Zwanzigstes Kapitel (17. Gegenstand).

Vorschriften für den Harem.

[49] In einer als gute Baustelle1 empfohlenen Gegend lasse er seinen WohnpalastA1 (antaḥpura) errichten, versehen mit Mauern, einem Graben und Toren, von mehreren Höfen umschlossen.2 In der Weise der Anlage des Schatzhauses soll er das Schlafgemach einrichten lassen, ein Gemach der Liebeslust mit geheimen Wänden und Durchgängen;3 oder in der Mitte des Wohnpalastes das Schlafgemach; oder ein unterirdisches Gemach (soll er als Schlafgemach herrichten lassen), das hinausführt zu einem nahen Heiligtum aus Holz oder zu einer Tempelanlage,4 und das mehrere aus unterirdischen Tunnels bestehende Gänge hat; oder das obere Stockwerk5 mit geheimen Wänden und Treppen (soll er als Schlafgemach einrichten lassen); oder ein Schlafgemach, [49] das den Eingang und Ausgang durch eine hohle Säule hat, und immer so, daß der Fußboden mit einer mechanischen Vorrichtung verbunden ist und versenkt werden kann. Zur Abwehr von Unglück oder im Unglück selber lasse er es so einrichten. Oder er möge es auch in davon verschiedener Weise abwandeln,6 aus Furcht vor einem plötzlichen Überfall.7

Wenn man des Königs Wohnpalast (antaḥpura) mit Feuer, das von Menschen stammt, dreimal von rechts nach links umwandelt, dann verbrennt ihn kein anderes Feuer, noch entzündet sich dort ein anderes Feuer.8 Was mit der Asche von blitzentzündetem Feuer und mit Wasser von Hagelkörnern, das man mit Erde gemischt hat, beschmiert worden ist, verbrennt kein anderes Feuer.

Was geschützt ist durch die Blüten der Pflanzen jīvantī, çvetā und mushkaka9 und die Pflanze vandākā (Vanda Roxb.) oder durch eine Zweigranke eines in (oder: an) Meersalz gewachsenen açvattha,10 über das vermögen [50] Schlangen und Gifte nichts. Die Loslassung von Katzen, Pfauen, Ichneumons und gefleckten Antilopen macht den Schlangen ein Ende.A2

Denkbar wäre nun freilich immerhin, daß in Indien der Glaube geherrscht habe, diese Art Antilope fresse Schlangen. Auf keinen Fall aber läßt sich dies aus Kauṭ. dartun. – Wenn übrigens der Ichneumon eine Schlange töten will, nähert er sich ihr nie ohne seinen Körper mit einem Heilmittel (bhesajja) gefeit zu haben. Milindap. 394. Das Wiesel frißt nach den Gesta Romanorum im gleichen Fall Raute.

Der Papagei, die Predigerkrähe und der gabelschwänzige Würger (bhṛiṅgarāja, Malabarvogel), schreien, wo sie Gift argwöhnen. Der Brachvogel (krauñca) wird in der Nähe von Gift toll.11 Der Fasan wird ganz matt, der Kokila stirbt.12 Die Augen des Cakorarebhuhns (perdix rufa) entfärben sich. So möge er Feuer, Gift und Schlangen entgegenarbeiten.

Hinten in einer Hofabteilung befindet sich die Wohnung der Frauen, die von den Ärzten für Schwangerschaft und Krankheiten angegebene Heilmittelsammlung13 und ein Platz mit Bäumen und Wasser. Davor draußen die Gemächer der Prinzessinnen und der Prinzen. Vorne der Schmückungsort und der Ort für die Beratung, die Audienzhalle und der Platz für den Kronprinzen und für die Verwaltungsbeamten.14 In den Zwischenräumen der Höfe soll das Heer des Haremswächter seine Stelle haben.

