Erstes Kapitel (160. bis 161. Gegenstand).

Erregung und Nutzung von Zwietracht[588] 1 und die stille Strafgewalt.

Von allen Gewinnen durch Streitkräfte und Bundesgenossen (die der König erlangt) ist der Gewinn von den Verbänden der beste.2

Infolge ihrer Zusammengeschlossenheit sind die Verbände für andere unüberwindlich. Sie möge er sich, wenn sie ihm gefügig und ergeben sind, durch Freundlichkeit und Beschenkung nutzbar machen; die widerspenstigen (viguṇa) durch Zwietrachtsäen und Strafgewalt.

Die Kriegergenossenschaften (kshattriyaçreṇī) der Kāmboja, Surāshṭra und ähnliche Verbände leben von den Waffen als Erwerbstätigkeit.3 Die Licchavika, Vṛijika, Mallaka, Madraka, Kukura, Kuru, Pañcāla usw. leben von ihren Fürstennamen.4

Bei allen sollen Spitzel sein, welche die Dinge die unter den Verbänden gegenseitige Beschimpfungen, Erbitterungen, Feindschaften und Streitigkeiten veranlassen, in Erfahrung bringen und dann in sorgfältig vorbereiteter [588] Weise (kramābhinītam) Zwist unter ihnen in Gang setzen: »Der und der verleumdet dich!« Wenn sich so auf beiden Seiten Hader angesponnen hat, sollen als Lehrer Verkappte Kinderzwistigkeiten wegen Kenntnissen, Kunstfertigkeit, Glücksspielen und Vergnügungen hervorrufen. Oder in Freudenhäusern und Schenken sollen Bravi unter den obersten Leuten der Verbände durch Lobeserhebungen derer, die den Betreffenden zuwider sind, Streit hervorrufen.

Oder unter Herüberziehung und Unterstützung der bearbeitbaren Faktion sollen sie die Prinzlein, die (unter den ihrigen) in geringer Gunst stehen, durch (den Hinweis auf) die von den Ausgezeichneten genossene Gunst aufstacheln.5 Und die Hervorragenden sollen sie abhalten von Eßgemeinschaft und Verheiratung mit den Geringern.6 Die Geringern dagegen sollen sie zu Eßgemeinschaft und Ehe mit Hervorragenden anstiften. Oder die Niedrigstehenden dazu, sich das gleiche Wesen (wie die Hochstehenden) anzumaßen, was Familie, Tapferkeit und Stellentausch betrifft. Oder die Art des öffentlichen Verkehrs oder die feststehende Sitte sollen sie durch Festsetzung von Unnatürlichem7 zum Erlöschen bringen. Oder in Fällen von Prozessen sollen Bravi bei Nacht Gütern, Vieh und Menschen Schaden zufügen und dadurch Balgereien hervorrufen (indem die Schuld auf die Feinde der Geschädigten geworfen wird). Und bei allen Streitanlässen soll der König der schwächeren Partei aus seinem Schatz und Heer Unterstützung zugehen lassen und sie zur Vernichtung ihrer Gegenpartei anstiften. Entweder zersplittert verbringe er sie anderswohin, oder indem er sie alle zusammen in einer Gegend ansiedelt. Und in ihrem Lande siedle er Einheiten von fünf Familien oder von zehn Familien als Ackerbauern an.8 Denn wenn sie zusammen [589] an einem Ort wohnen, werden sie zur Führung der Waffen tauglich sein. Und auf ihren Zusammenschluß9 soll er Strafe setzen. Oder einen edelgeborenen Familienangehörigen, den die den Fürstennamen Führenden (als ihnen gefährlichen Nebenbuhler) eingekerkert oder verjagt haben, soll er in die Würde eines Königssohnes (rājaputratve) einsetzen. Und des Königs Dienertrupp von Wahrsagern usw. soll unter den Verbänden bekannt geben, daß er (dieser also Ausgezeichnete) die Körpermerkmale eines zukünftigen Königs habe. Und den frommen und rechtlichen Oberhäuptern der Verbände möge er einflüstern: »Tut wie eure Pflicht gegen den Sohn«, oder: »gegen den Bruder des Königs N. N. euch gebietet«. Gehen sie darauf ein, dann soll er ihnen, damit sie die bearbeitbare Faktion gewinnen und unterstützen können, Geld und Soldaten schicken. Zu der Zeit, wo sie (also aufgestachelt und vom König unterstützt gegeneinander) Krieg führen, sollen als Schenkwirte Verkappte unter dem Vorwand, Sohn oder Gattin sei ihnen gestorben, also sprechen: »Dies zur Feier der Wasserspende für den Toten« (naishecanika) und ihnen hundertweis Krüge Rauschtrank, der mit Gift vermischt ist, darreichen.10 Und Hinterhältler sollen ihnen was vormachen von wertvollen nach einer getroffenen Übereinkunft in Heiligtümern, bei Tempeltoren oder an Bewahrungsorten niedergelegten Gegenständen oderA1 Goldgefäßen mit Gold und Erkennungssiegeln. Und erscheinen die Verbände (um das Betreffende zu holen), dann sollen sie ankünden: »Verkauft!« Darauf soll man einen Überfall auf sie machen.11 Oder einer soll Reittiere [590] oder Geld der Verbände als zeitweiliges Darlehen übernehmen und einem Verbandsoberhaupt so, daß es nicht bekannt wird (also heimlich), übergeben.12 Werden sie dann von ihnen ihm abverlangt, dann soll er sagen: »Ich habe sie dem und dem Verbandsoberhaupt gegeben«.

