Siebentes Kapitel (Fortsetzung des 60. Gegenstandes).

Einteilung der Söhne.

[259] Der in das Besitztum (die Gattin) eines anderen gestreute Same gehört dem Besitzer des Feldes. So die Lehrer.

»Die Mutter ist nur der Schlauch. Wessen der Same, dessen das Kind.« So andere.

Beides entspricht der Wirklichkeit.1 Also Kauṭilya.

Der vom Manne selber mit einer Frau, an der die heilige Handlung (d.h. das regelrechte Ehesakrament) vollzogen worden ist,2 erzeugte Sohn ist der leibliche. Dem gleich steht der Sohn der Erbtochter und der von einem Beauftragten, sei es einer vom selben gotra3 oder von einem anderen gotra, auf dem Felde des Mannes erzeugte, der feldgeborene Sohn. Wenn sein Erzeuger sonst keinen Sohn hat, so hat dieser zwei Väter oder zwei gotra; ihm kommt die Darbringung der Totenspenden und die Hinterlassenschaft der beiden zu. Von derselben Art wie er ist aber der im Hause von Verwandten heimlich (im Ehebruch) entstandene, der heimlich gezeugte. Der von seiner Verwandtschaft (bes. von Mutter und Vater) Verlassene, der Ausgesetzte, ist der Sohn dessen, der die Sakramente an ihm vollzieht. Die Leibesfrucht des (unverheirateten) Mädchens ist der Jungfernsohn. Die des Weibes, das als Schwangere heimgeführt worden, ist der Mitgeheiratete; der einer Wiederverheirateten ein Witwensohn.A1

Der leibliche Sohn ist der Erbe auch der Verwandten seines Vaters.4 Der von einem anderen gezeugte (parajāta)A2 nur dessen, der die Sakramente an ihm vollzieht, und nicht der Verwandten. Von gleicher Art wie er ist der von Vater und Mutter mit Wasser (d.h. in regelrechter Schenkung) hingegebene Sohn, der datta (der geschenkte). Der Sohn, der von selber oder durch seine Verwandten zur Sohnschaft gekommen, ist der zugekommene; der in die Sohnschaft eingesetzte5 ist der gemachte; der käuflich erworbene ist der gekaufte.

Ist aber später ein leiblicher Sohn geboren worden, so bekommen die übrigen Söhne, die von der gleichen Kaste (oder Gesellschaftsklasse wie der Vater) sind, nur den dritten Teil des Erbes, die von ungleicher Kaste Nahrung und Kleidung.

Von gleicher Kaste oder Klasse (savarṇa) sind bei Brahmanen und Kshattriya die Söhne von Frauen aus der nächsten Kaste (d.h. von Frauen, [260] die nur um eine Kaste niedriger stehen als der Mann); die (von Frauen) aus der zweitnächsten sind von ungleicher Kaste oder Klasse (asavarṇa).A3

Der Sohn eines Brahmanen von einer Vaiçyafrau ist ein Ambashṭha; von einer Cūdrafrau ein Nishāda oder ein Pāraçava.A4 Der eines Kshattriya von einer Çūdrafrau ein Ugra, einfach ein Çūdra der eines Vaiçya mit einer Çūdrafrau. Die mit Frauen der gleichen Klasse erzeugten Söhne von solchen unter den Genannten (d.h. wohl den Angehörigen der drei oberen Kasten), die nicht ihre fromme Pflicht erfüllt haben, heißen Vrātya.6 Dies sind die in Einklang mit der Natur gezeugten Söhne.7

Von einem Çūdra (und einer Vaiçyafrau, einer Kshattriyafrau und einer Brahmanin) kommen (in der angegebenen Reihenfolge): der Ayogava, der Kshatta, der Caṇḍāla. Von einem Vaiçya (und einer Kshattriyafrau, bzw. einer Brahmanin) kommen: der Māgadha und der Vaidehaka; von einem Kshattriya (und einer Brahmanin) der Sūta. Der in den alten Erzählungen vorkommende Sūta und Māgadha ist ein anderer, wegen seines Vorzuges vor Brahmanen und Kshattriya.8 Diese, die wider die Natur gezeugten Söhne, entstehen dadurch, daß der König die ihm eigentümlichen Pflichten verletzt.9

Von einem Ugra und einer Nishādafrau kommt der Kuṭaka;10 umgekehrt (von einem Nishāda und einer Ugrafrau) gibt es den Pulkasa. Von einer Vaidehakafrau gibt es mit einem Ambashṭha den Vaiṇa, im umgekehrten Fall den Kuçīlava oder Mimen; von einer Kshattafrau mit einem Ugra den Hundekocher (Hundefresser) oder Çvapāka. Diese und andere sind die Zwischenkasten.

