Zehntes Kapitel (62. Gegenstand).

Schädigung an und auf Weiden, Feldern und Straßen. Nichterfüllung von Gemeinschaftsverpflichtungen.

[269] Wer den gewöhnlichen und richtigen Lauf von Bewässerungswasser1 hindert und einen ungewöhnlichen und unrichtigen hervorruft, den trifft die erste Sāhasastrafe.

Wer Wallfahrtsorte, Heiligtümer (caitya) oder Göttertempel in Gestalt von Bauanlagen auf fremdem Grund und Boden hinstellt,2 oder wer eine von den Altvorderen her fortbestehende fromme Bauanlage zur Verpfändung [269] oder zum Verkaufe bringt oder bringen macht, den trifft die mittlere Sāhasastrafe, die Zeugen dabei die höchste; außer sie ist zerfallen oder verlassen. Ist kein Eigentümer für sie da, dann sollen die (benachbarten) Dörfer oder Leute von frommem Charakter sie ausbessern und instand halten.

Die Breite der Straßen ist in dem Kapitel: Festungsbau (Buch II, Kapitel IA1) dargelegt worden.

Wer einen Weg für Kleinvieh und Menschen versperrt, zahlt 12 paṇa Strafe; einen Weg für Großvieh, 24 paṇa; einen Weg für Elefanten und zu den Feldern, 54 paṇa; zu Wasseranlagen3 oder Wäldern, 106 paṇa; zu Leichenstätten und Dörfern, 200 paṇa; zu einem droṇamukha, 500 paṇa; zu einem sthānīya, hinaus ins Reich oder zu Weideland, 1000 paṇa. Wer von den hier aufgezählten Wegen überaus viel wegpflügt, bezahlt Strafen, die immer das Vierfache der eben aufgeführten betragen; wer einfach davon wegpflügt, die früher genannten Strafen.4

Wenn ein Feldbesitzer zur Zeit der keimenden Saat etwas auf ein Feld wirft, oder über das Nachbarfeld hinübergeht,5 zahlt er 12 paṇa Strafe, ausgenommen, wo der Fehler im Felde selber lag oder plötzlich etwas Schlimmes eintrat, oder es sich ohne bösen Schaden für ihn selber nicht anderes machen ließ.6

Steuerzahlende sollen nur an Steuerzahlende verpfänden oder verkaufen; Besitzer von Brahmanengut an Besitzer von Brahmanengut; sonst die erste Sāhasastrafe; ebenso, wenn einer, der Steuern zahlen muß, in ein nicht Steuern [270] zahlendes Dorf zieht. Zieht er aber in ein Steuern zahlendes, dann soll er ein Vorrecht haben auf alle Dinge, mit Ausnahme der Wohnung. Aber auch diese mag man ihm geben.7

Wenn ein anderer das nicht wegnehmbare (d.h. unverlierbare, unverscherzbare) Land eines Mannes, der es selber nicht bebaut, fünf Jahre lang in Gebrauch gehabt hat, soll er es ihm wiedergeben um eine Abfindungssumme für seine drangewendete Mühe.A2

Nichtsteuerzahler, die anderswo wohnen, sollen von dem Ertrag ihres Besitztums leben (d.h. das Einkommen davon genießen) dürfen.

Den Dorfvorsteher sollen, wenn er in Sachen des Dorfes reist, die Dorfgenossen abwechselnd begleiten. Solche, die ihn nicht begleiten, müssen ihm ein Schirrgeld (oder ein Meilengeld, also ein Reisegeld) von 11/2 paṇa zahlen.8

Wenn der Dorfvorsteher jemand, der nicht ein Dieb oder ein Ehebrecher ist, aus dem Dorfe jagt, zahlt er 24 paṇa; das Dorf die höchste Sāhasastrafe. Betritt ein Hinausgejagter das Dorf, dann gelten dieselben Vorschriften wie für (unbefugtes) Eindringen bei jemand (siehe z.B. 232, 2).

Aus Pfosten soll man um das ganze Dorf, hundert Bogenlängen von ihm entfernt, eine Umhegung machen.A3

Das Vieh zu weiden, sollen sie mit dem Weideland, Wäldern in der Nähe der Dörfer (māla) und dem großen Walde auskommen. Für Kamele und Büffel, die in eingezäuntem Weideland gefressen haben und dann weggelaufen sind, sollen sie eine Geldbuße9 von 1/4 paṇa erheben, für Rinder, Pferde und Esel 1/8 paṇa, für Kleinvieh 1/16 paṇa. Für Tiere, die sich nach dem Fressen dort niedergelegt haben, dieselben Strafen verdoppelt; für solche, die über Nacht da bleiben, die vierfachen.A4 Von Strafen frei sind sowohl die Götterstiere des Dorfes als auch die Kuh, die noch nicht über die ersten zehn Tage nach dem Kalben weg ist, und die als Bullen für die Kühe verwendeten [271] Stiere.10 Fressen Tiere von den Feldfrüchten, so muß auf den Nachweis11 hin der Eigentümer des Viehes, nachdem der Schaden an der Feldfrucht berechnet ist, das Doppelte davon zahlen.

Wer, ohne den Eigentümer davon zu benachrichtigen, Vieh (über ein Feld) treibt,12 zahlt 12 paṇa Strafe, wer es dabei frei laufen läßt, 24 paṇa; die Hirten die Hälfte dieser Strafen. Dasselbe soll man für Abfressen in Gemüsegärten erheben. Sind dabei die Zäune niedergebrochen worden, dann die doppelte Strafe.13

Wird Getreide, das sich in einem Hause oder in dem Ring um die Dreschtenne befindet, gefressen, dann soll der Schaden ersetzt werden.14

Werden Tiere vom Freiwald beim Abfressen erwischt, dann soll man es dem Besitzer melden und sie so abwehren, daß ihnen kein Schade geschieht.15 Haustiere sollen mit Stricken oder Stachelstöcken weggetrieben werden. Macht man es anders und werden sie verletzt, dann gelten die Strafen für Realinjurien. Solche die dergleichen beabsichtigen (d.h. Vieh auf ungehörige Weise wegzujagen) oder die man auf solchem Verbrechen ertappt, sollen mit allen Mitteln in Schranken gehalten werden.A5 Soviel vom Schaden an Feldern und Verkehrswegen.