Nur wenn er sich in seinem Innengemach (seinem eigenen Schlafzimmer) befindet, soll er die Königin besuchen, nachdem sie von alten Frauen unverdächtig erfunden worden ist. Zu keiner darf er hingehen (in ihre eigenen [51] Gemächer.)15 Denn im Gemach der Königin versteckt, hat den Bhadrasena sein Bruder getötet,16 ins Bett der Mutter verkrochen, der Sohn den Kārūça; durch Gift, in welchem sie, als sei es Honig, geröstete Körner gewälzt hatte, die Königin den König von Kāçī. Die Königin hat mit einem giftbestrichenen Fußreif den Vairantya, mit einem (solchen) Edelstein ihres Gürtels den Herrscher, der Sauvīra, mit einem (solchen) Spiegel den Jalūtha, mit einer Waffe, die sie in ihren Haarflechten verborgen hatte, den Viḍūratha getötet. Deshalb soll der Fürst solche Gelegenheiten ausschalten. Verkehr mit kahlen und flechtentragenden Asketen, mit Gauklern und mit Sklavinnen von außerhalb soll er seinen Frauen verbieten. Noch auch sollen die Frauen aus ihrer Familie sie besuchen, abgesehen von Schwangerschaft, Krankheit und Apotheke.17 Von ihrer Schönheit lebende Frauen dürfen (erst), nachdem sie ihren Leib durch Bad und Abreibung rein gemacht haben und ihre Kleider und Schmucksachen gründlich untersucht18 worden sind, sie besuchen.

Männer von achtzig und Frauen von fünfzig Jahren, die sich als ihre Väter und Mütter aufspielen, alte Eunuchen und alte treue Diener des Hauses19 sollen die Lauterkeit oder Unlauterkeit der Haremsfrauen erkunden und sollen sie in einen Zustand setzen, daß sie dem Herrn förderlich sind.

Und jedermann (im Harem) bleibe an seinem Platz, an einem anderen Platz streife er nicht umher, und niemand, der zu den inneren Gemächern gehört, knüpfe Umgang mit jemand von draußen an.

[52] Und jeder Gegenstand gehe erst, nachdem er untersucht und seine Ankunft und sein Abgang gebucht worden ist, hinaus (aus dem königlichen Palast) oder hinein, indem er nur auf einen Stempel (oder: eine Marke, mudrā) hin an seinen Bestimmungsort gelangt.20

Fußnoten

1 Oder von der Bauwissenschaft, Baukunst (vāstuka = vāstuvidyā). Vgl. Müller-Heß, Festschr. f. Ernst Kuhn S. 162. Oder: von solchen, die die Bauwissenschaft verstehen.


2 Vier Höfe (kakshyā) erscheinen im folgenden Kapitel. Vornehme Paläste haben aber in der altindischen Literatur auch sieben oder gar neun Höfe.


3 Oder vielleicht doch eher: »soll er das Schlafgemach machen lassen mit geheimen Wänden und Durchgängen, mit verwirrenden Gemächern (darum her)«, oder: »ein Irrgebäude mit versteckten Wänden und Durchgängen usw.«. Das Folgende könnte mit anderer Interpunktion etwas anders verstanden werden, als es in meiner Übersetzung geschieht. Das besorgt denn auch Gaṇ. Aber seine Auffassung scheint mir weniger zu passen. Auch wären noch andere Möglichkeiten da.


4 Devatāvidhāna »Göttereinrichtung, Götteranlage«. Wahrscheinlich sind Tempel und Schlafgemach durch einen unterirdischen Gang verbunden. Gaṇ. liest devatāpidhāna, versteht dies aber wohl kaum richtig. Sein Text hieße: »oder ein unterirdisches Gemach mit der Verschlußtür (ins hohle Innere) des hölzernen Götterbildes eines Heiligtumes nahe bei« (weniger wahrscheinlich: »mit der Verschlußtür [ins hohle Innere] des Götterbildes eines Heiligtums aus Holz).« Oder auch: »... in das Innere eines in der Nähe befindlichen hölzernen Heiligtumgötterbildes«. Pidhānadvāra könnte auch die Deckeltür oder Falltür sein, die in so ein Götterbild hineinführt. Kennern der indischen Erzählungsliteratur, namentlich des Daçakumāracaritam, das namentlich in seinem Hauptteile sachliche und sprachliche Berührungen mit dem Kauṭ. die Fülle aufweist, wird da manches einfallen (vor allem die letzte Erzählung des Daçak.) Am Schlusse des 12. Buches werden wir sehen, wozu dergleichen Vorschriften, wie die vorliegende, da sind.


