Zweites Kapitel (90. Gegenstand).

Das Zusammenbringen eines Schatzes.

[372] Ein schatzloser König soll, wenn schwierige Dinge über ihn hereinbrechen, einen Schatz zusammenraffen.

Bauernland, sei es groß oder klein an Umfang, das gute künstliche Bewässerung hat, und reich ist an Getreide,A1 möge er da um den dritten oder den vierten Teil des Getreides besteuern. Je nach Vermögen ein mittelmäßiges oder geringes (an Reichtum), das Nutzen schafft durch Festungen, Wasserwerke, Handelsverkehr, Ansiedlungen in der Einöde oder Unternehmungen mit Bergwerken, Nutz- oder Elefantenwäldern. [372] Von einem an der Grenze1 oder einem, das wenig zu ertragen vermag, verlange er nichts.

Getreide, Vieh und Geld gebe er dem Ansiedler. Den vierten Teil des Getreides und das, was nicht für Aussaat und Nahrung nötig ist, kaufe er um Geld auf. Was in der Waldwildnis gewachsen ist oder gelehrten Brahmanen gehört, taste er nicht an. Doch auch das mag er kaufen, diese zu unterstützen (ihnen einen Gefallen zu tun).

Oder wenn sich das nicht machen läßt, sollen die Leute des Obereinnehmers die Bauern im Sommer die Aussaat vornehmen machen. Indem sie ihnen als Buße die Leistung des Doppelten von dem, was durch Fahrlässigkeit zugrunde geht, ankündigen, sollen sie zur Zeit der Aussaat die Saaten aufschreiben. Wenn die Saat gewachsen ist, sollen sie verhindern, daß von dem Grünen oder dem Reifen etwas weggenommen werde, abgesehen von dem, was zu Gemüse mit der Hand abgerupft oder als Grünfutter verwendet wird.2 Was von den Haufen auf der Erde liegen bleibt (wenn das Getreide eingesammelt wird), sollen sie zum Auflesen für Götter- und Manenopfer, für die Kühe und für die Bettler und Dorfdiener liegen lassen.3

Wer (unter den Bauern) vom eigenen Getreide stiehlt, dem wird achtfache Entschädigung4 auferlegt; wer von dem eines anderen, dem das Fünfzigfache als Ackerbuße, wenn er zu derselben Gemeinschaft oder Gemeinde (varga) gehört; der Außenstehende wird hingerichtet.

[373] Den vierten Teil von den Feldfrüchten und den sechsten von Walderzeugnissen und den folgenden Verkaufswaren: Baumwolle vom Wollbaum usw. (tūla), Lack, Linnen, Bast, Baumwolle von der Baumwollstaude, Wollenzeug, Seidengespinst (Seidenzeug), Heilmitteln, Duftwaren, Blumen, Obst und Gemüse, sowie von Holz, Rohr, Fleisch und getrocknetem Fleisch sollen sie (die Leute des Obereinnehmers als Abgabe) nehmen. Die Hälfte von Elfenbein und Fellen. Wer ohne Ermächtigung etwas davon verkauft, den trifft die erste Sāhasastrafe.

Dies die Auferlegung auf die Bauern.5

Händler mit Kaufmannswaren, die in Gold, Silber, Diamanten, Edelsteinen, Perlen, Korallen, Pferden und Elefanten bestehen, zahlen eine Fünfzigersteuer.6 Solche, deren Kaufmannswaren in Fadengespinnst, Kleidern, Kupfer, Stahl, Messing, Wohlgerüchen, Arzneimitteln und Likör (sīdhu) bestehen, eine Vierzigersteuer. Solche, die Getreide, Saft (rasa, namentlich Zuckersaft) und Eisen (loha) als Kaufmannswaren führen, und die mit Karren fahrend Handel treiben, eine Dreißigersteuer. Händler mit Glas und Großhandwerker eine Zwanzigersteuer. Kleinhändler und Zimmerleute eine Zehnersteuer.7 Solche, die Geschirr und Gerät aus Holz, Rohr, Stein und gebrannter Erde, gekochte Speisen und Grünwaren verkaufen, eine Fünfersteuer. Mimen und Frauen, die von ihrer Schönheit leben, sollen die Hälfte ihres Lohnes abgeben. Die zu Geldsteuern Fähigen sollen sie tüchtig schröpfen und sollen ihnen keinerlei Abwehrversuch durchschlüpfen lassen. Denn sie sollen nur, was andere (für sie) an sich genommen haben, herbeibringen und es verkaufen.8

Dies was den Händlern und Handwerkern auferlegt wird.

Hühner und Schweine sollen die Hälfte abgeben, Kleinvieh ein Sechstel, Rinder, Büffel, Maulesel, Esel und Kamele ein Zehntel. Die Hurenpfleger sollen durch königliche Dienerinnen, die in herrlichster Schönheit und Jugend blühen, (für den König) einen Schatz zusammenbringen.

Dies was den Viehzüchtern auferlegt wird.9

[374] Nur einmal, nicht zweimal, ist eine solche Auferlegung anzuordnen. Oder wenn sie sich nicht machen läßt, soll der Obereinnehmer, indem er ein Unternehmen als Grund angibt, die Stadt- und Landleute anbetteln.