Damit ist auch das Nötige gesagt über die Veruneinigung von Heerlagern und Waldstämmen.

Oder den auf sich selber eingebildeten Sohn eines Verbandshauptes soll ein Lockspitzel glauben machen: »Du bist der Sohn des Königs N N., aus Angst vor den Feinden hier untergebracht«. Geht er darauf ein, dann soll ihn der König mit Schatz und Heer unterstützen und zu kriegerischen Unternehmungen gegen die Verbände veranlassen. Hat er sein Ziel erreicht, dann räume er ihn aus dem Wege.

Dirnenpfleger oder Akrobaten, Schauspieler, Tänzer, GauklerA2, die als Lockspitzel ausgestellt sind, sollen durch Weiber, die in herrlichster Schönheit und Jugend prangen, die Verbandsoberhäupter toll machen. Wenn sie (diese Weiber) irgendeinem von den in Liebe Entbrannten Vertrauen erweckt haben, sollen sie dadurch, daß sie zu einem anderen gehen oder sich »gewaltsam entführen« lassen, Streitigkeiten hervorrufen. Und bei so einem Streite sollen dann Bravi ihr Werk tun (d.h. während der Balgerei unbemerkt und hinterrücks den Betreffenden töten) und sagen: »So und so ist dieser Verliebte getötet worden« (d.h. nur wegen seiner Liebe zu dieser Frau hat ihn der Nebenbuhler umgebracht).

Oder zu einem Enttäuschten, der rachezornig das nicht dulden will, soll das Weib heranhuschen und zu ihm sprechen: »Das Oberhaupt N. N. setzt mir, der ich in dich verliebt bin, heftig zu und gefährdet mich. Solange der lebt, kann ich hier nicht bleiben«. Sie veranlasse ihn zu dessen Tötung.

Oder eine mit »Gewalt Entführte« lasse ihren Entführer bei dem Park oder in dem Lusthause (wo er sie genießen will) in der Nacht durch einen (vorher verständigten) Bravo töten, oder sie selber (töte ihn) durch Gift. Darauf mache sie bekannt: »Von N. N. ist mein Geliebter umgebracht worden«.

Oder einen Verliebten locke ein als zaubergewaltiger Heiliger (siddha). Verkappter mit Hilfe von liebeerzeugenden Kräutertränken an sich, räume dann (den dadurch vertrauensvoll Gewordenen) durch Gift aus dem Weg und mache sich davon. Ist er entwichen, dann sollen Hinterhältler die Veranstaltung anderen schuld geben.

Als »reiche Witwen« sollen Frauen, die von einem heimlichen Gewerbe leben, oder Agentinnen (des Fürsten) sollen wegen der Deponierung der Erbschaft (vor den Verbandshäuptern) einen Streit führen und dabei den [591] Verbandshäuptern den Kopf verdrehen.13 Oder Lustdirnen, Tänzerinnen und Sängerinnen. Und bandeln sie mit ihnen an, dann sollen Bravi, die sich in die heimlichen Häuser beim nächtlichen Stelldichein miteingeschlichen haben, sie töten oder gefangen wegführen.14