5 Jolly: »ein Turmgemach« (prāsāda).


6 Vikalpayet wird wohl hier wie im Daçak. (194, Zeile 18) bedeuten: variieren, kombinieren, in verschiedener Weise ausbilden oder umformen. Möglicherweise ist gemeint, daß er sein Schlafgemach bald so, bald so, bald hier, bald dort im Palaste haben soll, was die folgenden Worte nahelegen.


7 Dies etwa muß der Sinn sein. Der Text hieße: »aus Furcht vor seinen Mitschülern.« Die »Mitschüler« haben wir 13, 9 gehabt als die Menschenklasse, aus der nach Bhāradvājas Ansicht der König seine Minister wählen soll. Das hilft uns nicht weiter. Gaṇ. bietet den Ausweg: »weil die anderen Politiker seine Mitschüler im Arthaçāstra, sie also mit diesen Kniffen vertraut seien, solle er es anders machen«. Da hätte Kauṭilya seine zahlreichen sonstigen Naivitäten denn doch erklecklich übertrumpft. Dann wäre ja das ganze Arthaçāstra rein für die Katz! Der Text kann also kaum richtig sein. Sahādhyāyi- ruft sofort nach sahasādhyāyi-, besser noch sāhasādhyāyi- »auf eine Gewalttat studierend (sinnend)« oder sahasā(sāhasā)bhidhyāyi-. Abhidhyāna steht MBh. XII, 327, 51 sogar in dem Sinne von »das jemandem etwas Verdenken, böse Gedanken haben, Groll, Feindschaft«, und XIII, 35, 3 haben wir die eigentümliche Form abhidhyāsus »befeinden«. Aber adhyāyin geht ganz gut; denn Kauṭ. gebraucht ja adhīyate 30, 8 genau wie das schweizerische »studieren«, d.h. immer wieder über etwas nachsinnen. Also wäre wohl die wörtliche Übersetzung: »Aus Furcht vor solchen, die auf eine Gewalttat (gegen ihn) sinnen.« Denn sahasā + adhyāyin kann doch wohl kaum die etymologisch denkbare Bedeutung: »plötzlich über jemand kommend« haben. Oder sahādhyāginA3 = zusammen brütend, Verschwörer?


8 Da im folgenden Satz die Asche vom blitzentzündeten Feuer feuerfest macht (vgl. 415, 3), so wäre man versucht amānusheṇāgninā zu lesen: »mit nicht von Menschen kommenden, d.h. vom Blitz entzündeten Feuer«. Der Aberglaube von der heiligenden oder feienden Kraft des Blitzes und all dessen, was er getroffen hat, ist ja in verschiedenen Zeiten und Ländern verbreitet. Aber es wird doch wohl das aus gewissen Menschenknochen hervorgequirlte Feuer gemeint sein, von dem wir gegen Schluß des 2. Kap. des 14. Buches hören werden (415, 13ff.; vgl. auch 411, 16–18; 403, 1).


9 Oder weniger wahrscheinlich: durch die Pflanzen jīvantī und çvetā und die Blüten des Baumes mushkaka. Jīvantī »die Lebendige« und çvetā »die Weiße« bezeichnen beide eine Anzahl verschiedener Pflanzen. Vgl. 424, 5.


10 Hier wie in der Parallelstelle 424, 5f. ist mit Ausnahme der gewöhnlichen Vertauschung von p und v (hier über das ebenfalls leicht vertauschte b hin) alles in Ordnung. Man muß also akshībe lesen. Açvattha ist ficus religiosa, ein Baum, dessen Blätter so leicht beweglich sind, daß der Inder sagt: zitternd wie Açvatthalaub (bes. vor Furcht, z.B. MBh. 1, 197, 22; XIV, 9, 20).


