Achtes Kapitel (61. Gegenstand).

Häuser und Liegenschaften.

[262] Streitigkeiten wegen Liegenschaften werden vermittelst der Nachbarn entschieden.

Haus, Feld, Garten mit Bäumen, Bewässerungsbauten,1 Teich (oder Tank)A1 und Reservoir sind Liegenschaften.

Ein eisernes Gefüge mit Pflöcken, die Ohren haben, das Haus entlang2 ist das Grenzzeichen (des Hausplatzes). Unter genauer Verwendung dieses Grenzzeichens soll man das Haus bauen lassen. Oder wenn kein solches da ist, lasse man, indem man vom Hause der anderen3 zwei Ellen (aratni) oder drei Fuß (pada) abrückt, das Gefüge am Fuße (also das Fundament) machen.

Einen wirbelnden Abzugsgraben für den Kot und einen Brunnen, wie er dem Trinkwassergemach angemessen ist (lasse man anlegen), außer dem Wöchnerinnenbrunnen, der für die Zeit der zehntägigen Unreinheit bestimmt ist.4 Wird diese Regel übertreten, dann die niedrigste Sāhasastrafe.

[262] Damit sind auch die Vorkehrung für das Abspalten von Brennholz, die Anstalten für frohe Festlichkeiten und die Abflüsse für das Wasser,5 in welchem Reis gekocht worden ist, angedeutet.

Drei Fuß zurückweichend oder auch um anderthalb Ellen ihn (gegen das Innere des Hauses) hineinverlegend, soll man einen heftig fließenden Wasserweg oder Abzugsgraben oder Absturz machen lassen.6 Bei Übertretung dieser Regel beträgt die Strafe 54 paṇa.

Einen Fuß (pada) zurückweichend oder eine Elle, soll man die Feuerstätte (den Feuerherd) mit einem Fundament von vier Kreisfuß anbringen, einen Standort (ein Gestell) für das Wasserschöpfgefäß, die Kornmühle und die Vorrichtung zum Stoßen des Reises. Bei Übertretung dieser Regel betragt die Strafe 24 paṇa.7

[263] Immer soll zwischen zwei Bauten oder zwischen zwei vorgebauten Gemächern (oder Schuppen)8 ein kishku (= 32 aṅgula) oder drei Fuß oder pada (d.h. 42 aṅgula) Zwischenraum (antarikā) sein. Und zwischen je zweien sollen die Dachtraufen 4 aṅgula von einander abstehen oder auch aufeinander liegen. Die Seitentür soll man einen kishku weit machen, so daß in dem Zwischenraum, wenn sie weit geöffnet wird, kein Zusammenstoßen stattfindet.9

Für die Helligkeit lasse man ein kleines, oben befindliches10 Fenster machen. Das soll man zumachen, wenn niemand zu Hause ist.11

Oder die Hausherren mögen sich zusammentun und es machen lassen, wie sie es wünschen, und ausschalten, was sie nicht wünschen.

Und man soll (das Haus) so machen lassen, daß es von der vānalaṭhī aufwärts mit dauerhaften Strohmatten gedeckt ist, und daß die Fugen nicht rinnen.12 Dies aus Furcht vor Schädigung durch den Regen. Bei Übertretung die erste (oder niedrigste) Sāhasastrafe; ebenso bei unnatürlicher13 Versperrung von Fenstern und Türen, abgesehen von Hauptstraßen und Fahrwegen. Ferner wenn jemand die anderen draußen vor dem Haus durch den (verkehrten) Gebrauch (bhoga) von Kotgrube, Treppe (sopāna), Abzugskanal, Leiter oder Abfallhaufen beeinträchtigt und wenn er sie am Gebrauch (dieser Dinge) [264] verhindert. Schädigt er des anderen Mauerwand durch Wasser, so beträgt die Strafe 12 paṇa14 Bei Schädigung durch Urin und Kot das Doppelte.

