Dritte Rede

Die Erklärungen

I

[324] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Als nun der ehrwürdige Mahākoṭṭhito gegen Abend die Gedenkensruhe beendet hatte, begab er sich dorthin wo der ehrwürdige Sāriputto weilte, wechselte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem ehrwürdigen Sāriputto und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend sprach nun der ehrwürdige Mahākoṭṭhito zum ehrwürdigen Sāriputto also:

»›Unverständig, unverständig‹ heißt es, o Bruder; inwiefern denn, o Bruder, wird einer unverständig genannt?«

»Er versteht nicht, er versteht nicht, o Bruder: deshalb wird er unverständig genannt: was versteht er nicht? ›Das ist das Leiden‹ versteht er nicht, ›Das ist die Leidensentwicklung‹ versteht er nicht, ›Das ist die Leidensauflösung‹ versteht er nicht, ›Das ist der zur Leidensauflösung führende Pfad‹ versteht er nicht. Er versteht nicht, er versteht nicht, o Bruder: deshalb wird er unverständig genannt.«

»Wohl, Bruder!« erwiderte der ehrwürdige Mahākoṭṭhito erfreut und befriedigt dem ehrwürdigen Sāriputto und stellte nun eine fernere Frage: »›Verständig, verständig‹ heißt es, o Bruder; inwiefern denn, o Bruder, wird einer verständig genannt?«

»Er versteht, er versteht, o Bruder: deshalb wird er verständig genannt: und was versteht er? ›Das ist das Leiden‹, versteht er, ›Das ist die Leidensentwicklung‹ versteht er, ›Das ist die Leidensauflösung‹ versteht er, ›Das ist der zur Leidensauflösung führende Pfad‹ versteht er. Er versteht, er versteht, o Bruder: deshalb wird er verständig genannt.«

»›Bewußt, bewußt‹ heißt es, o Bruder; inwiefern denn, o Bruder, wird einer bewußt genannt?«

»Er ist bewußt, er ist bewußt, o Bruder: deshalb wird er bewußt genannt; und wessen ist er bewußt? Er ist der Freude bewußt und er ist des Leides bewußt und er ist der Abwesenheit beider bewußt. Er ist bewußt, er ist bewußt, o Bruder: deshalb wird er bewußt genannt.«

»Dieses Verständnis nun, o Bruder, und dieses Bewußtsein: sind diese beiden [325] verbunden, oder sind sie getrennt, und kann man sie sondern und ihren Unterschied angeben?«

»Dieses Verständnis, o Bruder, und dieses Bewußtsein: diese beiden sind verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich sie zu sondern und ihren Unterschied anzugeben. Denn was einer versteht, Bruder, dessen ist er bewußt, und wessen er bewußt ist, das versteht er; darum sind diese beiden verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich sie zu sondern und ihren Unterschied anzugeben.«

»Was für ein Unterschied besteht dann, o Bruder, zwischen diesen beiden verbundenen, nicht getrennten, dem Verständnis und dem Bewußtsein?«

»Zwischen dem Verständnis und dem Bewußtsein, o Bruder, die verbunden und nicht getrennt erscheinen, besteht der Unterschied, daß das Verständnis auszubilden, das Bewußtsein aber zu durchschauen ist.«

»›Gefühl, Gefühl‹ heißt es, o Bruder; inwiefern denn, o Bruder, spricht man von Gefühl?«

»Man fühlt, man fühlt, o Bruder: deshalb spricht man von Gefühl; und was fühlt man? Freude fühlt man und Leid fühlt man und die Abwesenheit beider fühlt man. Man fühlt, man fühlt, o Bruder: deshalb spricht man von Gefühl.«

»›Wahrnehmung, Wahrnehmung‹ heißt es, o Bruder; inwiefern denn, o Bruder, spricht man von Wahrnehmung?«

»Man nimmt wahr, man nimmt wahr, o Bruder: deshalb spricht man von Wahrnehmung; und was nimmt man wahr? Blaues nimmt man wahr und Gelbes nimmt man wahr und Rotes nimmt man wahr und Weißes nimmt man wahr. Man nimmt wahr, man nimmt wahr, o Bruder: deshalb spricht man von Wahrnehmung.«

