VIII. Naturphilosophie. Organische Welt (Schluß)

[70] »Man erwäge,... was zu unserm naturphilosophischen Abschnitt an positiver Erkenntnis gehöre, um ihn mit allen seinen wissenschaftlichen Voraussetzungen auszustatten. Ihm liegen zunächst alle wesentlichen Errungenschaften der Mathematik und alsdann die Hauptfeststellungen des exakten Wissens in Mechanik, Physik, Chemie, sowie überhaupt die naturwissenschaftlichen Ergebnisse in Physiologie, Zoologie und in ähnlichen Forschungsgebieten zugrunde.«

So zuversichtlich und entschieden spricht sich Herr Dühring aus über die mathematische und naturwissenschaftliche Gelehrsamkeit des Herrn Dühring. Man sieht es dem magern Abschnitt selbst nicht an, und noch weniger seinen noch dürftigeren Resultaten, welche Wurzelhaftigkeit positiver Erkenntnis dahintersteckt. Jedenfalls braucht man, um die Dühringschen Orakel über Physik und Chemie zustande zu bringen, von der Physik nichts zu wissen als die Gleichung, die das mechanische Äquivalent der Wärme ausdrückt, und von der Chemie nur dies, daß alle Körper sich einteilen in Elemente und Zusammensetzungen von Elementen. Wer zudem,[70] wie Herr Dühring S. 131, von »gravitierenden Atomen« sprechen kann, beweist nur damit, daß er über den Unterschied von Atom und Molekül gänzlich »im Dunkeln« ist. Atome existieren bekanntlich nicht für die Gravitation oder andre mechanische oder physikalische Bewegungsformen, sondern nur für die chemische Aktion. Und wenn man gar das Kapitel über die organische Natur liest, so kann man bei dem leeren, sich widersprechenden, am entscheidenden Punkt orakelhaft sinnlosen Hin- und Hergerede, und bei der absoluten Nichtigkeit des Schlußergebnisses schon von vornherein sich der Ansicht nicht erwehren, daß Herr Dühring hier von Dingen spricht, von denen er merkwürdig wenig weiß. Diese Ansicht wird zur Gewißheit, wenn man zu seinem Vorschlag kommt, in der Lehre von dem organischen Wesen (Biologie) fernerhin Komposition zu sagen statt Entwicklung. Wer so etwas vorschlagen kann, beweist, daß er von der Bildung organischer Körper nicht die geringste Ahnung hat.

Alle organischen Körper, mit Ausnahme der allerniedrigsten, bestehn aus Zellen, kleinen, nur durch starke Vergrößerung sichtbaren Eiweißklümpchen mit einem Zellenkern im Innern. In der Regel entwickelt die Zelle auch eine äußere Haut, und der Inhalt ist dann mehr oder weniger flüssig. Die niedrigsten Zellenkörper bestehn aus einer Zelle; die ungeheure Mehrzahl der organischen Wesen ist vielzellig, ein zusammengehöriger Komplex vieler Zellen, die, bei niedrigern Organismen noch gleichartig, bei den höhern mehr und mehr verschiedne Formen, Gruppierungen und Tätigkeiten erhalten. Im menschlichen Körper z.B. sind Knochen, Muskel, Nerven, Sehnen, Bänder, Knorpel, Haut, kurz, alle Gewebe aus Zellen entweder zusammengesetzt oder doch entstanden. Aber allen organischen Zellengebilden, von der Amöbe, die ein einfaches, die meiste Zeit hautloses Eiweißklümpchen mit einem Zellenkern im Innern ist, bis zum Menschen, und von der kleinsten einzelligen Desmidiacee bis zur höchstentwickelten Pflanze, ist die Art gemeinsam, wie die Zellen sich vermehren: durch Spaltung. Der Zellenkern schnürt sich zuerst in der Mitte ein, die Einschnürung, die die beiden Kolben des Kerns trennt, wird immer stärker, zuletzt trennen sie sich und bilden zwei Zellenkerne. Derselbe Vorgang findet an der Zelle selbst statt, jeder der beiden Kerne wird der Mittelpunkt einer Ansammlung von Zellstoff, die mit der andern durch eine immer enger werdende Einschnürung zusammenhängt, bis zuletzt beide sich trennen und als selbständige Zellen fortleben. Durch solche wiederholte Zellenspaltung wird aus dem Keimbläschen des tierischen Eies, nach eingetretener Befruchtung, nach und nach das ganze fertige Tier entwickelt, und ebenso beim[71] erwachsenen Tier der Ersatz der verbrauchten Gewebe vollzogen. Einen solchen Vorgang eine Komposition, und seine Bezeichnung als Entwicklung »eine pure Imagination« zu nennen, dazu gehört doch sicher jemand, der – so schwer das auch heutzutage anzunehmen ist – von diesem Vorgang gar nichts weiß; hier wird ja eben nur, und zwar im buchstäblichsten Sinn entwickelt, komponiert aber ganz und gar nicht!