11 Kām. VII, 12: suvyaktaṃ mādyati, wo Çaṅk. mit vihvalībhavati erklärt. Darum wohl Sham. »swoons«. »Wird betäubt« schiene nicht unmöglich (vgl. madanarasa usw.).


12 Mattakokila »der brünstige Kokila«, wäre gut in einem Gedicht. Hier wird das ganze Wort = Kokila sein. Für matta geben ja die ind. Lex. die Bed. kokila an.A4


13 Saṃsthā heißt wohl auch hier wie sonst bei Kauṭ. »Sammelstelle«, nämlich für Heilmittel, also Kräuterdepot. Die von Sham. und Jolly angenommene Bedeutung »Hebamme (Zusammensteherin, Beisteherin)« könnte ich nicht rechtfertigen; sie paßt eigentlich nicht einmal in Zeile 17, wo ich selber auf sie verfallen bin. Prakhyāta stünde hier also in der ja unverfänglichen Bedeutung von prakhyāpitā. Oder prakhyāta heißt wie 353, 19; 377, 14 zuerkannt, zugeeignet, zugehörig, zustehend, eigentümlich (vgl. Manu VIII, 399 prakhyātabhāṇda Ware, auf die man ein erstes Anrecht hat)A5. Dann: »dem Arzte für Schwangerschaft und Krankheit (unterstehende) Heilmittelsammlung« (weniger wahrscheinlich: die für Sch., Kr. und Arzt bestimmte). Nun aber liest Gaṇ. pratyākhyāta. Danach wären die Räume für die durch Schwangerschaft, Krankheit und Arzt zurückgewiesenen, d.h. für den Geschlechtsverkehr unmöglich gemachten Frauen gemeint. Aber die durch Krankheit abgesperrten wären doch dieselben wie die vom Arzt abgesperrten. Wozu der Pleonasmus oder gar die Tautologie? Gaṇ. nimmt sogar drei Wohnungsabteilungen an, von denen immer eine hinter der anderen liegt. Das klingt äußerst unwahrscheinlich. Und die Hauptsache: Woher könnte samsthā heißen »der Ort für die in dem und dem Zustand Befindlichen«? Da möchte ich dann -vaidyapatyākhyātasaṃsthā lesen, was genau mit meiner Übersetzung stimmen würde, nur müßte man für »von den Ärzten« einsetzen: »vom Oberarzt«. Dieselbe Verwechslung von prati und pati findet sich 157, 14.


14 Sthāna. Es ist wohl nur der Ort, wo sich der König mit ihnen bespricht u. dgl. mehr. Vielleicht waren da auch einige Bureaus für sie. Denn daß all die obersten Verwaltungsbeamten ihre Bureaus oder gar ihre Wohnung im königlichen Palaste gehabt hätten, ist nicht denkbar. Wohl aber ist man hier und anderwärts versucht, antaḥpura »die innere Burg« ganz wörtlich zu nehmen als den inneren Teil der befestigten Residenzstadt, wo der königliche Palast zusammen mit anderen wichtigen Staatsgebäuden liegt, die dann alle zusammen antaḥpura heißen. Da schwände dann auch die hier auftauchende Schwierigkeit. Freilich könnte kumārādhyaksha auch »Prinzenaufseher« heißen. Aber der wäre doch wohl bei den Prinzen selber untergebracht.


15 Vgl. Kām. VII, 50: »und in das Gemach einer Königin gehe er nicht aus der eigenen Wohnung«.A6


16 Über die hier Genannten siehe Kām. VII, 51ff. und Caṅk. dazu; Zachariae, die Weisheitssprüche des Šānāq WZKM 28, 207; Jolly ZDMG 74, 352; über die Kārūsha Pargiter, Mārk.-Pur. 341.