Der Abzugskanal muß frei sein, wenn es regnet. Sonst beträgt die Strafe 12 paṇa.

(Ebenso beträgt die Strafe 12 paṇa) wenn jemand, nachdem ihm gekündet worden ist, doch noch in einem Hause wohnt, und wenn einer die Vermietung über den Haufen stößt (einen Mieter hinausjagt),15 außer wo es sich um Beleidigungen, Diebstahl, Raub, Ehebruch oder ungehörige Benutzung handelt. Wenn einer von selber auszieht, soll er den Rest der Jahresmiete zahlen.

Wenn jemand bei einem (von mehreren) gemeinsam zu benutzenden16 Gebäude nicht seine Mithilfe gewährt, oder wenn jemand die gemeinsame Benutzung bei einem (solchen) Hause hindert, beträgt die Geldstrafe 12 paṇa; wenn er sie unmöglich macht,17 das Doppelte davon.

Mit Ausnahme von Kornhaushöfen, wird die gemeinsame Benutzung des Feuerschuppens und des Enthülsungsschuppens und aller offen stehenden Gebäude vorgeschrieben.18

Fußnoten

1 Setubandha. In dieser Bedeutung bei Kauṭ. ja sehr häufig und wegen der Zusammenstellung mit taṭāka und ādhāra wohl auch hier so gebraucht. Aber es bezeichnet daneben überhaupt eine Bauanlage. So z.B. Kauṭ. 170, 19; 173, 15. Vgl. dharmasetu, eine als frommes Werk errichtete Bauanlage, vielleicht manchmal eine Brücke, aber sicherlich nicht nur eine solche (171, 1, vgl. 170, 19; MBh. III, 207, 6; XIV, 43, 17). Danach Sham. hier »building of any kind«.


2 Oder: »je nach dem Haus«, das man bauen will, als eine Art Abzäunung herumgezogen; vielleicht ähnlich unserem vor dem Bau errichteten Stangengerüst, das da anzeigt, wie groß der Bau werden soll. Setu, das schon soviel Schwierigkeit gemacht hat, ist gebraucht wie 168, 14–16; 18–19; 169, 1.A2


3 Oder vielleicht besser mit der Lesart parakuḍyād: »von der Wand (der Mauer) der anderen«. Vgl. die Parallelstellen bei Jolly, ZDMG 67, 62, die ebenfalls parakuḍya haben. Ich lese: parakīyād (parakuḍyād) avakramya dvāv aratnī tripadīm vā pāde bandhaṃ kārayet. Zwei Ellen (aratni) sind 48 aṇgula (3 engl. Fuß), 3 »Fuß« (pada) 42 aṅgula oder 2 engl. Fuß 71/2 Zoll.


4 Natürlich kann der zu solch unreinem Zwecke benutzte nicht dem gewöhnlichen Gebrauche dienen.A3


5 Wörtlich: Wasserweg, Wasserzufuhr oder -abfuhr, Wasserleitung. Vgl. das gleich folgende udakamārga Zeile 11, das 170, 17 wiederkehrt. Ich lese unter Benutzung von B tenendhanāvaghātanam, kṛitaṃ kalyāṇakṛityeshv ācāmodakamārgāç ca.


6 Oder vielleicht doch: »den heftig fließenden Wasserweg oder den Abzugsgraben oder den Absturz«. Ich lese adhyardham. Hier muß der Bauherr also 48 aṅgula oder 36 aṅgula von der Mauer ab die Toilette einrichten lassen.