Und vom König gedungene Männer (Agenten, yogapurusha) sollen dabei den anderen voran übermäßig viel geben. Unter Hinweis auf dies Beispiel soll dann der König die Stadtleute und die Landbevölkerung anbetteln. Und die fahrenden Schüler sollen sie, wenn sie wenig geben, schmähen und schlecht machen. Oder er soll von den Reichen je nach ihrem Vermögen Geld verlangen. Und je nach dem erwiesenen Dienst, oder wenn sie freiwillig beisteuern, soll er ihnen um ihr Geld Stellungen, Sonnenschirme und Turbane,10 sowie Schmuck verleihen. Das Eigentum von Ketzern und Verbänden oder Göttergut, dessen Nutznießung nicht vedagelehrte Brahmanen haben, sollen die Verwalter herbeibringen, indem sie vorgeben, es sei Gut eines Verstorbenen oder eines Mannes, dessen Herz in Qualen brannte, in ihre Hände niedergelegt.11

Der Aufseher des Götterdienstes soll den Schatz der Gottheiten in den festen Städten und draußen im Reich, jeden für sich, auf einen Haufen bringen12 und ihn dann auf dieselbe Weise (d.h. auf die eben angegebene) einliefern.13 Indem er einen Göttertempel, ein Heiligtum, eine Heiligenoder Wallfahrtsstätte oder eine Wundererscheinung (aupapādika) bei Nacht [375] ins Dasein ruft,14 soll er aus Wallfahrten und frommen Jahrmärkten (samāja, religious fairs) Gewinn ziehen. Oder weil ein Baum im Haine eines Heiligtums außerhalb der Jahreszeit Blumen oder Früchte trägt,15 soll er verkünden, eine Gottheit sei dahingekommen. Oder nachdem Spione, die als Heilige verkappt sind, einen menschenfresserischen Gespensterschrecken16 in einem Baum inszeniert haben, sollen sie um das gute Geld der Stadt- und der Landleute Abwehrzeremonien vornehmen. Oder er soll in einem Brunnen, der mit einem unterirdischen Gang verbunden ist, einen Schlangengeist mit unbeschränkt vielen Köpfen sehen lassen, wenn ihm Geldopfer dargebracht werden.17 Oder er soll in der Bildsäule eines Schlangengeistes, die innen mit einer Höhlung versehen ist, in dem Loch eines heiligen Baumes (caitya) oder in einem Ameisenhügelspalt die Gläubigen eine Schlange, der er durch betäubende Nahrung das Bewußtsein gehemmt hat, sehen lassen.18 Denen, die nicht glauben, soll er in das Wasser, mit dem sie sich den Mund ausspülen oder ins Weihwasser (prokshaṇa) tüchtig Gift hineingießen lassen, oder er soll einen zum Tod Verurteilten (von der Giftschlange) beißen lassen und dann (den Tod des Betreffenden) für einen Fluch der Gottheit erklären. Oder er möge durch Gegenanstalten gegen die listigen Zaubererscheinungen die Zusammenbringung eines Schatzes bewerkstelligen.19

[376] Oder einer, der sich für einen Händler ausgibt, soll sich als der Schüler (d.h. wohl: der Gehilfe, der jüngere Gesellschafter) eines Kaufmanns mit vielen Waren betätigen. Wenn dieser (der Kaufmann) nun durch die Fruchtbarmachung seiner Waren, seines Kapitals und der ihm anvertrauten Bewahrgüter schwer reich geworden ist, soll er ihn bei Nacht berauben lassen.20

Ebenso soll es gemacht werden beim Münzenprüfer und beim königlichen Goldschmied.

Oder ein Spitzel, der sich als Kaufmann von weitbekannten Handelsverkehr aufspielt, soll viel Gold-und Silberware als für ein bevorstehendes religiöses Fest geborgt oder gemietet an sich bringen. Oder für einen frommen Jahrmarkt (samāja) soll er reichlich Gold und gemünztes Gold auf Schulden nehmen, um (angeblich) dafür die ganze Menge aller (nötigen) Waren einzukaufen, ebenso (soll er) das Kapital für Gegenwaren (herauslocken). Beides soll er dann in der Nacht stehlen lassen.21

Durch Weiber, die sich als anständige Frauen aufspielen, sollen sie (d.h. sollen die Untergebenen des Obereinnehmers) Verräter toll machen, sie in den Wohnungen dieser Weiber abfangen und sie daraufhin all ihren [377] Besitz herausrücken machen.22 Oder wo unter aufrührerischen Leuten, die zu derselben Familie (oder: zu guten Familien) gehören, ein Streit entstanden ist, da sollen bei ihnen eingeschmuggelte Giftmischer Gift verabreichen. Wegen dieses Verbrechens sollen dann die anderen (ihre Gegner) angepackt und ausgebeutelt werden.

Oder von einem Verräter soll ein dem Tode Geweihter unter einem glaubwürdigen Vorwande,23 Kaufmannsware, ein Gelddepositum, eine Geldanleihe oder ein Erbe verlangen. Oder er soll ihn unter dem Vorgeben, er sei sein Sklave, anpacken oder seine Gattin, seine Schwiegertochter, seine Tochter unter dem Vorgeben, sie sei seine Sklavin oder Gattin. Wenn er nun bei Nacht vor der Haustür des Verräters liegt (um fastend sein Begehr zu erzwingen) oder sich anderswo aufhält, soll ihn ein Bravo töten und sagen: »So und so ist dieser Ansprucherheber (von dem Verräter getötet worden)«.24 Wegen dieses Verbrechens sind dann die anderen anzupacken und auszubeuteln.