Oder ein Lockspitzel soll einem weiberlüsternem Verbandsoberhaupt vormachen: »In dem und dem Dorf ist eine arme Familie. Die hat ein Weib, das eines Königs würdig ist. Nimm dir die!« Hat er sie genommen, dann soll innerhalb eines halben Monats15 ein als Heiliger Verkappter inmitten der Oberhäupter des verräterischen Verbandes ausschreien: »Das Oberhaupt N. N.16 entehrt meine Gattin, Schwiegertochter, Schwester, Tochter« (je nach dem besonderen Fall). Wenn der Verband ihn nun bestraft, soll der König ihn unterstützen und für sich gewinnen und ihn gegen die Widerspenstigen Krieg führen lassen. Bestrafen sie ihn nicht, so sollen Bravi des Nachts den als Heiligen Verkappten verschwinden machen, und dann sollen so wie er (d.h. als Heilige) Verkappte ausschreien: »Der N. N. ist ein Brahmanenmörder und der Buhle einer Brahmanin«.17

Oder ein als Wahrsager Verkappter soll ein Mädchen, das einer als Gattin erwählt hat, einem anderen vormalen: »Die Tochter des N. N. wird Königsgemahlin [592] und Königsmutter werden« (d.h. wer sie heiratet, der wird König, das sehen wir an ihren Körpermerkmalen). »Mach sie dir mit Drangabe all deines Guts oder mit Gewalt zu eigen«. Solange er sie noch nicht gekriegt hat, ermuntere er (der Agent des Königs) seine Gegenpartei (zu tapferem Widerstand). Hat er sie gekriegt, dann ist der Streit fertig.

Oder eine Bettelnonne soll zu einem Verbandshaupte, das seine Gattin liebt, sprechen: »Das Oberhaupt N. N., der Jugendübermütige, hat mich zu deiner Gattin gesandt. Aus Angst vor ihm habe ich Brief und Schmuck genommen18 und bin als (Botin) gekommen. Schuldlos ist deine Gattin. Heimlich mußt du ihm das Handwerk legen. Auch ich will stehenden Fußes ans Werk gehen«.

Wenn bei solchen und ähnlichen Streitanlässen entweder von selber Streithändel entstanden sind oder die Bravi sie hervorgerufen haben, möge der König die schwächere Partei aus Schatz und Heer unterstützen und sie gegen die Widerspenstigen Krieg führen lassen, oder er möge sie von dort wegbringen.19

So möge er als Alleinherrscher gegen die Verbände verfahren. Und so mögen die Verbände, die einen Alleinherrscher haben, sich vor solchen Übermeisterungen bewahren.20

Und ein Verbandshaupt soll beständig gegen die Verbände sich richtig betragen, gutgesinnt und freundlich sein, selbstbeherrscht, von passenden Leuten bedient, mit allen Gedanken (dem König) zu Willen.21

Fußnoten

1 Am genauesten wäre wohl: Mobilmachung von Spaltungen (bhedopadāna). Im Folg, lies saṅghā hi.


2 Wörtlich und genauer wäre wohl: »Unter den Gewinnungen von Streitkräften und Bundesgenossen ist die Gewinnung der Verbände die wertvollste«. In diesem Kapitel kann schon deshalb, weil es zwischen die Kriegssachen hineingeschoben ist, von nichts anderem die Rede sein als von Kriegerverbänden. Diese Verbände sind wenigstens zum Teil, wie z.B. die Licchavi, Clans oder Sippengenossenschaften, und zwar mit sehr selbstherrlicher Verfassung.


3 Vielleicht aber doch besser: »leben von Erwerbstätigkeit (d.h. von Ackerbau, Viehzucht und Handel) und von den Waffen« (vārtāçastropajīvin).


4 Diese sind also Adelige. Da alle die hier genannten »Verbände« die Namen von Völkern oder Volksstämmen tragen (und zwar von solchen, die besonders im Volksepos eine größere oder geringere Rolle spielen (mit Ausnahme der aus den buddhistischen Schriften so wohlbekannten Licchavi), so ist wohl klar, daß diese Völker und Stämme die Reisläuferei in großartigem Maßstabe betrieben. Woher nun aber Kauṭ. sagen könnte, die Verbandstruppen kämen aus dem eigenen Lande des Fürsten (jānapada 343, 1), bliebe mir unverständlich, wenn er nicht wirklich einen König von dem Herrschaftsgebiet des Candragupta im Auge hatte.