Seinem Beruf nach ist der Vaiṇa Wagenbauer.11 Diese heiraten in der eigenen ihnen angeborenen Klasse. Der König soll die Beobachtung der richtigen Rangfolge unter ihnen und eine Lebensweise, die der hergebrachten Lebensweise nachlebt, zu den besonderen Pflichten (dieser Mischkasten) machen [261] oder sie den Çūdra gleichstellen, mit Ausnahme der Caṇḍāla (die als Paria völlig draußen stehen).A5

Nur wenn der König so handelt, erlangt er den Himmel: sonst die Hölle. Bei allen Zwischenkasten findet die Erbteilung zu gleichen Teilen (an alle Söhne) statt.12

Was auch immer gewohnte Sitte und Rechtssatzung einer Gegend, einer Kaste, eines Verbandes (saṇgha) oder eines Dorfes ist, danach soll er bei ihnen die gesetzliche Art des Erbens einrichten.13

Fußnoten

1 Wörtlich: »Beides kommt vor«, ist richtig.


2 Kṛitakriyā wie S. 163, 2.


3 Gotra ist das Vatergeschlecht, die Verwandtschaft, die denselben Familiennamen führt.


4 Es ist aber wohl pitur bandhūnāṃ ca zu lesen: »der Erbe seines Vaters und der Verwandten (des Vaters)«.


5 Oder nach der anderen Lesart: »zur Sohnschaft angenommen«.


6 Wie hier so wird auch Manu X, 30 der vrātya mit avrata zusammengebracht, nur ist er da selber avrata, was wenig natürlich scheint. Man möchte dort avratās statt avratāṃs lesen. Vgl. die Nachträge.A6


7 Daß der höher stehende Mann sich mit einer tiefer stehenden Frau verbindet, läßt sich durch den natürlichen Geschlechtstrieb erklären und geht auch sonst nicht wider den Strich (ist anuloma). Wenn aber die höher stehende Frau sich zu einem gesellschaftlich tiefer Stehenden erniedrigt, so verstößt das völlig wider Natur und Gesetz.


8 Siehe Weib im altind. Epos S. 62, Anm. 1. Auch die Barden (Bhāt, Chāran), von denen Devendra N. Das, Sketches of Hindoo Life, London 1887, S. 179 ff. so schön erzählt, werden höher geachtet als die Brahmanen.A7


9 Bekanntlich ist nach altindischem und auch sonst oft vorkommendem Glauben letzten Endes der König Urheber alles Guten und alles Bösen, das in seinem Reich geschieht. Eine solche Scheußlichkeit, wie das Herabsteigen einer Frau zum Geschlechtsgenuß mit einem ihr Unebenbürtigen, wird nur dadurch möglich, daß der König gottlos wandelt.A8


10 Anderwärts, auch in B, kukkuṭa (Hahn).


11 Nach Manu X, 49 ist der Veṇa oder Vaiṇa Musikant. Vaiṇya wird gewiß dasselbe sein. Nun befremdet 163, 4 der »Wagenmacher« gar sehr: Denn dort werden sonst nur Unterhaltungskünstler genannt. Darum taucht die Frage auf: Bedeutet rathakāra dort und hier »Vergnügenmacher« gleeman, vaiṇa und vaiṇya also Flötenbläser?A9


12 Ebenso Manu IX, 157. Aber das stimmt nicht ganz mit der Regel, die im vorigen Kapitel (163, 4) gegeben worden ist und nach der bei den Sūta, Māgadha, Vrātya und Wagenbauern (oder Musikanten) der Meister unter den Brüdern alles zu erben scheint.