Oder ein Spitzel, der sich als zaubergewaltiger Heiliger aufspielt, soll einen dem König Mißliebigen (dūshya) mit Geisterzaubereien (Geisterwissenschaften) verlocken und zu ihm sprechen: »Ich verstehe mich auf den unerschöpflichen Geldzauber«.25 »Auf den Zauber, der einem am Königshofe die Türen öffnet«. »Auf den Zauber, mit dem man die Weiberherzen gewinnt«. »Auf die Kunst, dem Feinde Krankheiten anzuhexen«. »Auf den Zauber, ein langes Leben zu erlangen«. Oder: »Auf den Zauber, einen Sohn zu erhalten«. Geht er darauf ein, dann soll er ihm in der Nacht bei einem heiligen Baume (caitya) reichlich Likör, Fleisch und Duftwaren als Opfer darbringen lassen. Und vorher schon ist von ihm Geld, das in falschen Münzen besteht,26 vergraben worden, da wo ein Glied von einem Toten oder [378] eine Kinderleiche niedergelegt worden ist.27 Darauf zeigt er ihm das Geld und spricht: »Das ist noch überaus wenig. Um reichlich Geld zu bekommen, mußt du noch einmal ein Opfer darbringen. Morgen früh mußt du selber mit diesem Gelde hier reichlich Sachen für den Gottesdienst kaufen.« Wenn er mit diesem Gelde die Sachen für das Opfer einkauft, soll er abgefaßt werden.

Oder eine, die sich als Mutter stellt, soll eine Schauspielerei aufführen.28 »Mein Sohn ist von dir getötet worden! Man hat ihm ein Ende gemacht bei einer nächtlichen Zauberhandlung, bei einem Waldopfer oder bei einem Vergnügen im Wald!« Wenn sie so anhebt,29 sollen ihr Bravi einen dem [379] Tode Geweihten (den sie umgebracht haben, als die Leiche ihres Sohnes) trügerisch herbeibringen.

Oder ein als Diener eines Verräters Verkappter soll unter das Geld seines Lohnes ein falsches Geldstück einschieben und dies (den Leuten) betrügerisch vorzeigen. Oder ein als Arbeiter Verkappter soll im Hause (des »zu Verderbenden«, dūshya) eine Arbeit ausführen und dabei dort heimlich Handwerkzeug von Falschmünzern einschmuggeln,30 oder ein als Arzt Verkappter Gift unter dem Vorgeben, es sei Arznei. Oder ein Hinterhältler, der zu der nächsten Umgebung des Verräters gehört, soll durch den Mund eines fahrenden Schülers ein von ihm selber eingeschmuggeltes Gerät, wie es zur Weihe eines Königs gebraucht wird, oder einen Brief vom Feinde öffentlich bekannt geben und den Grund (weshalb der Mißliebige dergleichen habe, nämlich, daß er nach der Königsherrschaft strebe oder im Solde des Feindes stehe.31

So soll der König gegen die Verräter und die Gottlosen verfahren, nicht aber gegen andere.

Reife Frucht um reife Frucht, wie von einem Garten, soll der König vom Reiche pflücken. Aus Furcht, daß die grüne ausgehe (und damit dann natürlich auch die reife) soll er die grüne nicht antasten; das gäbe Unzufriedenheit.32

Fußnoten

1 Das muß viel von feindlichen Nachbarn leiden. Beachtung aber verdient die Lesart vyatyastam. Das müßte hier wohl heißen: »in dem alles drunter und drüber geht«, eine Bedeutung, die ich nicht belegen könnte. Nach anderer Textinterpunktion hieße es: »Je nach Vermögen ein mittelmäßiges oder ein geringes. Von einem, das Nutzen schafft durch Festungen ... Elefantenwäldern, einem an der Grenze oder einem schwachen verlange er nichts«.


2 Çākakaṭabhanga, das mit der Hand zu Gemüse abberupfte grüne Getreide, wird also von den Menschen gegessen, während mushṭi wohl nur für das Vieh ist. Mushṭi, das uns schon 19, 4 begegnet und dort besprochen worden ist, bezeichnet also das grüne Getreide, im Gegensatze zu lava, dem schnittreifen. Daß die Büßer es verzehren, haben wir 19, 4 vernommen; auch sonst werden die Menschen in der Not es nicht verschmähen. Mushṭi wird wahrscheinlich in Bausch und Bogen gemäht, während beim Abrupfen eine Auslese des für Gemüse Tauglicheren stattfinden kann. Auch wird in diesem Fall nur da etwas herausgenommen, wo der Bestand zu dicht ist.


3 Alle Maßregeln unseres Kapitels gelten für Fälle, wo Staat und König in Not sind. Da übernimmt also der Oberfinanzverwalter des Landes die Leitung und Beaufsichtigung des Haupterwerbs, der Landwirtschaft. Unter der Peitsche seiner Angestellten leben und arbeiten die Bauern. Sonst aber bewirtschaften sie, abgesehen von den auf dem gewiß sehr umfänglichen königlichen Ackergut sitzenden ihre Felder auf eigene Hand. Wir haben hier also eine Verstaatlichung, die unsere in Kriegszeiten übliche noch übertrifft.


4 Die Lesart pratipāto ist entschieden besser. Das Wort findet sich auch 122, 17. Pratipātro hieße etwa: »für jedes Maß geltend« und gehörte zu sītātyayaḥ: »den trifft auf jedes Maß eine im Achtfachen bestehende Ackerbuße«.


5 Praṇaya. Vgl. karapraṇayana Auferlegung von Steuern, Varāhamihira, Yogayātrā I, 17A2 daṇḍaṃ praṇayati »Strafe auferlegen, wo auch der Lok. steht«.