Über das, was Herr Dühring im allgemeinen unter Leben versteht, werden wir weiter unten noch etwas zu sagen haben. Im besondern stellt er sich unter Leben folgendes vor:

»Auch die unorganische Welt ist ein System sich selbst vollziehender Regungen; aber erst da, wo die eigentliche Gliederung und die Vermittlung der Zirkulation der Stoffe durch besondre Kanäle von einem innern Punkt und nach einem an ein kleineres Gebilde übertragbaren Keimschema beginnt, darf man im engeren und strengeren Sinne von eigentlichem Leben zu reden unternehmen.«

Dieser Satz ist im engern und strengern Sinn ein System sich selbst vollziehender Regungen (was das auch immer für Dinger sein mögen) von Unsinn, selbst abgesehn von der hülflos verworrenen Grammatik. Wenn das Leben erst anfängt, wo die eigentliche Gliederung beginnt, dann müssen wir das ganze Haeckelsche Protistenreich und vielleicht noch viel mehr für tot erklären, je nachdem der Begriff von Gliederung gefaßt wird. Wenn das Leben erst da beginnt, wo diese Gliederung durch ein kleineres Keimschema übertragbar ist, so sind mindestens alle Organismen bis zu den einzelligen hinauf, und diese eingeschlossen, nicht lebendig. Ist die Vermittlung der Zirkulation der Stoffe durch besondre Kanäle das Kennzeichen des Lebens, so müssen wir außer den obigen noch die ganze Oberklasse der Coelenterata, allenfalls mit Ausnahme der Medusen, also sämtliche Polypen und andre Pflanzentiere aus der Reihe der lebenden Wesen ausstreichen. Gilt aber gar die Zirkulation der Stoffe durch besondre Kanäle von einem innern Punkt für das wesentliche Kennzeichen des Lebens, so müssen wir alle diejenigen Tiere für tot erklären, die kein Herz, oder auch die mehrere Herzen haben. Dazu gehören außer den vorerwähnten noch sämtliche Würmer, Seesterne und Rädertiere (Annuloida und Annulosa, Huxleys Einteilung), ein Teil der Krustentiere (Krebse) und endlich sogar ein Wirbeltier, das Lanzettierchen (Amphioxus). Dazu sämtliche Pflanzen.

Indem also Herr Dühring unternimmt, das eigentliche Leben im engern und strengern Sinne zu kennzeichnen, gibt er vier einander total widersprechende Kennzeichen des Lebens an, von denen das eine nicht nur das ganze Pflanzenreich, sondern auch ungefähr das halbe Tierreich zu ewigem[72] Tode verdammt. Wahrhaftig, niemand kann sagen, er habe uns angeführt, als er uns

»von Grund aus eigentümliche Ergebnisse und Anschauungen«

versprach!

An einer andern Stelle heißt es;

»Auch in der Natur liegt allen Organisationen von der niedrigsten bis zur höchsten ein einfacher Typus zugrunde«, und dieser Typus ist »schon in der untergeordnetsten Regung der unvollkommensten Pflanze in seinem allgemeinen Wesen voll und ganz anzutreffen.«

Diese Behauptung ist wieder »voll und ganz« Unsinn. Der allereinfachste Typus, der in der ganzen organischen Natur anzutreffen, ist die Zelle; und sie liegt den höchsten Organisationen allerdings zugrunde. Dagegen finden sich unter den niedrigsten Organismen eine Menge, die noch tief unter der Zelle stehn – die Protamöbe, ein einfaches Eiweißklümpchen, ohne irgendwelche Differenzierung, eine ganze Reihe andrer Monere und sämtliche Schlauchalgen (Siphoneen). Diese sind sämtlich mit den höhern Organismen nur dadurch verknüpft, daß ihr wesentlicher Bestandteil Eiweiß ist und sie demnach Eiweißfunktionen vollziehn, d.h. leben und sterben.

