c. Viele Eins. Repulsion

[186] Das Eins und das Leere macht das Fürsichsein in seinem nächsten Dasein aus. Jedes dieser Momente hat zu seiner Bestimmung die Negation und ist zugleich als ein Dasein gesetzt. Nach jener ist das Eins und das Leere die Beziehung der Negation auf die Negation als eines Anderen auf sein Anderes; das Eins ist die Negation in der Bestimmung des Seins, das Leere die Negation in der Bestimmung des Nichtseins. Aber das Eins ist wesentlich nur Beziehung auf sich als beziehende Negation, d.h. ist selbst dasjenige, was das Leere außer ihm sein soll. Beide sind aber auch gesetzt als ein affirmatives Dasein, das eine als das Fürsichsein als solches, das andere als unbestimmtes Dasein überhaupt, und [beide] sich aufeinander als auf ein anderes Dasein beziehend. Das Fürsichsein des Eins ist jedoch wesentlich die Idealität des[186] Daseins und des Anderen; es bezieht sich nicht als auf ein Anderes, sondern nur auf sich. Indem aber das Fürsichsein als Eins, als für sich Seiendes, als unmittelbar Vorhandenes fixiert ist, ist seine negative Beziehung auf sich zugleich Beziehung auf ein Seiendes; und da sie ebensosehr negativ ist, bleibt das, worauf es sich bezieht, als ein Dasein und ein Anderes bestimmt; als wesentlich Beziehung auf sich selbst ist das Andere nicht die unbestimmte Negation, als Leeres, sondern ist gleichfalls Eins. Das Eins ist somit Werden zu vielen Eins.

Eigentlich ist dies aber nicht sowohl ein Werden; denn Werden ist ein Übergehen von Sein in Nichts; Eins hingegen wird nur zu Eins. Eins, das Bezogene, enthält das Negative als Beziehung, hat dasselbe also an ihm selbst. Statt des Werdens ist also erstens die eigene immanente Beziehung des Eins vorhanden; und zweitens, insofern sie negativ und das Eins seiendes zugleich ist, so stößt das Eins sich selbst von sich ab. Die negative Beziehung des Eins auf sich ist Repulsion.

Diese Repulsion, so als das Setzen der vielen Eins, aber durch Eins selbst, ist das eigene Außersichkommen des Eins, aber zu solchen außer ihm, die selbst nur Eins sind. Es ist dies die Repulsion dem Begriffe nach, die an sich seiende. Die zweite Repulsion ist davon unterschieden und ist die der Vorstellung der äußeren Reflexion zunächst vorschwebende, als nicht das Erzeugen der Eins, sondern nur als gegenseitiges Abhalten vorausgesetzter, schon vorhandener Eins. Es ist dann zu sehen, wie jene an sich seiende Repulsion zur zweiten, der äußerlichen, sich bestimmt.

Zunächst ist festzusetzen, welche Bestimmungen die vielen Eins als solche haben. Das Werden zu Vielen oder Produziertwerden der Vielen verschwindet unmittelbar als Gesetztwerden; die Produzierten sind Eins, nicht für Anderes, sondern beziehen sich unendlich auf sich selbst. Das Eins stößt nur sich von sich selbst ab, wird also nicht, sondern es ist schon; das als das Repellierte vorgestellt wird, ist gleichfalls[187] ein Eins, ein Seiendes; Repellieren und Repelliertwerden kommt beiden auf gleiche Weise zu und macht keinen Unterschied.

Die Eins sind so vorausgesetzte gegeneinander; – gesetzte: durch die Repulsion des Eins von sich selbst; voraus: gesetzt als nicht gesetzt; ihr Gesetztsein ist aufgehoben, sie sind Seiende gegeneinander, als sich nur auf sich beziehende. Die Vielheit erscheint somit nicht als ein Anderssein, sondern als eine dem Eins vollkommen äußere Bestimmung. Eins, indem es sich selbst repelliert, bleibt Beziehung auf sich wie das, das zunächst als repelliert genommen wird. Daß die Eins andere gegeneinander, in die Bestimmtheit der Vielheit zusammengefaßt sind, geht also die Eins nichts an. Wäre die Vielheit eine Beziehung der Eins selbst aufeinander, so begrenzten sie einander und hätten ein Sein-für-Anderes affirmativ an ihnen. Ihre Beziehung – und diese haben sie durch ihre an sich seiende Einheit –, wie sie hier gesetzt ist, ist als keine bestimmt; sie ist wieder das vorhingesetzte Leere. Es ist ihre aber ihnen äußerliche Grenze, in der sie nicht füreinander sein sollen. Die Grenze ist das, worin die Begrenzten ebensosehr sind als nicht sind; aber das Leere ist als das reine Nichtsein bestimmt, und nur dies macht ihre Grenze aus.

Die Repulsion des Eins von sich selbst ist die Explikation dessen, was das Eins an sich ist; die Unendlichkeit aber als auseinander gelegt ist hier die außer sich gekommene Unendlichkeit; außer sich gekommen ist sie durch die Unmittelbarkeit des Unendlichen, des Eins. Sie ist ein ebenso einfaches Beziehen des Eins auf Eins als vielmehr die absolute Beziehungslosigkeit des Eins; jenes nach der einfachen affirmativen Beziehung des Eins auf sich, dieses nach eben derselben als negativen. Oder die Vielheit des Eins ist das eigene Setzen des Eins; das Eins ist nichts als die negative Beziehung des Eins auf sich, und diese Beziehung, also das Eins selbst, ist das viele Eins. Aber ebenso ist die Vielheit dem Eins schlechthin äußerlich; denn das Eins ist eben das Aufheben[188] des Andersseins, die Repulsion ist seine Beziehung auf sich und einfädle Gleichheit mit sich selbst. Die Vielheit der Eins ist die Unendlichkeit, als unbefangen sich hervorbringender Widerspruch.


Anmerkung

Es ist vorhin des Leibnizischen Idealismus erwähnt worden. Es kann hier hinzugesetzt werden, daß derselbe von der vorstellenden Monade aus, die als fürsichseiende bestimmt ist, nur bis zu der soeben betrachteten Repulsion fortging, und zwar nur zu der Vielheit als solcher, in der die Eins jedes nur für sich, gleichgültig gegen das Dasein und Für-sich-Sein Anderer ist oder überhaupt Andere gar nicht für das Eins sind. Die Monade ist für sich die ganze abgeschlossene Welt; es bedarf keine der anderen; aber diese innere Mannigfaltigkeit, die sie in ihrem Vorstellen hat, ändert in ihrer Bestimmung, für sich zu sein, nichts. Der Leibnizische Idealismus nimmt die Vielheit unmittelbar als eine gegebene auf und begreift sie nicht als eine Repulsion der Monade; er hat daher die Vielheit nur nach der Seite ihrer abstrakten Äußerlichkeit. Die Atomistik hat den Begriff der Idealität nicht; sie faßt das Eins nicht als ein solches, das in ihm selbst die beiden Momente des Fürsichseins und des Für-es-Seins enthält, also als Ideelles, sondern nur als einfach, trocken Fürsichseiendes. Aber sie geht über die bloß gleichgültige Vielheit hinaus; die Atome kommen in eine weitere Bestimmung gegeneinander, wenn auch eigentlich auf inkonsequente Weise; dahingegen in jener gleichgültigen Unabhängigkeit der Monaden die Vielheit als starre Grundbestimmung bleibt, so daß ihre Beziehung nur in die Monade der Monaden oder in den betrachtenden Philosophen fällt.[189]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 5, Frankfurt a. M. 1979, S. 186-190.
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