Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit

[74] Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der Gegenstände des Wollens) ein Gesetz ist. Das Prinzip der Autonomie ist also: nicht anders zu wählen, als so, daß die Maximen seiner Wahl in demselben Wollen[74] zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen sein. Daß diese praktische Regel ein Imperativ sei, d.i. der Wille jedes vernünftigen Wesens an sie als Bedingung notwendig gebunden sei, kann durch bloße Zergliederung der in ihm vorkommenden Begriffe nicht bewiesen werden, weil es ein synthetischer Satz ist; man müßte über die Erkenntnis der Objekte und zu einer Kritik des Subjekts, d.i. der reinen praktischen Vernunft, hinausgehen, denn völlig a priori muß dieser synthetische Satz, der apodiktisch gebietet, erkannt werden können, dieses Geschäft aber gehört nicht in gegenwärtigen Abschnitt. Allein, daß gedachtes Prinzip der Autonomie das alleinige Prinzip der Moral sei, läßt sich durch bloße Zergliederung der Begriffe der Sittlichkeit gar wohl dartun. Denn dadurch findet sich, daß ihr Prinzip ein kategorischer Imperativ sein müsse, dieser aber nichts mehr oder weniger als gerade diese Autonomie gebiete.

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Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 7, Frankfurt am Main 1977, S. 74-75.
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