Weiter erzählt uns Herr Dühring:

»Physiologisch ist die Empfindung an das Vorhandensein irgendeines, wenn auch noch so einfachen Nervenapparates geknüpft. Es ist daher das Charakteristische aller tierischen Gebilde, der Empfindung, d.h. einer subjektiv bewußten Auffassung ihrer Zustände fähig zu sein. Die scharfe Grenze zwischen Pflanze und Tier liegt da, wo der Sprung zur Empfindung vollzogen wird. Diese Grenze läßt sich so wenig durch die bekannten Übergangsgebilde verwischen, daß sie vielmehr grade durch diese äußerlich unentschiednen oder unentscheidbaren Gestaltungen erst recht zum logischen Bedürfnis gemacht wird.«

Und ferner:

»Dagegen sind die Pflanzen gänzlich und für immer ohne die leiseste Spur von Empfindung und auch ohne jede Anlage dazu.«

Erstens sagt Hegel, »Naturphilosophie« § 351, Zusatz, daß

»die Empfindung die differentia specifica, das absolut Auszeichnende des Tieres ist«.

Also wieder eine »Krudität« Hegels, die durch einfache Annexion von seiten Herrn Dührings in den Adelstand einer endgültigen Wahrheit letzter Instanz erhoben wird.[73]

Zweitens hören wir hier zum ersten Male von Übergangsgebilden, äußerlich unentschiednen oder unentscheidbaren Gestaltungen (schönes Kauderwelsch!) zwischen Pflanze und Tier. Daß diese Zwischenformen existieren; daß es Organismen gibt, von denen wir platterdings nicht sagen können, ob sie Pflanzen oder Tiere sind; daß wir also überhaupt die Grenze zwischen Pflanze und Tier nicht scharf feststellen können – das macht es für Herrn Dühring grade zum logischen Bedürfnis, ein Unterscheidungsmerkmal aufzustellen, von dem er im selben Atem zugibt, daß es nicht stichhaltig ist! Aber wir brauchen gar nicht auf das zweifelhafte Gebiet zwischen Pflanzen und Tieren zurückzugehen; sind die sensitiven Pflanzen, die bei der leisesten Berührung ihre Blätter fallen oder ihre Blumen schließen, sind die insektenfressenden Pflanzen ohne die leiseste Spur von Empfindung und auch ohne jede Anlage dazu? Das kann selbst Herr Dühring nicht ohne »unwissenschaftliche Halbpoesie« behaupten.

Drittens ist es wieder eine freie Schöpfung und Imagination des Herrn Dühring, wenn er behauptet, die Empfindung sei psychologisch an das Vorhandensein irgendeines, wenn auch noch so einfachen Nervenapparates geknüpft. Nicht nur alle Urtiere, auch noch die Pflanzentiere, wenigstens ihrer großen Mehrzahl nach, weisen keine Spur eines Nervenapparates auf. Erst von den Würmern an wird ein solcher regelmäßig vorgefunden, und Herr Dühring ist der erste, der die Behauptung aufstellt, jene Tiere hätten keine Empfindung, weil keine Nerven. Die Empfindung ist nicht notwendig an Nerven geknüpft, wohl aber an gewisse, bisher nicht näher festgestellte Eiweißkörper.

Übrigens werden die biologischen Kenntnisse des Herrn Dühring hinreichend charakterisiert durch die Frage, die er sich nicht scheut, Darwin gegenüber aufzuwerfen:

»Soll sich das Tier aus der Pflanze entwickelt haben?«

So kann nur jemand fragen, der weder von Tieren noch von Pflanzen das geringste weiß.

Vom Leben im allgemeinen weiß uns Herr Dühring nur zu sagen:

»Der Stoffwechsel, der sich vermittelst einer plastisch bildenden Schematisierung« (was in aller Welt ist das für ein Ding?) »vollzieht, bleibt stets ein auszeichnender Charakter des eigentlichen Lebensprozesses.«

Das ist alles, was wir vom Leben erfahren, wobei wir noch gelegentlich der »plastisch bildenden Schematisierung« knietief im sinnlosen Kauderwelsch des reinsten Dühring-Jargons steckenbleiben. Wenn wir also wissen[74] wollen, was Leben ist, so werden wir uns wohl selbst näher danach umsehn müssen.