[272] Wenn ein Pflüger16 in ein Dorf kommt und seine Arbeit nicht verrichtet, soll das Dorf die Buße einziehen. Für die Nichtverrichtung der Arbeit (die einer übernommen hat) soll er doppelt soviel, wie sein Lohn für die Arbeit beträgt, geben müssen; wenn er Geld (das er zu etwas beizusteuern verpflichtet ist) nicht gibt, doppelt soviel wie seinen Anteil; und wenn er Essen und Trinken zu religiösen Festlichkeiten nicht beisteuert, doppelt den Anteil, der auf ihn entfällt.17

Wer zu einer Vorführung (prekshā) nicht beisteuert, darf zusammen mit seinen Leuten (sasvajana) nicht zuschauen. Schaut oder hört einer heimlich zu, oder bereitet er Hindernisse bei einem Werke, das für alle heilsam ist, so soll er doppelt soviel (wie andere) beisteuern.

Wenn einer etwas, was zum Heile aller ist, vorschlägt, sollen sie nach seiner Aufforderung tun. Wer es nicht tut, zahlt 12 paṇa Strafe. Wenn sie sich sogar zusammenrotten und ihn schlagen, dann trifft jeden einzelnen von ihnen die doppelte Strafe für das betr. Vergehen. Ist unter den Mißhandlern ein Hervorragender oder ein Brahmane, dann soll er am schwersten von allen bestraft werden.18 Und bei ihren religiösen Festen sollen Brahmanen nicht wider ihren eigenen Willen mitwirken. Und sie sollen ihren Teil empfangen.19

[273] Damit ist alles Nötige gesagt über die Nichterfüllung von Verpflichtungen gegen eine Gegend, eine Kaste, eine Familie oder einen Verband.

Der König soll denen Liebes und Heilsames erweisen, die für die Gegend heilsame Bauanlagen, Brücken an der Straße, Verschönerungen und Schutzwerke für ihr Dorf ausführen.20

Fußnoten

1 Wörtlich: »Arbeitswasser, Werkwasser« (karmodaka). Vgl. 169, 20; 170, 1.A6


2 Besser nach der var. lect. in Shaṃ: 's 2. Textausg., Jolly und Gaṇ. (setukūpa-): Wer Brücken (Bewässerungsanlagen), Brunnen, Wallfahrtsorte, Heiligtümer oder Göttertempel auf fremdem Grund und Boden anbringt.A7


3 Oder: »zu Brücken« (setu).


4 Also wer für sein an dem Weg gelegenes Feld Boden abpflügt (vgl. z.B. Romeo und Julie auf dem Dorf).A8


5 Mit bījakāle vgl. bījahiṃsāyāṃ S. 169, 14. Ākshipati und dessen Ableitungen kommen sehr oft im MBh. vor, und zwar in der Bedeut.: ansichreißen, wegreißen, wegwerfen, beseitigen III, 12, 79; 80, 50; VII, 109, 27; 174, 25; VIII, 28, 37; XI, 12, 15 (vgl. 24 und 16, 34, 40); XII, 316, 13; XIII, 62, 74; 161, 27; XIV, 70, 10; ākshipati jyām oder dhanus die Bogensehne, den Bogen schnellen, to twang the bow IX, 61, 5 u. sonst; vākyam ākshipati die Rede ansichreißen, das Wort nehmen VI, 3, 59; ākshipati gadāṃ tasmin läßt auf ihn die Keule niedersausen IX, 58, 36f.; dann wohl = bewerfen, beschießen VIII, 27, 23; einen Hieb führen, ausholen zu einem Hieb IX, 58, 37. Ākshepa Hieb VII, 98, 6; Hin- und Herwerfen, das Wehen VII, 34, 21; Wurf(weite), Schußbereich VII, 102, 6; Wegraffung, Weltvernichtung XII, 318, 43; Treffen, Getroffenwerden (mit Pfeil) I, 134, 25; VII, 98, 34; foiling, (of an antagonist) IX, 57, 19. Ākshe paṇa Niedersausen, Hieb, Stoß oder: Werfen (ases) X, 8, 43. Āksheptar der Wegreißer usw. (= Çiva) XIII, 16, 20., u. dgl. mehr. Aber in der an und für sich natürlichen und hier angenommenen Bedeutung »bewerfen, werfen auf« kann ich es im Augenblick kaum belegen. Upavāsa, wörtlich »Anwohner, Beisasse«, erscheint gleich unten als Nachbar, Dorfgenosse (Zeile 19). Dieselbe Bedeutung (wo man dann kshetram ergänzen müßte) wäre hier möglich. Oder es heißt Nachbarschaft, Nachbarfeld, je nachdem man das folgende Wort liest. Statt des sinnlosen vātyato muß wohl vātyayato oder, was besser wäre, vātiyato (Gen. des Part. Präs.) gesetzt werden. Vā tyajato (B) und die von Jolly dafür gegebene Übersetzung passen nicht hierher, wo von Schädigung der Felder die Rede ist. Aber schon Yājñ. II, 158 hat tyajato vor sich gehabt und bezieht den Satz auf die Nichtbestellung eines Feldes. Siehe die Nachträge.A9


6 Wegen anyatra doshanipātāvishahyebhyaḥ vgl. 187, 10f.; 188, 1f.


7 All diese Vorschriften sind natürlich darauf berechnet, daß ja der König möglichst viel Steuern bekomme und ihm keine entgehen. Zieht jemand in ein steuerfreies Dorf, so wird er ja selber steuerfrei; wird einem, der in ein steuerzahlendes Dorf zieht, die Sache erleichtert, dann lockt das solche, die daheim nicht ordentlich fortkommen, ihr Glück auf diese Weise zu suchen, und sie mögen unter den neuen Verhältnissen bessere Steuerzahler werden. Die in Frage kommende Wohnung wird in den meisten Fällen die des Dörflers sein, in dessen Eigentum er eintritt. Dieser ist dann meistens verarmt. Das Dach über dem Kopf soll er aber wenigstens nicht in allen Fällen verlieren. Prākāmya, engl. preoption, das Recht der ersten Wahl, erstes (Bewerber)anrecht. Vgl. 171, 15; 229, 3ff.