17 Also hätten diese Frauen ihren weiblichen Angehörigen im Harem Heilkräuter gebracht? Oder ist gemeint, daß sie sich in Notfällen selber etwas aus der königlichen Apotheke holen durften? Beides erregt Bedenken. So wird man doch am Ende trotz des saṃsthā in Zeile 3 übersetzen müssen: »abgesehen von Schwangerschafts- und Krankheitsfällen (wörtlich: von Schwangerschafts- und Krankheitszuständen« oder »von solchen, die sich in ... befinden«). Da wäre der Dual von B die bessere Lesart. Vielleicht aber: »außer, wo es sich um Schwangerschaft, Krankheit und Spionage (Spionagezentralen) handelt«. Ist also eine Familienangehörige eine Spionin (die ihre Kunde in den saṃsthās, welchen die Überwachung aller wichtigen Staatsbeamten obliegt, abzugeben hat), dann darf sie selbstverständlich die Fürstenfrauen frei besuchen. Daß auch diese spionenbelauert sind, ist trotz des folgenden Satzes kaum ausgeschlossen. Da in orientalischen Harems so oft die weit hinausgesponnenen Verschwörungsfäden zusammenliefen, so mußte der staatliche Spionagedienst im Altindien Kauṭilyas die Frauen des Königs wohl in sein Wirken mit einbeziehen.


18 Parivartita »umgewendet«. Wie ich versteht gewiß auch Kām. VII, 45 den Ausdruck, wo Çaṅk. mit viçuddha erklärt, was wahrscheinlich »als koscher befunden« bedeutet.


19 Wegen abhyāgārika vgl. Kām. VII, 44. Gaṇ. sagt, es seien Diener, die die Besorgung des Haushaltes unter sich haben (kuṭumbacintaka, rājagṛihakāryacintaka).


20 Gemeint ist wohl, daß die Ankunft eines Gegenstandes im Palast (die Zeit, der Überbringer, Art des Gegenstandes usw.) sowie alles Nötige, das sich auf hinausgehende Sachen bezieht, gebucht werden soll. Denn āgama entspricht adhigacched, und nirgama läuft neben nirgacched her. Gaṇ.'s Auffassung scheint mir darum viel ferner zu liegen, geradezu unmöglich aber seine Erklärung von mudrāsaṃkrāntabhūmiha »dessen Gefäß mit einer mudrā versehen ist«. Denn ich glaube nicht, daß bhūmi Behälter heißt. Auch böte die mudrā, wenn nur an Gefäß, Behälter oder Verpackung angebracht, wenig Sicherheit.


A1 Nicht nur die Gegend, in der der König seine Residenzstadt erbauen soll, beschreibt Çukran. I, 425ff. wie verschiedene Smṛitischriften, sondern auch die Gestalt und Anlage, was sie enthalten muß, welche verschiedenen Unterkunfts- und sonstigen Räumlichkeiten, wie viele innere Zimmer, Fenster, welcherlei Dächer usw. Mit Kanonen ist sie ausgerüstet. »Mit windmachenden (vātapreraka) Vorrichtungen und mit mechanischen Vorrichtungen, die Zeit anzuzeigen, und ausgestattet mit schönen Spiegeln und Bildwerken (pratirūpaka) – so soll die Königshalle gemacht sein, die für die Beratung und zur Erwägung der Geschäfte da ist.« Çukran. I, 498f. Das übrige entspricht natürlich nicht durchweg diesem europäischen Muster.


