Zweites Kapitel (172. Gegenstand).

Entledigung durch Hinterlist.[615] 1

Ein (als) kahler oder flechtentragender Asket (Verkappter) soll, in einer Berghöhle wohnend und sich für vierhundertjährig ausgebend, zusammen mit vielen flechtentragenden Schülern sich in der Nähe der Stadt aufhalten. Und seine Schüler sollen die Minister (oder: die königlichen Familiengenossen, amātya) und den Fürsten dadurch, daß sie ihnen ehrfurchtsvoll mit Wurzeln und Früchten aufwarten, dazu veranlassen, den »Hochheiligen« zu besuchen. Ist dann der König mit ihm zusammengekommen, so soll der Asket von früherer Könige Land und Kennzeichen reden (als von Dingen, die er angeblich, selber erlebt hat). »Immer, wenn hundert Jahre erfüllt sind, gehe ich ins Feuer und werde wieder jung. So werde ich in deiner Gegenwart das vierte Mal ins Feuer gehen. Unbedingt muß ich dich dabei zuziehen. Wähle dir drei Gnaden«. Geht er darauf ein, so spreche er zu ihm: »Sieben Nächte mußt du zusammen mit Weib und Kind unter Schaustellungen und Opfern2 hier bei mir bleiben«. Bleibt er, dann falle er über ihn her (und töte ihn da draußen in der einsamen Berghöhle mit Hilfe der vielen Schüler).3

Oder ein (als) kahler oder (als) flechtentragender Asket (Verkappter), der sich als heiliger Mann4 aufspielt und umgeben ist von zahlreichen flechtentragenden Schülern, bestreiche einen mit Bocksblut beschmierten Bambusspan mit Goldstaub und stecke ihn in einen Ameisenhügel oder auch einige goldene Röhren, damit eine Schlange5 darin entlang kriechen kann. Darauf erzähle [616] ein Hinterhältler dem (feindlichen) König: »Dieser vollendete Asket weiß einen blühenden Schatz in der Erde«.6 Wenn ihn (den Asketen) der König fragte soll er sagen: »Ja, so ist es«. Und er soll ihm das (den Span oder die Röhre) als Beglaubigungszeichen vor Augen halten. Oder er soll aufs neue Gold hineintun und zu ihm sprechen: »Von einem Schlangengeist gehütet ist dieser Schatz. Durch demütige Verehrung kann man sich sein bemächtigen«. Wenn der Fürst darauf eingeht, soll er zu ihn sagen: »Sieben Nächte mußt du zusammen mit Weib und Kind unter Schaufesten und Opferdarbringungen hier verweilen«. Tut er das, dann soll er ihn überfallen.7

Oder von einem als heiliger Mann (sthānika) Verkappten, der bei Nacht von brennendem Feuer umzüngelt an einer einsamen Stelle steht, sollen in sorgfältig vorbereiteter Art (kramābhinītam) Hinterhältler dem König erzählen: »Der N. N. ist ein glückverleihender Heiliger«A1.8 Was ihn auch der König bittet, bei allem soll er sagen, er werde es tun, aber der König müsse sieben Tage usw., alles wie oben.

Oder ein als vollendeter Heiliger Verkappter soll den König mit (vorgegebenen) Geisterwissenschaften locken. Um was ihn auch der König bittet, bei allem soll er usw.

Oder ein als vollendeter Heiliger (siddha) Verkappter soll sich ganz einer besonders verehrten Lokalgottheit hingeben, soll so durch Opferdarbringungen beständig die Hervorragenden unter den Untertanen an sich heranziehen und dadurch schließlich den König übermeistern (anlocken und töten).

Oder von einem, der sich als flechtentragender Asket aufspielt, im Wasser drinnen lebt und durch einen unterirdischen Gang oder ein unterirdisches Gemach in ein Schlangengeisterheiligtum wegschlüpfen kann,A2 sollen die Hinterhältler in sorgfältig vorbereiteter Weise (kramābhinītam) dem König erzählen, es sei dies Varuṇa oder ein Schlangenkönig. Um was ihn dann der König bittet, bei allem usw.