»Dieses Gefühl nun, o Bruder, und diese Wahrnehmung und dieses Bewußtsein: erscheinen diese verbunden oder getrennt, und ist es möglich sie zu sondern und ihren Unterschied anzugeben?«

»Dieses Gefühl, o Bruder, diese Wahrnehmung und dieses Bewußtsein: diese drei erscheinen verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich, sie zu sondern und ihren Unterschied anzugeben. Denn was einer fühlt, Bruder, das nimmt er wahr, und was er wahrnimmt, dessen ist er bewußt; darum erscheinen diese Dinge verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich sie zu sondern und ihren Unterschied anzugeben.«

»Und wer sich, Bruder, von fünf Sinnen losgelöst hat, was kann der mit dem geläuterten Denkbewußtsein erkennen?«

»Wer sich da, Bruder, von fünf Sinnen losgelöst hat, kann mit dem geläuterten Denkbewußtsein in dem Gedanken ›Grenzenlos ist der Raum‹ das Reich des unbegrenzten Raumes erkennen, in dem Gedanken ›Grenzenlos [326] ist das Bewußtsein‹ das Reich des unbegrenzten Bewußtseins erkennen, in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins erkennen.«

»Und das Erkennbare, Bruder, wie kann man das begreifen?«

»Das Erkennbare, Bruder, kann man durch das Auge der Weisheit begreifen.«

»Und die Weisheit, Bruder, wozu dient die?«

»Die Weisheit, Bruder, dient zur Durchschauung, dient zur Durchdringung, dient zur Entsagung.«

»Welche Bedingungen liegen nun, o Bruder, der rechten Erkenntnis zugrunde?«

»Zwei Bedingungen, o Bruder, liegen der rechten Erkenntnis zugrunde: die Stimme eines anderen und tiefes Nachdenken. Das sind die zwei Bedingungen, o Bruder, die der rechten Erkenntnis zugrunde liegen.«

»Was für Eigenschaften muß aber, Bruder, die rechte Erkenntnis besitzen, um die Frucht der Gemüterlösung zu bringen und den Gewinn dieser Frucht, um die Frucht der Weisheiterlösung zu bringen und den Gewinn dieser Frucht?«

»Fünf Eigenschaften, Bruder, muß die rechte Erkenntnis besitzen, um die Frucht der Gemüterlösung zu bringen und den Gewinn dieser Frucht, um die Frucht der Weisheiterlösung zu bringen und den Gewinn dieser Frucht: da besitzt, o Bruder, die rechte Erkenntnis die Eigenschaft der Tugend, die Eigenschaft der Erfahrung, die Eigenschaft des Mitteilens, die Eigenschaft der Ruhe und die Eigenschaft der Klarsicht. Diese fünf Eigenschaften, Bruder, muß die rechte Erkenntnis besitzen, soll sie die Frucht der Gemüterlösung bringen und den Gewinn dieser Frucht, soll sie die Frucht der Weisheiterlösung bringen und den Gewinn dieser Frucht.«

»Wie viele Arten des Daseins, o Bruder, gibt es?«

»Drei Arten des Daseins, Bruder, gibt es: geschlechtliches Dasein, formhaftes Dasein, formloses Dasein.«

»Und wie ist es möglich, o Bruder, daß immer wieder ein neuer Keim entsteht?«

»Weil die Wesen, o Bruder, versunken im Nichtwissen, vom Lebensdurst geködert, bald da und bald dort sich ergetzen, deshalb kommt immer wieder ein neuer Keim zustande.«

»Und wie ist es möglich, o Bruder, daß nie wieder ein neuer Keim entstehe?«

»Durch den Nichtwissensekel, o Bruder, durch die Wissensgewinnung, durch die Auflösung des Durstes wird jede weitere Keimbildung aufgehoben.«