7 Einen Fuß (pada, d.h. 14 aṅgula) oder eine Elle (24 aṅgula) von der äußernn Hauswand entfernt, sind also diese Dinge anzubringen. Kātyāyana schreibt vor: »Das Rad für das Wasser, das Kot und Urin wegführt, und die Grubenanlage für das Feuer soll man zwei Ellen von der Mauerwand der anderen entfernt anbringen«. Das Wirbelwasser der Spülung wurde also vermittelst einer Radvorrichtung in Bewegung gesetzt. Auch Nārada redet von Wirbelrinnsalen der Abortgrube. Bei Baudhāyana heißt es: »Der Abort, die Mauerung für den Feuerherd und die Ausgießung der Grube, der Speiseabfälle usw. darf niemals allzu unmittelbar bei der Mauerwand der anderen gemacht werden.« Siehe die Textstellen bei Jolly, ZDMG 67, S. 62 und vgl. Jolly, Recht und Sitte S. 95 unten. Cakricatushpadasthānam ist ganz unklar und die Übersetzung im Text also höchst ungewiß. »Vier dem Kreis angehörige Fuß« könnte den Kreisumfang oder den Kreisdurchmesser bezeichnen. Im ersten Fall kämen nur etwa ein engl. Fuß heraus, völlig genug für ein einzelnes Feuerloch. Aber ist sthāna hier wirklich Fundament, dann könnte nur die ganze Anlage gemeint sein. Legen wir da den Kreisdurchmesser zugrunde, dann erhalten wir 31/2 engl. Fuß, also zu viel, Außerdem ist nur cakrin »mit Kreis oder Rad (Rädern, Wagen usw.) versehen« bekannt. Oder: »der runde auf vier Füßen ruhende Feuerherd«? Auch das will nicht passen. Überdies hätten wir dann wohl etwa adhishṭhāna (vgl. 104, 11–12), wie auch catushpadī, (nach ekapadī und tripadī im Vorhergehenden) erwartet werden dürfte, wenn wirklich das Maß gemeint wäre. Also sieht man sich zu catushpada Vierfüßler gedrängt, und Sham. übersetzt wirklich: »Der Ort für zweifüßige oder vierfüßige Tiere«, scheint also dvicatushpada, zu lesen. Vielleicht muß pakshi für cakri eintreten, denn einerseits werden c und v und andererseits p und v viel vertauscht. Dann: »soll man den Ort für Gevögel und Vierfüßler, den Feuerherd, den Stand für das Wasserschöpfgefäß ... des Reises anbringen«. Statt cakri hat Sham. in der 2. Textausg. die var. lect. cakra »das Rad«(?). Vgl. die Nachträge. Udañjara mag aus einer Verquickung, von udañcana und alañjara hervorgegangen sein. Die Nebenform aliñjara findet sich auch MBh. III, 187, 11. Rocanī »Kornmühle« ist, wie ich schon dargelegt habe, kaum in dem uns geläufigen Sinn eines Zermalmungsgerätes, das Mehl erzeugt, sondern in einem weiteren Sinne zu verstehen, wie denn seine Herkunft von rocayati (wenn diese Ableitung richtig ist) auf das Hellmachen oder Glätten deutet. Ihr läge also ob, was man heute in Indien »to mill the rice« nennt.A4


8 Wörtlich: eine in einem Vorgeworfenen bestehende, also eine vorgeworfene, vorgeschobene çālā. Dies Wort bedeutet oft einen Schuppen, auch einen Stall, aber auch ein Gemach im Hause. Es handelt sich also um einen Vorbau oder Anbau.


9 Grammatisch am einfachsten wird die Stelle, wenn man einen Punkt hinter āṇidvāram setzt. Aber es geht auch ohne ihn. Wörtlich etwa so: »Einen kishku messe die Seitentür. In dem Zwischenraum (zwischen den zwei Häusern) führe man, damit die Stücke weit geöffnet werden können, kein Zusammenstoßen herbei«. Die Stücke oder Teile wären da die beiden Flügel oder Blätter der Türe. Aber eine Seitentür wird kaum zwei Flügel gehabt haben, und Seitentür bedeutet doch āṇidvāra, ob man es nun als »Ecktür« oder »Grenztür« faßt. Vgl. 53, 16 und meine Anm. dazu. Also ist wohl »stückoffen« (khaṇḍhaphulla) einfach gleich unserem »angelweit geöffnet«, mithin in allen Teilen geöffnet, ganz geöffnet.