Daß der organische Stoffwechsel die allgemeinste und bezeichnendste Erscheinung des Lebens, ist seit dreißig Jahren von physiologischen Chemikern und chemischen Physiologen unzähligemal gesagt und hier von Herrn Dühring einfach in seine eigne elegante und klare Sprache übersetzt. Aber das Leben als organischen Stoffwechsel definieren, heißt das Leben definieren als – Leben; denn organischer Stoffwechsel oder Stoffwechsel mit plastisch bildender Schematisierung ist eben ein Ausdruck, der selbst wieder der Erklärung durch das Leben bedarf, der Erklärung durch den Unterschied von Organischem und Unorganischem, d.h. Lebendem und Nichtlebendem. Mit dieser Erklärung kommen wir also nicht vom Fleck.

Stoffwechsel als solcher findet statt auch ohne Leben. Es gibt eine ganze Reihe von Prozessen in der Chemie, die bei genügender Zufuhr von Rohstoffen ihre eignen Bedingungen stets wieder erzeugen und zwar so, daß dabei ein bestimmter Körper Träger des Prozesses ist. So bei der Fabrikation von Schwefelsäure durch Verbrennung von Schwefel. Es erzeugt sich dabei Schwefeldioxyd, SO2, und indem man Wasserdampf und Salpetersäure zuführt, nimmt das Schwefeldioxyd Wasserstoff und Sauerstoff auf und verwandelt sich in Schwefelsäure, H2SO4. Die Salpetersäure gibt dabei Sauerstoff ab und wird zu Stickoxyd reduziert; dies Stickoxyd nimmt sogleich wieder aus der Luft neuen Sauerstoff auf und verwandelt sich in höhere Oxyde des Stickstoffs, aber nur um diesen Sauerstoff sofort wieder an das Schwefeldioxyd abzugeben und von neuem denselben Prozeß durchzumachen, so daß theoretisch eine unendlich kleine Menge von Salpetersäure hinreichen sollte, um eine unbeschränkte Menge von Schwefeldioxyd, Sauerstoff und Wasser in Schwefelsäure zu verwandeln. – Stoffwechsel findet ferner statt bei dem Durchtritt von Flüssigkeiten durch tote organische und selbst durch unorganische Membranen, sowie bei Traubes künstlichen Zellen. Es zeigt sich hier wiederum, daß wir mit dem Stoffwechsel nicht vom Fleck kommen; denn der eigentümliche Stoffwechsel, der das Leben erklären soll, bedarf selbst wieder der Erklärung durch das Leben. Wir müssen es also anders versuchen.

Leben ist die Daseinsweise der Eiweißkörper, und diese Daseinsweise besteht wesentlich in der beständigen Selbsterneuerung der chemischen Bestandteile dieser Körper.

Eiweißkörper ist hier verstanden im Sinn der modernen Chemie, die unter diesem Namen alle dem gewöhnlichen Eiweiß analog zusammengesetzten[75] Körper, sonst auch Proteinsubstanzen genannt, zusammenfaßt. Der Name ist ungeschickt, weil das gewöhnliche Eiweiß von allen ihm verwandten Substanzen die lebloseste, passivste Rolle spielt, indem es neben dem Eidotter lediglich Nahrungssubstanz für den sich entwickelnden Keim ist. Solange indes über die chemische Zusammensetzung der Eiweißkörper noch so wenig bekannt, ist dieser Name immer noch besser, weil allgemeiner, als alle andern.

Überall, wo wir Leben vorfinden, finden wir es an einen Eiweißkörper gebunden, und überall, wo wir einen nicht in der Auflösung begriffenen Eiweißkörper vorfinden, da finden wir ausnahmslos auch Lebenserscheinungen. Unzweifelhaft ist die Gegenwart auch andrer chemischer Verbindungen in einem lebenden Körper notwendig, um besondre Differenzierungen dieser Lebenserscheinungen hervorzurufen; zum nackten Leben sind sie nicht erforderlich, es sei denn soweit sie als Nahrung eingehn und in Eiweiß verwandelt werden. Die niedrigsten lebenden Wesen, die wir kennen, sind eben nichts als einfache Eiweißklümpchen, und sie zeigen schon alle wesentlichen Lebenserscheinungen.