8 Ob yojana »Schirrung, Jochung« diese Bedeutung hat, weiß ich nicht. Sham. übersetzt nach der gewöhnlichen Gebrauchsweise des Wortes mit: »soll 11/2 paṇa für jedes yojana bezahlen«. Da müßte man yojana als »Yojanagebühr,« hier »Entschädigung für jedes yojana« auffassen. Vgl. z.B. rūpam Stückgebühr, puccha Schwanzgebühr usw. Die Summe aber scheint ziemlich hoch. Wenn freilich der »mittelmäßige« Bote 10 paṇa für das yojana erhält (246, 8f.), so kann man die hier genannte Vergütung nicht groß nennen.


9 Wörtlich: »Stückbuße«, »Kopfgebühr« (rūpa). Vgl. 129, 17 und bes. 130, 15; dann das häufige rūpa als Gebühr an den König, wie z.B. 84, 14, 16 und rūpa als Strafgeld 193, 1–4.


10 Kaum: »die Stiere der Dorfgötter« statt »Götterstiere des Dorfes«. Es sind natürlich die bekannten frei laufenden Stiere gemeint, ein großer Unfug des indischen Lebens (vgl. Manu VIII, 242). Nach dem vā-vā-ca scheint es, als ob wir nur drei Glieder hätten. Folgen wir der schon besprochenen indischen Erklärung von ukshan, dann hätten wir freilich: »alte Stiere und Bullen für die Kühe«.A10


11 Nishpatti. Vgl. 67, 17, 19. Am Ende aber doch wahrscheinlicher: »muß, nachdem der Schaden an der Feldfrucht nach dem Ernteausfall berechnet worden ist, das Doppelte davon zahlen«.A11


12 Es ist natürlich cānivedya zu lesen. Cārayati hieße gewöhnlich: weiden läßt. Aber das wäre hier sinnlos, und das Wort muß nach seiner ursprünglichen Bedeutung: »laufen lassen, gehen machen, treiben« verstanden werden, wie schon Sham. gesehen hat.A12


13 Weniger wahrscheinlich: »Für das Niederbrechen von Zäunen (überhaupt)«. Nach Manu VIII, 338f. darf keine Strafe auferlegt werden, wenn Vieh uneingefriedigte Feldfrucht schädigt. Der Zaun muß so hoch gemacht werden, daß kein Kamel hineinschauen kann und alle Spalten so wohl verwahrt, daß Hundeschnauze und Schweinerüssel nicht hindurchgehen. Denn wo ein Schwein, einerlei von welcher Art, den Rüssel hineinstecken kann, da ist gleich die ganze Sau drin.A13


14 Zu veçmakhalavalaya vgl. khalasya maṇḍala 118, 14. Danach ist an die im Kreis um die Dreschtenne gestellten Getreidehaufen gedacht. Veçman Wohnung, Haus will hier nicht recht passen. Vielleicht ist khalaveçma zu lesen wie 169, 12 oder doch zu übersetzen: »Schuppendreschtenne« (vgl. mṛigapaçu und paçumṛiga, beide gleich Nutzwild). Oder ist veçman auch eine Art Scheune? Scheunen aber scheint auch Kauṭ. nicht zu kennen.


15 Wörtlich sogar: »soll man abwehren, nachdem sie dem Eigentümer gemeldet worden sind«. Doch scheint auch Kauṭ. das Absolutiv nicht immer im strengen Sinn zu brauchen. Siehe bes. 92, 13; 172, 18. Es handelt sich der Natur der Sache nach um Tiere, die die leckere Tafel einmal erwittert haben und sich nun wiederholt zu Gaste laden. Wer ist aber der »Eigentümer«? Der des Feldes? Das hätte wenig Sinn. Also wohl der Tiere. Die Freiwaldtiere aber gehören dem svāmin im höchsten Sinn des Wortes: dem König. Parigṛihīta, das schon besprochen worden ist, muß also hier wohl »ertappt, erwischt« heißen. »Die königliches Eigentum sind«, wäre ganz müßig. Also ebenso 122, 7.