13 Ebenso möglich: »Was auch immer Sitte und Recht einer Gegend, einer Kaste, eines Verbandes oder einer Dorfschaft ist, das ist ihr altvertraut und angemessen. Nur danach soll er das Erbrecht einrichten.«


A1 Die hier in Betracht kommenden Punkte: die verschiedenen Arten von Söhnen, die Zeugung durch einen Stellvertreter und die Frage: »Was entscheidet, Feld oder Same?« habe ich im Weib S. 121ff. behandelt. Siehe bes. die Anm. S. 128f. u. S. 131–137. Was gemeint ist mit bandhūnāṃ gṛihe »im Hause von Verwandten« (Text Z. 8–9; Übers. Z. 13), läßt sich nicht so leicht entscheiden. Klar ist dies: Der Sohn eines Weibes gehört dem Mann, auf dessen Bett oder unter dessen Dach er erzeugt worden ist. So lehrt die schon angeführte Stelle N. XII, 60, wenn man sie richtig versteht: »Nicht gehört das Kind dem Manne, wenn er sich im Hause eines anderen (also vor allem in dem des Gatten) mit einem Weibe verbindet. Als Ehebruch wird dies angesehen von dem Sachkundigen, wenn das Weib nicht selber in sein Haus kommt.« Empfängt also nach rechtgläubiger indischer Dichtersitte der Buhle die Verliebte bei sich im eigenen Heim, dann begeht er keinen Ehebruch und ist sein die Frucht des Minnebesuchs. Geht er aber in das Haus des Gatten, so ist er des Ehebruchs schuldig und hat kein Anrecht an das Kind. Als Ausnahme gilt: Wer die willige Gattin eines Mannes, der sein schuldloses Gemahl verlassen hat, oder die des Mannheitslosen oder des Schwindsüchtigen beschläft, den trifft keine Schuld gewalttätiger Aneignung (N. XII, 61). Und da darf er die Sache sogar im Hause der Frau abmachen, wie der Vivādacintāmaṇi sagt. Es geht also streng nach dem indischen Grundsatz: »Auf wessen Bett er gezeugt ist, dem gehört er« Yasya talpajas, tasyāsau (Vish. XV, 14; M. IX, 170; MBh. K. XIII, 84, 9). Daher auch die mehrfach auftretende Lehre: Der Jungfernsohn gehört dem Vater des Mädchens, d.h. dem, in dessen Haus er das Leben erhielt, dem, in dessen Besitztum der Same gesät wurde. Vas. XVII, 22f.; N. XIII, 18; Y. II, 129. N.'s ajñātapitṛika und die Fassung des sūtra B. II, 2, 24 könnte wohl, muß aber keineswegs darauf deuten, daß es sich in dem Falle, wo das Jungfernkind dem Gatten zufällt, vor allem um ein solches handelt, das er selber allzu voreilig gezeugt hat. Der Gen. bei gṛihe im Kauṭ. wäre also insofern bemerkenswert, als hier die Zeugung im Hause eines Verwandten genügte, die Frucht der Verbindung zum Sohne des Ehemannes zu machen. Aber überall in der Smṛiti steht nur gṛihe, was von Govinda und anderen gewiß mit Recht auf das Haus des Gatten bezogen wird. Siehe B. II, 2, 22; Vas. XVII, 24; M. IX, 170; Vish. XV, 13; Y. II, 129. Soll man also bandhunā lesen: »Der von einem Verwandten heimlich im Hause (des Gatten) Erzeugte«? Das entspräche genau dem Vorhergehenden mit sagotreṇ ānyagotrena vā (vgl. bes. Y. II, 128), sowie 35, 13 und 159, 13ff. Da könnte also auch in diesem Fall die Leibesfrucht der Frau nur dann als Sohn ihres Gatten gelten, wenn sein Erzeuger ein Verwandter von ihm wäre.