»Was ist nun, Bruder, die erste Schauung?«

[327] »Da weilt, o Bruder, ein Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Das nennt man, Bruder, die erste Schauung.«

»Und was für Eigenschaften, Bruder, besitzt die erste Schauung?«

»Die erste Schauung, Bruder, besitzt fünf Eigenschaften: da ist, o Bruder, ein Mönch, der die erste Schauung erwirkt hat, dem Sinnen und Gedenken hingegeben, der Heiterkeit, Seligkeit und Einheit des Gemütes. Solcher Art, Bruder, sind die fünf Eigenschaften der ersten Schauung.«

»Und von welchen Eigenschaften, Bruder, muß die erste Schauung frei sein, und von welchen erfüllt?«

»Die erste Schauung, Bruder, muß von fünf Eigenschaften frei und von fünf Eigenschaften erfüllt sein: da ist, o Bruder, ein Mönch, der die erste Schauung erwirkt hat, lauter von Wunscheswillen, lauter von Gehässigkeit, lauter von matter Müde, lauter von stolzem Unmut, lauter von schwankender Ungewißheit; und er ist dem Sinnen und Gedenken hingegeben, der Heiterkeit, Seligkeit und Einheit des Gemütes. Solcher Art, Bruder, ist die erste Schauung von fünf Eigenschaften frei und von fünf Eigenschaften erfüllt.«

»Fünf Sinnen, o Bruder, eignet verschiedenes Gebiet, verschiedener Wirkungskreis, und keiner hat am Gebiet und Wirkungskreis des anderen teil. Es ist das Gesicht, das Gehör, der Geruch, der Geschmack, das Getast. Diese fünf Sinne, Bruder, denen verschiedenes Gebiet, verschiedener Wirkungskreis eignet, so daß keiner am Gebiet und Wirkungskreis des anderen teilhat, haben die nicht einen Hort, nimmt nicht etwas an ihrem Gebiet und Wirkungskreis teil?«

»Fünf Sinnen, o Bruder, eignet verschiedenes Gebiet, verschiedener Wirkungskreis, und keiner hat am Gebiet und Wirkungskreis des anderen teil. Es ist das Gesicht, das Gehör, der Geruch, der Geschmack, das Getast. Diese fünf Sinne, Bruder, denen verschiedenes Gebiet, verschiedener Wirkungskreis eignet, so daß keiner am Gebiet und Wirkungskreis des anderen teilhat, die haben das Herz zum Hort, das Herz hat an ihrem Gebiet und Wirkungskreis teil.«

»Fünf Sinne haben wir da, Bruder: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack, Getast. Wodurch bestehn nun, o Bruder, diese fünf Sinne?«

»Fünf Sinne haben wir da, Bruder: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack, Getast. Diese fünf Sinne, o Bruder, bestehn durch die Lebenskraft.«

»Wodurch besteht aber die Lebenskraft, o Bruder?«

»Die Lebenskraft besteht durch die Wärme.«

»Und wodurch, o Bruder, besteht die Wärme?«

»Die Wärme besteht durch die Lebenskraft.«

[328] »So verstehn wir nun jetzt die Rede des ehrwürdigen Sāriputto also: ›Die Lebenskraft besteht durch die Wärme‹, und: ›Die Wärme besteht durch die Lebenskraft‹; wie soll man, o Bruder, den Sinn solcher Rede deuten?«

»So will ich dir denn, o Bruder, ein Gleichnis geben: auch durch Gleichnisse wird da manchem verständigen Manne der Sinn einer Rede klar. Gleichwie etwa, Bruder, bei einer brennenden Öllampe durch die Flamme das Licht erscheint und durch das Licht die Flamme: ebenso nun auch, o Bruder, besteht die Lebenskraft durch die Wärme und die Wärme durch die Lebenskraft.«

»Sind wohl, o Bruder, die Elemente der Lebenskraft mit den intelligiblen Dingen identisch, oder sind sie von ihnen verschieden?«