10 Ūrdhva könnte auch heißen: »in die Höhe gehend, – sich erstreckend«. Dann hätten wir wohl ein schmales und hohes Fenster. Aber die Übersetzung im Text liegt in der Sache nach näher.


11 Dieser Satz nicht in unserem Text, noch bei Gaṇ., wohl aber in B. Er wird echt sein. Tod avasite veçmani chādayet: »dieses soll er zudecken, wenn das Haus avasita ist«. Vollendet kann avasita hier nicht heißen, vielleicht aber über »abgelöst, befreit«, dann »ungebraucht, unbesetzt«. Oder man lese avāsite »unbewohnt«.A5


12 Wörtlich: »oberhalb der vānalaṭhī soll mans machen lassen, gedeckt mit Strohmatten, deren Gebrauch (Funktion, Dienst) nicht weggenommen werden kann (d.h. die in ihrer Brauchbarkeit oder Tauglichkeit durch nichts beeinträchtigt werden, lies ahāryabhoga) oder mit einer nicht rinnenden Teilung« (daß also zwischen den Strohgeflechten oder Strohschauben kein Regen durchdringt). Statt vānalaṭhī (in den Texten übrigens vānalaṭī) bietet sich mir nichts dar als vānalaṭṭhī. Laṭṭhī ist bekanntlich prakritisch für yashṭi. Von den verschiedenen vāna kämen hier wohl in Betracht: 1. Weberei, Gewebe, 2. getrocknete Baumfrüchte. »Webestange« wäre denkbar als Bezeichnung einer Stange, die für das ganze Gewebe der Strohmattenbedachung wichtig ist. Ebenso läge die »Stange für getrocknetes Obst« nicht außerhalb des Möglichen. Die vānalaṭhī wird wohl weit unten oder ganz unten am Dach sein. Vgl. die Nachträge.A6


13 Oder: widerwärtiger (pratilomadvāra-). Vielleicht eher: »Bei Beeinträchtigung durch unnatürliche Fenster oder Türen«.A7


14 So muß wegen der Stellung des ca übersetzt werden. Nach dem sonstigen Satzbau, wie wohl auch nach der Höhe der Strafe zu schließen, hieße es eher: »Beeinträchtigt jemand den anderen durch den Gebrauch ... und verhindert er ihn am Gebrauch (dieser Dinge) oder schädigt er des anderen Mauerwand« usw.


15 So mit dem avakrayaṇam des Textes. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach ist avakrayiṇaṃ zu lesen: »und wenn jemand den Mieter hinauswirft«. Nachträglich finde ich dies wirklich als var. lect. bei Sham. 2. Ausgabe. Vgl. avakrayin S. 145, 10 und nirasyati S. 172, 1.


16 Oder ist sāmānya wie 16, 6 = publicus öffentlich?


17 So wenn man, wie am natürlichsten ist, bhogam zu nāçayatas ergänzt. Sonst: »Zerstört (oder verdirbt) er etwas (an solchen Gebäuden«).


18 Vgl. Stein, Meg. und Kauṭ. S. 41 und dessen Verweise. Ich bin aber nur zum Teil mit ihm einverstanden. »Die agniçālās (›Feuerschuppen‹) sind jene Orte, wo das heilige Feuer aufbewahrt wurde« (Stein). Lies sāmānyo. So also nach dem Text. Er ist aber gewiß falsch. Siehe die Nachträge.A8


A1 Auch ādhāra Reservoir, See ist meines Wissens bisher nur aus ind. Lex. zu belegen. Zwar findet sich in Vish. XX, 23 der Ausspruch: Den Sand der Gaṅgā und die (herabstürzenden) Seen (ādhāra), wenn Indra regnet, kann man zählen, nicht aber die dahingegangenen Großväter eines Menschen. Aber dort muß man wohl āsāra »die Regengüsse« lesen.