5 So wohl besser als meine ursprüngliche Übersetzung: »Die Knäblein, die von geringem Eifer sind, sollen sie durch den Hinweis auf den Eifer der Hervorragenden aufhetzen«. Statt chindikā nehme ich chandikā an, kenne dies aber sonst nicht.A3


6 Viçishṭāṃç caikapātraṃ vivāhaṃ vā, wie ich lese, bereitet keinen Anstoß. Genau dieselbe Konstruktion findet sich Kuṭṭan. 826: tā vārayanti mattaḥ kusaṃgatim »ihnen wehren sie den schlechten Umgang mit mir«. Leichter und vielleicht auch einzig richtig ist aber die Lesart viçishṭānāṃ caikapātraṃ.


7 Vielleicht eher: »Oder die feststehende Verkehrsweise sollen sie durch Hinstellung von Widersprechendem zum Erlöschen bringen,« d.h. dadurch, daß sie ein Beispiel vom Entgegengesetzten geben, durch ihr böses Beispiel sollen sie die Leute verführen.


8 Wörtlich: »auf Ackerland«. Die Kriegerverbände werden wohl wenig für den Ackerbau zu haben sein, oder doch nur als Grundherren, und so gewinnt der König steuertüchtige Bauern. Bhinna scheint hier im Gegensatz zu samasta zu stehen. Freilich sonst heißt es gewöhnlich veruneinigt, und das Absolutiv kommt so nicht zu seinem Recht. Doch vgl. wegen des letztgenannten 92, 13; 172, 18. Vielleicht wäre also besser: »Oder er deportiere die Veruneinigten. Oder nachdem er sie alle zusammen in einer Gegend angesiedelt hat, siedle er nun auf ihrem Lande Einheiten ... an«. So aber befremdet das ca hinter bhūmau und wäre wohl etwas ausgefallen. Also so: »Oder er verbringe sie zerstreut (oder: verbringe sie, wenn sie verunreinigt sind) anderswohin; oder alle zusammen in eine Gegend. Und nachdem er auf ihrem Lande Gruppen von fünf und von zehn Familien angesiedelt hat, stelle er diese an Ackerland, d.h. an den Ackerbau?« Vgl. da z.B. upakāre niveçayati 318, 10. Aber dann wäre das doppelte und doppelsinnige niveçayati nicht gut. Am besten wäre es, niveçayet (mit Punkt dahinter) zu lesen statt niveçya.


9 Samavāya, derselbe Ausdruck, der so oft von den Ligas, Allianzen oder Koalitionen von Fürsten, namentlich im Vorgehen gegen einen anderen gebraucht wird. Wir werden also wohl diesen Satz als allgemeine Vorschrift betrachten müssen, nicht aber als gegen die Deportierten gerichtet. Die verschiedenen Kriegerverbände dürfen sich nicht zu Bünden zusammenschließen. Da würden sie gar zu mächtig.


10 Madanarasa wird, wie schon gesagt, auch zum Vergiften gebraucht, mehr aber zum Betäuben. Ist nur dies beabsichtigt, dann sollen natürlich die Bewußtlosen abgemurkst werden. 387, 7 zeigt deutlich, daß naishecanika bedeutet »auf die Totenwasserspende bezüglich« und nicht etwa einfach die feuchtfröhliche Feier eines Ereignisses.


11 Der Text sieht aus, als ob er nicht ganz vollständig sei, und die Übersetzung unterliegt daher einigem Zweifel. Der Hinterhältler malt wohl den Verbandsleuten vor: »da und da sind die betreffenden Gegenstände«. Diese Sachen legt er selber nach einer getroffenen Verabredung mit den anderen dort nieder. Heimlich nimmt er sie aber wieder weg. Wollen sie das betreffende holen, dann erklärt er: »Weg ist es. Unter der Hand haben es die und die verkauft«, also gestohlen. Da wäre freilich das masc. sonderbar. Also vielleicht: »Verkauft seid ihr (d.h. verraten)!« Dies kann man dann wie eben verstehen. Oder verlockt er sie dazu, die Sachen zu stehlen? Klar ist aber doch wohl, daß durch diesen wie durch die folgenden Kniffe Zwietracht unter sie gesät werden soll.


12 Da āvahayati auch anwerben bedeutet, nehme ich ein āvahana = Werbegeld an. Nach dem Text: »Geld für Reittiere oder Okkasionsware (kālika)«. Prakhyāta scheint also auch hier zu bedeuten: »von ihnen als besonderes Recht beanspruchte Waren«. Ist die betr. Ware auffällig, dann sieht man leicht, daß das Verbandsoberhaupt sie wirklich hat.


