Drittes Kapitel (Fortsetzung des 59. Gegenstandes).

Von Ehesachen: Gehorsam, Erhaltung, Injurien, Haß, geschlechtliche Vergehen der Frau, Verbietung von Liebesdiensten und von Geschäftsverkehr seitens der Frau.

[246] Das Weib wird mit zwölf Jahren mündig, der Mann mit sechzehn.A1 Bei Ungehorsam (gegen solche, denen gehorcht werden muß) beträgt nach dieser Zeit die Strafe 12 paṇa für das Weib, doppelt soviel für den Mann.

Muß eine Frau auf unbestimmte Zeit (von einem Manne) unterhalten werden, dann soll er ihr sogar überreichliche Nahrung und Kleidung geben, so wie seinen männlichen Gehilfen oder noch besser. Muß er eine auf bestimmte Zeit erhalten, dann ganz das Gleiche nach zahlenmäßiger Berechnung und soll ihr eine Sicherung geben.1 Ebenso, wenn sie Brautpreis, Frauengut und Schmerzensgeld für die Überheiratung nicht empfangen hat. Ist sie aber in die Familie ihres Schwiegervaters eingetreten,A2 oder ist sie mit einem [246] Erbteil (das sie selbständig macht) bedacht worden, dann ist der Gatte nicht haftbar. Soviel über die Unterhaltung.2

Der Gatte soll seine Frau zum richtigen Betragen bringen durch solche nicht ins Einzelne gehende Ausdrücke wie: »Du Nackte, du Splitternackte, du Beschmitzte,3 du Vaterlose, du Mutterlose«. Oder er darf sie entweder mit einem abgespalteten Stück Bambusrohr oder mit einem Strick oder mit der Hand dreimal auf den Rücken schlagen. Überschreitet er diese Vorschrift, dann die Hälfte der Strafe für Verbal- und Realinjurien.A3

Dasselbe gilt für die Eifersucht einer Frau gegen den Gatten, wo offensichtlich keine Schuld vorliegt, sie (die Eifersucht) zu veranlassen.4 Die Bestrafung beim Herumlaufen außerhalb des Hauses und an den Türen so, wie sie wie im Einzelnen angegeben ist. Soviel über Injurien.

Eine Frau, die ihren Gatten haßt und seit sieben Menses einen anderen liebt, soll auf der Stelle auf das ihr Auszusetzende und auf ihren Schmuck verzichten und ihren Gatten, wenn er mit einer anderen zusammenliegt, freigeben. Oder der Gatte soll die Frau, die ihn haßt, wenn sie allein (ohne Liebhaber) bei einer Bettelnonne oder bei einem zu ihrem Schütze Verpflichteten oder bei einem Blutsverwandten ist, freigeben.5

[247] Wenn ein Mann seine Frau fälschlich beschuldigt, er habe beweisende Anzeichen wahrgenommen (daß sie ihn hasse), oder sie habe ihm den Beischlaf entzogen (und es so gezeigt), oder sie habe einer als Beschleicherin (Ausspioniererin) gebrauchten Frau von ihrer eigenen Art das Geständnis gemacht (daß sie den Gatten verabscheue), so soll er 12 paṇa zahlen.6

Nicht frei werden kann die hassende Gattin, wenn der Gatte nicht willig ist, noch der Gatte, wenn die Gattin nicht willig ist. Durch gegenseitigen Haß werden sie frei.A4

Wenn aber der Mann wegen Mißhandlung von Seiten der Frau freizuwerden wünscht, soll er ihr alles herausgeben, was sie empfangen hat. Wenn aber die Frau wegen Mißhandlung von Seiten des Mannes freizuwerden wünscht, [248] braucht er ihr nicht alles herauszugeben, was sie empfangen hat. Für Ehen, die nach den frommen Heiratsarten (d.h. den vier ersten) geschlossen worden sind, gibt es keine Auflösung.