A2 Über die verschiedenen Arten der Söhne s. bes. Weib S. 135f. Da hat sich aber ein Versehen eingeschlichen. B. II, 2, 14ff. gibt dem Anschein nach 14 Arten von Söhnen, in Wirklichkeit aber 13, indem der pāraçava und der nishāda eben beide nur der Sohn der Çūdrā sind, der zwei Namen hat, je nachdem er in der Ehe oder außerhalb ihrer entstanden ist. In sūtra 13 nennt B. selber ja nur 13. Vas. XVII, 13ff., M. IX, 158ff. und Vish. XV, 2ff. haben ebenfalls den Sohn der Çūdrā trotz der Zwölfzahl. Dafür aber läßt M. in seiner Liste den von ihm besonders ausgezeichneten puttrikāputra weg, Vas. und Vish. den kṛitrima. M. weiß jedoch nichts Rechtes mit seinem eigenen çaudra anzufangen und scheint ihn in IX, 179, ebenso wie Y. in II, 133, für den Sohn eines Çūdra und einer Sklavin zu halten! Vom pāraçava, der nach der Stelle, an der IX, 178 in der ganzen Darlegung steht, ebenfalls der çaudra sein muß, fand er freilich in seinen Quellen das Richtige. Siehe IX, 178; X, 8. Wie B. sagt er, der pāraçava komme kāmāt »aus geschlechtlicher Lust«. Dagegen phantasiert N. in einem schwer aufzulösenden Wirrsal: »Mit einer Çūdrā wird von einem Kshattriya der nishāda gezeugt. Die Çūdrā gebiert von einem Brahmanen den pāraçava, den letzten seiner Söhne« (XII, 108). Und dennoch birgt sich hier eine Spur richtiger Erkenntnis, wie wir gleich sehen werden. Daß der pāraçava auch bei Kauṭ. Erbe ist, wenigstens Teilerbe, haben wir eben vernommen (Sanskrittext 163, 14–16). Er gehört also bei Kauṭ. in die Liste der Söhne grade wie der mit ihm öfters verwechselte nishāda bei B. Der paraṃjāta oder parajāta stellt nun ebenfalls eine Einzelnummer, nicht aber eine ganze Kategorie dar, ist also nicht überhaupt der von einem anderen als dem Gatten Gezeugte, wie ich ursprünglich annahm und wie auch Gaṇ. meint. Denn genau wie tatsadharmā in Zeile 8 muß tatsadharmā in Zeile 13 verstanden werden, und die bei der anderen Auffassung nötige Wiedergabe »von dieser Art« würde etwa taddharmā voraussetzen. Ist aber paraṃjāta oder parajāta eine Einzelnummer, welche dann? Keine andere als der Çūdrāsohn oder pāraçava, d.h. der Bastard des Mannes. Somit wäre das paraṃjāta des Sham. besser als das parajāta bei Gaṇ. und Jolly. Beides aber heißt: »anderwärts erzeugt«, im Gegensatz zum svayaṃjāta (»homegrown«), der ja von Kauṭ. wie von der Smṛiti als der mit der regelrechten Gattin zustande gebrachte Sohn des Ehemanns selber definiert wird. Die 13 Arten von Söhnen haben also nur das älteste uns erhaltene Rechtsbuch, d.h. B., und Kauṭ. Auffallend ist bei Kauṭ. die Stellung des apaviddha. Zwar erscheint dieser ebenfalls bei B., M. und G. in der ersten der zwei Gruppen von Söhnen und zwar bei all diesen als letzter, während ihn Vas., N., Vish. und Y. in die zweite Gruppe setzen, N. an die zweiterste, Vas. und Vish. an die zweitletzte, Y. an die allerletzte Stelle. Zwischen dem gūḍhaja und dem kānīna steht er trotz sonstiger Verschiedenheit wie bei B., M, und G., so auch bei Kauṭ. Bei diesem aber befremdet das. Denn einerlei, wie man parajāta auffaßt, so schiene der apaviddha zu Kauṭ.'s zweiter Gruppe zu gehören. Man vergleiche die sieben ersten Söhne bei Vas., N. und Vish., von denen Vas. und Vish. unter sich die gleiche Reihenfolge haben, N. aber wie Kauṭ. den paunarbhava zuletzt aufführt. Alle jedoch nennen dieselben sieben Söhne als erste, sowie man Kauṭ.'s apaviddha wegläßt. Vielleicht hat der Findling deshalb so oft seinen Rang als Mitglied der ersten Gruppe erhalten, weil seine Eltern und Angehörigen vollkommen unbekannt sind, er mithin als gänzlich von anderen Losgelöster gilt, während der datta und der kṛitaka nur nach B.'s, M.'s und G.'s Ansicht so gänzlich den neuen Angehörigen gesichert scheint. Den putrikāputra stellen außer Kauṭ. nur B. und Y. vor den kshetraja. Y. schreibt ja das Arthaç. massenweise aus und mit B. weist Kauṭ. überhaupt viele enge Berührungen auf. Also müßte es wohl in meiner Übersetzung heißen: »Der leibliche Sohn von der Gattin ist der Erbe auch der Verwandten seines Vaters. Der anderwärts erzeugte (d.h. der Bastard) nur dessen, der ... und nicht der Verwandten (seines Vaters).« Kauṭ.'s Einteilungsgrund der zwei Gruppen von Söhnen bildet einen wertvollen Kommentar zu der Smṛiti. Siehe auch Hārita ed. Jolly S. 10, sūtra 16; Nītiv. 135, 9–11.