16 Karshaka Pflüger, Bauer ist ein Tagelöhner oder sonst ein Landmann, der Arbeiten für andere übernimmt.


17 Mit B ist hiraṇyadāne zu lesen, ja dies vielleicht noch in hiraṇyādāne zu bessern, ebenso wie bhakshyapeyadāne in bhakshyapeyādāne. Freilich geht es auch so, und der Sinn bleibt der gleiche. NB. Gan. hat hiraṇyādāne und bhakshyapeyādāne. Der Text hieße wörtlich: »Wo es sich um das Nichtleisten von Arbeit handelt, soll einer das Doppelte seines Lohnes für die betr. Arbeit geben müssen, wo um das Geben (Beisteuern von Geld), das Doppelte seines Anteils« usw. (natürlich wenn der in Frage Kommende nicht freiwillig gibt; das a von akaraṇe mag nachwirken, oder es zwingt doch der ganze Zusammenhang zu dieser Auffassung). Dieser Teil des Kapitels bespricht ja das Nichteinhalten eines samaya. Das PW sagt mit Recht, samaya sei eine übernommene und eine auferlegte Verpflichtung. Da es Übereinkommen, »Konvention« bedeutet, so kommt da besonders auch das in Betracht, was jemand nach allgemein geltender Anschauung und Sitte tun muß. Im Besonderen aber bezeichnet es einen Gesellschaftsvertrag, die Verfassung und die Satzungen einer Gruppe, Gemeinde, Gilde, Körperschaft usw. Siehe z.B. Nārada X, 1–2. Das Zusammenwirken größerer oder kleinerer Gruppen, vor allem der Dorfgemeinschaft, zu gemeinnützigen Dingen und die Pflicht, dazu beizusteuern, schließt also auch die Vergnügungen der Landbevölkerung ein und diese gewiß erst recht, sei es nun, daß Begabte z.B. bei einer Vorstellung oder Vorführung selber auftraten, sei es, daß sie bezahlten, vor allem wenn Mimen, Seiltänzer Gaukler, Sänger usw. ins Dorf kamen. Und bei den Festen schleppten die freudehungrigen Leutchen besonders Kuchen (bhakshya) und einen guten Tropfen für die durstige Kehle, jedes aus dem eigenen Vorrat zusammen und hatten nun ihre Pikniks. Abseits stehen durfte da niemand.


18 Man muß brāhmaṇaç statt brāmaṇataç lesen, wie auch das ca wahrscheinlich macht. Die strengste Strafe für den Brahmanen befremdet freilich auf den ersten Blick. Darum wohl Sham. »zuerst bestraft werden«. Aber auch bei Diebstahl muß ja der Brahmane am schwersten büßen (Manu VIII, 337f.; Jolly, Recht und Sitte S. 126).A14


19 Dem Zusammenhang nach: auch wenn sie ihre Dienste verweigern. Ich lese brāhmaṇā nākāmāḥ und sehe, daß auch Jolly dies vorschlägt, argwöhne aber, daß auch so der Text noch nicht richtig ist.


20 Ich lese saṃkramān statt saṃkramāt.A15


A1 Lies Kapitel IV.


A2 Warum die fünf Jahre? N. XI, 26 teilt uns mit: »In einem Jahre wird ein Feld zur Halbwüste, in drei Jahren zur Wüste (oder: Öde, khila). Ist es aber fünf Jahre lang unbestellt geblieben, dann ist es der Waldwildnis gleich.« Es wird eben mit unheimlicher Schnelligkeit von allerhand Gewächs überwuchert und wäre also nach fünf Jahren als Feld dem Eigentümer sowieso verloren. Was nun aber, wenn der Bebauer es länger als fünf Jahre in Besitz gehabt hat? Dem Anschein nach braucht er es ihm da nicht zurückzugeben. Dann würde durch diese Stelle eine Auffassung von N. XI, 23–25 gestützt, die ich rein aus N. selber gewonnen habe. Da heißt es: »Kann der Eigentümer eines Feldes es nicht bestellen oder ist er gestorben oder verschwunden, und irgend jemand bestellt es einspruchslos, dann soll er den Ertrag genießen. Wenn bei einem so bestellten Feld der Eigentümer wieder daherkommt, so soll er vollständige Vergütung für die Bearbeitung des öde liegenden Landes leisten. Dann erhält er sein Feld wieder. (Vermag er das nicht, dann) nach Abzug des achten Teils (des Ertrags) davon, bis sieben Jahre vergangen sind. Nach Eintritt des achten Jahres soll er das (vom anderen) besessene Feld als Eigentum empfangen.« So wären die Worte im Lichte der von Jolly in seiner Nāradaübersetzung mitgeteilten Verse des Kāty., der acht Jahre lang ein Achtel abzugeben vorschreibt, zu verstehen. Aber die Ergänzung: »Vermag er das nicht« ist einfach dem N. von außen her aufgedrängt, und natürlicher –, wenn auch nicht notwendigerweise sollte das handelnde Subjekt von bhukta und von labheta dasselbe sein. Da bekämen wir: »Dies (daß der Bebauer die Feldfrucht bekommt; tad zurückbezogen auf açnuvīta sa tatphalam, nach der in Çl. 24 beigefügten Einschränkung) gilt nach Abzug eines (dem Eigentümer gebührenden) Achtels, bis sieben Jahre vergangen sind. Nach Eintritt des achten Jahres aber soll er (der Bebauer) das Feld, dessen Nutznießung er gehabt hat, als Eigentum erhalten.« Viel näher läge freilich die Beziehung des tad auf svakshetra: »Ein Achtel davon.« Der Sinn bliebe da derselbe, nur wäre die Satzkonstruktion noch härter. Vollkommen glatt würde die dunkle Strophe, wenn man sie vor 24 stellte. Da bekäme der zur Selbstbebauung Unfähige sofort sein Achtel, und im Fall des Verstorbenen oder des Verschollenen würde es vorläufig auf die Seite getan für die Möglichkeit, daß der Eigentümer selber, bzw. ein Erbe des Toten, auftauche. Vgl. Übers. 60, 25f.; Zusatz zu 235, 40; 235, 6–10; 256, 14–17 und den Zusatz zu der dortigen Anm. So oder so aber hätten wir bei dieser Auslegung von bhuktaṃ kshetraṃ labheta saḥ eine Ausnahme zu der allgemeinen Regel: Einspruchsloser Besitz gibt Eigentumsrecht nach zehn Jahren (Kauṭ. 190, 17–18 Vas. XVI, 17; N. I, 79 = M. VIII, 147; G. XII, 37; Y. II, 24). Oder zu der anderen: Grundeigentum verfällt nach zwanzig Jahren (Kauṭ. 190, 19; Y. II, 24). Aber die Bebauung des Ackerlandes ist ja so wichtig, daß dem König von Kauṭ. Übers. 59, 16–17 befohlen wird: »Denen, die das Land nicht bebauen, nehme er es weg und gebe es anderen.«