A2 Die »Ohren« der Pfosten dienen natürlich als Handhaben. Nach Gaṇ. aber, dessen Auffassung wohl in allem Wesentlichen mit meiner zusammentrifft, wären karṇakīla die »Pfosten an den Ecken«. Aber kīla Pfosten kenne ich nicht. Freilich kämen hier nur eingerammte Pfähle in Betracht. Und auch das heißt ja kīla. Vgl. den Zusatz zu 71, 12. Karṇa = koṭi ist denkbar, kaum aber sehr wahrscheinlich.


A3 Meine Übertragung nimmt hier einen an sich gewöhnlichen, aber sonst bei Kauṭ. nicht vorkommenden Gebrauch von anyatra an. Weit verdächtiger noch ist in den dörflichen Verhältnissen das Trinkgemach mit dem Brunnen, selbst wenn wir es uns nicht im Hause, sondern draußen als eine Art Brunnenlaube vorstellen. Ich verbinde zu ānirdaçāha »für das bis-zu-den-zehn Tagen-Hinaussein bestimmt«, oder von a + nirdaçāha abgeleitet. Gaṇ. liest: Avaskaraṃ, bhramam, udapānaṃ vā na gṛihocitam anyatra, anyatra sūtikākūpād ā nirdaçāhāt »Abfallhaufen, Wirbelabzug oder Brunnen, die nicht für (in) das Haus passen, (soll man) anderswo (machen lassen), mit Ausnahme des Wöchnerinnenbrunnens, (der) bis zum Ablauf der zehn Tage (der Wöchnerinnenunreinheit zu gebrauchen ist).« Da gehörten also die drei genannten Dinge nicht ins Haus hinein, was zum mindesten ein sehr müßiger Zusatz wäre. Oder gṛihocitam nur zu udapānaṃ »ein solcher Brunnen, der nicht« usw.? Auch das scheint nicht natürlich zu sein. Also möchte ich gṛihocitād lesen: »Abfallhaufen, Wirbelabzug und Brunnen nicht anderswo als an einem für die Häuser schicklichen Ort, abgesehen vom Wöchnerinnenbrunnen« usw. Weil dieser ja doch nur zehn Tage lang gebraucht wird, kann man da also eigener Bequemlichkeit folgen. Die Auslegung der Stelle bei Gaṇ. trifft mit meiner zusammen, ist aber bei seinem Text grammatisch unmöglich, könnte also dem Text mit gṛihocitād entsprungen sein. Noch natürlicher wird der Satz, wenn wir annehmen, daß pāna vor gṛihocitam bei Sham. einfach durch das vorhergehende pāna veranlaßt sei, ebenso wie das anyatra vor anyatra in Gaṇ.'s Text; denn anyatra anyatra sieht arg unwahrscheinlich aus. So bekämen wir: Avaskaram, bhramam, udapānam gṛihocitam (oder udapānaṃ vā gṛihocitam); anyatra sūtikākūpād usw. »Abfallhaufen, Wirbelabzug (und) Brunnen so wie es sich für die Häuser paßt; abgesehen von« usw. Im folgenden dann: »Dasselbe gilt auch für die Vorkehrung« usw., d.h. auch dabei muß die nötige Rücksicht auf die Nachbarn genommen werden, und auch da ist die Buße dieselbe.