A3 Wie uns M. X, 5–7 mitteilt, heißen Söhne von jungfräulich in die Ehe getretenen Gattinnen, die dem zweimal geborenen Manne an Kaste und in sonstigem gleichstehen, »echte« oder »rassenreine« Söhne (jātya), solche von Frauen aus der nächst niederen Kaste aber sadṛiça (= savarṇa d.h. dem Vater an Kaste gleichstehende). Noch einen Schritt weiter geht. Vish. XVI, 1; er läßt nur die Leibesfrucht der samānavarṇā, d.h. der Gattin aus der gleichen Kaste, als savarṇa gelten, ebenso wohl Y. I, 90. Das Drunter und Drüber bei N. XII, 103ff. gesteht dem Sohn der Frau aus der nächstniederen Kaste nur den Rang eines anantara zu. Die ältere und natürlichere Anschauung stellt B. I, 8, 6 (= I, 8, 16, 6) dar mit seinem einfachen: »Söhne von Frauen der gleichen und der nächst niederen Kaste sind savarṇa«. Ob M. X, 41 und G. IV, 16: »Die Kinder der Gattinnen aus der nächst niederen Kaste sind savarṇa mit dem Vater« ebenso oder in dem künstlichen Sinne von M. X, 5–7 verstanden werden muß, läßt sich nicht entscheiden. Dem wirklichen Leben steht gewiß das MBh. näher, wenn dort Yudh. behauptet, eines Brahmanen Sohn auch von einer Vaiçyā sei ein Brahmane, und Bhīshma: »Wer mit Frauen aus den drei Kasten von einem Brahmanen gezeugt wird, ist ein Brahmane«. MBh. XIII, 47, 27, 17. Daß wir gleich im nächsten Kapitel wieder die orthodoxere Lehre finden, verwundert keinen Kenner. Natürlich zeugt der Vaiçya sowohl mit der Vaiçyā wie mit der Çūdrā einen Vaiçya. MBh. XIII, 48, 4, 7, 8. Die letztgenannte Doktrin stimmt nicht mit Kauṭ., noch mit G. IV, 21 und Y. I, 92, nach welchen zwei letzten Stellen die Leibesfrucht da karaṇa heißt; sicherlich aber stimmt sie mit dem Leben. Vgl., auch Jolly, Recht und Sitte, S. 62; Çukran. IV, 4, 69f. usw.


