a. Dasein überhaupt

[116] Aus dem Werden geht das Dasein hervor. Das Dasein ist das einfache Einssein des Seins und Nichts. Es hat um dieser Einfachheit willen die Form von einem Unmittelbaren. Seine Vermittlung, das Werden, liegt hinter ihm; sie hat sich aufgehoben, und das Dasein erscheint daher als ein Erstes, von dem ausgegangen werde. Es ist zunächst in der einseitigen Bestimmung des Seins; die andere, die es enthält, das Nichts, wird sich gleichfalls an ihm hervortun, gegen jene.

Es ist nicht bloßes Sein, sondern Dasein; etymologisch genommen: Sein an einem gewissen Orte, aber die Raumvorstellung gehört nicht hierher. Dasein ist, nach seinem Werden, überhaupt Sein mit einem Nichtsein, so daß dies Nichtsein in einfache Einheit mit dem Sein aufgenommen ist. Das Nichtsein so in das Sein aufgenommen, daß das konkrete Ganze in der Form des Seins, der Unmittelbarkeit ist, macht die Bestimmtheit als solche aus.

Das Ganze ist gleichfalls in der Form, d. i. Bestimmtheit des Seins – denn Sein hat im Werden sich gleichfalls nur ein Moment zu sein gezeigt – ein aufgehobenes, negativ-bestimmtes; aber so ist es für uns in unserer Reflexion, noch nicht gesetzt an ihm selbst. Aber die Bestimmtheit des Daseins als solche ist die gesetzte, die auch im Ausdruck »Dasein«[116] liegt. – Beides ist immer sehr wohl voneinander zu unterscheiden; das nur, was gesetzt ist an einem Begriffe, gehört in die entwickelnde Betrachtung desselben, zu seinem Inhalte. Die noch nicht an ihm selbstgesetzte Bestimmtheit aber gehört unserer Reflexion, sie betreffe nun die Natur des Begriffs selbst oder sie sei äußere Vergleichung; eine Bestimmtheit der letzteren Art bemerklich zu machen, kann nur zur Erläuterung oder Vorausandeutung des Ganges dienen, der in der Entwicklung selbst sich darstellen wird. Daß das Ganze, die Einheit des Seins und des Nichts, in der einseitigen Bestimmtheit des Seins sei, ist eine äußerliche Reflexion; in der Negation aber, im Etwas und Anderen usf. wird sie dazu kommen, als gesetzte zu sein. – Es hat hier auf den angegebenen Unterschied aufmerksam gemacht werden sollen; über alles aber, was die Reflexion sich erlauben kann zu bemerken, Rechenschaft zu geben, würde in die Weitläufigkeit führen, das zu antizipieren, was sich an der Sache selbst ergeben muß. Wenn dergleichen Reflexionen dienen können, die Übersicht und damit das Verständnis zu erleichtern, so führen sie wohl auch den Nachteil herbei, als unberechtigte Behauptungen, Gründe und Grundlagen für das Weitere auszusehen. Man soll sie daher für nichts mehr nehmen, als was sie sein sollen, und sie von dem unterscheiden, was ein Moment im Fortgange der Sache selbst ist.

Das Dasein entspricht dem Sein der vorigen Sphäre; das Sein jedoch ist das Unbestimmte, es ergeben sich deswegen keine Bestimmungen an demselben. Aber das Dasein ist ein bestimmtes Sein, ein konkretes; es tun sich daher sogleich mehrere Bestimmungen, unterschiedene Verhältnisse seiner Momente an ihm auf.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 5, Frankfurt a. M. 1979, S. 116-117.
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