Wenn eine Frau, der es verboten ist, sich in übermütiges Spiel oder in Trinkvergnügen einläßt, soll sie 3 paṇa Strafe zahlen. Geht sie (trotzdem daß es ihr verboten ist) bei Tage zu einer Vorführung oder einem Vergnügen für Frauen, so zahlt sie 6 paṇa Strafe. Geht sie zu einer Vorstellung oder einem Vergnügen für Männer, 12 paṇa. Bei Nacht (in beiden Fällen) das Doppelte.7A5

Wenn der Gatte die schlafende oder berauschte Gattin liegen läßt und von ihr weggeht, oder wenn er ihr die Tür verweigert (sie nicht ins Haus läßt), 12 paṇa Strafe. Jagt er sie bei Nacht hinaus (aus dem Haus), das Doppelte.8

Wenn eine Frau und ein Mann gegeneinander Körperbewegungen machen mit der Absicht auf die geschlechtliche Vereinigung oder im Geheimen (auch) ein anständiges Gespräch führen,9 beträgt die Strafe für die Frau 24 paṇa, für den Mann das Doppelte.

Bei Anfassung an den Haaren, dem Gürtel, den Zähnen, den Nägeln10 die niedrigste Sāhasastrafe; für den Mann das Doppelte. Bei Unterhaltung an einem verdächtigen Orte an Stelle der paṇa die Peitschenstrafe. Den Frauen soll ein Caṇḍāla in der Mitte des Dorfes fünf Peitschenhiebe auf die andere Seite (den Hintern oder den Rücken, pakshāntara) geben. Oder sie mag die Schläge mit Geld ablösen.11

[249] Soviel von den Vergehungen der Frau.

Wenn eine Frau und ein Mann, denen es verboten ist,A6 einander einen Liebesdienst erweisen, beträgt die Strafe für die Frau bei (einem Dienst mit) geringen Sachen 12 paṇa, bei bedeutenden oder umfangreichen Sachen 24 paṇa, bei gemünztem und ungemünztem Gold 54 paṇa. Für den Mann (in allen Fällen) das Doppelte. Dieselben Strafen zur Hälfte, wo es sich um zwei handelt, die nicht miteinander Geschlechtsverkehr haben können (nahe Verwandte sind).

So auch bei geschäftlichem Verkehr (der Frau) mit verbotenen Männern. Soviel von Verboten.

Durch feindselige Handlungen gegen den König und durch geschlechtliche Vergehen, sowie durch eigenwilliges Davonlaufen geht die Frau des Eigentumsrechtes auf Frauengut, Zugebrachtes und Kaufpreis verlustig.

Fußnoten

1 Bandha, eine Haftung, eine Haftungssumme oder ein Pfand. Vgl. 169, 7 und bes; 170, 10.


2 Oder in gewöhnlichem Deutsch: »von den Alimenten«. Mit bharmaṇyā Alimentierung vgl. garbhabharmaṇya, 183, 5. – Yathāpurushaparivāpaṃ könnte an sich auch übersetzt werden: »wie es der Ausstattung des Mannes (mit Mitteln des äußeren Behagens, wie Hausgerät, Dienerschaft usw.) entspricht«. Da wäre Sham.'s »in proportion to the income of the maintainer« dem Sinne nach ziemlich richtig. Aber purushaparivāpa ist sonst bei Kauṭ. die Ausrüstung mit Männern, die männliche Gehilfenschaft, die Dienerschaft. So z.B. 118, 4; wohl auch 30, 6. Vgl. 254, 17. Nach Jolly freilich stünde parivāpa bei Kauṭ. als regelrechter Ausdruck für Einnahme oder udaya (ZDMG 67, 93). Das stimmt aber keineswegs. Sodann hieße es doch allzuviel verlangen, wenn der Mann über seine Mittel der Frau auszahlen sollte. Die Amerikanisierung, die jetzt alle Welt beleckt, hatte sich auch in diesem Punkte auf Altindien nicht erstreckt. Freilich heißt das bei Kauṭ. ziemlich häufige saviçesham auch: »besser als sein muß«. Aber das ist hier wegen des vorhergehenden adhikam nicht möglich.