A4 Wie Kauṭ. so sagt auch die Smṛiti: »Der Sohn eines Brahmanen von einer Çūdrā ist ein Nishāda oder ein Pāraçava.« Warum zwei Namen? Das Rätsel wird gelöst durch B. II, 2, 29–30: Der Nishāda stammt aus einer Ehe des Brahmanen mit der Çūdrā, der Pāraçava aus freier Verbindung mit ihr Der Pāraçava ist also ein Bastard, genau wie ich, unabhängig von dieser Stelle, geschlossen habe (S. 259 Anm. 2). Aus B, I, 9, 2–3 (= I, 9, 17, 3–4) ersehen wir, daß andere diese klare Unterscheidung schon zu seiner Zeit nicht machten. So riß böse Verwirrung ein. Eine Ahnung des Richtigen aber offenbart noch sogar Vish. XV, 27. Da führt er als zwölfte und letzte Art der Söhne auf: den yatra kvacanotpādita, also den Bastard des Vaters. B. II, 2, 32 nennt an der gleichen Stelle den Nishāda und Vas. XVII, 38, sowie M. IX, 160 den Sohn der Çūdrā. Bei B. sollte es genauer heißen: der Pāraçava. Da sich die Smṛiti im Grunde ja nur mit dem Brahmanen beschäftigt, so ist es begreiflich, daß sie den Pāraçava nur als Sohn des Brahmanen kennt, während das Wort eigentlich den unehelichen Sohn des Vaters bezeichnet oder doch den mit einer Çūdrā in die Welt gesetzten Bastard eines Brahmanen und eines Kshattriya, wie sogar N. XII, 108 verrät. Diese eigentliche Bedeutung haben wir, wie schon erwähnt, auch in Kauṭ. 236, 3, wo der pāraçava und der Sohn einer Dienerin nebeneinander auftreten, dort beides außerehelich erzeugte Kinder des Fürsten. In demselben Sinne steht das Wort z.B. auch in MBh. I, 114, 12. Hier heiratet Vidura die Bastardtochter eines Königs (pāraçavī kanyā). Er selber ist ein pāraçava oder Bastard von einer Dienerin. Sein Vater, zwar ein ṛishi, amtiert aber nur als der zeugende Stellvertreter eines Fürsten. Die Dienerinnen und Çūdrā, vor allem die eigenen Sklavinnen, waren natürlicherweise die gewöhnlichen Felder für die »wild oats« des Mannes der höheren Stände. Siehe z.B. auch MBh. VII, 132, 17. Abgesehen von unseren Kauṭ. und dem eben aus der Smṛiti Angeführten erscheinen aber die Bastarde des Gatten nirgends bei den Rechtslehrern in den langen Listen der Söhne, während unter ihnen doch alle Liebessündenfrüchte der Frau aufgeführt werden, ja meistens sogar an Ehrenstellen. Warum nun sind, mit ihnen verglichen, die Bankerte des Mannes so unwichtig? Jedenfalls hauptsächlich aus dem allbekannten Grunde, daß der Zusammenhang der Mutter mit dem Kinde ein viel engerer ist als das Verhältnis des Erzeugers zu ihm. Will in urtümlicherer Umwelt der Mann das Weib, dann muß er sich oft auch ihre illegitimen Anhängsel gefallen lassen. Überhaupt: nicht umsonst heißt es bei den alten Indern regelrecht: Mutter und Vater, Weib und Mann. Nach Kauṭ. 183, 10 (Übers. 289, 13ff.) muß nun der Mann seine von ihm geschwängerte Sklavin und ihren Sohn als Freie behandeln. Die eben angeführten Stellen des dharmaçāstra, die den Sohn einer Çūdrā und den Bastard des Mannes als letzten der Söhne anerkennen, weisen auf dieselbe Regel. Sie stellt sich neben Hamurabi § 170–71 und § 147. Im regelrechten Lauf der Dinge blieb solch ein Bankert natürlich im Hause des Vaters; ob und wie oft als Freier, wäre die Frage. War die Mutter Sklavin eines andern, dann kümmerte sich der Mann wohl gewöhnlich nicht weiter um die Angelegenheit; sie war mit der Beiwohnung erledigt. Immerhin hören wir z.B. im Uddālajātaka, daß sogar ein Brahmane und dabei ein königlicher Hofkaplan die Frucht seiner Schäferstunde mit einer öffentlichen Dirne als Sohn und Brahmanen anerkennt, wenn auch nicht gerade gern (Jāt. IV, 298ff.). Ja, Jāt. IV, 148 erklärt, nur des Vaters Geburt entscheide über die Kaste seines Kindes, an der Mutter liege nichts, eine Ansicht, die in dem bekannten Ausspruch: »Die Mutter ist nur der Schlauch,« nämlich für den einzig wichtigen Samen des Mannes, ihr Gegenstück hat. Bei der übermächtigen Bedeutung eines Sohnes versteht es sich von selber, daß unter Umständen auch der außereheliche Sprößling als Darbringer der Totenspenden, ja als Erbe willkommen war.