6 Wohl eine Steuer von 50% des Gewinnes und entsprechend im folgenden catvāriṃcatkara, triṃçatkara usw.A3


7 Für vardhakiposhaka ist nicht etwa bandhakiposhaka zu setzen, wie Sham. in seiner Übersetzung tut. Die bandhakiposhaka folgen ja in Zeile 16. Vardhakiposhaka »solche die Zimmerleute unterhalten«, können Zimmermannsmeister mit Arbeitern sein. Aber vielleicht ist poshaka durch das folgende poshaka etwa für takshaka in den Text gekommen. Dann: »Zimmerleute und Schreiner«.


8 Ich lese aparodham. O und a werden ja oft verwechselt. Dir Betreffenden machen also Ausflüchte, sich die Steuerhabichte vom Leib zu halten, haben ihr Gut, wenigstens zum Teil, andern anvertraut und sagen, sie hätten nichts.


9 Die Lustdirnen gelten mithin als Vieh oder Nutztiere, eine recht bissige Anschauung. Doch mag der Doppelsinn von yoniposhaka mit hereinspielen. Denn dies bedeutet ja wörtlich Vulvapfleger, was ein guter Ausdruck für Hurenvater ist; bandhakiposhaka kann also mit »Dirnenzüchter« übersetzt werden. Bekanntlich gabs in Altindien eine regelrechte Aufzucht von solchem Nutzwild oder Freiwild. Und wie z.B. das weibliche Junge der Milchkuh eine Milchkuh, so wurde im natürlichen Lauf der Dinge die Tochter der Prostituierten eine Prostituierte. Mit bandhakiposhaṇa vgl. asatīposhaṇa in Hemacandras Yogacāstra III, 111: Sārikāçukamārjāraçvakukkuṭakalāpinām Poshaṃ dāsyāçvavittārgham asatīposhaṇaṃ viduḥ.A4


10 Lies -veshṭanaṃ.A5


11 So nach der Lesart dagdhahṛidayasya die aus verschiedenen Gründen den Vorzug verdient. Wie uns, so brannte auch dem Inder das Herz von seelischen Qualen, namentlich auch von denen der Liebe. Hier haben wir allem Anschein nach einen Bruder der ungezählten Tausende in der Christenheit, die namentlich aus Gewissenspein dem Himmel einen Teil ihres irdischen Besitztums schenken. Mit dagdhagṛihasya hätten wir: »Es ist Gut, das einem jetzt Verstorbenen oder Abgebrannten anvertraut war«. Da der betreffende selber nicht mehr imstande ist, das Bewahrgut zu hüten, ist es dem Tempel (»der Kirche«) zur Aufbewahrung überwiesen worden. Grammatisch macht sich diese Auslegung leichter als die andere, im Sinn ist sie weit weniger annehmbar.


12 Oder: in eine Verwaltung, unter einen Hut bringen, d.h. natürlich in seine Hände zusammenziehen. Yathāsvam jeden für sich; vgl. 10, 19; 190, 9; 259, 13; 417, 2. Hier wohl eher: »je nach dem Fall«, »wie es sich grade schickt«, »wie es sich gut macht«.


13 D. h. er soll unter erdichteten Angaben das alles in des Königs Schatz einliefern. B hat sogar: »soll sie für den König stehlen« (apaharet).


14 Vgl. Buch XIV Kap. 2 das adbhutotpādana »die Hervorrufung von Wundererscheinungen«.A6


15 Dergleichen ereignet sich ja manchmal, denn Gott ist groß, noch größer aber die Schläue des Politikus, hier des »Königs«, der im Notfall die Blüten und Früchte künstlich anbringen läßt.


16 Manushyakara könnte nur heißen: »Menschen als Steuer oder Tribut fordernd«. Das ginge ja sehr gut. Dennoch sieht der Ausdruck nicht recht geheuer aus. Mehrere »Besserungen« bieten sich dar, aber keine zwingende. Daß diese bösen Geister Menschen rauben (manusḥyahara?) und Menschen fressen (manushyacara »abweidend, verzehrend«?) ist allbekannt. So öfters auch im Kauṭ. Siehe besonders die Parallele S. 396 mit Jollys Zusatz aus B. Vielleicht liegt am nächsten amanushyakara »menschenlos machend, entvölkernd, volksverheerend«.


17 Ob man upaharaṇe oder mit B upahāreṇa (das wohl besser sein wird) liest, immer bleibt der Sinn, daß man dem Schlangengeist diese Gaben bringen muß. Vgl. 243, 19; 244, 3.


18 Natürlich nicht umsonst. Die gewöhnliche Bedeutung von āhāra ist »Nahrung«. Man hat also betäubende Mittel mit dem Futter der Schlange vermischt. Der Text wird aber kaum richtig sein. Mir bietet sich als nächstliegende Besserung nur sarpaṃ sarvadarçanam: »eine Schlange (eine Schlangengottheit), die alles sieht«. Weiß sie doch sogar, wer an sie glaubt und wer nicht! Oder soll man einfach sarpaṃ lesen und darçana, als durch das folgende yogadarçana veranlaßt betrachten? Oder: »eine Schlangengeisterscheinung, von der er die Meinung aufbringt, sie werde durch tüchtige Zufuhr festgebannt (d.h. von Schädigung abgehalten) sehen lassen«? Der Sinn wäre da sehr gut, aber der Sanskritausdruck muß dabei wohl doch zu bös gezwängt werden. Pratibandha, statt dessen ich pratibaddha lese, ginge dann gut.A7


