b. Die Pflanze und das Tier

[507] Der selbstbewußte Geist, der aus dem gestaltlosen Wesen in sich gegangen oder seine Unmittelbarkeit zum Selbst überhaupt erhoben, bestimmt seine Einfachheit als eine Mannigfaltigkeit des Fürsichseins und ist die Religion der geistigen Wahrnehmung, worin er in die zahllose Vielheit schwächerer und kräftigerer, reicherer und ärmerer Geister zerfällt. Dieser Pantheismus, zunächst das ruhige Bestehen dieser Geisteratome, wird zur feindseligen Bewegung in sich selbst. Die Unschuld der Blumenreligion, die nur selbstlose Vorstellung des Selbsts ist, geht in den Ernst des kämpfenden Lebens, in die Schuld der Tierreligion, die Ruhe und Ohnmacht der anschauenden Individualität in das zerstörende Fürsichsein über. – Es hilft nichts, den Dingen der Wahrnehmung den Tod der Abstraktion genommen und sie zu Wesen geistiger Wahrnehmung erhoben zu haben; die Beseelung dieses Geisterreichs hat ihn durch die Bestimmtheit und die Negativität an ihr, die über die unschuldige Gleichgültigkeit derselben übergreift. Durch sie wird die Zerstreuung in die Mannigfaltigkeit der ruhigen Pflanzengestalten eine feindselige Bewegung, worin sich der Haß ihres Fürsichseins aufreibt. – Das wirkliche Selbstbewußtsein dieses zerstreuten Geistes ist eine Menge vereinzelter ungeselliger Völkergeister, die in ihrem Hasse sich auf den Tod bekämpfen und bestimmter Tiergestalten als ihres Wesens sich bewußt werden, denn sie sind nichts anderes als Tiergeister,[507] sich absondernde, ihrer ohne Allgemeinheit bewußte Tierleben.

In diesem Hasse reibt sich aber die Bestimmtheit des rein negativen Fürsichseins auf, und durch diese Bewegung des Begriffs tritt der Geist in eine andere Gestalt. Das aufgehobene Fürsichsein ist die Form des Gegenstandes, die durch das Selbst hervorgebracht oder die vielmehr das hervorgebrachte, sich aufreibende, d.h. zum Dinge werdende Selbst ist. Über die nur zerreißenden Tiergeister behält daher der Arbeitende die Oberhand, dessen Tun nicht nur negativ, sondern beruhigt und positiv ist. Das Bewußtsein des Geistes ist also nunmehr die Bewegung, die über das unmittelbare Ansichsein wie über das abstrakte Fürsichsein hinaus ist. Indem das Ansich zu einer Bestimmtheit durch den Gegensatz herabgesetzt ist, ist es nicht mehr die eigene Form des absoluten Geistes, sondern eine Wirklichkeit, die sein Bewußtsein sich entgegengesetzt als das gemeine Dasein vorfindet, sie aufhebt und ebenso nicht nur dies aufhebende Fürsichsein ist, sondern auch seine Vorstellung, das zur Form eines Gegenstandes herausgesetzte Fürsichsein, hervorbringt. Dies Hervorbringen ist jedoch noch nicht das vollkommene, sondern eine bedingte Tätigkeit und das Formieren eines Vorhandenen.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 3, Frankfurt a. M. 1979, S. 507-508.
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