A5 Aber auch bei der Heiratsverbindung dieser Mischkasten muß sorgfältig darauf geachtet werden, daß sie nicht »wider den Strich« oder die Natur heiraten, d.h. daß das Weib von besserer Abstammung ja nicht einen Mann von niedrigerer eheliche. B. I, 9, 9 (= I, 9, 17, 9). Was nun die Abkunft der verschiedenen und sehr zahlreichen Mischkasten betrifft, die bekanntlich im Grunde fast durchweg Stämme und Völker sind – erscheinen doch sogar die Yavana darunter! – so ist das ein ödes Thema, von dem die Smṛitischriftsteller selber in vielen Fällen herzlich wenig gewußt, desto mehr aber willkürlich gefabelt haben. So finden sich denn über viele dieser Prunkstücke der haarspaltenden Kastensystematik ganz widersprüchliche Angaben. Hier nur ein paar Einzelheiten. Die Verbindung eines Brahmanen mit einer Kshattriyā ergibt bei G. IV, 19 und Y. 1, 91 den mūrdhāvasikta. Nach Vas. XVIII, 8 verdankt im Widerspruch mit Kauṭ. M. X, 8; Y. I, 91 usw. der Ambashṭha sein Dasein einem Vaiçya und einer Çūdrā. Der Sohn eines Vaiçya und einer Brahmanin, sonst Māgadha genannt, heißt in Vas. XVIII, 4 Rāmaka. Der Vaiṇa kommt nach Vas. XVIII, 2 von einem Çūdra und einer Kshattriyā, wogegen B. I, 9, 12 und M. X, 19 ihn dem Vaidehaka und der Ambashṭhī zuschreiben. Die Eltern des Pulkasa oder Pukkasa sind bei B. I, 9, 13 und M. X, 18 der Nishāda und die Çūdrā, bei G. IV, 19 der Çūdra und die Kshattriyā, bei Vish. VI, 5 der Vaiçya und die Kshattriyā, in MBh. XIII, 48, 23ff. der Caṇḍāla und die Āyogavafrau. Wie gut es der Pulkasa hat gegen Marryate »Japhet, der einen Vater sucht«! Das MBh. teilt uns an jener Stelle mit, daß dieser obendrein auch Vielbemutterte von Pferden, Eseln und Elefanten lebe. Ausführlicher will ich nur G. IV, 16f. besprechen, weil diese Stelle vielleicht mit Kauṭ. übereinstimmt. Da die Kinder einer Frau der nächstniederen Kaste savarṇa und die von der zweitniederen und drittniederen asavarṇa sind, wie G. selber sagt, so scheidet eigentlich bei dessen anuloma der Vaiçya ganz aus; dessen Sohn von der Çūdrā ist savarṇa, ebenso der Sohn des Kshattriya von der Vaiçyā. Mithin muß G.'s sūtra besagen: »Der Sohn des Brahmanen von der ekāntarā, d.i. der Vaiçya, heißt Ambashṭha, der des Kshattriya von der Çūdrā Ugra, der des Brahmanen von der Çūdrā Nishāda oder Pāraçava.« Da bleibt aber der Daushyanta. Wessen Sohn ist der? Für ihn bietet sich überhaupt kein Raum. Das nur hier vorkommende Wort wird eine in den Text geratene Glosse, wohl zu Nishāda, sein. Bühlers Auslegung steht im Widerspruch mit dem sūtra selber. Auch das folgende sūtra hat, richtig entwirrt, die Reihenfolge: anantara, ekāntara, dvyantara. Danach wäre natürlicherweise der Kshattar das Kind einer Brahmanin und eines Vaiçya. Aber eine solche Abstammung findet sich sonst nirgends und ist an sich sehr wunderlich. Wir haben also zuerst die Anantarasöhne: 1. der Brahmanin, d.h. den sūta; 2. der Kshattriyā, d.h. den Māgadha; 3. der Vaiçyā, d.h. den Āyogava. Dann die Ekāntarasöhne: 1. der Kshattriyā oder den Kshattar; 2. der Brahmanin oder den Vaidehaka und zum Schluß den einzigen Dvyantarasohn: den Caṇḍāla. Die kleine Umstellung ist wohl dadurch veranlaßt, daß die beiden schlimmsten Ausgeburten an den Schwanz kommen sollten. Vgl. z.B. Vas. XVIII 8, wo ein Chiasmus vorliegt und man übersetzen muß: »Von Frauen der nächstniederen, zweitniederen und drittniederen Kaste werden gezeugt durch den Vaiçya (mit der Nächstniederen) der Ambashṭha, durch den Kshattriya (mit der Zweitniederen) der Ugra, durch den Brahmanen (mit der Drittniederen) der Nishāda.« Denn sonst müßte ja nach Vas. der Nishāda (laut MBh. XIII, 50, 12 von Beruf ein Fischer) der Sohn eines Vaiçya sein. Nun wimmeln wohl die Smṛitischriften besonders in diesem Kapitel von Zusätzen späterer Nichtswisser. Aber daß auch ein solcher die orthodoxe und sonst immer festgehaltene Herkunft eines Nishāda nicht gekannt hätte, klingt allzu unglaublich, trotzdem daß er ekāntara usw. nicht richtig zu gebrauchen versteht.