[617] Oder ein als vollkommener Heiliger Verkappter, der an der Grenze des Landes wohnt, soll den König dazu bringen, daß er sich seinen Feind herbeibeschwören läßt.9 Geht er darauf ein, dann soll er ein Bildnis (des Feindes) machen, den Feind »dahineinbannen« und den König an dem unbehinderten Orte töten.10

Als Händler Verkappte, die mit Pferdewaren gekommen sind, sollen den König unter dem Vorwand, er möge zu der Ware kommen (und sie anschauen),11 herbeirufen, und ist er dann einzig von der Besichtigung der Ware in Anspruch genommen oder unter die Pferde gemengt, so sollen sie selber ihn töten oder durch die Pferde ihn totschlagen lassen.

Oder in der Nähe der Stadt (des feindlichen Königs) sollen Bravi bei Nacht einen heiligen Baum ersteigen und in Krüge hinein entweder durch Röhren oder Stücke Rotang blasen12 und in undeutlicher Weise sprechen: »Wir werden das Fleisch des Königs und der hervorragenden Leute fressen. Macht euch dran, uns zu verehren!« Diese Dinge von ihnen sollen als Zeichendeuter und als Astrologen Verkappte bekannt machen.

Oder in einem heiligen See oder mitten in einem Teich sollen als Schlangengeister Auftretende, bestrichen mit flammendem Öl, bei Nacht eherne Speere und Keulen aneinander schmettern und dabei ebenso sprechen. Oder in Bärenfelle gehüllt, Feuer und Rauchmassen von sich gebend, und so die Gestalt von rakshas (Nachtgeistern) zur Schau tragend, mögen sie dreimal die Stadt nach links herum (also in unheilweissagender Richtung) umgehen und in den Zwischenräumen (des von ihnen selber ausgestoßenen) unheilvollen Schakalgeheuls13 ebenso sprechen. Oder indem sie das Götterbild eines Heiligtums bei Nacht mit brennendem Öl oder durch einen Micaüberzug [618] in Feuer14 aufflammen machen, mögen sie ebenso sprechen. Das sollen andere öffentlich ausposaunen.

Oder sie mögen mit Hilfe von Tierblut aus den dort verehrten Götterbildern übermäßig viel (Blut) fließen machen.A3 Andere als sie sollen wegen dieses Fließens vom Götterblut eine Niederlage in der Schlacht verkünden. Oder in den Fugennächten (den Nächten, wo Vollmond oder Neumond beginnt) sollen sie (den Leuten etwas) von einem der Leichenstätte gegenüber befindlichen Heiligtum mit lebendigen Leibes aufgefressenen Menschen15 vormachen.

Dann soll ein als Nachtgeist Hergerichteter ein Menschlein (zum Auffressen) fordern. Wenn dann dort einer, weil er sich für einen Helden erklärt, oder irgendein anderer, um die Sache zu sehen, herbeikommt, sollen ihn andere mit Eisenkeulen totschlagen, so daß man von ihm annehme, er sei von Nachtgeistern getötet worden. Dies Wunder sollen solche, die es gesehen haben, und Hinterhältler dem König erzählen. Darauf mögen als Zeichendeuter und Astrologen Verkappte von Abwehr- und Sühnezeremonien reden. »Sonst trifft ein großes Unheil den König und das Land«, sollen sie sagen. Geht er darauf ein, dann sollen sie zu ihm sprechen: »Bei diesen (Zeremonien) muß der König selber sieben Nächte lang die mit jedem einzelnen Zauberspruch verbundene Opferdarbringung besorgen«.16 Das weitere dann wie früher.

Oder der König soll bei ihm selber diese Zauberlisterscheinungen hervorrufen lassen und dann Gegenanstalten gegen sie treffen. Dies um gegen die anderen einen Vorwand zu haben. Darauf soll er diese Zauberlisten (gegen den Feind) anwenden lassen. Oder er möge auch mit Hilfe der Abwehrmittel gegen die Zauberlisterscheinungen die Untertanen dazu bringen, seinen Schatz zu füllen.17

[619] Oder wenn der feindliche König auf Elefanten versessen ist, sollen sie ihn durch einen mit glückbringenden Körpermerkmalen versehenen Elefanten des Elefantenwaldhüters locken. Geht er darauf ein, dann mögen sie ihn betrügerisch in ein Dickicht oder auf einen Weg bringen, der nur einem Manne Raum bietet, und ihn töten oder ihn gebunden mit wegführen. Ebenso wird es gemacht mit einem jagdgierigen Fürsten.