19 Derselbe Satz auch 397, 7. Vgl. Buch 14, Kap. 2; auch 397, 7. Das Geld für den Hokuspokus gegen diese Unheilserscheinungen, die der Fürst selber hat hervorbringen lassen, kommt natürlich von den Untertanen und geht in den Säckel des Fürsten. Dieser ganze Hexensabbat der Politikerkniffe, bei denen der König, wie sonst so oft als recht kläglicher und ohnmächtiger »Statthalter der Gottheit auf Erden« erscheint, mag unseren heutigen Staatsmännern ein Lächeln verursachen. Da können sie ganz andere Daumenschrauben ansetzen, vor allem durch jenes allgewaltige »Bildungs- und Erziehungsmittel des Volkes«, durch jenen sogenannten Beicht- und Nachtstuhl der »öffentlichen Meinung«: die Presse. Und doch überrascht uns auch hier der moderne Zug an diesen Anstalten, das Volk zu Paaren zu treiben. »Wandernde Journalisten« hat Scherer diu farnde diet des Mittelalters genannt. Solche waren auch die als Regierungsspitzel verwendeten fahrenden Schüler (kāpaṭika) und ähnliches Ungeziefer in Altindien, an Macht geringer als unsere heutigen Zeitungsleute, in der Art ihrer Tätigkeit ihnen vielfach aufs Haar ähnlich, Hetzpeitschen in der Hand der Regierung sie beide, bestehe diese nun aus Junkern, Großkapitalisten oder Kommunisten, und geschwungen, das Volk in Wahnsinn und Elend hineinzutreiben, während es verzückte Vaterlandslieder singt und seine Schlächter und Verdummer als Heilande anbetet.


20 Oder: »Durch die Preise für seine Waren, durch Deposita und Geldausleihung«. So wird er »dick und fett« (upacita, vgl. 70, 12). Der »jüngere Gesellschafter« oder »Schüler« läßt selber die Diebe ins Haus. Diese sind natürlich Staatsdiener, die das Erbeutete dem König bringen. Oder er besorgt selber die Ausplünderung; denn moshayati ist vielleicht einfach = rauben, stehlen. Lesen muß man paṇyamūlyanikshepaprayogair, weniger gut wäre paṇyamūlyena nikshepaprayogair.


21 In der Nacht kommen vom König Angestellte und stehlen es, oder er sagt einfach, Diebe hätten es geholt, und liefert es in des Königs Schatz. »Gegenware« ist Ware, die man anderswo herholt, entweder im Tauschhandel, oder indem man andere Ware verkauft, um diese einzukaufen, dann einfach Ware, die im Auslandshandel erlangt wird. Samāje »bei einer Gesellschaft oder Genossenschaft«, als deren Vertrauensmann er auftritt, wäre an sich gut. Aber Kauṭ. gebraucht das Wort nicht in diesem Sinn, wohl aber oft zusammen mit pravahaṇa und diesem ähnlich in der Bedeutung.A8


22 Als »Beflecker der Ehre dieser Frauen aus guter Familie« müssen sie sich mit schweren Summen loskaufen. Vgl. Kalāvil. IX, 58.


23 Ich lese: dūshyam abhityakto vā çraddheyāpadeçaṃ. Der »dem Tod Geweihte«, von dem wir im Arthaçāstra öfters hören, ist ein Verbrecher, der hingerichtet werden soll.


24 Der etwas sonderbare Text ist aber kaum richtig. Zu kāmuka sollte eine nähere Bestimmung treten, wie in 236, 6. Am nächsten steht wohl arthakāmukaḥ für itthaṃ kāmukaḥ. Also: »Weil er eine Sache (oder: Gut von ihm) begehrte, ist dieser (von ihm) getötet worden«. Wegen der Belagerung der Türe des vergeblich um etwas Angegangenen vgl. Jolly, Recht und Sitte S. 147f.; J. J. Meyer, Das Weib in altind. Epos 226, Anm. 1; Edg. Thurston, Omens and Superstitions of Southern India (London 1912) 144f. Die Form des dharṇa, daß der Gläubiger sich seine Bezahlung erißt oder eressen läßt, wird jedem aus Rosegger bekannt sein. Eine andere Gestaltung ist unser heutiges picketing.


25 Ich lese akshayahiraṇyaṃ.


26 Der Text: ekarūpaṃ »Geld von einer Art« oder: »Geld, das nur in einer Münze besteht« klingt recht sonderbar. Man begreift da auch nicht recht, warum der betreffende als Verbrecher festgenommen wird. Denn das nächtliche Opfer an die Geister wäre keine Rechtfertigung dafür, auch nicht seine Absicht, durch Zauber allerhand Glück zu erlangen. Sodann ist ja allem Anschein nach dies Gold oder Geld (hiraṇya) nötig, daß man ihm beikomme. Man kann am Schluß sogar übersetzen. »Auf dieses Geld hin (mit Hilfe dieses Geldes) wird er beim Einkauf der Sachen für das Opfer angepackt.« Also setze ich Kūṭarūpaṃ ein. Der Trick ist also derselbe wie 244, 9–12.


27 Ob er selber oder andere das besorgt haben, ist unklar, auch von keiner Wichtigkeit. Die Leiche, namentlich die Kinderleiche, ist nötig für den Zauber; vielleicht aber auch zu dem Gaukeltrug im Folgenden. Dann wäre es so gut wie sicher, daß der »Zauberer« selbst die Leiche hingetan hat.


28 Avarūpitā wohl etwa: der Zustand dessen, der etwas falsch gestaltet, also: falsche Darstellung, Gaukelei usw. Wörtlicher also: »Es soll die trügerische Darstellung einer sich als Mutter Stellenden erfolgen«.