A3 M. VIII, 237 schreibt vor: »Hundert Bogenlängen betrage die Umfassung (parīhāra) eines Dorfes rings herum oder drei Stabwurfweiten (wegen des çamyāpāta oder -kshepa oder -prāsa vgl. Ā. I, 3, 9, 6; MBh. III, 90, 5 und Nīl. dazu; MBh. K. VII, 63, 2). Dreimal so viel aber die einer Stadt.« Was heißt das? Y. II, 167 antwortet, es sei ein Zwischenraum von hundert Bogenlängen zwischen Dorf und Feldern als Einfassung (parīṇāha). Nach Y. liegt also ein 100 Bogenlängen oder 600 engl. Fuß breiter Streifen um das Dorf her, den das PW. wohl mit Recht »Gemeindeland« nennt. M.'s Worte scheinen nun wirklich, wie man bisher angenommen hat, den Sinn der Regel des Y. zu haben, dies um so mehr, als M. ja fortfährt: »Wenn Vieh dort Feldfrucht schädigt, die nicht eingezäunt ist usw.« und Çl. 239 vorschreibt, daß dort gute Zäune gemacht werden müssen wegen der Haustiere. Also wird die »Umfassung« offenbar als Weideland gebraucht. Siehe auch Stenzlers Anmerkung zu Pārask.-Gṛih. III, 9, 1 in seiner Übersetzung. Möglich aber wäre immerhin die Auslegung, daß eine Umfriedigung in der genannten Entfernung vom Dorf herumgezogen sei wie bei Kauṭ. Freilich, daß die altindischen Dörfer von einer solchen Pfostenumhegung, doch wohl zum Schutz gegen Überfälle, umschlossen gewesen seien, kommt mir außerordentlich zweifelhaft vor. Sollte die Vorschrift Kauṭ.'s durch Mißverständnis aus einer Vorlage oder mehreren herausgesponnen sein, die dem Y. und dem M., so wie dieser bisher aufgefaßt worden ist, entsprächen?


A4 Ebenso N. XI, 34. Vish. V, 145 und Y. II, 160 erwähnen nur die doppelte Strafe für die, die sich nach dem Fressen niedergelegt haben. Wegen der sonstigen Strafansätze bei den verschiedenen Tieren vgl. N. XI, 31; M. VIII, 241 (er einfach: 11/4 paṇa); G. XII, 22–25; Vish. V, 140–44; Y. II, 159–60.


A5 Die richtige Übersetzung wird lauten: »Solche Tiere, die (den Abwehrenden) angreifen, oder solche, die schon früher sich vergangen haben (sei es, daß sie Schaden gemacht oder Leute verletzt haben), sollen mit allen (nur möglichen) Mitteln in Schranken gehalten werden.« Prārthayate petere, losstreben, losgehen auf, angreifen findet sich im Raghuv., ebenso im MBh., z.B. V, 124, 26; Kirāt. II, 21; Kauṭ. 34, 12; vielleicht auch 336, 8.


A6 S. auch Mookerji, Loc. Gov. S. 230.


A7 vgl. N. XI, 17–22; Y. II, 156f.


A8 Gaṇ. und Jolly lesen daṇḍacaturthā statt daṇḍacaturdhā. Dann geht aber atikarshaṇe nicht mehr, sondern muß man dies in abhikarshaṇe ändern: »Wer (zu) nahe an die hier genannten Wege dranpflügt, bezahlt als Strafe immer das Viertel der für den betr. Weg geltenden Strafe. Wer (den betr. Weg) aufpflügt, die eben genannten Strafen.« Das schiene durchweg besser zu sein. Dieses Vergehen haben wir jedenfalls auch in Vish. XLIV, 13, wo es heißt, der prakṛishṭavartmāpahārin werde als Höhlentier wiedergeboren werden. Nandap. versteht den Ausdruck nicht. Er bedeutet: »wer von einem Weg etwas wegpflügt« (wörtl. der Dieb oder Räuber des angepflügten Weges). In betreff der Straßenversperrung vgl. N. XI, 15f.: »Einen Kreuzweg, ein Götterheiligtum, eine Straße oder einen Weg soll man nicht durch Abfallhaufen, eine Erdaufschüttung (für eine Festterasse usw.), eine Grube, eine Wirbelkloake oder ein Abzugsrinnsal (syandanikā) versperren. Leute aber, die sie versperren, sei es aus Torheit oder mit offener Gewalt, soll der König mit der höchsten Sāhasabuße bestrafen«. – Wegen der Breite der verschiedenen Wege vgl. Çukran. I, 519ff. Man beachte da 531–34, wo uns äußerst neuzeitlich anmutende Straßenverhältnisse geschildert werden. Als Straßenarbeiter erscheinen in der Çukran. Sträflinge und in Anklagehaft Befindliche (I, 537; IV, 1, 216).