Worin aber bestehn diese überall, bei allen lebenden Wesen gleichmäßig vorhandnen Lebenserscheinungen? Vor allem darin, daß der Eiweißkörper aus seiner Umgebung andre geeignete Stoffe in sich aufnimmt, sie sich assimiliert, während andre, ältere Teile des Körpers sich zersetzen und ausgeschieden werden. Andre, nichtlebende Körper verändern, zersetzen oder kombinieren sich auch im Lauf der natürlichen Dinge; aber dabei hören sie auf, das zu sein, was sie waren. Der Fels, der verwittert, ist kein Fels mehr; das Metall, das oxydiert, geht in Rost über. Aber was bei toten Körpern Ursache des Untergangs, das ist beim Eiweiß Grundbedingung der Existenz. Von dem Augenblick an, wo diese ununterbrochene Umsetzung der Bestandteile im Eiweißkörper, dieser andauernde Wechsel von Ernährung und Ausscheidung aufhört, von dem Augenblick an hört der Eiweißkörper selbst auf, zersetzt sich, d.h. stirbt. Das Leben, die Daseinsweise des Eiweißkörpers besteht also vor allem darin, daß er in jedem Augenblick er selbst und zugleich ein andrer ist; und dies nicht infolge eines Prozesses, dem er von außen her unterworfen wird, wie dies auch bei toten Körpern der Fall sein kann. Im Gegenteil, das Leben, der durch Ernährung und Ausscheidung erfolgende Stoffwechsel ist ein sich selbst vollziehender Prozeß, der seinem Träger, dem Eiweiß, inhärent, eingeboren ist, ohne den es nicht sein kann. Und daraus folgt, daß, wenn es der Chemie jemals gelingen sollte, Eiweiß künstlich herzustellen, dies Eiweiß Lebenserscheinungen zeigen muß, mögen sie auch noch so schwach sein. Es ist freilich fraglich,[76] ob die Chemie auch gleichzeitig das richtige Futter für dies Eiweiß entdecken wird.

Aus dem durch Ernährung und Ausscheidung vermittelten Stoffwechsel als wesentlicher Funktion des Eiweißes und aus der ihm eignen Plastizität leiten sich dann alle übrigen einfachsten Faktoren des Lebens ab: Reizbarkeit – die schon in der Wechselwirkung zwischen dem Eiweiß und seiner Nahrung ein geschlossen liegt; Kontraktibilität – die sich schon auf sehr niedriger Stufe bei der Verzehrung des Futters zeigt, Wachstumsmöglichkeit, die auf niedrigster Stufe die Fortpflanzung durch Teilung einschließt; innere Bewegung, ohne die weder Verzehrung noch Assimilation der Nahrung möglich ist.

Unsre Definition des Lebens ist natürlich sehr ungenügend, indem sie, weit entfernt alle Lebenserscheinungen einzuschließen, sich vielmehr auf die allerallgemeinsten und einfachsten beschränken muß. Alle Definitionen sind wissenschaftlich von geringem Wert. Um wirklich erschöpfend zu wissen, was das Leben ist, müßten wir alle seine Erscheinungsformen durchgehn, von der niedrigsten bis zur höchsten. Für den Handgebrauch sind jedoch solche Definitionen sehr bequem und stellenweise nicht gut zu entbehren; sie können auch nicht schaden, solange man nur ihre unvermeidlichen Mängel nicht vergißt.

Doch zurück zu Herrn Dühring. Wenn es ihm im Bereich der irdischen Biologie einigermaßen schlecht ergeht, so weiß er sich zu trösten, er flüchtet in seinen Sternenhimmel.

»Es ist nicht erst die besondre Einrichtung eines empfindenden Organs, sondern schon die ganze objektive Welt, welche auf die Hervorbringung von Lust und Schmerz angelegt ist. Aus diesem Grunde nehmen wir an, daß der Gegensatz von Lust und Schmerz, und zwar genau in der uns bekannten Weise, ein universeller sei und in den verschiednen Welten des Alls durch wesentlich gleichartige Gefühle vertreten sein müsse... Diese Übereinstimmung bedeutet aber nicht wenig; denn sie ist der Schlüssel zu dem Universum der Empfindungen... Uns ist mithin die subjektive kosmische Welt nicht viel fremder als die objektive. Die Konstitution beider Reiche ist nach einem übereinstimmenden Typus zu denken, und hiermit haben wir die Anfänge zu einer Bewußtseinslehre, die eine größere als bloß terrestrische Tragweite hat.«

Was verschlagen ein paar grobe Schnitzer in der irdischen Naturwissenschaft für den, der den Schlüssel zu dem Universum der Empfindungen in der Tasche trägt? Allons donc![77]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 20, S. 70-78.
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