3 Nyaṅga also hier Adj.; von ni und añj draufschmieren. Nyaṅga Beschmutzung, Makel, Schande findet sich z.B. 376, 9; Rām. VI, 115, 16; Nār. XV–XVI, 1.


4 Grammatisch betrachtet, läge näher: »dasselbe gilt für (bei) Eifersucht gegen eine Frau, die offensichtlich (bekanntermaßen) gegen ihren Gatten schuldlos ist«. Aber dem Anschein nach gehört dieses halbe Dutzend Wörter enger mit dem Folgenden als mit dem Vorhergehenden zusammen. Sicher ist wohl nur, daß man schon wegen des folgenden Loc. īrshyāyām lesen muß, obwohl ja dem Sinn auch der Gen. einigermaßen Genüge tut (īrshyāyāh, weil am Ende des Satzes). Versteht man das. Sätzchen, wie oben im Text geschehen ist, dann jedenfalls adoshāyām īrshyāyām. Vgl. B und 32, 14; 133, 18.


5 Oder nach B: »Die Frau, die ihren Gatten haßt, soll sich sieben Monatsflüsse lang nicht schmücken (und so den Gatten nicht anlocken [vgl. Elsie Clews Parsons, The Old-Fashioned Woman, New York und London 1913, p. 268] noch bei ihm liegen) und dann auf der Stelle« usw. Die Übersetzung ist auch sonst unsicher. B liest dvishan statt dvishat. Es befremdet nun in der Tat, daß der Fall nicht besprochen wird, wo der Mann die Frau haßt, auch wäre statt des ja möglichen dvishatstriyam zu erwarten: dvishatīṃ striyam (vgl. Zeilen 5 und 13). Aber gliedert doch am natürlichsten etwas Neues über die hassende Gattin an, und sollte jetzt der hassende Ehemann aufgeführt werden, so wäre nach dvishatī strī das Natürliche ein dvishan bhartā und dieses schon am Anfang des Satzes. Also müßte man dann wohl hinter einen Punkt einfügen und das Sätzchen zum Vorhergehenden ziehen: »Oder im Hause irgendeines der Folgenden: einer Bettelnonne, eines zu ihrem Schutz Verpflichteten oder eines Blutsverwandten (soll die Hassende ihn freigeben). Haßt der Gatte (seine Frau), dann soll er sie, wenn er nur die eine hat, freigeben«. Da wären augenscheinlich der Frau zwei Möglichkeiten eröffnet: Sieht sie, daß der Verabscheute ihr obendrein noch untreu ist, dann mag sie ihm ohne weiteres den Laufpaß geben. Sonst flüchte sie sich in das Haus eines der Genannten und besorge die Sache von da aus und wohl durch Vermittlung des Bezeichneten. Aber nötig ist eine besondere Angabe betreffs des hassenden Gatten nicht geradezu. Denn er genießt ja ein viel größeres Maß von Freiheit als das Weib. So hält Manu IX, 77 es nicht der Mühe wert, über des Gatten Verhalten etwas zu sagen im Falle, daß er sein Gemahl haßt. Abādhijñāti, die Lesart von B, kann kaum einen »einwandfreien Verwandten« bedeuten, wie Jolly meint. Anvādhi kehrt 157, 15 in ähnlicher Verbindung wieder und ist da ebenso dunkel. 179, 3 hat es seine bekannte Bedeutung. Von dieser aus viel leicht: »ein zum Dienste oder Schütze eines anderen Verpfändeter oder Verpflichteter«. Möglich schiene auch: »eine nachfolgende Zulage«, d.h. ein der Verheiratung nachfolgender, also angeheirateter Verwandter, so wie anvādheya Gut bezeichnet, das der Frau nach ihrer Verheiratung von den Verwandten ihres Mannes gegeben worden ist. Also vielleicht besser: »bei einer Bettelnonne oder bei einem angeheirateten Verwandten«.A7 Anuçaya ist bei Kauṭ. häufig in dem Sinne: »Zurücktreten von einem Geschäft«. So anuçi c. acc. wohl zurücktreten von jemand, jemand freigeben.