»Nicht sind die Elemente der Lebenskraft, o Bruder, mit den intelligiblen Dingen identisch. Sind aber, Bruder, die Elemente der Lebenskraft intelligibel geworden, so ist das nicht als das letzte Ziel eines Mönchs zu betrachten, der die Auflösung der Wahrnehmbarkeit erwirkt hat. Wenn aber, Bruder, die Elemente der Lebenskraft eines, und die intelligiblen Dinge etwas anderes sind, so betrachtet man dies als das letzte Ziel eines Mönchs, der die Auflösung der Wahrnehmbarkeit erwirkt hat.«

»Welche Eigenschaften haben nun, o Bruder, diesen Körper verlassen, wenn er niedergestürzt, hingefallen daliegt, wie ein totes Stück Holz?«

»Wenn drei Eigenschaften, Bruder, diesen Körper verlassen haben: die Lebenskraft, die Wärme und das Bewußtsein, dann liegt dieser Körper niedergestürzt, hingefallen da, wie ein totes Stück Holz.«

»Welcher Unterschied besteht nun, Bruder, zwischen einem Toten, Abgestorbenen und einem Mönche, der die Auflösung der Wahrnehmbarkeit erwirkt hat?«

»Wer da tot und abgestorben ist, o Bruder, dessen körperliche Elemente sind aufgelöst und erloschen, dessen sprachliche Elemente sind aufgelöst und erloschen, dessen geistige Elemente sind aufgelöst und erloschen, die Lebenskraft ist aufgezehrt, die Wärme verflogen, die Sinne zerstoben; der Mönch aber, der die Auflösung der Wahrnehmbarkeit erwirkt hat, dessen körperliche, sprachliche und geistige Elemente sind zwar aufgelöst und erloschen, doch die Lebenskraft ist nicht aufgezehrt, die Wärme nicht verflogen, und die Sinne sind gestillt. Das ist der Unterschied, Bruder, zwischen einem Toten und Abgestorbenen und einem Mönche, der die Auflösung der Wahrnehmbarkeit erwirkt hat.«

»Und welche Bedingungen, Bruder, ermöglichen die leidlose, freudlose Gemüterlösung?«

»Vier Bedingungen, Bruder, ermöglichen die leidlose, freudlose Gemüterlösung: da erwirkt, o Bruder, ein Mönch, nach Verwerfung der Freuden [329] und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns, die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmütig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Das sind die vier Bedingungen, Bruder, um der leidlosen, freudlosen Gemüterlösung teilhaftig zu werden.«

»Und welche Bedingungen, Bruder, ermöglichen den Eintritt der vorstellungslosen Gemüterlösung?«

»Zwei Bedingungen, Bruder, ermöglichen den Eintritt der vorstellungslosen Gemüterlösung: keiner Vorstellung Raum gewähren und sich in die Vorstellungslosigkeit verlieren. Das, o Bruder, sind die zwei Bedingungen, welche den Eintritt der vorstellungslosen Gemüterlösung ermöglichen.«

»Und welche Bedingungen, Bruder, ermöglichen die Dauer der vorstellungslosen Gemüterlösung?«

»Drei Bedingungen, Bruder, ermöglichen die Dauer der vorstellungslosen Gemüterlösung: keiner Vorstellung Raum gewähren, sich in die Vorstellungslosigkeit verlieren und vorhergegangener Willensentschluß. Das, o Bruder, sind die drei Bedingungen, welche die Dauer der vorstellungslosen Gemüterlösung ermöglichen.«

»Und welche Bedingungen, Bruder, ermöglichen das Ende der vorstellungslosen Gemüterlösung?«

»Zwei Bedingungen, Bruder, ermöglichen das Ende der vorstellungslosen Gemüterlösung: sich in die Vorstellungen verlieren, der Vorstellungslosigkeit keinen Raum gewähren. Das, o Bruder, sind die zwei Bedingungen, welche das Ende der vorstellungslosen Gemüterlösung ermöglichen.«