13 Statt rājanikshepārthaṃ muß man nämlich dāyanikshepārtham (vgl. 147, 17) lesen oder dāyādyanikshepārthaṃ (dayādadravyanikshepārthaṃ oder so etwas. Vgl. 397, 12). Ebenso zeigt 397, 11, daß āḍhya- statt asya gesetzt werden muß.A4


14 Kauçikastriyaḥ wird so wohl richtig verstanden sein, ob nun kauçikastrī wörtlich »Liebesweib« oder ein »Scheidenweib« (Vulvaweib) oder ein »Seidenweib« oder gar ein »Eulenweib« (also einen »Nachtvogel«) bedeutet. Freilich macht das Fehlen eines nach diesem Worte einen stutzig. Ich habe also ergänzt. Der Text hieße: »Tänzerinnen oder Sängerinnen, die Lustdirnen sind«. Aber Tänzerinnen und Sängerinnen sind das immer in Altindien. Nimmt man an, kauçikastriyo sei Genitiv, dann kommt man auf denselben Sinn. Denn Kauçika müßte da wohl eine Form des Çiva sein; also hätten wir Tempeldienerinnen der Durgā. Das gleiche ergibt sich, wenn man kaiçika oder vaiçika (von veça Bordell) einsetzt. Freilich das iti davor erregt Anstoß und den Verdacht, daß eine Verstümmelung vorliege. Statt rātrisamāgamapravishṭās wird man wohl -pravishṭāṃs lesen müssen: »und haben sie sich in die heimlichen Häuser zum nächtlichen Stelldichein begeben, dann sollen Bravi sie töten«. Wäre der Nom. richtig, dann hätte Kauṭ. jedenfalls anupravishṭa gebraucht. Auch wird so der Sinn besser.


15 Oder nach der Lesart ardhamāsānantaram: »unmittelbar nach einem halben Monat«. Ich lese dūshyasaṅghamukhyamadhya.


16 Richtig ist asau mukhyo, wie auch das entsprechende asau te mukhyo 379, 7 zeigt.


17 Die Lesart anigṛihīte statt aniçaṃ hi te ist dem Sinn nach gewiß, wahrscheinlich auch dem Wortlaut nach richtig. Immerhn stünde unserm Texte näher: aniçāmite: »wenn sie ihn nicht zur Ruhe bringen«, vgl. 376, 18–19). Siddhavyañjanā aber geht gar nicht, sondern siddhavyañjanaṃ, aber ohne das folgende hi, das freilich Verstümmelung eines anderen Wortes, vielleicht von nihitā oder praṇihitā, sein könnte, muß stehen bleiben. Der »Heilige«, der die Beschuldigung ausgesprochen hat, wird im »Interesse der Krone« seelenruhig abgeschlachtet, damit das mißliebige Verbandshaupt vor aller Augen als Mörder eines solchen Auserlesenen gebrandmarkt werden könne. Die siddhavyañjana erscheinen bei Kauṭ. nicht selber als Meuchelmörder, abgesehen vom yogavāmana (Buch 13, Kap. 2). Pravāsayati hat wohl auch hier seine schier possenhaft euphemistische Bedeutung (aus dem Weg räumen, in die andere Welt schicken, zerstören, verderben wie z.B. 232, 8, 10; 233, 7; 377, 21; 387 7). Es könnte aber auch »wegbringen« heißen wie in 232, 8ff.A5


18 Etwa gṛihītvā ist ausgefallen. Natürlich übergibt sie Brief und Geschenk demonstrativ dem Gatten.A6


19 Oder: »mache sie abspenstig (ziehe sie auf seine Seite)«, wie Kauṭ. öfters apavāhayati gebraucht.


20 Oder: »So wird er unter den Verbänden als einziger König walten. Und die Verbände werden so nur einen König haben und ihn gegen solche Übermeisterungen schützen«. D. h. hält der Fürst sie nur ordentlich geduckt, dann werden sie sich hüten, widerspenstig und untreu gegen ihn (viguṇa 378, 21) zu werden. Denn all die hier angegebenen Kniffe sollen natürlich nur dann angewendet werden, wenn sich jemand in den Verbänden nicht fügen will oder gar Verschwörungen anzettelt.A7


21 Sarvacittānuvartaka »sich nach den Gedanken und Wünschen aller richtend«? Das wäre doch zu viel verlangt. Auch kommt es nur darauf an, daß des Königs Sache nicht Schaden leide. Also vielleicht: »den Gedanken aller nachgehend«, also alle sorgfältig überwachend, daß sie sich nichts Schlimmes einfallen lassen. Aber Kauṭ. gebraucht sonst anuvart nur in dem Sinne von »sich fügen, sich anbequemen, folgen, gehorchen, zu Willen sein, gewähren lassen« (z.B. 13, 15; 15, 20; 35, 12; 239, 18; 310, 12 usw.) und anuvartayati: dahinrollen –, weitergehen lassen (die Regierung) 324, 8, wo übrigens ebenfalls: »gewähren lassen, sich anbequemen, sich anschmiegen« möglich wäre.


