[337] 15. rūpa-ādi-mat-tvāc ca viparyayo, darēanāt
auch wegen des Ausgestattetseins mit Farbe u.s.w., sind sie [die Minimalheit und Ewigkeit] ein Widerspruch, wie ersichtlich.

›Die Substanzen sind gliederhaft; teilt man sie nun nach ihren Gliedern so lange, bis eine weitere Teilung unmöglich wird, so[337] hat man die in vier Arten zerfallenden, mit Farbe u.s.w. ausgestatteten Atome, welche die vier Arten der mit Farbe u.s.w. ausgestatteten Elemente und das, was weiterhin aus diesen entsteht, hervorbringen, selbst aber ewig sind.‹ So nehmen es die Vaiēeshika's an. Aber diese ihre Annahme entbehrt der Begründung, weil in dem Ausgestattetsein der Atome mit Farbe u.s.w. ein Widerspruch gegen ihre Minimalheit und Ewigkeit liegen würde. Es würde nämlich folgen, dass dieselben wiederum im Vergleich mit einer allerletzten Ursache grobstofflich und nicht ewig wären, und dieses würde der Voraussetzung widersprechen. Warum? weil es so in der Erfahrung »ersichtlich« ist. Denn alles was in der Erfahrung als ein mit Farbe u.s.w. ausgestattetes Ding sich zeigt, das steht in Beziehung zu seiner Ursache und ist darum grobstofflich und nicht ewig. – | So steht z.B. das Gewebe in Beziehung zu den Fäden und ist darum grobstofflich und nicht ewig; die Fäden hinwiderum stehen in Beziehung zu den Fasern und sind darum grobstofflich und nicht ewig. Ebenso wie diese Dinge gelten dem Gegner auch seine Atome als ausgestattet mit Farbe u.s.w.; folglich müssen auch sie noch eine Ursache haben und mit Beziehung auf diese grobstofflich und nicht ewig sein. Was die Gegner als Grund der Ewigkeit angeben, wenn sie sagen: »ewig ist, was seiend und ursachlos ist« (Vaiē. 4, 1, 1), das trifft, auch wenn es richtig ist, auf die Atome nicht zu, weil in der angegebenen Weise folgt, dass sie eine Ursache haben müssen. Was sie ferner als zweiten Grund für die Ewigkeit hinstellen: »die Negation ›nicht-ewig‹ ist nur möglich bei einem bestimmten Sein [nicht bei dem Sein im allgemeinen]« (lies: pratisheda-bhāvaḥ, Vaiē. 4, 1, 4), auch das beweist nicht notwendig die Ewigkeit der Atome; denn wenn auch, ohne dass irgend ein ewiges Ding wäre, die Zusammensetzung des Wortes »ewig« mit einer Negation nicht bestehen könnte, so braucht es doch nicht gerade die Ewigkeit der Atome zu sein, auf welche dieselbe sich bezieht; denn allerdings giebt es ein Ewiges, aber das ist das Brahman als höchste Ursache. Übrigens lässt sich nicht aus der blossen Untersuchung des Sinnes eines Wortes die Existenz irgend einer Sache erweisen; | vielmehr müssen das Wort und sein Sinn, mit welchem die Untersuchung sich befasst, erst durch andere Beweismittel sicher gestellt sein. Als ein dritter Grund für die Ewigkeit wird angeführt: »und ein Nichtwissen« (Vaiē. 4, 1, 5.) Wenn man dies so erklärt, dass ein Nichtannehmen von anschaulich vorhandenen Ursachen da, wo seiende, vor Augen liegende Wirkungen gegeben sind, eine Unwissenheit sei, so würde folgen, dass auf diesen Grund hin auch das Doppelatom [da es ebenfalls als anschaulich vorhandene Ursache der vor Augen liegenden Wirkungen anzunehmen ist] ewig sein müsste. Fügt man aber als nähere Bestimmung hinzu, [das Nichtwissen sei ein Nichtannehmen solcher[338] Ursachen], »bei denen keine weitere Substanz mehr zu Grunde liege«, so haben wir hier als Grund der Ewigkeit wiederum nur die Ursachlosigkeit; und da diese noch so eben (Vaiē. 4, 1, 1) besprochen worden war, so läge in den Worten »und ein Nichtwissen« nur eine müssige Wiederholung. Oder soll man annehmen, dass ausser durch Zerteilung der Ursache und durch Vernichtung der Ursache ein dritter Grund des Untergangs nicht möglich sei, und dass diese Unmöglichkeit [als die Unerfindlichkeit eines andern Grundes und somit] als »ein Nichtwissen« [anderer Gründe] bezeichnet werde, welches die Ewigkeit der Atome beweise, – so ist zu entgegnen, dass keine Regel vorhanden ist, welche fordert, dass ein Ding, welches untergeht, notwendigerweise nur aus diesen beiden Gründen untergehen kann. Freilich, wenn man schon voraussetzt, dass die Substanz eine vielheitliche ist und mit Hülfe der Verbindung die andern Substanzen hervorbringt, dann mag jenes richtig sein. Fasst man hingegen die Hervorbringung so auf, dass dabei eine unterschiedlose, | ihrem Wesen nach identische Ursache in einen andern mit Unterschieden behafteten Zustand übergeht, dann kann der Untergang auch so stattfinden, dass er, ähnlich wie das Schmilzen der Festigkeit der Butter, durch ein Zerschmilzen des Zustandes der Materialität (mūrti) erfolgt. – Somit führt das Ausgestattetsein der Atome mit Farbe u.s.w. auf einen Widerspruch gegen die Voraussetzungen, und auch darum ist die Theorie von den Atomen als Weltursache unannehmbar.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 337-339.
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