A9 Ich habe upavāsa nach 218, 17 und MBh. K IV, 20, 47 übersetzt, wo es das in der Nähe Sein, Nachbarschaft bedeutet. Aber auch Gaṇ. liest tyajato und belehrt mich, der upavāsa sei ein Pflüger, der seinen Lebensunterhalt vom Dorf habe. Upavāsa bedeutet also: Der Anwohner, Nebenwohner, vgl. Periöke, oder: der anhängselgleiche, der geringere Einwohner, entspricht also sprachlich und sachlich etwa unserem Beisasse und Hintersasse. Wie die Beisassen hatten sie kein Gemeinderecht, wie die Hintersassen früherer Zeit in Deutschland waren sie eine Art Hörige. Denn der altindische Bei- oder Hintersasse ist jedenfalls gleichbedeutend mit dem kṛishīvala oder dem kīnāça, dem Urbild des armseligen Tropfs. Sein Elend wird z.B. von Divyāv. 463 oder in Schiefners Ind. Erzähl. Bull, der St. Petersb. Ak. Bd. XXIII, Sp. 540 geschildert. Wegen der Armut des kīnāça läßt ihn Āpast. II, 11, 28, 2 bei willkürlicher (l. vaçinaḥ) Pflichtversäumnis einfach ausprügeln. Er wird als Vorzugsanteil auf den Sohn des Brahmanen vererbt, wenn ein Brahmane Frauen aus verschiedenen Kasten hat. M. IX, 150. Die kṛishījīvinas wohnen draußen an der Dorfgrenze. N. XI, 3. Immerhin aber ist der kṛishīvala oder Pflüger nicht ein Sklave und nicht ein wirklicher Leibeigener. Denn er gehört unter die bhṛitaka, die gedungenen Diener. Von diesen gibt es drei Arten. Der vornehmste darunter ist der Soldat, der mittlere der kṛishīvala, der niedrigste der Lastenträger. N. V, 22f.; Bṛ. XVI, 9–10. Die Arbeit dieser und anderer Lohnmenschen ist immerhin noch rein (çubha), ganz verachtet (jaghanya) aber die der verschiedenen Arten von Sklaven. N. V, 25. Ist kein Lohn mit dem kṛishīvala vereinbart, dann bekommt er den zehnten Teil der Feldfrucht. N. VI, 3. Bṛ. XVI, 12f. dagegen billigt ihm ein Fünftel zu, wenn er zugleich Nahrung und Kleidung erhält; sonst sogar ein Drittel. Diese Hintersassen sind jedenfalls ähnlich den heutigen feldbebauenden Paria, von denen Rāmakrishna, Life in an Indian Village (London 1891) S. 86ff. schreibt, daß sie derselben Familie von einem Geschlecht zum anderen dienten und nicht wagten, einem anderen Herrn zu dienen. Wenn im Hause des Herrn eine Hochzeit ist, hält der Paria oder sein Sohn usw. Hochzeit, bei einem Todesfall in der Familie des Herrn legt auch er Trauer an und macht die Leichenzeremonien mit usw. Vgl. Ā. II, 2, 3, 4–5, Vish. XXI, 19–20 und bes. B. I, 5, 76 (= I, 5, 10, 20). Also haben Y. und Jolly vollkommen Recht, und muß man übersetzen: »Wenn ein Feldbesitzer zur Zeit der Aussaat ein Feld nicht (zum Bestellen) übergibt, oder wenn der Beisasse (nachdem er es zum Bestellen übernommen hat) es liegen läßt, beträgt die Strafe 12 paṇa.« Man muß wohl zerlegen in kshetrikasya ākshipato. Ākshipati hat seine gewöhnliche Bedeutung »wegnehmen«, also hier »entziehend vorenthalten«. Gaṇ.'s akshipato »nicht zuweisend« wird kaum richtig sein. Wegen bījakāla Zeit des Säens siehe das Gleichnis des Epos vom Pfeilschützen, z.B. MBh. VII, 25, 31. Nun gehört aber wirklich diese Vorschrift eigentlich nicht hierher, sondern sie hätte im Sanskrittext auf S. 173, Z. 4 hinter haret (in der Übers. S. 273, 2 hinter »einziehen«) eingefügt werden sollen. Aber Kauṭ. stellt hier eben eine Anzahl für das Dorfleben wichtiger Dinge zusammen. – »Gewaltsames Wegnehmen« nicht aber »reviling« heißt ākshepa übrigens auch in N. XIV, 4. In XV–XVI, 6 wird es durch apakarshaṇa ersetzt.


A10 Wegen der straffreien Tiere vgl. M. VIII, 242; Vish. V, 150; Y. II, 163; N. XI, 30, 32, 33. Der letztgenannte gibt auch die Elefanten und die Pferde an, weil sie, wie der Fürst, die Untertanen im Kriege schützen; dann: hergelaufene und frischgekalbte Kühe, die zufällig hergekommen sind, verlorene, erschöpfte (bhagnā), brünstige (lagnā, vgl. Kauṭ. 422, 20) und solche, die ihren Nasenstrick zerrissen haben, über die man also keine Gewalt hat. Es ist nämlich noktaṃ statt des törichten proktaṃ zu lesen: »Nichts aber ist festgesetzt bei einer Kuh, die ihren Nasenstrick zerrissen hat; bleibt sie jedoch über Nacht, dann das Vierfache.« Daß eine solche Kuh in ein fremdes Feld rennt, läßt sich nicht verhindern, wohl aber, daß sie darin übernachte. Die zwei Çloka des Uçanas, die die Mitāksharā zu Y. II, 163 zitiert und die zur Hälfte wortwörtlich mit N. übereinstimmen, nennen auch alle Rinder (oder Kühe, gāvaḥ) bei Festen und Totenseelenfeiern, sowie die einäugigen und die buckligen.


A11 Die Smṛiti kennt nur den einfachen Ersatz des Verlustes. N. XI, 38–39, G. XII, 26; Vish. V, 146; Y. II, 161; M. VIII, 241.


A12 Dieselbe Bedeutung von cārayati wie hier bei Kauṭ. haben wir in cāra bei Y. II, 162, wo die zweite Hälfte übersetzt werden muß: »wer gegen den Willen (des Feldbesitzers Vieh) willkürlich hinübertreibt«, und in N. XI, 34: »für solche, die vor den Augen (des Feldeigentümers Vieh) darübertreiben«. Der Vivādacintāmaṇi hat ganz Recht, wenn er erklärt: »vor den Augen und trotz der Einsprüche des Besitzers«.