Oder einen nach Gut und Weibern lüsternen mögen die Hinterhältler durch reiche Witwen, Frauen von herrlicher Schönheit und Jugend verlocken, die sie unter dem Vorgeben, sie wollten ihm des Erben Gut zur Aufbewahrung anvertrauen, herbeigebracht haben. Geht er darauf ein, so sollen ihn nachts beim Stelldichein im Hinterhalt Versteckte mit Gift oder Waffe töten.18

Oder Bravi, die mit Hilfe eines unterirdischen Gemachs, eines unterirdischen Gangs oder einer heimlichen Wand eingedrungen sind, sollen über den Feind herfallen bei seinen beständigen Besuchen der Heiligen, der Büßer, der Heiligtümer, der stūpa oder der Götterbilder.

An welchen Orten der Fürst auch immer selber ein Schauspiel betrachtet oder sich an einem Prozessionsvergnügen ergötzt,19 oder wo immer er sich im Wasser vergnügt, bei Rezitationen von Vedaversen usw.20 oder bei allen Opfern und Feiern, bei Wöchnerinnen-, Toten- und Krankheitszeremonien, bei Lust, Leid- und Schreckensanlässen, oder wo immer er sich aus Vertrauen der Sorglosigkeit ergibt, bei einem Feste seiner eigenen Leute, da, wo seine Wächter [620] nicht hin- und hergehen (nicht herum sind), bei einem Gewitter oder oder einem Menschengewirr, bei Gelegenheit einer Abreise21 oder eines Brandes (den der König zu betrachten eilt), oder wenn er einen menschenleeren Ort betreten hat: – da überall mögen die Bravi, indem sie mit den Behältern von Kleidern, Schmucksachen oder Kränzen, mit Lagern oder Sesseln oder mit den Behältern von Rauschtrank und Speise oder mit musikalischen Instrumenten zu ihm treten, über den Feind herfallen, zusammen mit den schon vor her (bei dem Fürsten) angestellten Spionen.22

Und wie sie eingetreten sind, mit (denselben) Mitteln, den Feind zu täuschen, gerade so mögen sie sich wieder davonmachen. Damit ist die Entledigung durch Hinterlist dargelegt.

Fußnoten

1 Yogavāmana. Wie schon erwähnt, bedeutet vāmana (und vamana) eigentlich Speienmachen, sich entleeren Machen, Abzapfung usw. (vgl. karçana eig. »abmagern Machen«) und bezeichnet hinterlistige Abmurksung durch Geheimdiener.A4


2 Oder soll man prekshāpravakāṇapūrvaṃ lesen: »unter Schaufesten«?


3 Der Glaube, daß man durch Selberverbrennung einen neuen, jungen oder einen göttlichen Leib bekommen könne, spiegelt sich vielfach in der Erzählungslit. Siehe mein Daçakum. S. 138, 164f; Hindu Tales 100f.; Iken, Nechschebis Tutinameh 214ff.; Rosen, Tuti-Nameh 184; Chavannes, Cinq cents contes etc. III, 141ff.; Crooke, Popular Religion and Folk Lore2 II, 169. Vgl. auch mein Daçakum. 255ff.; 325ff., wo einem König durch Zauber die Verwandlung in eine herrliche neue Gestalt versprochen und er mit Hilfe dieses Truges getötet wird.


4 Sthānika. Da der sthānika gleich darauf siddha heißt, so bezeichnet das Wort offenbar einen heiligen Mann. Wörtlich: »Mann der Ruhe des Gemüts«? »Unverrückter, an einer Stelle Stehender« oder: »Mann der Büßerstellungen«? »Feststehender« im Gegensatz zu den Hin- und Herwankenden?A5


5 Upajihvikā nach den Lex. eine Art Ameise. Da aber im folgenden eine Schlange nötig ist, so wird das Wort diese Bedeutung haben.


6 »Nun hab ich sagen hören, daß zu gewissen Zeiten flackernde Lichtlein droben umeinand hupfen – das ist ein Zeichen, daß der Schatz blüht und heraufverlangt«. Siehe die oberbayrische Novelle Franz Brugger in Helene Raffs köstlicher Sammlung »Die Braven und die Schlimmen«, Berlin 1904, S. 187. An solchen Stellen flackerts sogar noch droben in Finnlands Mooren. Denn wo ein Schatz vergraben ist, da brennt in der Pfingstnacht eine blauweiße Flamme. Maila Talvio, Pimeän pirtin hävitys S. 4–5. Schatzgräber opfern Hühner und Hähne und sehen Feuer auf dem Ort, wo ein Schatz verborgen ist. J. H. Erkko, Valikoima runolmia S. 307. Der Gegenstand ist aber unendlich. Interessanten altindischen Volksglauben über ihn gibt meine Anmerkung Hindu Tales 277.A6


7 Bekanntlich sind in Indien die Schlangen und Schlangengeister, wie bei uns besonders die Drachen, Schatzhüter und tragen auch selber Edelsteine im Kopf. Eine ganze Anzahl hierher gehöriger Dinge habe ich zusammengestellt in der Anm. 1, Hindu Tales S. 277.