6 In dem Zusammenhang ist die Rede von der Abneigung des einen Gemahls gegen das andere. So wird also auch dieser Satz davon handeln müssen. Lies dṛishṭaliṅge mit der Var. in Sham.'s zweiter Textausgabe. Liṅga, »das Zeichen« ist hier entweder gebraucht wie in der Nyāya-Vaiçeshikaphilosophie, mit deren Kunstausdrücken das Arthaçāstra auch sonst Berührungen aufweist, und in der z.B. der Rauch das liṅga, d.h. das Anzeichen oder der Beweisgrund ist, daß Feuer da sei. Oder es mag dem liṅga der Rechtssprache gleich sein, in der es Umstandsbeweis bedeutet. Maithunāpahāra muß mit bhogāpahāra 125, 4 zusammengehalten werden. Es bezeichnet die widerrechtliche Vorenthaltung oder Verweigerung des Beischlafs. Apasarpa hat Kauṭ. öfters in dem Sinne von Beschleichung, Ausspionierung usw. seltener in dem Sinne von Spion. Anders wird das Wort auch hier nicht verwendet sein, ob als Abstr. oder als Konkretum, läuft auf das gleiche hinaus. Wegen Upagacchati concedere einräumen usw. und upagata = pratijñāta vgl. PW sub voce und abhyupagama Einräumung. Upagama freilich ist in dieser Bedeutung noch nicht verzeichnet. Also wohl: »Herantretung an –, Hineinfallen auf –, oder Eingeständnis bei der Beschleichung«. Vgl. auch 286, 2; 289, 16; 243, 2. Mit dushṭaliṅge hieße es: »wenn er sie fälschlich beschuldigt, daß das Merkmal oder der Beweis (ein Merkmal) des Fehlerhaften, der Untreue, oder vielleicht eher: des Verdorbenen, Hasserischen vorliege«. Es wird sich dies also dann nicht auf einen ehehinderlichen Fehler (dosha) beziehen, sondern auf die Entfremdung, den Verrat oder den Haß von seiten der Gattin.A8


7 Möglich, ja am Ende besser: »eine Schaustellung (Vorführung) oder ein Vergnügen durch Frauen, bzw. durch Männer«, d.h. von ihnen dargeboten.


8 So nach dem Texte. Aber auch bei diesem müßte wohl suptā- statt supta- eingesetzt werden. So könnte man geradesogut suptamattapravrajane lesen. Der Sache nach klänge das natürlicher (vgl. Manu IX, 78), obschon auch das andere nicht unwahrscheinlich ist; denn der Gatte hat unter allen Umständen die Pflicht, seine Frau zu schützen. Dann: »Wenn eine Frau ihren schlafenden oder berauschten Gatten liegen läßt und von ihm weggeht, und wenn sie ihm die Türe versperrt, 12 paṇa. Wenn sie ihn bei Nacht hinausjagt (nach B: wenn sie selber bei Nacht hinausläuft), das Doppelte.« Vgl. Mann IX, 78 ff. Selbstverständlich muß adāne gelesen werden.A9


9 Aber rahahçīla »das Ding mit der geheimen Eigenart« mag eine der vielen ähnlichen Umschreibungen für Koitus sein, und in den Zusammenhang paßt doch wohl besser: »oder sich zusammen wegen der Lustvereinigung bereden«. Ähnlich die Variante in der zweiten Textausgabe und bei Gaṇ. raho 'çlīla- »im Geheimen unsaubere Reden führen«. Wie 158, 9 zeigt, ist maithunārthenāṅga- zu lesen. So haben denn auch B und Sham. als var. lect. in der zweiten Textausgabe.A10


10 Danta (Zähne) sieht sonderbar aus. Vielleicht ist hasta einzusetzen: »an der Hand, an den Fingerspitzen« (nakha). »Anpacken mit den Zähnen oder den Nägeln«, d.h. Beißen und Kratzen, die indische Begleitung zum Lustgenuß, stimmte nicht recht mit dem Übrigen und der zu geringen Strafe.