»Und nun, o Bruder: die unbeschränkte Gemüterlösung, die unbeschwerte Gemüterlösung, die ledige Gemüterlösung, die vorstellungslose Gemüterlösung, sind das voneinander verschiedene Begriffe, die auch eine verschiedene Bezeichnung haben? Oder sind sie einander gleich und ist nur die Bezeichnung verschieden?«

»Die unbeschränkte Gemüterlösung, die unbeschwerte Gemüterlösung, die ledige Gemüterlösung, die vorstellungslose Gemüterlösung, das sind Begriffe, o Bruder, die nach der einen Betrachtungsart verschieden sind und verschiedene Bezeichnung haben, nach der anderen Betrachtungsart aber gleich sind, doch verschieden bezeichnet. Nach welcher Betrachtungsart nun, o Bruder, sind diese Begriffe verschieden und haben verschiedene Bezeichnung? Da strahlt, o Bruder, ein Mönch liebevollen Gemütes weilend nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. Erbarmenden [330] Gemütes – freudevollen Gemütes – unbewegten Gemütes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit erbarmendem Gemüte, mit freudevollem Gemüte, mit unbewegtem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. Das nennt man, o Bruder, die unbeschränkte Gemüterlösung. Und was, Bruder, ist die unbeschwerte Gemüterlösung? Da erwirkt, o Bruder, der Mönch nach völliger Überwindung der unbegrenzten Bewußtseinsphäre in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins. Das nennt man, o Bruder, die unbeschwerte Gemüterlösung. Und was, Bruder, ist die ledige Gemüterlösung? Da weilt, o Bruder, der Mönch im Walde, oder am Fuß eines Baumes, oder in leerer Klause und überlegt also: ›Leer ist das von Mir und Mein.‹ Das nennt man, o Bruder, die ledige Gemüterlösung. Und was, Bruder, ist die vorstellungslose Gemüterlösung? Da erwirkt, o Bruder, der Mönch, indem er keiner Vorstellung Raum gibt, die vorstellungslose Gemütvertiefung. Das nennt man, Bruder, die vorstellungslose Gemüterlösung. Das ist die Betrachtungsart, Bruder, nach welcher diese Begriffe verschieden sind und verschiedene Bezeichnung haben. Nach welcher Betrachtungsart nun, o Bruder, sind diese Begriffe einander gleich, und haben nur eine verschiedene Bezeichnung? Die Gier, o Bruder, beschränkt, der Haß beschränkt, die Irre beschränkt: die hat der wahnversiegte Mönch verleugnet, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, so daß sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln können. Sind nun, o Bruder, die unbeschränkten Gemüterlösungen unerschütterlich geworden, so gilt die Gemüterlösung von ihnen als das Letzte; und diese unerschütterliche Gemüterlösung ist dann ledig der Gier, ledig des Hasses, ledig der Irre. Die Gier, o Bruder, beschwert, der Haß beschwert, die Irre beschwert: die hat der wahnversiegte Mönch verleugnet, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, so daß sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln können. Sind nun, o Bruder, die unbeschwerten Gemüterlösungen unerschütterlich geworden, so gilt die Gemüterlösung von ihnen als das Letzte; und diese unerschütterliche Gemüterlösung ist dann ledig der Gier, ledig des Hasses, ledig der Irre. Die Gier, o Bruder, schafft Vorstellungen, der Haß schafft Vorstellungen, die Irre schafft Vorstellungen: die hat der wahnversiegte Mönch verleugnet, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, so daß sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln können. Sind nun, o Bruder, die vorstellungslosen Gemüterlösungen unerschütterlich geworden, so gilt die Gemüterlösung von ihnen als das Letzte; und diese unerschütterliche Gemüterlösung ist dann ledig der Gier, ledig des Hasses, ledig der Irre. Das, o [331] Bruder, ist die Betrachtungsart, nach welcher diese Begriffe einander gleich sind und nur die Bezeichnung eine verschiedene ist.«


Also sprach der ehrwürdige Sāriputto. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Mahākoṭṭhito über das Wort des ehrwürdigen Sāriputto.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 1, Zürich/Wien 41956, S. 324-332.
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