Zwischenact.

[55] Die beiden Mädchen treten auf, mit Blumensammeln beschäftigt.


ANASUJA. Schwester Priamwada, obgleich der Gedanke »durch die Gandharwa-Ehe beglückt wird Sakuntala dem würdigen Gatten folgen« mein Herz beruhigt, doch bleibt noch ein Bedenken.

PRIAMWADA. Wie so?

ANASUJA. Ob dieser königliche Weise, heute nach vollbrachtem Opfer von den Einsiedlern entlassen, wenn er in seine[55] Stadt gekommen den Frauenpalast besucht, des hier Geschehenen sich erinnern wird oder nicht.

PRIAMWADA. Sei unbesorgt! Solche edle Gesichtszüge sind nicht mit der Tugend im Widerstreit. Was aber der Vater jetzt, wenn er das Geschehene erfährt, beginnen wird, weiß ich nicht.

ANASUJA. Wie ich's ansehe, wird er damit einverstanden sein.

PRIAMWADA. Wie so?

ANASUJA. Das Mädchen einem tugendhaften Manne zu geben, war doch sein Hauptgedanke; wenn den das Schicksal selbst verwirklicht, so hat ja der Vater ohne Anstrengung sein Ziel erreicht.

PRIAMWADA den Blumenkorb betrachtend. Freundin, die gesammelten Blumen sind zum Opfer hinreichend.

ANASUJA. Sollen doch die Glücksgötter unserer Freundin Sakuntala geehrt werden!

PRIAMWADA. Ja freilich, das sollen sie. Sie sammeln von neuem.

STIMME VON DRINNEN. Ich bin's, ho!

ANASUJA hinhorchend. Freundin, es scheint eine Gastanmeldung.[56]

PRIAMWADA. Sakuntala ist ja in der Hütte anwesend, Für sich. doch ist sie heute nicht anwesend mit ihren Gedanken.

ANASUJA. Wolan, der Blumen ist genug. Sie wollen gehn.

STIMME VON DRINNEN. Ha Gastverächterin!

Er, den im Sinn du hast, nichts anders denkend,

Nicht achtend mein, des Bußereichen Nähe,

Soll, auch erinnert, dein sich nicht entsinnen,

Wie seines frühern Worts ein Rauschbetäubter.

PRIAMWADA. Wehe, wehe! Ein Unglück ist geschehen. Sakuntala in ihrer Zerstreuung hat einen Ehreverdienenden beleidigt; Hin blickend. und zwar nicht dieser und jener: es ist Durwâsa, der jähzornige Heilige. Nach ausgestoßenem Fluche geht er hastbewegt auflodernd von dannen. Wer anders als Agni selbst kann so brennen?

ANASUJA. Geh, wirf dich ihm zu Füßen und beweg' ihn zur Umkehr. Indessen bereit' ich ihm das Gastfußwasser.

PRIAMWADA. So sei's. Ab.

ANASUJA geht einen Schritt und strauchelt. Ach! Hastgestrauchelten Ganges ist mir der Blumenkorb aus der Hand gefallen. Sie liest die Blumen auf.[57]

PRIAMWADA zurückkommend. Freundin, dieser harte Kopf, wessen Zureden sollte er annehmen? Doch ein wenig hat er sich erweichen lassen.

ANASUJA lächelnd. Das will bei ihm schon viel sagen. Erzähle!

PRIAMWADA. Wie er durchaus nicht umkehren will, sag' ich zu ihm: Heiliger! Es war das erstemal, darauf nimm Rücksicht und verzeihe dem der Büßermacht unkundigen Mädchen dieses eine Versehen.

ANASUJA. Nun und weiter?

PRIAMWADA. Nun »mein Wort darf nicht unwahr werden, aber durch den Anblick eines Erkennungszeichens soll der Fluch aufhören;« dieses sprechend ist er verschwunden.

ANASUJA. So kann man doch wieder aufathmen. Vom königlichen Weisen ward bei der Abreise ein mit seinem Namen bezeichneter Fingerring, zur Erinnerung, wie er selbst sagte, ihr angesteckt. In dem hat Sakuntala ein ihr zu Gebote stehendes Hülfsmittel an der Hand.

PRIAMWADA. Komm, Freundin, laß uns den Gottesdienst vollbringen. Sie gehn weiter.

PRIAMWADA umblickend. Anasuja, sieh doch! Auf die linke Hand das Gesicht gestützt, unbeweglich wie ein Bild steht dort unsere liebe[58] Freundin mit zum Gatten gegangenen Gedanken, sich selbst nicht wahrnehmend, wie dann einen Gast?

ANASUJA. Priamwada! Diese Sache bleibe zwischen uns beiden: unsere Freundin von zarter Natur muß geschont werden.

PRIAMWADA. Wer möchte denn eine Malika-Blüthe mit heißem Wasser begießen?

Quelle:
Sakuntala. Schauspiel von Kalidasa. Leipzig 1876, S. 55-59.
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