A1 Statt des zweiten »oder« setze man »und von« (Goldgefäßen). Gaṇ. liest rājakāyā statt vikrītā. Aber ich kann dieses und seine Erläuterung mir nicht zu eigen machen.


A2 Statt »Gaukler« besser, »Schattenspieler« (çaubhika).


A3 Gaṇ. hat ebenfalls chandikā und sagt, es bedeute: »in erwünschten Genüssen Leben« (ishṭabhogavṛitti). Das kommt auf das gleiche wie »genossene Gunst« hinaus, ist aber durch die Ableitung des Wortes kaum gerechtfertigt.


A4 Gaṇ. liest dāyanikshepārhaṃ und āḍhyavidhavā.


A5 Mit »töten« übersetzt es Gaṇ. Sittliche Bedenken haben also wohl zu seiner Lesart dūshyaḥ saṅghamukhyamadhye geführt; der Heilige soll von vornherein ein Verbrecher gegen den König sein! Es handelt sich aber durchweg um mißliebige, unbotmäßige Verbände und solche Verbandshäupter, und gleich in 378, letzte Zeile, haben wir viguṇeshu. Also wird wohl Sham.'s Text richtig sein.


A6 Gaṇ. hat gṛihītvāgatāsmi.


A7 Gaṇ. liest ekarājād etebhyo 'tisandhānebhyo »mögen sich vor derlei Überlistungen, die von einem Alleinherrscher (d.h. einem Fürsten, der ihre Automie zerstören will) kommen, bewahren.« Der doppelte Ablativ sieht nicht ganz wahrscheinlich, immerhin aber möglich aus. In der Sache ist alles vorzüglich; Kauṭ. sagt, wie sonst: »beide Parteien sollen gegeneinander ihre Ränke spielen lassen, und beide sollen auf der Hut sein voreinander. Das können sie, wenn sie mein Buch studieren.« Die Übersetzung der Schlußstrophe hat also Unrecht mit ihrem dem »König zu Willen«. Es muß da heißen: »dem Willen des ganzen Verbandes nachlebend.« Das Verbandsoberhaupt soll nur das Beste seiner eigenen Leute anstreben. Was den Fürsten anlangt, so sehe der selber zu, daß seine Sache gedeihe. Ein rosiges Leben hatte so ein saṇghamukhya oder Verbandsoberhaupt keineswegs, handle es sich nun um eine Herrschersippenvereinigung, um eine Zunft oder sonst eine Gemeinschaft. Er hatte öfters einen schweren Stand gegen den König und immer gegen die Genossen. Diesen muß er schmeicheln, sie bestechen, sich ihre bösen Reden ruhig gefallen lassen – er ist ein Sklave mit dem Namen Herrscher, wie unter anderem Vāsudeva-Kṛishṇa in MBh. XII, 81 sehr drastisch ausführt. Ist es ein selbstherrlicher Herrschersippenverband von der Art, wie sie Kauṭ. nennt, dann sind all seine zahlreichen Mitglieder – der der Bhoja z.B. umfaßt 18 kula oder Familien mit je 18000 »Brüdern« in der Familie (MBh. II, 14, 56) – wenigstens in ihrem Bewußtsein Könige: »alle stehen einander gleich an Geburt (jāti), Familie (kula) und an Ansprüchen, wenn auch nicht an strebender Tüchtigkeit (udyoga), noch an Verstand (buddhi), noch an Schönheit, noch an Vermögen« (MBh. XII, 107, 31). Das schlimmste Übel war da natürlich der ungezählte Male genannte bheda, d.h. Spaltung, Parteiung, innerer Krieg, oder nach MBh. XII, 81 13ff.; 107, 29 ābhyantarā āpad, abhyantarabhaya Unheil oder Verschwörung im Schoß des Verbandes selber.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 588-593.
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