A6 Läse man avratās, dann stimmte M. X, 20 genau mit Kauṭ., während B. I, 9, 15 und MBh. XII, 296, 9 die vrātya aus der Kastenvermischung entspringen läßt. Dagegen heißen bei Manu, so, wie der Text dasteht und am Ende auch richtig sein wird, und anderwärts die Angehörigen der drei oberen Kasten, die nicht vor Ablauf der letzten Frist das upanayana oder die zweite Geburt empfangen, vrātya. So M. II, 59 = Vish. XXVII, 127; Y. I, 38. Vgl. Vas. XI, 79. Natürlich aber geben solche avrata oder vrātya wieder vrātya das Leben. Anders jedoch M. X, 21–23. Vrata wird nämlich im besonderen von den Gelübden und dem Stande des Vedaschülers gebraucht; und er selber heißt oft vratin, auch vratastha. Siehe z.B. Vas. XIII, 7, 11; Quot. fr. N. IV, 4; M. II, 174; III, 1; V, 93; G. VIII, 15; Vish. XXII, 49, 86, 87; XXVII, 28. Die Übersetzung in 261, 8 sollte also lauten: »Die die Einführung und das Vedastudium beim geistlichen Lehrer verabsäumt haben.«


A7 Was die von Gaṇ. genannten Purāṇastellen betrifft, so vgl. noch Wilsons Vishṇupur. ed. Hall p. XVIII und Burnoufs Bhāgavatapur. Vol. I, S. XIVff.; XXIVf.


A8 Und vor allem ist es ja des Fürsten erste Pflicht, die Vermischung der Kasten zu verhüten, wie Gaṇ. richtig bemerkt.


A9 Der öfters so hochgeehrte Rathakāra ist nach B. I, 9, 5 (= I, 9, 17, 6) der Sohn eines Vaiçya und einer Çūdrā, also einer sogar der brahmanischen Rechtgläubigkeit meistens unanstößigen Verbindung entsprossen. Natürlich aber verdankt er nicht seine geachtete Stellung dieser »Abkunft«, sondern die Abkunft seiner Stellung. Der Snātaka darf seine Nahrung nur von Brahmanen, Kshattriya, Vaiçya und Rathakāra erbetteln. B. I, 3, 9. Vgl. Bühler SBE. XIV, p. XXXVIII. Von Y. I, 95 aber wird er zum Abkömmling einer Karaṇī und eines Māhishya gemacht. Die Karaṇī ihrerseits ist das Kind eines Vaiçya und einer Çūdrā (G. IV, 21; Y. I, 92), der Māhishya (»Büffelmensch«) nach G. IV, 20 eines Kshattriya und einer Vaiçya, während ihn Y. I, 92 der verdammlichen Vermischung von Kshattriyā und Vaiçya entspringen läßt. So wird also der Rathakāra tief hinabgedrückt. Ob wohl Kauṭ.'s karmaṇā vaiṇyo rathakāraḥ zu karaṇyāṃ vaiçyo rathakāraṃ oder zu karaṇyāṃ vaiçyād rathakāraḥ geführt hat, also die Herabwürdigung des Rathakāra einem Lese- oder Schreibfehler entstammt? Wie viel Ketzerscheiterhaufen haben die Menschen schon angezündet, weil sie beständig falsch lesen! Übrigens scheint der Rathakāra »der Wagner« sich in verschiedenen Berufen betätigt zu haben. Mookerji, Loc. Gov. 269; Fick, Soz. Glied. 209f.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 259-262.
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