A2 Daß dies die richtige Übersetzung und daß der Text ganz in Ordnung, nicht etwa »leider verdorben« ist, wie Charpentier meint, zeigt 207, 8: mūshikabhaye mārjāranakulotsargaḥ »bei Mäusenot findet die Loslassung von Katzen und Ichneumons statt«, sowie der häufige Sprachgebrauch Kauṭ.s, nach welchem bhakshayati bedeutet: töten, vernichten, zunichte machen, verschwinden machen. Siehe 32, 13; 37 7; 40, 15; 65, 5; 68, 7, 12, 13, 15 (auch hier wohl: »Gut umbringen« wie Luther sagt); 69, 1ff.; 70, 13; 330, 14f. Mit Unrecht meint also wohl Charpentier, Kuhn-Festschrift 283, an unserer Stelle werde erklärt, daß all die hier genannten Tiere die Schlangen auffräßen. Auch Kām. VII, 14 sagt ja vorsichtig: na bhavanti sie kommen um, werden getötet. Des Kommentators bhakshyamāṇatvāt ist offenbar nur Nachplappern der Arthaçāstrastelle, wobei er wohl ebenfalls Kauṭ.s bhakshayati mißverstanden hat. Es wäre nun sehr wohl möglich, daß der Glaube, der Hirsch fresse Schlangen, in diesem Mißverständnis unserer Stelle seinen Ursprung hätte. Daß aber die gefleckte Antilope (pṛishata) Schlangen töte, wüßte ich weder sonst in der indischen Lit., noch aus Beobachterwerken nachzuweisen, und dafür, daß der Hirsch sie umbringe, könnte ich nur eine der vielen unvergleichlichen Tiergeschichten des Kanadiers Charles D. Roberts anführen, nämlich Rotmannie und McTavish in dem Bändchen »Jäger und Gejagte« (Gyldendalscher Verlag, Berlin), S. S 112ff. Der Hirsch Rotmannie ist da ein erbitterter Verfolger aller Schlagen und tötet sie mit seinen scharfen Hufen. Da Roberts im wesentlichen außerordentlich naturgetreu darstellt, ist die Möglichkeit der Sache wenigstens im Einzelfall erwiesen.


A3 Lies sahādhyāyin statt sahādhyāgin.


A4 Mattakokila findet sich auch in 122, 13. Vgl. damit ebenda madanaçārikā. Auch beim letztgenannten ist der erste Bestandteil Name des Tieres geworden. Denn das bekannte Maina scheint aus madana entstanden zu sein. S. Lamnans Übersetzung der Karpūram. S. 229 Anm.; Bloomfield, The Talking Birds of Hindu Fiction in der Kuhn-Festschrift S. 349. Vielleicht bedeutet da madana ursprünglich Vergnügen. Vgl. vihārapakshin »zum Vergnügen gehaltener Vogel« in Kauṭ. 122, 13–14, līlāçuka, kelipika usw. Matta = mattakokila und madana = madanaçārikā haben eine Entsprechung in droṇa = droṇakāka Rabe (einem Glücksvogel in der Vāsavadattā, ed. Jib. Vidyās. 77, letzte Zeile). Zu der ganzen Stelle vgl. auch Çukran. I, 654ff.; Hertel, Hemavijaya I, 21f., 122; II, 83.


A5 In die Klammer gehört noch: Siehe auch Y. II, 261, wo statt M.s rājñaḥ prakhyāta steht: rājayogya »dem König vorbehalten«.


A6 Ähnliche, z. T. noch strengere Vorschriften gibt hier Nītiv. 90, 8ff., »denn wenn ein Fürst ins Gemach einer Frau geht, ist das wie wenn sich der Frosch in ein Schlangenloch begibt«. Die Beispiele sind dort folgende: Die Königin Maṇikuṇdalā bringt den König unter den Jīvana (?) durch einen vergifteten Trunk Likör um, damit sie selber die Herrschaft führen könne; die Vasantamati den König unter den Çūrasena mit ihrer eigenen lackbestrichenen Lippe (worauf sie jedenfalls Gift getan hatte); die Vṛikodarī den Fürsten der Daçārṇa mit einem vergifteten Edelstein ihres Gürtels; mit einem scharfrandigen Spiegel die Madi rākshī den Sadanārṇava, König der Māgadha; im Vergnügen der Liebe (lies manmathavinode) mit einem in ihrer Haarpflechte verborgenen Dolch die Caṇḍarasā den Muṇḍīra, den Fürsten unter den Paṇḍya.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 49-53.
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