A13 Lies M. VIII, 238f. Besser als M. VIII, 239 ist die sehr ähnliche Strophe N. XI, 41: »Am Wege lasse man an einem Feld einen Zaun machen, über den kein Kamel wegschauen, kein Rind oder Pferd hinüberspringen und den kein Schwein durchbrechen kann.« Wegen der Straflosigkeit bei uneingefriedigter Feldfrucht vgl. N. XI, 40 (wo anāvṛitaṃ cet weit besser wäre); G. XII, 21 (wo befremdenderweise auch der Hirt verantwortlich ist, während G. XII, 28 doch sogar erlaubt, Früchte aus Uneingezäuntem frei zu nehmen); Vish. V, 147–148; Y. II, 167. – Davon, daß der Geschädigte das Vieh einsperrt, hören wir zwar nicht in Ā. II, 11, 28, 5, wohl aber wahrscheinlich in N. XI, 39. Von Bestrafung des Hüters bei Feldschaden: N. XI, 28 (wo auch die Rede ist von Tieren, die über den Zaun gehen), 29, 35–37; M. VIII, 240; G. XII, 20f.; Y. II, 161. Eine säugende oder überhaupt eine Kuh bei Feldschädigung nicht abzuwehren noch anzuzeigen, gehört zum richtigen Verhalten des snātaka. A. I, 11, 31, 9; G. IX, 24; Vish. LXXI, 61. Kauṭ. nun weicht darin von der Smṛiti ab, daß er zuerst vom Fressen, Sichniederlegen und Übernachten auf eingezäunten Weiden redet, dafür die Strafen je nach den einzelnen Tieren festsetzt und dann erst das Abfressen von Feldfrüchten nachhinken läßt. Das sieht wie eine Verballhornung durch einen Stubengelehrten aus, der vom Gegenstande herzlich wenig versteht. Denn einer Weide schadet es ja nichts, wenn das Vieh es sich dort gemütlich macht oder da die Nacht zubringt. Im Gegenteil, der zurückgelassene Mist ist wertvoll, vor allem in Indien. Wohl aber wird durch Tiere, die es in einem Getreide- oder Fruchtfeld so treiben, besonders viel verwüstet. Freilich die hierhergehörenden Stellen sind auch in der Smṛiti nicht in richtigem Zustand. Sie können aber, wenn man sie mit ein bißchen Sachkenntnis aneinander hält, gebessert werden und reden alle, abgesehen von dem einen Versviertel in Y. II, 160, nur von der Verheerung in Fruchtfeldern. Vish. V, 140ff. und Y. II, I59ff. geben erst die Strafansätze bei Schädigung der Bodenfrucht (sasyanāça, sasyaghāta) je nach den verschiedenen Tieren und sagen: Haben sie sich nach dem Fressen dort niedergelegt, dann immer das Doppelte als Strafe. Ebenso N. XI, 34. Obendrein aber muß immer dem Feldeigentümer der Schaden vergütet werden, eine Regel, die alle haben. Dann fährt Vish. fort: Pathi, grāme, vivītānte na doshaḥ. Anāvṛite ca. Ursprünglich war das offenbar eine Çlokahälfte: Pathi, grāme, vivītānte na, doshaḥ syād anāvṛite. Y. sagt richtiger: Pathi, grāmavivītānte kshetre dosho na vidyate, wo man übersetzen kann: »in einem Feld am Weg und am Saum der Dorfweide ebenda« oder: »in einem Feld am Wege oder am Saum des Dorfs oder des Weidelands«. Weil Y. offenbar N. XI, 40 umdichtet, so ist jedenfalls nur das zweite richtig. N. sagt: Grāmopānte ca yat kshetraṃ vivītānte, mahāpathe \ anāvṛitaṃ (wie auch M. VIII, 238 zeigt, weit besser so statt des ungeschickten anāvṛite, das unbesehen aus den Quellen herüberverpflanzt oder nach anderen Smṛitistellen später hineingeschlimmbessert worden ist) cet, tannāçe na pālasya vyatikramaḥ. »Und wenn ein Feld am Saum des Dorfes oder am Rand der Weide oder an der Landstraße liegt und ist nicht eingezäunt, dann ist des Hirten keine Schuld bei einer Schädigung darin.« M. VIII, 240, erste Hälfte, muß also mit Elisionszeichen gelesen werden: Pathi kshetre 'parivṛite grāmāntīye 'thavā punaḥ. Die zweite Hälfte des Çloka, schon an und für sich im Inhalte blühender Blödsinn, besonders da ja das arme Hirtlein die 100 paṇa zahlen müßte, ist dadurch aus ganz anderem Zusammenhang hierher verschwemmt worden, daß man den avagraha vernachlässigte. Sie scheint aber schon auf G. XII, 21 einen unheilvollen Einfluß geübt zu haben. Bei ihm und bei ihm allein finden wir zunächst den ungefähr ursprünglichen Wortlaut: Pathi kshetre (oder pathikshetre) 'nāvrite »in einem uneingezäunten Feld an einem Weg«. Dann aber fährt er fort: pālakshetrikayoḥ »ist des Hirten und des Feldbesitzers (Schuld und Schade)«. Da wird nicht Verschiedenheit des örtlichen Brauchs, sondern Unkenntnis und Ungeschick des Kompilators anzunehmen sein. Die vernünftige Urregel, die wir mit wohl vollkommener Sicherheit herausschälen können, lautet also: »Tut Vieh Schaden in einem uneingezäunten Feld an der Straße oder am Saum der Weide, dann haben Hirt und Viehbesitzer keine Schuld.« Sehr früh scheint hinzugekommen zu sein: »Oder draußen vor dem Dorf.« Aber dieser Zusatz ist im Grunde kaum berechtigt oder nötig. Stammt vielleicht pathi grāme, wie wir es bei Vish. finden, aus einem ursprünglichen pathi grāse »Abfressen in einem Feld am Weg«? Oder einem pathikshetre 'parivṛite grāse (dosho na vidyate)?