29 Es scheint ein Infinitiv »klagen, schreien« u. dgl. oder doch iti ausgefallen zu sein. Saṃsiddha gilt als pass. Part, von saṃsādhayati. Aber ob saṃsiddham evāsya: »man hat ihm wahrhaftig ein Ende gemacht« sonstwo gefunden wird, weiß ich nicht. Auch kann ich meine Annahme eines Ausfalls natürlich nicht beweisen. So mag auch meine Übersetzung verkehrt sein. Sicherheit herrscht wohl in zwei Punkten: 1. daß der Angeschuldigte (lies: putro me tvayā hata) sich mit viel Geld loseisen muß; denn unser Kapitel gibt ja Kniffe an, den Leuten Geld abzuzwacken. 2. Atinayati heißt bei Kauṭ. gewöhnlich listig wohinbringen, einschmuggeln, betrügerisch herbeibringen. Vgl. 389, 14; 16; 390, 19; 21; 397, 9 usw. Da nun im vorhergehenden die Kinderleiche erwähnt ist, so kann man sich lebhaft vorstellen, wie auf einmal die verzweifelte »Mutter« gestürzt kommt und zetert: »Dies ist mein Kind! Und du hast es zu Zauberzwecken umgebracht!« Aber dann steht das Folgende völlig in der Luft. So wird man die »Mutter« vom vorhergehenden abtrennen und mit dem folgenden zusammenstellen müssen, wie ich getan habe. Saṃsiddha nun gebraucht Kauṭ. auch in dem Sinne von passend, tauglich, geschickt (31, 13). Sham. verzeichnet in seiner zweiten Textauflage die Varianten pravṛittāyāṃ und abhivyaktam. Also dann: »Einen, der sich für ihn (d.h. zur Stellenvertretung des ›Sohnes der Mutter‹) einigermaßen (eva nur) eignet, sollen die Bravi, wenn eine nächtliche Zauberhandlung, ein Waldopfer oder ein Vergnügen im Wald im Gang ist, abschlachten und dann offensichtlich herbeibringen«. Wunderlich ist da pravṛittāyām. Besser schiene etwa pravṛittam asyās: »sollen die Bravi, wenn er einer nächtlichen Z. oder einem W. oder einem V. in W. hingegeben ist, ihr abschlachten« usw. Vgl. aber auch 422, 16. Die Ermordung eines völlig Unschuldigen in usum regis verursacht nun zwar wenig Bedenken. Gewöhnlicher aber wird doch, ein armer Sünder zu solchem politischem Spiel verwendet. Der abhityakta (»sie sollen einen dafür geschickten zum Tode Verurteilten töten«) wäre also eher am Platz, und abhivyakta in dem hier angenommenen an sich ja unverfänglichen Sinn kommt sonst bei Kauṭ. nicht vor (vgl. 391, 4; 404, 8). Wozu aber da die Komödie mit dem nächtlichen Zauber usw.? Übrigens scheint auch saṃsiddha, dessen eva doch nicht recht natürlich ist, in der Bedeutung »geschickt« ziemlich müßig zu sein. Denn diese Mutter kann ja in irgendeiner Leiche, es stehe denn das Alter allzusehr im Weg, ihren Sohn erkennen. Also dunkel bleibt der Rede Sinn.A9


30 Apanidadhyāt möge weg- und niederlegen, wegstecken, anbringen. Vgl. das häufige praṇihita heimlich, listig bei jemand niedergelegt oder angestellt u. praṇidhi Spion usw.


31 Der FalschmünzerA10 wird aus dem Weg geräumt, ebenso der Giftmischer (als welcher ja unser dūshya erscheinen muß), der Hochverräter kommt aufs Schaffot, in den Besitz des Vermögens ihrer aller aber der König! Dieser Abschnitt hat wohl Kshemendra bei Kalāvil. IX, 56f. vorgeschwebt.


32 Wörtl. »er vermeide die unreife, die Aufruhr verursacht (verursachen könnte)«. Der Vers redet natürlich von dem kunstgerechten Aderlaß zum besten der fürstlichen Kasse. Der König soll also vor allem vermeiden, einen, der gepflückt und seines goldnen Saftes beraubt werden soll, anzupacken, ehe er »zeitig« ist. Er muß erst zu rundlicher Fülle angeschwellt, seine Macht aber darf nicht mehr groß genug sein, daß er oder sein Anhang Empörung erregen könnte, oder man muß ihm sonst gut beizukommen vermögen, etwa weil er es allzu bunt getrieben und jedermann erbittert hat u. dgl. mehr. Am schnellsten freilich befördern ihn die Lock- und die Mordspitzel in jenen Zustand der »höchsten Reife«, d.h. der Tauglichkeit, des Königs Schatz zu bereichern – sie machen ihn zum »stillen Mann« durch die »stille Strafgewalt«, oder sie spitzbübeln ihn als »schändlichen Verbrecher« vor den »rächenden Stahl«, vor das »gottgegebene Schwert« der Obrigkeit.A11


A1 Auch Gaṇ. hat vā devamātṛikaṃ. Aber das ist ganz falsch. Kṛishir adevamātṛikā lautet das altindische Sprichwort »Erntesegen Kommt nicht vom Regen«. Nachdrücklich wird unter den Vorzügen des Bauernlandes (janapada) im Rām. II, 100, 45 das adevamātṛika hervorgehoben, und im Kirāt. I, 17 hören wir: »Leicht von den Bauern erlangbare, gleichsam von selber wachsende Getreidefülle, die nicht vom Regen abhängig ist (adevamātṛikā), hervorbringend, prangt unter ihm, der auf lange Zeit hinaus Frieden schafft, das Land der Kuru.« Außerdem nennt ja Kauṭ. als eine der Eigenschaften, die das Bauernland haben müsse, selber adevamātṛika (256, 8) und sagt in 305, 4–5; »Der Mutterschoß der Ernten sind die Bewässerungsanlagen.« Der Ackerbau ist der beste Beruf, wenn er »von Flüssen gesäugt wird« (sarinmātṛika), heißt es in Çukran. III, 552–55. Schon weniger gut ist die Bewässerung durch Seen, Teiche und Brunnen. Çukran. IV, 2, 227–230.