8 Mit sāmedhika vgl. samedhāçāsti 19, 7; Übers. 19, Anm. 1. Sāmedhika könnte also einfach »Glücksprophet« sein.


9 Wörtl.: »soll ihn zum Zeigen seines Feindes vermögen«.


10 Oder: »an dem abgeschlossenen Orte«, wenn niruddhe gelesen wird. Dieser Zauber hat bekanntlich seine Entsprechungen an allen Ecken und Enden der Erde. Vgl. z.B. Weib im altind. Epos 400, Anm. 2; Rich. Andree, Ethnograph. Parallelen, Stuttg. 1878, Bd. II, 8–11; Elsie Clews Parsons, The Old-Fashioned Woman 1913, S. 232; K. S. Laurila, Esteetikan perustuskysimiksiä, Porvo 1918, S. 690 unten und Anm. dazu 818f.


11 Lies nach 401, 12 paṇyopāyananimittam. Dies kann dann aber kaum bedeuten: »damit sie ihm ein Huldigungsgeschenk aus ihrer Ware geben«, obgleich dies an sich sehr nahe läge.


12 Der Text ist sicher nicht vollständig. Mindestens muß man nach vidulāni einfügen. Sie blasen wohl so in Töpfe, in denen sich Feuer befindet, damit tüchtig Flammen und Funken herausfahren und sie sich dadurch als »Nachtvolk« oder Rākshasa beweisen. Sonderbar ist es freilich, daß da das Feuer gar nicht erwähnt ist, und das doppelte scheint auch des Guten zuviel zu sein. So muß man vielleicht das nach nālīn zu vādayanto vervollständigen: »sollen in Krüge hinein auf Rohren spielen oder auf Stücken Rotang blasen«. Dann sollte es wohl aus den Töpfen recht hohl, stark und schauerlich wieder heraustönen. Da dhamati sowohl vom Anblasen eines Feuers als vom Blasen mit einer Muschel, einem Rohr usw. gebraucht wird, kann ich nicht entscheiden.A7


13 Da çivā und çṛigāla beide Schakal bedeuten, so lese ich açivaçṛigāla.


14 Abhrapaṭala ist hier wohl gebraucht wie in 92, 2, wo es Überzug aus Mica bedeutet. Aber »ein mit einer Menge (oder einem Überzug) von Mica bedecktes Feuer«, was grammatisch die natürliche Übersetzung wäre, klingt sonderbar. Dann schon eher: »in einem Micaüberzug verdeckt«, aus ihm hervorflackernd. Dem Sinne nach ist nur die Beschmierung des Götterbildes mit Mica einleuchtend. Aber channa = Decke ist unwahrscheinlich, und dieses sowie etwa chādana recht überflüssig. Dasselbe, wenn auch in geringerem Maße, gölte von einem dafür eingesetzten chalena. »Mit rauchwolkenbedecktem Feuer« geht auch nicht wohl.


15 Ūrdhvadehabhakshita »aufrecht stehenden Leibes gefressen«. Das klingt noch grausiger als Jollys Auffassung: »nach dem Tode aufgefressen«. Vgl. zu seiner Auslegung ūrdhvam später, nach ihrem Tod 153, 5; teshām ūrdhvam nach ihnen, nach ihrem Tode 160, 2; pitror ūrdhvam Yājñ. II, 117; ūrdhvaṃ pitu Manu IX, 104; ūrdhvaṃ dehāt nach dem Tode. Da wäre aber dehordhvabhakshita zu erwarten.A8


