A. Das chemische Objekt

[428] Das chemische Objekt unterscheidet sich von dem mechanischen dadurch, daß das letztere eine Totalität ist, welche gegen die Bestimmtheit gleichgültig ist; bei dem chemischen dagegen gehört die Bestimmtheit, somit die Beziehung auf Anderes und die Art und Weise dieser Beziehung seiner Natur an. – Diese Bestimmtheit ist wesentlich zugleich Besonderung, d.h. in die Allgemeinheit aufgenommen; sie ist so Prinzip, – die allgemeine Bestimmtheit, nicht nur die des einen einzelnen Objekts, sondern auch die des anderen. Es unterscheidet sich daher nun an demselben sein Begriff, als die innere Totalität beider Bestimmtheiten, und die Bestimmtheit, welche die Natur des einzelnen Objekts in seiner Äußerlichkeit und Existenz ausmacht. Indem es auf diese Weise an sich der ganze Begriff ist, so hat es an ihm selbst die Notwendigkeit und den Trieb, sein entgegengesetztes, einseitiges Bestehen aufzuheben und sich zu dem realen Ganzen im Dasein zu machen, welches es seinem Begriffe nach ist.

Über den Ausdruck Chemismus für das Verhältnis der Differenz der Objektivität, wie es sich ergeben hat, kann übrigens bemerkt werden, daß er hier nicht so verstanden werden muß, als ob sich dies Verhältnis nur in derjenigen Form der elementarischen Natur darstellte, welche der eigentliche sogenannte Chemismus heißt. Schon das meteorologische Verhältnis muß als ein Prozeß angesehen werden, dessen Partien mehr die Natur von physikalischen als chemischen Elementen haben. Im Lebendigen steht das Geschlechtsverhältnis unter diesem Schema, so wie es auch für die geistigen Verhältnisse der Liebe, Freundschaft usf. die formale Grundlage ausmacht.

Näher betrachtet ist das chemische Objekt zunächst, als eine selbständige Totalität überhaupt, ein in sich reflektiertes, das insofern von seinem Reflektiertsein nach außen unterschieden ist, – eine gleichgültige Basis, das noch nicht als different[429] bestimmte Individuum; auch die Person ist eine solche sich erst nur auf sich beziehende Basis. Die immanente Bestimmtheit aber, welche seine Differenz ausmacht, ist erstlich so in sich reflektiert, daß diese Zurücknahme der Beziehung nach außen nur formale abstrakte Allgemeinheit ist; so ist die Beziehung nach außen Bestimmung seiner Unmittelbarkeit und Existenz. Nach dieser Seite geht es nicht an ihm selbst in die individuelle Totalität zurück; und die negative Einheit hat die beiden Momente ihres Gegensatzes an zwei besonderen Objekten. Sonach ist ein chemisches Objekt nicht aus ihm selbst begreiflich, und das Sein des einen ist das Sein eines anderen. – Zweitens aber ist die Bestimmtheit absolut in sich reflektiert und das konkrete Moment des individuellen Begriffs des Ganzen, der das allgemeine Wesen, die reale Gattung des besonderen Objekts ist. Das chemische Objekt, hiermit der Widerspruch seines unmittelbaren Gesetztseins und seines immanenten individuellen Begriffs, ist ein Streben, die Bestimmtheit seines Daseins aufzuheben und der objektiven Totalität des Begriffes die Existenz zu geben. Es ist daher zwar gleichfalls ein unselbständiges, aber so, daß es hiergegen durch seine Natur selbst gespannt ist und den Prozeß selbstbestimmend anfängt.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 428-430.
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