A2 Hinter I, 17 gehört ein Semikolon. Praṇeyāḥ karāḥ »Steuern sollen auferlegt werden« findet sich auch in MBh. XII, 87, 18. vgl. karān saṃpraṇayan in Çl. 39. Sarkar meint, praṇaya heiße »Liebesgabe«, indem er sich auf Sham.'s Artikel im Indian Antiquary 1905, S. 117 beruft. Das wäre an sich möglich, ist aber nicht wahrscheinlich. Eher ginge als echt politischer Euphemismus »Bitte« an. Das heißt praṇaya z.B. in Kirāt. XIII, 60 (richtig Mall., verkehrt Capeller); Mudrār. 199, 8. Aber die »Anbettelung« der Untertanen folgt ja auf S. 375 der Übers.


A3 Die 50%, 40% usw. stimmen weder mit der offenbar immer höher steigenden und schließlich die Hälfte der Einkünfte erreichenden Stufung des Textes noch mit der in allen Ländern und Zeiten, besonders aber auch in Altindien geübten Steuerpolitik, die dem armen Volk das letzte Tröpfchen Blut abschröpft, die Reichen, Vornehmen, Mächtigen aber mit furchtsam zarter Schonung behandelt. »Da ich edel bin, zahle ich keine Steuer. Denn Steuern zahlen ist gemein. Das Hundepack soll zahlen« ruft der reiche Morio in der »Insel der Pinguine« von Anatole France (Piper, München, S. 73). Also wird Gaṇ. Recht haben, wenn er in der »Fünfzigersteuer« eine solche von einem Fünfzigstel des Gewinnes oder der Einnahme sieht.


A4 Die »Dirnenpflege« erscheint sogar als regelrechter Beruf oder Lebensunterhalt des Vaiçya neben Ackerbau, Viehzucht, Handelschaft und Wucher (Vish. II, 13). Viehzucht, wie in MBh. K. III, 152, 31 kann yoniposhaṇa nicht heißen; goraksha steht ja schon als Glied der Reihe da. Der altind. Vaiçva hat ja da in christlichen Ländern sogar die erlauchtesten und frömmsten Kollegen. In Eilharts Tristan kommt Fürst Morolt nach Kornwallis, um 15jährige Mädchen und Knaben, jedes dritte Kind, als Zins zu holen und sagt: So wil ich die magedîn / mînem hūrhūse tûn zû / daz sie mir spâte unde frû / gewinnen darinne / silber und pfenninge (ed. Lichtenstein 438ff.). Vgl. Zschr. f. deutsch. Altert. XXXII, 241, 247f. Seinem hohen Beispiel folgten die Adeligen, die weltlichen und die geistlichen Großen bis zu Kaiser und Papst hinauf, wie nicht minder die Städte – sie alle bezogen im deutschen Mittelalter feste Steuern aus den Bordellen. Die Frauenwirte waren obrigkeitliche Personen, betraut mit der Erhaltung und Mehrung des Dirnenstandes. Siehe z.B. Max Bauer, Das Gesellschaftsleben in der deutschen Vergangenheit S. 150ff. Vor M. X, 47 wird freilich der Mischkaste der Vaidehaka das »Frauengeschäft« (strīkārya), wie ich es verstehe: die Führung von Lusthäusern, als Erwerb zugewiesen.


A5 Aber auch Gaṇ. hat veshṭana–. Dann muß man wie er einen Punkt hinter yad upahareyuḥ setzen: »um das, was sie als Gefälligkeit oder freiwillig darbringen mögen (soll er sie bitten). Und um ihr Geld soll er ihnen Stellungen, Sonnenschirme, Turbane und Schmuck verleihen.« Er verkauft ihnen also seine Ämter und Orden. Da wäre yathopakāram in ungewöhnlicher Weise gebraucht, käme aber dafür hiraṇyena schön zu seinem Recht.


A6 Gaṇ. liest siddhapuṇyasthānabhaumavādikaṃ statt siddhapuṇyasthānam aupapādikaṃ. Aber vādika ist mir dunkel und Gaṇ.'s Erklärung unbrauchbar. Also möchte ich siddhapuṇyasthānaṃ bhaumaupapādikaṃ vermuten, statt »Wundererscheinung« also: »Wundererscheinung aus der Erde.« Oder mit -sthānabhaumaupapādikaṃ: »in dem er ein Götterheiligtum (daivatacaitya) oder an einem berühmten Wallfahrtsorte eine Wundererscheinung aus der Erde« usw. Vgl. Übers. 15, 34ff.


A7 Gaṇ. bietet die wenigstens leichtere Lesart sarpadarçana »wenn man dort zufällig eine Schlange sieht«. Daß āhāra »Bannung durch Sprüche und Kräuter« bedeute, ist gut indisch gedacht, sprachlich mir aber zweifelhaft.


A8 Besser aber wird sein: »Oder bei Gelegenheit einer festlichen Zusammenkunft von Menschen soll er auf eine große Menge aller möglichen Waren mächtig viel Geld und Gold borgen.« Das ist auch Gaṇ.'s Auffassung. Das Weitere hieße nach ihm: »ebenso soll er den Preis für zu liefernde Waren an sich bringen.« Im Sinne paßt das vorzüglich. Aber Kauṭ. braucht prati bhāṇḍa sonst nicht so; meines Wissens auch nicht andere.