A4 In Zeile 24 muß Bṛihaspati statt Baudhāyana stehen. Nach Gaṇ. wäre cakristhāna der Ort für die Ziegen und die Stiere, catushpadasthāna der für die Elefanten usw. Woher cakrin die betr. Bedeutung bekäme, ist mir unerfindlich, und die armen Bauern zu Elefantenbesitzern zu machen, dürfte doch des Guten zuviel sein. Cakrin und cakrivant (oder cakrīvant) heißt nun auch Wagenfahrer und Wagenbesitzer, Fuhrmann (z.B. G. X, 33), also auch Wagentier, Zugstier. So cakrīvant Esel in Çiçup. V, 8. Anständige Stiere richten im altindischen Bauernhaus auch keinen Schaden an, noch besudeln sie den Ort mit ihren Ausscheidungen, wie das 28. Jātaka (= Chavannes, Cinq cents contes No. 335) uns mitteilt, und obwohl wenigstens den Brahmanen das Fleisch des Dorfhahns ein so großer Greuel war wie das des zahmen Schweins, so hielten doch auch sie Hähne im Hause, die die Pflicht hatten, die Leute zur richtigen Zeit wachzukrähen, wie jener schweizerische in dem berühmten Grenzwettlauf der Urner und der Glarner, den Adolf Stöber (Echtermeyer, Auswahl21, S. 595), Martin Greif (Gedichte, S. 333), Otto Ernst (Siebzig Gedichte S. 123) und wohl noch andere besungen haben. Aber was sollte nun »Vierfüßler« neben »Zugtier«? Ist also cakrin »der Beräderte« = cakrayukta (225, 7; 233, 10f.), d.h. Räderfuhrwerk?


A5 Vielleicht eher anavasite. Avasita heißt nämlich in Ā. I, 3, 9, 7 eingenommen, bedeckt, bewohnt.


A6 Gaṇ. sagt, vānalāṭi sei = varaṇḍa, d.h. Veranda. Wenn das wirklich stimmt, dann ließe sich wohl auf die Schlingpflanzenlauben der Dorfhäuser verweisen, von denen der freilich wie andere altindische und sonstige Kunstdichter das Bauernleben stark romantisierende Bhāravi in Kirāt. IV, 19 berichtet. Gaṇ. liest āvāryabhāgaṃ und wie B. avamarçabhittiṃ. Dieses soll »mit einer kleinen Wand versehen« bedeuten, könnte aber wohl nur heißen: »mit einer Berührungswand versehen«. Ich könnte mir da nur vorstellen, daß die Strohmatten oder Strohschauben, wo sie zusammenstoßen, gut aneinandergepaßt werden müssen. Avamarçabhitti wäre dann also: »ineinanderpassende Wände oder Seiten habend« – ein ziemlich sonderbarer Ausdruck wesentlich mit dem gleichen Sinne wie das sehr natürliche avamadbhakti »nicht speiende Teilung oder Fugung habend«. Vgl. zu dem Kap. auch Çukran. I, 463ff.


A7 Gaṇ. sagt: »bei Beeinträchtigung durch eine (dem Nachbarn) widerwärtige Tür oder ein ihm widerwärtiges Fenster«. Vgl. Çukran. I, 470.


A8 Folgt man Gaṇ., so heißt es: »Die gemeinsame Benutzung von Haustüren, Höfen und Abfallorten, von Küchen und Mörserschuppen, sowie von allen nicht abgeschlossenen Dingen ist vorgeschrieben.« Das ist schon in der Sache rein unmöglich. Auch zweifle ich sehr, daß koshṭhaka Haustür und varja Abfallort bedeuten könne. Auch die Lesart varcānām ist wohl nur ein verzweifelter Einfall. Denn erstens heißt es varcas, nicht varca, und zweitens bezeichnet dies nicht Abfall, sondern stercus, faeces. Mit der ganz kleinen Änderung in vrajānām, wegen dessen metrischer Zulässigkeit ich nur auf Y. I, 63 verweise, ließe sich so übersetzen: »Die gemeinsame (allgemeine, öffentliche) Benutzung der Höfe mit Wassertrögen für das Vieh und der Viehhürden (oder vielleicht eher: der Hürden, die einen Hof mit Viehtrog enthalten, oder möglicherweise: von Viehtrögen, freien Höfen und Hürden), des Feuer- und des Enthülsungsschuppens und von allen offen daliegenden Orten (also z.B. auch von uneingezäunten Weiden) wird gutgeheißen (geboten).«

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 262-265.
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