[345] 18. samudāya' ubhayahetuke 'pi, tad-aprāptiḥ
auch wenn das durch beide Ursachen bedingte Aggregat zugestanden wird, ist Unerreichbarkeit dessen [was sie wollen].

Wir haben gefunden, dass die Doktrin der Vaiēeshika's, weil sie dem Veda widerspricht, und weil sie von den Gelehrten nicht angenommen worden ist, keine Beachtung verdient, wiewohl dieselbe nur halb-nihilistisch war, sofern sie mit dem Nihilismus eine gewisse Verwandtschaft hat. Noch viel weniger verdient Beachtung die Doktrin der vollständigen Nihilisten; und dieses wollen wir jetzt erweisen. Es ist aber diese Doktrin vielgestaltig, sei es durch den Widerspruch der Dogmen, sei es durch den der Schüler, und es finden sich in ihr folgende drei Richtungen vertreten. Die einen behaupten die Realität der Welt; andere behaupten, dass nur die Vorstellung real sei, und eine dritte Richtung nimmt an, dass die Welt nichts sei.

| Diejenigen nun zunächst, welche die Realität der Welt festhalten, nehmen an, dass es Aussendinge und Innendinge gebe, nämlich die Elemente und was aus ihnen gebildet wird, und das Geistige und was aus dem Geistigen besteht. Mit diesen haben wir es zunächst zu thun. Ihre Elemente sind die Grundstoffe, wie die Erde u.s.w., das aus ihnen Entspringende sind einerseits die Farbe und die übrigen [Objekte der Wahrnehmung], anderseits das Auge und die übrigen [Sinnesorgane]. In der Vierzahl[345] bestehen auch die Atome der Erde u.s.w., welche ihrer Natur nach fest, flüssig, heiss und beweglich sind; diese, indem sie sich zusammenscharen, bilden das Sein der Erde u.s.w., wie sie meinen. Weiter giebt es die fünf Skandha's (Äste), nämlich Wahrnehmung, Erkenntnis, Empfindung, Benennung [d.h. Sprache] und Bestrebung; auch diese werden [analog den Atomen der Aussenwelt] in dem eigenen Selbste zusammengeschart und bilden dadurch, wie sie meinen, das Substrat aller Thätigkeiten. – Hierauf ist zu erwidern: jenes durch beide Ursachen bedingte, in zwei Arten zerfallende | Aggregat, welches die Gegner annehmen, das durch die Atome bedingte, welches in einer Zusammenscharung der Elemente und dessen, was aus ihnen entspringt, besteht, und das durch die Skandha's bedingte, welches in dem Produkte der fünf Skandha's besteht, – dieses von ihnen angenommene Aggregat, obwohl es aus zweierlei Ursachen abgeleitet wird, leistet doch nicht was sie wollen, d.h. die Entstehung dieses Aggregates ist nicht möglich; warum? weil dasjenige, was sich zu ihm zusammenschart, ein Ungeistiges ist; denn das Emporflammen des Geistes wird erst durch die Vollendung des Aggregates bedingt, und ein anderes Geistiges, wie etwa eine geniessende Seele oder einen regierenden Gott, welcher beständig wäre und das Aggregat hervorbrächte, nehmen sie nicht an. Soll aber die Bewegung, auch ohne durch etwas Derartiges bedingt zu werden, möglich sein, so folgt, dass die Bewegung nicht aufhören kann. Auch weil kein Substrat [der Skandha's] zu ersehen ist, mag dasselbe nun von ihnen verschieden oder mit ihnen identisch sein, ferner weil zufolge ihrer Annahme der Dauerlosigkeit eine Thätigkeit undenkbar ist, wird die Bewegung jener [Bestandteile des Aggregates] unmöglich. Somit | kann das Aggregat nicht zu Stande kommen; kann aber das Aggregat nicht zu Stande kommen, so wird damit der auf ihm beruhende Weltgang unmöglich.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 345-346.
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