11 Vgl. 125, 1–2; Manu VIII, 369. Paṇikaṃ vā prahāraṃ mokshayet kann nur heißen: »Sie mag jeden Schlag mit einem paṇa ablösen«. Das wäre aber zu wenig in Anbetracht der anderen Strafen. Vermutlich ist vor paṇikaṃ ein Zahlwort weggefallen. Nach 125, 1 wäre es wohl pañca fünf. Vgl. die Nachträge.A11


A1 Vgl. N. I, 35f.: »Bis zum achten Jahr ist der Mensch einer Frucht im Mutterleibe gleich; von da an bis zum sechzehnten Jahre heißt das männliche Kind Knabe (pogaṇḍa). Von hier ab ist er handlungsfähig und selbständig, wenn er ohne Eltern ist.« Bis zur Einführung beim Lehrer ist das Kind unverantwortlich, unfähig zu religiösen Handlungen, gleich dem Çūdra, d.h. dem nicht durch den Veda Wiedergeborenen. Da darf es seinem eigenen Wunsch und Drang folgen, was Verhalten, Reden, Essen und die Verrichtung der Notdurft angeht, d.h. da braucht es nicht die Unzahl von Vorschriften zu beobachten, welche magische Gefahren abwenden und die religiöse Reinheit aufrecht erhalten oder wieder herstellen. B. I, 2, 7 = 1, 2, 3, 6; Ā. II, 6, 15, 17–25; Vas. II, 6; M. II, 171–172; G. H, 1f; Vish. XXVIII, 40. Daß das Mädchen schon mit zwölf Jahren geschlechtsreif ist, hören wir oft in Alt- und Neuindien. Siehe z.B. mein Daçakumārac. 274; Devendra Das, Sketches of Hindu Life 91. Trotzdem sind die Heldinnen der Literatur durchweg älter. Mit 15 oder 16 Jahren ist das Weib am schönsten, wie Majjh.-Nik. I, 88 erklärt, und nach Gauḍavaha 752 und dem Schol. dazu ist das Mädchen mit 16 Jahren aus dem Kindesalter völlig herausgetreten. Sogar »ungefähr 18 Jahre alt« ist Vāsavadattā in Subandhus Roman (ed. Jib. Vidyās. S. 36, Z. 2 von unten; Gray S. 58). Die Çukran. erklärt, das Weib sei mit 16 Jahren vollkommen entwickelt, der Mann mit 20 (IV, 4, 374, vgl. IV, 7, 307. Aber in III, 334 gilt offenbar das Mädchen mit 12, der Sohn mit 16 Jahren als erwachsen). Nītiv. 128, 14 stimmt fast wörtlich mit Kauṭ. überein.


A2 »In die Familie ihres Schwiegervaters eingetreten« klingt sehr merkwürdig. Das geschieht ja schon durch die Heirat des Weibes. Oder heißt das: Wenn die Frau einen anderen Bruder heiratet? Da bliebe sie aber einfach in des Schwiegervaters Familie. Oder soll man kula mit »Haus« übersetzen, so daß sie also zuerst einem Bruder außerhalb des väterlichen Hauses und darauf einem in diesem selber angehörte? Auch das befriedigt nicht. Am nächsten stünde – kulāpravishṭāyām statt -kulapravishṭāyām: »wenn sie nie in die Familie ihres Schwiegervaters (also ihres Gatten) eingetreten ist«. Es würde sich da um die Erbtochter oder putrikā handeln. Ihr Sohn gehört ihrem Vater und ist nach MBh. XIII, 23, 20 verachtet als einer, der nicht zur Familie seines Vaters zählt, sondern von der seiner Mutter lebt (pitṛigotrād bhrashṭo mātṛigotropajīvī). Haftet schon in anderen Ländern an dem Manne, der sich in Haus und Habe seiner Frau hineinheiratet, ein Makel, so in Altindien besonders auch aus dem Grunde, daß er ja sein eigenes Heil in der anderen Welt aufs Spiel setzt. Vielleicht richtet sich gegen geringschätzige Behandlung eines solchen »Eingeheirateten« auch M. IX, 135, wo ihm das Erbe der sohnlos gestorbenen Erbtochter zugesprochen wird. Alimente zu zahlen aber hat er gegenüber seiner ja selbständigen Frau natürlich weder Pflicht noch Recht.