16 Oder: »jede einzelne Spruchformel, Darbringung und Feueropferspende«.


17 Derselbe Satz wie 242,18. Die erschreckten Untertanen müssen für diese tüchtig Beisteuer geben, die dann wenigstens zum guten Teil in des Königs Schatz fließt. Vgl. Buch 5, Kap. 2, wo ähnliche Kniffe gelehrt werden; bes. 242, 11ff.: »Oder nachdem als siddha Verkappte ein Menschentribut verlangendes Nachtgeisterschrecknis in Szene gesetzt haben, sollen sie um das Gold der Stadtbürger und der Landleute Gegenmittel anwenden« (d.h. unheilwendende Zeremonien veranstalten). Bei meiner Übersetzung fasse ich also upadeça = apadeça, ein freilich bei Kauṭ. sonst nicht vorkommender Gebrauch, so daß man wohl apadeça einsetzen muß. Pratikāra bedeutet auch Nachahmung (Kām. II, 37, 37) und pratikṛiti Nachbildung, Götterbild (MBh. XIV, 103, 42; 106, 27 usw.). Mithin: »Oder der König soll an seiner eigenen Person (also selber) diese Zauberlisterscheinungen darstellend nachmachen, um sie andere zu lehren« (nämlich seine Leute). »Darauf soll er sie von ihnen (gegen den Feind) anwenden lassen«. Aber die Schwierigkeiten sind hier größer als bei der anderen Übertragung. Der Fürst läßt also ausposaunen: »Schaut, welche Teufeleien die Feinde gegen uns üben! Denen müssen wir sie heimzahlen«. Natürlich muß die ganze Sache hübsch in Dunkel und Verschwiegenheit gemacht werden. Sonst sähe das dumme Volk am Ende doch, wie dem Staat die Fabel von den Göttern Geld einbringen muß.


18 Lies sattracchannāḥ. Wie dravyahlupa zeigt, soll dem geldgierigen Fürsten vorgeblich von den »Witwen«, die sich jedenfalls nur als solche aufspielen, die Erbschaft anvertraut werden, und so wird man dāyādya statt dāyāda lesen müssen (oder dāyādadravya, dāyādārtha?) oder nur dāya. Vgl. 147, 17; 378, 16. Nicht recht wahrscheinlich, wenn auch möglich nimmt sich der Text aus: »wegen eines Depositums bei einem Verwandten« (der es mißbraucht oder nicht wieder herausgibt). Zwar wäre da dem Fürsten ja ebenfalls Gelegenheit geboten, das Gut an sich selber zu reißen.


19 Wahrscheinlich aber ist yatra vihāre zu lesen: »wo er sich an einem Lustorte (Erholungsorte) ergötzt«.


20 Ich setze also ṛiguktyādishu für dhiguktyādishu. Dies: »bei Streitigkeiten«?A9


21 Kaum: »wenn eine Brahmanenwohnung brennt«.


22 Man muß 'bhigatāḥ statt 'bhihataiḥ setzen. Das folgende saha mit dem Instr. und vielleicht die Erinnerung an 388, 10; 392, 7 mag zu dem Versehen geführt haben. Ebenso sollte man jedenfalls arīṃs in ariṃ ändern; denn der ganze lange Satz redet doch nur von dem Feind, dem betr. Fürsten; ebenso auch der folgende. Natürlich werden dabei auch Leute des feindlichen Königs mitgetötet werden, und bei schlottriger Schreibweise wäre der Plur. denkbar. Hier aber liegt kein Grund vor, eine solche vorauszusetzen. Die Bravi bringen die aufgeführten Gegenstände herbei, um gar nicht aufzufallen. Vgl. zu der Stelle bes. 314, 1–5.A10


A1 Kramābhinīta versteht Gaṇ. wörtlicher: »allmählich sich selber zugewendet, allmählich gewonnen.« Das ginge ja sehr gut, wenn ein Akkusativ dabei stünde. So aber, als Adverb, verursacht es einige Gehirnverrenkung; kommt übrigens auf die von mir gegebene Bedeutung hinaus.


A2 Statt sarpacaityasuruṅgā – liest Gaṇ. sarvaçvetaṃ taṭasuruṅgā – »... drinnen lebt, ganz weiß ist, und durch einen unterirdischen Gang am Ufer oder durch ein unterirdisches Gemach wegschlüpfen kann.« Gaṇ. sagt, weiß sei er, damit man vertrauensvoll in ihm eine Gottheit sehe. Aber der Büßer soll ja als Schlangengeist figurieren. Besonders die Schlangengottheiten aber stellen sich die alten Inder weiß vor. Eine ganze Anzahl Mittel, sich schneeweiß zu machen, werden wir im nächsten Buch des Arthaç. erfahren. Auch hieraus ersehen wir, daß die Schlangengeister eine große Rolle spielen.