A9 Gaṇ. liest: Mātṛivyañjanayā ... avarūpitaḥ syāt. Saṃsiddham evāsya rātriyāge vanayāge vanakrīḍāyāṃ vā pravṛittāyāṃ tīkshṇā viçasyābhityaktam atinayeyuh. Ebenso Jolly, abgesehen von avarūpitaḥ, wofür er das schlechtere avakupitā hat. Avarūpitaḥ erklärt Gaṇ. durch mithyāpradarçitaḥ. Das stimmt mit Kauṭ.'s Gebrauch von prarūpayati und mit meiner Vermutung. Saṃsiddham eva erläutert er nicht. In Anbetracht dieses Konsensus der Ausgaben übersetze ich jetzt so: »Oder er (der betr. Mißliebige) soll von einer, die sich als Mutter aufspielt, mit dem Geschrei: ›Du hast meinen Sohn ermordet‹ betrügerischerweise angezeigt (wörtl. etwa: vorgeschwindelt) werden. Bei der ersten guten Gelegenheit, wenn ein nächtliches Opfer, ein Waldopfer oder ein Waldvergnügen von ihm veranstaltet worden ist, sollen Bravi dabei einen zum Tod Verurteilten, den sie umgebracht haben, einschmuggeln.« Natürlich erhebt sich dann das Geschrei: »Jetzt sieht man es, daß er wirklich solch ein Mensch ist!« Saṃsiddham also: »sowie es sich schickt (gut macht).« – Die Klammer im Text gehört vor: »als die Leiche«.


A10 Gaṇ hat die bessere Lesart: kurvāṇaḥ stenakūṭa rūpa- »und heimlich Handwerkszeug eines Diebes oder eines Falschmünzers einschmuggeln«.


A11 Genau wie hier pakva wird pacyamāna in M. IX, 231 gebraucht, einer bisher nicht verstandenen Stelle: »Die für die (öffentlichen) Angelegenheiten Angestellten (die Beamten) aber, die die Angelegenheiten derer, welche eine Angelegenheit haben, zu Schaden kommen machen, sie, die von der Wärmeglut des Geldes (das sie erpressen) reif werden, die soll der Fürst ihres Gutes berauben.« Vgl. Übers. 100, 6–8 und die Zusatzanm. dazu.

Völligen Einklang im Inhalt und sogar schier wörtliche Übereinstimmungen mit den in unserem Kapitel vorgetragenen einzelnen Vorschriften für die Steuererhebung in Zeiten der Not zeigen z.B. Nītiv. 82, 3–7; MBh. XII, 87 – 88; Çukran. IV, 2, 4–8; 13f.; 40, 45; V, 106–108. Wir finden da eine sehr weitgehende »Sozialisierung des Reichtums«. Mitten in einer Darlegung der richtigen Art, im »Unglück« die nötigen Geldmittel zusammenzuraffen und im Frieden das Land dahin zu bringen, daß es gedeiht und also solche und andere Abgaben leisten kann, wird dem Fürsten in MBh. XII, 88, 29f. eingeschärft, ja die Wohlhabenden zu ehren, denn sie seien die Hauptsache im Staat, und in 87, 35–40, die »Rinderbesitzer« (gomin, d.h. die Begüterten, nach Nīl. = vaiçya; der Reichtum κατ' ἐξοχὴν, nämlich der an Rindern, ist ja vornehmlich in den Händen der Vaiçya) aufs freundlichste zu hegen; denn auf ihnen ruhe des Reiches Wohlfahrt. Diese letzte Stelle ist unmittelbar angegliedert an eine kennzeichnende Ermahnung, nach der der König »im Unglück« die wichtigen Untertanen, »ehe er ihnen ihr Gut wegnehme«, zusammenrufen und ihnen vorstellen soll, wie Schlimmes sie von den erobernden Feinden erfahren würden. Darum sollten sie ihr Gut ihm geben zur Rettung des Landes und ihrer selbst. Er werde ihnen, nachdem er so Gefahr und Not überwunden habe, alles zurückerstatten. Etwas weiter ausgeführt werden diese Lehren in Çukran. V, 98–105, und 106–108 fügt hinzu, des Königs Diener sollten da, wenn sie irgendwie selber genug hätten, Jahr um Jahr ihr Amt ohne irgend welchen Lohn weiter führen. In IV, 2, 21f. wird geboten, er solle in eigener Bedrängnis den Begüterten ihre Habe wegnehmen, was ja auch in MBh. XII, 87, 26 deutlich gesagt wird, alles aber nachher sogar mit Zins wiedergeben. Und in IV, 2, 40, 45, in zwei Zeilen, die der Text verkehrterweise auseinanderreißt, lesen wir: »Der König soll die Reichen bei dem Ihrigen erhalten (bhṛitya) als Bürgen des Herrschers« (adhikṛit), d.h. in guten Zeiten soll er für sie sorgen, so daß sie dann etwas haben, was er ihnen in bösen abzapfen kann. »So wird er in richtiger Weise (oder: nach und nach, kramāt) Gut für den Fall eigenen Unheils bewahren.« Die Reichen sind also Reichsbürgen (vgl. da z.B. IV, 2, 247–250) als Aufspeicherungsbecken für die Dürre. Kein Wunder da, daß der Fürst ihnen in Friedenstagen »linde Steuern« aufzuerlegen angeleitet wird (MBh. XII, 87, 39).

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 372-380.
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