A3 Wenn ein Mann seine Gattin mit ehrenrührigen Schimpfwörtern belegt, muß er seine Sünde vor der Brahmanenversammlung bekennen und sonst sein Vergehen abbüßen. Parāçara XII, 56f. Vgl. Weib 363, Anm. 3. M. VIII, 299–300 schreibt vor: »Gattin, Sohn, Sklaven und leiblichen Bruder (jedenfalls: solange dieser nicht erwachsen ist) ... soll man mit einem Strick oder einem Stück Rohr züchtigen. Aber nur auf der Hinterseite ...; sonst ist die Schuld die gleiche wie bei Diebstahl.« Da also hier die Gattin und der Schüler zusammengestellt werden, so darf gewiß auch das hierher gezogen werden, was die Smṛiti von der Bestrafung des Vedaschülers im besonderen sagt. Ā. I, 2, 8, 29–30; N. V, 13f.; G. II, 42–44; Vish. LXXI, 81f Aber G. schärft ein, nur wenn es nicht anders gehe, dürfe zu körperlicher Züchtigung gegriffen werden. Vereinzelt stehen Aussprüche, wie der von Agnipur. CLXX, 5 (Dutts Übers. S. 659): Wenn unter der Züchtigung Weib, Sohn oder Schüler stirbt, so ist der Züchtiger nicht schuldig. Nach der Rechtsliteratur muß der König den Lehrer strafen, auch wenn er den Schüler anders, als eben angegeben, züchtigt. N. V, 14; G. II, 44 usw.; vgl. M. VIII, 300. Erinnern wir uns, daß nach altem deutschen Recht der Mann seine Gattin züchtigen, verkaufen und töten darf. Grimm, Rechtsaltert.4 I, 621. Auch verschenken durfte er sie, aber nicht vermieten. Max Bauer, Die Dirne und ihr Anhang (1912) S. 10. Die Vermietung wäre halt ein Fleck auf seiner Ehre gewesen.


A4 Nach N. XII, 90 ist es eine Sünde, wenn Mann und Frau, die einander hassen, sich scheiden, es sei denn, das Weib begehe Ehebruch.


A5 vgl. M. IX, 84: »Ist es einer Frau verboten und trinkt sie dennoch Rauschtrank, sei es auch an Festen zur Feier glücklicher Ereignisse, oder geht dennoch zu Schaustellungen (prekshā) oder Zusammenkünften (samāja), dann soll sie 6 kṛishṇala, Buße bezahlen.«


A6 Vgl. Y. II, 285.


A7 Gaṇ. sagt, anvādhi sei = strīdhanādhishṭhātar der Verwalter ihres Frauenguts. Eine Erklärung des Wortes wird das kaum sein.


A8 Wie dushṭa hier zornig, haßerfüllt heißt, so z.B. in Y. I, 306 und MBh. VIII, 62, 20, und so wird es auch in N. XII, 36 zu verstehen sein.

