Vierter Einwand

[168] »Es bleibt also nichts übrig, als zuzugeben, daß ich, was dieses Wachs sei, durch keine Vorstellung, sondern nur durch das Denken erfassen kann.«

Es besteht ein großer Unterschied zwischen Vorstellen,[168] d.h. irgendeine Idee haben, und im Geist erfassen, d.h. denken und schließen, daß etwas ist oder existiert. Descartes hat uns nicht erklärt, worin beides verschieden ist. Aber schon die alten Peripatetiker haben klar genug gelehrt, daß die Substanz nicht sinnlich wahrgenommen, sondern nur durch Denken erschlossen wird.

Wie aber, wenn nun vielleicht das ganze Schließen nichts anderes als eine Verknüpfung und Verkettung von Namen oder Benennungen durch das Wörtchen »ist« besagt? Woraus sich ergeben würde, daß wir durch Begriffe und Schlüsse überhaupt nichts über die Natur der Dinge, sondern lediglich über ihre Bezeichnungen etwas feststellen; nämlich, ob wir die Namen der Dinge gemäß den ursprünglichen Vereinbarungen und Festlegungen verknüpfen oder nicht. Ist das der Fall, wie es ja sein könnte, so hängt das Denken von den Namen, der Name von der Vorstellung, die Vorstellung doch wohl, wie ich meine, von der Bewegung körperlicher Organe ab; daher Geist und Denken nichts anderes als eine Bewegung in gewissen Teilen des organischen Körpers sein dürfte.


Erwiderung

Den Unterschied zwischen Vorstellen und dem Begreifen des reinen Verstandes habe ich doch auseinandergesetzt; so wie ich etwa an dem Beispiel des Wachses im einzelnen aufzählte, was in dem Wachs wir vorstellen und wir allein durch den Geist erfassen. Aber auch anderwärts habe ich dargelegt, wie wir ein und dieselbe Sache, z.B. ein Fünfeck, anders begrifflich erfassen und anders vorstellen. Im Denken und Schließen handelt es sich aber nicht um eine Verbindung der Namen, sondern der mit diesen Namen bezeichneten Gegenstände. Ich wundere mich, daß jemand überhaupt auf das Gegenteil hat kommen können. Wer zweifelt nämlich, daß ein Franzose und ein Deutscher dasselbe über dieselben Gegenstände wird denken können, auch wenn sie sich ganz verschiedener Worte bedienen? Spricht sich der Philosoph nicht eigentlich sein Urteil selbst, wenn er von Festsetzungen redet, die wir ursprünglich über die Bedeutung der Worte getroffen haben? Wenn er nämlich zugibt, daß Worte etwas bedeuten, warum[169] sträubt er sich dagegen, daß ihre logische Verbindung von den Gegenständen, die sie bedeuten, statt bloß von den Namen gelten soll? Mit demselben Recht, mit dem er schließt, daß der Geist Bewegung sei, könnte er übrigens auch folgern, daß die Erde der Himmel sei, oder was sonst er immer mag.

Quelle:
Thomas Hobbes: Grundzüge der Philosophie. Erster Teil: Lehre vom Körper. Leipzig 1949, S. 168-170.
Lizenz: