hände sind ein Halter« (Bṛih. 3, 2, 8.) Das Haltersein ist dahin zu verstehen, dass sie eine Fessel sind, indem die individuelle Seele durch diese als »Halter« bezeichnete Fessel gefesselt wird. Aber nicht nur in der einen Leiblichkeit wird die Seele gefesselt, sondern sie bleibt in gleicher Weise auch in den folgenden Leibern gefesselt; darum wird jene dem Leibe innewohnende und unter dem Halter zu verstehende Fessel mit Recht so benannt. Und so sagt auch die Smṛiti:


»Vom Odem an achtfach besteht der feine Leib,

Durch den die Seele in der Burg gefesselt bleibt;

Von ihm gebunden muss die Bindung leiden sie,

Von ihm gelöset geht sie zur Erlösung ein.«


Hier wird gelehrt, dass die Seele bis zur Erlösung mit jener unter dem Halter zu verstehenden Fessel gebunden bleibt. | Auch in einer Atharva-Stelle, wo die Objekte und Sinnesorgane aufgezählt werden: »das Auge und das zu Sehende« u.s.w., werden in ähnlicher Weise die Hände und die übrigen Sinnesorgane mit den entsprechenden Objekten vorgeführt, indem es heisst: »die Hände und das zu Greifende, die Geschlechtsteile und das zu Geniessende, der Hintere und das zu Entleerende, die Füsse und das zu Gehende« (Praçna 4, 8.) Ebenso wenn es heisst: »es sind die zehn Lebensorgane am Menschen, und der Âtman als elftes; wenn diese aus dem sterblichen Leibe ausziehen, so machen sie weinen« (Bṛih. 3, 9, 4), so wird hier ein Auszug von elf Lebensorganen gelehrt. Auch das Wort »alle«, wo es mit den Lebensorganen verbunden steht, bezeichnet alle Lebensorgane ohne Ausnahme und darf nicht dem Vorhergehenden zuliebe auf nur sieben unter ihnen eingeschränkt werden, namentlich da ein ausdrückliches Wort mehr Gewicht hat als der Zusammenhang mit dem Vorhergehenden. Und auch wenn man sagt: »alle Brahmanen sind gespeist worden«, so ist es richtig, an den ganzen Strom aller Brahmanen zu denken, denn das bedeutet das Wort »alle«; und nur weil es unmöglich ist, alle zu speisen, bezieht sich dabei der Gebrauch des Wortes »alle« nur auf die Eingeladenen.[452] An unserer Stelle hingegen ist durchaus kein Grund vorhanden, den Sinn des Wortes »alle« einzuschränken. Darum werden hier unter dem Worte »alle« die sämtlichen Lebensorgane ohne Ausnahme befasst und, nur um diese Befassung zu erläutern, sieben von ihnen aufgezählt. – Somit ist aus der Schrift und aus den Verrichtungen erwiesen, dass es nur elf Lebensorgane giebt.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 450-453.
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