Es heißt da also disaffected, erbost, feindselig, und die ganze Stelle so: »Wenn ein Mädchen an einer abscheulichen Krankheit leidet, körperlich mißbildet ist, Umgang mit einem Mann gehabt hat, den Freier haßt und wenn sie einen anderen liebt – das sind die Fehler des Mädchens.« Anyagatabhāvā kann natürlich nur bedeuten: deren Wesen, Sinn, Herz, Neigung auf einen anderen gerichtet ist. Eine anyagatabhāvā anyabhāvagatā, anyakāmā, anyasaktā, paracintanī oder anyamānasā ist nämlich auch nach dem Epos mit einem schlimmen Fehler (dosha) behaftet, und niemand wird sich einfallen lassen, sie als Gattin in sein Haus zu führen. Siehe MBh. V, 174, 7; 176, 51; 177, 35; 178, 45; K. I, 109, 66–75. Vgl. auch MBh. XII, 96, 5. Nach der Smṛiti nun soll Braut oder Bräutigam los und ledig sein, wenn sich vor der Heimführung am einen oder am anderen ein Fehler herausstellt. Nach der Heimführung aber gesteht sie meines Wissens nirgends eine Trennung auf Grund von Abneigung oder anderweitiger Liebe zu. Dem Kauṭ. näher als die Smṛiti rückt da z.B. Hamurabi, dessen Gesetze über Mann und Weib, wie nicht minder andere von ihm, öfters bemerkenswerte Entsprechungen darbieten. Nach dem altbabylonischem Recht soll die Frau, die den Gatten haßt und dabei selber tadelfrei ist, während der Mann sie verleumdet hat, samt ihrem Weibergut losgegeben werden (§ 142).


A9 Gaṇ. hat suptamattapravrajane. Die Übersetzung in der Anmerkung wird also die richtige sein. Übrigens brauchte im Text supta – nicht in suptā geändert zu werden. Vgl. z.B. N. XII, 43; Vish. XXIV, 26.


A10 In Ā. I, 1, 3, 14 muß man wohl arahaḥçīlaḥ statt rahaḥçīlaḥ lesen (»er fröne nicht dem Sichverstecken«). Also am Ende wohl nur: »oder ein Gespräch von geheimer Art (oder einfach: ein Gespräch im Geheimen) führen.« Den folgenden Satz bespreche ich in meiner Schrift: »Über das Wesen« usw.


A11 Wunderlich schiene es da, daß des Mannes Strafe unbestimmt bliebe. Geringer würde der Anstoß, wenn man den Punkt hinter strīṇām setzte: »Bei Unterhaltung ... die Peitschenstrafe für die Frauen. In der Mitte des Dorfes soll ein Caṇḍāla ihnen fünf Peitschenhiebe« usw. Paṇasthāne könnte nun auch heißen: »auf die Stelle des paṇa«, d.h. auf den inneren Teil der Vorderfinger. Das wären also »Tatzen«. Dann pakshāntaram (oder pakshāntare, wie Gaṇ. liest): »auf jede Hand«? Gaṇ. sagt nun zwar: pakshāntare = ekaikapārçvāvakāçe und Sham. »on each of the sides of her body«. Aber sonst heißt der vieldeutige Ausdruck dies halt nicht. Also pakshānyataram? Wohl aber könnte pakshāntare bedeuten: »im Abstand von einem Halbmonat je fünf Rutenstreiche«. Das ergäbe zwar ein langes Vergnügen für die Zuschauer, entspräche aber nicht sonstiger Gepflogenheit. Auch bekämen wir so keine glatte Rechnung; denn wir müßten ja jetzt aus dem vorhergehenden sūtra die der niedrigsten Sāhasastrafe entsprechenden 48–96 Rutenstreiche in unser sūtra hineinergänzen. Also pañcaçiphām dadyāt »soll ihr eine Peitsche aus fünf Çiphāwurzeln oder -fasern geben«? Vgl. M. IX, 230 und Rāghavānanda dazu in Bühlers Übersetzung. Da würde die Bahn frei: 48–96 Streiche, dem Mann wohl das Doppelte, und jeder Streich kann mit einem paṇa abgelöst werden.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 246-250.
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