Übergang von der Moralität in Sittlichkeit

§ 141

[286] Für das Gute, als das substantielle Allgemeine der Freiheit, aber noch Abstrakte, sind daher ebensosehr Bestimmungen überhaupt und das Prinzip derselben, aber als mit ihm identisch, gefordert, wie für das Gewissen das nur abstrakte Prinzip des Bestimmens, die Allgemeinheit und Objektivität seiner Bestimmungen gefordert ist. Beide, jedes so für sich zur Totalität gesteigert, werden zum Bestimmungslosen, das bestimmt sein soll. – Aber die Integration beider relativen Totalitäten zur absoluten Identität ist schon an sich vollbracht, indem ebendiese für sich in ihrer Eitelkeit verschwebende Subjektivität der reinen Gewißheit seiner selbst identisch ist mit der abstrakten Allgemeinheit des Guten; – die somit konkrete Identität des Guten und des subjektiven Willens, die Wahrheit derselben, ist die Sittlichkeit.

Das Nähere über einen solchen Übergang des Begriffs macht sich in der Logik verständlich. Hier nur so viel, daß die Natur des Beschränkten und Endlichen – und solches sind hier das abstrakte, nur sein sollende Gute und die ebenso abstrakte, nur gut sein sollende Subjektivität – an ihnen selbst ihr Gegenteil, das Gute seine Wirklichkeit und die Subjektivität (das Moment der Wirklichkeit des[286] Sittlichen) das Gute, haben, aber daß sie als einseitige noch nicht gesetzt sind als das, was sie an sich sind. Dies Gesetztwerden erreichen sie in ihrer Negativität, darin, daß sie, wie sie sich einseitig, jedes das nicht an ihnen haben zu sollen, was an sich an ihnen ist – das Gute ohne Subjektivität und Bestimmung, und das Bestimmende, die Subjektivität ohne das Ansichseiende –, als Totalitäten für sich konstituieren, sich aufheben und dadurch zu Momenten herabsetzen, zu Momenten des Begriffs, der als ihre Einheit offenbar wird und eben durch dies Gesetztsein seiner Momente Realität erhalten hat, somit nun als Idee ist – Begriff, der seine Bestimmungen zur Realität herausgebildet und zugleich in ihrer Identität als ihr an sich seiendes Wesen ist. – Das Dasein der Freiheit, welches unmittelbar als das Recht war, ist in der Reflexion des Selbstbewußtseins zum Guten bestimmt; das Dritte, hier in seinem Übergange als die Wahrheit dieses Guten und der Subjektivität, ist daher ebensosehr die Wahrheit dieser und des Rechts. – Das Sittliche ist subjektive Gesinnung, aber des an sich seienden Rechts; – daß diese Idee die Wahrheit des Freiheitsbegriffes ist, dies kann nicht ein Vorausgesetztes, aus dem Gefühl oder woher sonst Genommenes, sondern – in der Philosophie – nur ein Bewiesenes sein. Diese Deduktion desselben ist allein darin enthalten, daß das Recht und das moralische Selbstbewußtsein an ihnen selbst sich zeigen, darein als in ihr Resultat zurückzugehen. – Diejenigen, welche des Beweisens und Deduzierens in der Philosophie entübrigt sein zu können glauben, zeigen, daß sie von dem ersten Gedanken dessen, was Philosophie ist, noch entfernt sind, und mögen wohl sonst reden, aber in der Philosophie haben die kein Recht mitzureden, die ohne Begriff reden wollen.[287]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 7, Frankfurt a. M. 1979, S. 286-288,292.
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Philosophische Bibliothek, Bd.483, Grundlinien der Philosophie des Rechts, mit Hegels eigenhändigen Randbemerkungen in seinem Handexemplar.
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