A3 Auch das Schwitzen, Niederstürzen, Weinen, Zittern, Schreien, Lachen, Tanzen, die Augen Auf- und Zumachen, Blutspeien der Götterbilder, ebenso aus Bäumen, Kühen, Stierhörnern, Elefantenzähnen, Brunnen, Himmelshöhen usw., fließendes Blut kündet dem Lande Unheil, insbesondere die Niederlage des betreffenden Fürsten. Br.-Nīti IV, 25; Yogayātrā III, 8, 11; MBh. VI, 2, 26; 3, 20; 112, 11; MBh. K. II, 69, 22ff. usw. Vgl. z.B. Rosegger, Peter Mayr, der Wirt an der Mahr S. 300f.


A4 Nach Gaṇ. wäre yogavāmana »den Feind durch listige Mittel aus seiner Burg Hinaus- oder Herausgehenmachen«. Das ist wohl eine nach mehreren der Beispiele, in denen der Gegner wirklich an bequemen Meuchelort hinausgelockt wird, zurechtgedachte Auslegung. An anderen Stellen und mit der natürlichen Bedeutung des Wortes stimmt das nicht.


A5 Gaṇ. meint, es bezeichne den gewöhnlichen sthānika des Arthaç., den Bezirksvorsteher!


A6 Gaṇ. sagt: dhamantaḥ = dhūpayantah. Da es aber Nacht ist, wird man den Rauch schwerlich sehen. Auch heißt dhamati kaum »räuchern, Rauch erzeugen«.


A7 Statt Sham.'s çivāçṛigāla – hat Gaṇ. das weit bessere çvaçrigāla – »in den Zwischenräumen zwischen dem Hundegebell und dem Schakalgeheul.« Daß man sich die Totengeister, wie z.B. den Kindlifresser Kumāra oder Skanda auch als bellende Hunde vorstellte, zeigt z.B. Pārask. -Gṛih. I, 16, 24. Und die rakshas oder rākshasa sind Totengeister.


A8 Gaṇ. hat nur ūrdhvabhakshitair. Beides aber heißt deutlich »lebendigen Leibes aufgefressen«. Ūrdhva aufrecht stehend, lebend heißen noch am Baum oder an der Pflanze befindliche, saftvolle, grüne Teile (Äste, Zweige usw.), im Gegensatz zu çushka abgestorben, dürr. Ā. I, 11, 30, 21; Vish. LXI, 8; Yogayātrā II, 20 (Vish. LXI u. Yogay. II, 20–21 zeigen starke Berührungen miteinander). Wegen der Eisenkeulen der Unholde vgl. Jāt. III, 146, 2ff.


A9 Gaṇ. liest cāṭyuktyādishu kṛityeshu »beim Vortrag von (an ihn gerichteten) Schmeichelreden usw., bei Festlichkeiten (wie Hochzeiten usw.) oder bei Opfern und Festsessen.«


A10 Auch Gaṇ. hat sowohl tūryair abhihataiḥ wie arīṃs.. Dvishataḥ im letzten Çloka faßt er als Plur.: »genau wie sie mit Täuschungsmitteln zu den Feinden eindringen.« Aber ich glaube nicht, daß praviç mit dem Akk. der Pers. »zu jemand treten, sich zu jemand begeben«, irgendwo in der besseren Lit., geschweige denn bei Kauṭ., vorkommt. Müßte dvishataḥ zu praviçeyuḥ gezogen werden, dann wäre es eher Gen., etwa mit Ergänzung von antikam, gṛiham usw. Aber selbst wenn Gaṇ.'s Auslegung richtig wäre, träte durch diese letzte Strophe klar zutage, daß tūryair abhihataiḥ, dessen saha schon höchst sonderbar aussähe, falsch sein muß. Denn wenn einmal die verabredeten Instrumentensignale gegeben sind, die anderen Mitverschworenen herbeistürzen und es ein Getümmel und Gemetzel gibt, woher sollten da die Meuchelmörder weggehen, wie sie gekommen sind, der eine mit einem Schmuckkästchen, der andere mit einem Likörbehälter, der dritte mit einem Sessel in der Hand! Vgl. 392, 6–7; Übers. 611, 12–15.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 615-621.
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