A14 Wie schon Sham.'s Text zeigt, muß hinter viçishṭaḥ ein Punkt gesetzt werden. Da hat ihn denn auch Gaṇ. Außerdem liest er jyaishṭhyaṃ statt jyeshṭhaṃ. Die Stelle bis viçishṭaḥ muß im Lichte von Bṛ. XXII, 31–33 so übersetzt werden: »Wenn sie sich aber zusammenrotten und ihn schlagen, dann trifft jeden einzelnen das Doppelte der Strafe für dies Vergehen. (Vgl. Vish. V, 73; Y. II, 221.) Auf solche, die (dabei) ihn verletzen oder töten, fällt eine ausgesuchte Strafe.« Upahan, upaghātayati und upaghāta drücken ja den Begriff schädigen, verletzen, töten aus. So z.B. Kauṭ. 63, 4; 67, 12f.; 210, 2; 274, 16; 405, 14. Upamantrishu »auf solche, die dazu aufstacheln«, wäre auch gut in der Sache. Aber man wird kaum zu diesem greifen müssen. Ob Gaṇ.'s sākshād ghātakeshu, womit er upahantṛishu umschreibt, bedeutet: »die ihn wirklich töten«, weiß ich leider nicht, vermute es jetzt aber, geleitet durch Bṛ. Das weitere hieße nach Gaṇ.'s Erklärung: »Als beim Brahmanen anfangend soll der Vorrang unter ihnen festgesetzt werden.« Das wäre eine höchst überflüssige Weisheit. Der Satz muß nach 169, 3 verstanden werden; tato niyaccheyuḥ heißt dort: »danach sollen sie entscheiden«. Das ist nämlich besser als meine, übrigens im Sinne ganz gleiche Übertragung: daran sollen sie sich halten, »dahin sollen sie sich neigen« (Übers. 279, 1). »Strafen« wäre dort möglich, aber höchst unwahrscheinlich. Also richtig: »Von Brahmanen aus (d.h. nach der Entscheidung von Brahmanen) soll der Vorrang unter ihnen festgestellt werden.« Durch diese Vorschrift wird der befremdende Umstand erhellt, daß sowohl Y. wie Bṛ. unmittelbar vor der Besprechung des samayabheda gebieten, der König solle privilegienbedachte Körperschaften von Vedagelehrten unter die Leute hinsetzen und jenen die Entscheidung über vorkommende schwierige Rechtsfragen übergeben. Bei Y. II, 185 muß brūyāt: »Svadharmaḥ pālyatām« iti jedenfalls auch übersetzt werden: Er spreche zu ihnen: »Die eigene Lebenspflicht werde beobachtet«, d.h. seht ihr darauf, daß jeder die ihm obliegenden besonderen Pflichten kennt und erfüllt. Sie bilden also einen Staats- und Kirchenrat. Wie sehr auch solche Verordnungen der Smṛiti auf das wirkliche Leben einwirkten, sehen wir aus einer indischen Inschrift, die davon berichtet, daß eine Akademie gelehrter Brahmanen auf Grund der Rechtsschriften festsetzte, welche Berufe bestimmte Leute, hier die rathakāra, ausüben durften (Mookerji, Loc. Gov. 269).

Der Begriff des samaya bei Kauṭ. stimmt im wesentlichen mit dem von samaya und saṃvid bei N. X, 1–7; M. VIII, 218–221; Bṛ. XVII, 1–24; Y. II, 186–192 überein. Der Ausdruck samayasyānapākarman aber findet sich nur noch bei N., soweit ich verglichen habe. Die übrigen reden von samayabheda, samayavyabhicāra, saṃvidvisaṃvāda, samvillaṅghana, setzen aber viel strengere Strafen fest. Eine hohe Geldbuße nennen M. VIII 220 und Bṛ. XVII, 14; Verbannung aus dem Reich M. VIII, 219 und Vish. V, 168; diese und Konfiskation alles Vermögens Bṛ. XVII, 13 und Y. II, 187. Ob Y.'s bhedaṃ, caishāṃ nṛipo rakshet bedeutet: »Der König soll Spaltung (Zwietracht) unter ihnen verhüten«, eine Vorschrift, die besonders das MBh. und N. X, 6 einschärfen, oder ob bheda = samayabheda ist, läßt sich nicht sagen. Für die Nichtbeachtung dessen, der etwas zum Heile aller vorschlägt, gilt bei Y. die erste oder niederste Sāhasabuße (II, 188, vgl. 191).


A15 Wahrscheinlich wäre statt Bauanlagen genauer: Bewässerungsanlagen. Aber das erste schließt ja das zweite ein. Werke wie die hier genannten und namentlich auch die Anlegung von Lustgärten und Brunnen gelten in der ganzen altindischen Literatur als hochverdienstlich. Siehe z.B. Vish. XCI, 1–9, 19. So auch bei den Buddhisten, z.B. in Paramatthadīp. III, S. 151 ārāmaropaṇa, setubandhana, saṃkamaṇakaraṇā. Saṃkrama sind auch Stiegen hinab zu Flüssen. Wer solche für die Wasserschöpfenden baut, bleibt in der folgenden Geburt von Unglück verschont. MBh. K. XIII, 236, 19.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 269-274.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Müllner, Adolph

Die Schuld. Trauerspiel in vier Akten

Die Schuld. Trauerspiel in vier Akten

Ein lange zurückliegender Jagdunfall, zwei Brüder und eine verheiratete Frau irgendwo an der skandinavischen Nordseeküste. Aus diesen Zutaten entwirft Adolf Müllner einen Enthüllungsprozess, der ein Verbrechen aufklärt und am selben Tag sühnt. "Die Schuld", 1813 am Wiener Burgtheater uraufgeführt, war der große Durchbruch des Autors und verhalf schließlich dem ganzen Genre der Schicksalstragödie zu ungeheurer Popularität.

98 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon