Siebentes Kapitel (145. und 146. Gegenstand).

Mit Vorteil, Nachteil und Zweifelhaftem zusammenhängende widrige Ereignisse und die Arten ihrer Abstellung, wie diese aus der verschiedenen Wahl der Mittel hervorgehen.

[553] Überschwall, d.h. der Begehrenstrieb (kāma) samt den übrigen Lastern, empört die Reichsfaktoren daheim, schlechte Politik die draußen stehenden (die im Ausland). Beides ist ein teuflisches Verfahren. Abfall der eigenen Leute ist Empörung.1

[553] Was die Dinge anlangt, die des Feindes Wachstum bewirken, so sind sie: Unglücksvorteil, Nachteil und Zweifelhaftes.

Ein Vorteil, der, wenn erlangt,2 des Feindes Wachstum hervorbringt, der, wenn erreicht, dem Feinde wieder überlassen werden muß, oder der, während man ihn erringt, zu Kriegstier- und Menschenverlust und zu Ausgaben führt, ist ein Unglücksvorteil. Wie z.B. ein Gewinn, der eine Lockspeise für die Grenznachbarn bildet und aus einem Unglück der Grenznachbarn hervorgegangen ist, oder ein Gewinn, der die Begierde der Grenznachbarn weckt und der dabei schon aus seiner eigenen Natur erlangbar ist (also nicht geschützt werden kann), oder ein vorne erlangter Gewinn, der durch eine hinten ausbrechende Empörung oder einen Angriff im Rücken beeinträchtigt ist, oder ein Gewinn, der dem Staatenkreise verhaßt ist, weil er durch die Vernichtung eines Bundesgenossen oder durch Vertragsbruch zustande kam. Soviel vom Unglücksvorteil.

Was Gefahr von den eigenen Leuten und von den fremden her verursacht, das ist Nachteil.

Wenn bei den zweien (Vorteil und Nachteil) die Frage entsteht: »Ist es ein Vorteil oder nicht?«3 »Ist es ein Nachteil oder, nicht?« »Ist der Vorteil (in Wirklichkeit) ein Nachteil?« »Ist der Nachteil (in Wirklichkeit) ein Vorteil?« dann handelt es sich um Zweifelhaftes (saṃçaya). »Ist es ein Vorteil, einen Feind, einen Bundesgenossen (zum Krieg) aufzustacheln oder nicht?«4 Das ist etwas Zweifelhaftes. »Ist es ein Nachteil, Feindestruppen durch Geld und Ehren zu mir herüberzuziehen oder nicht?«5 Das ist etwas Zweifelhaftes.A1

Unter diesen vieren trete er an das nur als Vorteil Zweifelhafte heran (wenn er eins von ihnen wählen muß oder kann).

Vorteil, der Vorteil im Gefolge hat, Vorteil, der keine Folge hat, Vorteil, der Nachteil zur Folge hat, Nachteil, der Vorteil zur Folge hat, Nachteil, [554] der keine Folge hat, Nachteil, der Nachteil zur Folge hat, das ist die auf den Nachteil bezügliche Sechsergruppe.6

Bewältigung des Angreifers im Rücken, nachdem man den Feind ausgetilgt hat, das ist (ein Beispiel von) Vorteil, der Vorteil im Gefolge hat.

Der Vorteil durch die Einkünfte (die Bezahlung), wenn man einen Unbeteiligten mit Truppen unterstützt, ist Vorteil, der keine Folgen hat.

Des anderen Reich im Innern zerstören ist ein Vorteil, der Nachteil im Gefolge hat.A2

Den Anwohner (prativeça, vgl. 301, 9; 317, 14) des Feindes mit Schatz und Heer unterstützen ist Nachteil, der Vorteil zur Folge hat.

Einen Fürsten von geringerer Kraft (zum Kriegszug) aufstacheln und sich dann selber zurückziehen ist Nachteil, der keine Folgen hat.A3

Einen Stärkeren auf die Beine bringen und sich selber dann zurückziehen ist Nachteil, der Nachteil im Gefolge hat.

Von diesen (sechs) den jeweils (in der Reihenfolge) voranstehenden zu erlangen ist besser (als den jeweils nachfolgenden).A4

Dies die Festsetzung im Hinblick auf die vorzunehmende Tätigkeit (auf das, was man tun soll).

Eintritt von Vorteil von allen Seiten und zu der gleichen Zeit ist allseitiges Vorteilsunheil. Dieses selbe wird, wenn durch einen Angreifer im Rücken vermindert, zu einem Zweifelsunheil für den allseitigen Vorteil.7 In diesen zwei Fällen kommt der Erfolg von der Erwerbung eines Freundes und eines Helfers im Rücken.8

[555] Eintritt von Gefahr durch Feinde von allen Seiten ist allseitiges Nachteilsunheil. Wird dies durch Freunde verringert,9 dann ist es Unheil, das in allseitigem zweifelhaft gewordenen Nachteil besteht. In diesen zwei Fällen kommt der Erfolg davon, daß man (im ersten Fall) Feinde ohne festen Standort und (im zweiten Fall) Helfer im Rücken hat. Oder die Abwehrmittel gegen den »feindgemischten Zustand« (sind hier am Platz).

Gewinn auf dieser Seite und Gewinn auf einer anderen, das ist Vorteilsunheil von zwei Seiten. Bei diesem und bei dem, das in allseitigem Vorteil besteht, ziehe er aus, die Sache anzugreifen,10 die mit Vorzüglichkeit des Gewinnes verbunden ist. Wo die Vorzüglichkeit des Gewinnes gleich ist,A5 da liegt das Beste in dem, was nahe bei ist und was einem nicht entwischt, wenn man unzureichende Mittel dran wendet.11 Diesen zu holen,12 ziehe er ins Feld.

Von dieser Seite Nachteil und von einer anderen Nachteil, das heißt ein Nachteilsunheil von zwei Seiten. Bei diesem und bei dem, das in einem von allen Seiten drohenden Nachteil besteht, trachte der Fürst, Erfolg durch die Freunde zu erlangen. Hat er keine Bundesgenossen, dann bewältige er die Nachteile von einer Seite durch Drangabe des unbedeutenderen unter seinen Reichsfaktoren (Schatz, Heer usw.). Den Nachteilen von zwei Seiten her durch die Drangabe eines wichtigeren. Den Nachteilen von allen Seiten her helfe er ab durch Drangabe seines Stammlandes.13 Kann die Not nicht beseitigt werden, dann lasse er alles im Stich und gehe davon. Denn daß der am Leben Bleibende wiederkehrte (in sein Reich usw.), das hat man erfahren, wie z.B. an Suyātra und Udayana.14

Von dieser Seite Gewinn, von der anderen Seite Antastung seiner Königsherrschaft, dies heißt Unheil von zwei Seiten, das in Vorteil und Nachteil [556] besteht. Bei diesem ziehe er zu Feld, die Sache anzugreifen, durch die der Nachteil bewältigt wird. Denn sonst würde er die Antastung der Königsherrschaft herbeiführen.15

Damit ist auch das Nötige gesagt über Unheil, das in Vorteilen und Nachteilen von allen Seiten her besteht.16

Von dieser Seite Nachteil, von der anderen Seite Unsicherheit des Vorteils, das heißt Unheil, das in Nachteil und Unsicherheit des Vorteils von zwei Seiten her besteht.17 Bei diesem Unheil bewältige er zuerst den Nachteil. Ist dieser überwunden, dann die Unsicherheit (die Gefahr) für den Vorteil.

Damit ist auch das Nötige gesagt über den Nachteil und die Unsicherheit (die Gefahr) für den Vorteil von allen Seiten her.18

Von dieser Seite Vorteil, von der anderen Unsicherheit, ob nicht Nachteil, das heißt Unheil, das in Vorteil und in Unsicherheit, ob nicht Nachteil, von zwei Seiten her besteht.19

Damit ist auch das Nötige gesagt über den Fall, wo auf allen Seiten Vorteile und (zugleich) die Unsicherheit, ob nicht Nachteile erwachsen, zu finden sind.

Bei solchem Unheil bemüht er sich, zuerst immer den (in der Aufzählung) vorhergehenden unter den (sieben) Reichsfaktoren von der Unsicherheit, ob ihn nicht Nachteil treffe, zu befreien.A6 Denn besser ist es, der Bundesgenosse stehe in Gefahr des Nachteils, als das Heer, oder besser das Heer als der Schatz usw. Ist es nicht möglich, das Ganze (eines Reichsfaktors) zu befreien oder zu retten, dann bemühe er sich, Teile der Reichsfaktoren zu befreien oder zu retten, und zwar in diesem Fall unter den in Menschen bestehenden [557] Reichsfaktoren alles, was zahlreich und königstreu ist, nicht aber was herabgekommen20 und habgierig ist, und unter den in Sachen bestehenden Reichsfaktoren das Wertvolle und das sehr Nützliche. Durch Friedensschluß, Zuwarten im Lager und Doppelspiel die unwichtigeren, durch das Gegenteil die wichtigeren.21

Was Abnahme, Stillstand und Zunahme betrifft, so suche er immer das (in dieser Reihe dem anderen) Nachfolgende zu erringen. Oder auch in umgekehrter Reihenfolge, wenn er sieht, daß aus Abnahme oder aus Stillstand in der Zukunft ein Vorzug (Vorteil) erwächst.A7

Dies die Festsetzung im Hinblick auf den Ort.

Daraus ergibt sich auch das Nötige über den Eintritt von Vorteil, Nachteil und Unsicherheit am Anfang, in der Mitte und am Ende eines Kriegszugs.22 Und wegen der unmittelbaren Verbindung von Vorteil, Nachteil und Unsicherheit (bei einem Kriegszug) ist es besser, einen Vorteil am Anfang eines Kriegszuges zu erringen. Und er ist (als Gegengewicht, Hilfe usw. gut) bei einem Angreifer im Rücken, seinem Helfer, einem Rückschlag, bei Verlusten, Auslagen und Aufenthalt in fremdem Land, bei Wiederherausgabe eines Gewinnes und Beschützung des Stammlandes. Ebenso wird für den, der sich auf einem für ihn günstigen Gelände befindet, ein Nachteil oder eine Unsicherheit erträglich.23

Damit ist auch das Nötige gesagt über den Eintritt von Vorteilen, Nachteilen oder Unsicherheit in der Mitte eines Feldzugs.

Am Ende eines Angriffsfeldzugs aber ist es besser, eines Vorteils teilhaftig zu werden, nachdem man einen zu schwächenden Feind geschwächt [558] oder einen zu vernichtenden vernichtet hat, nicht aber da eines Nachteils oder einer Unsicherheit, wegen der Gefahr einer Bedrängung durch den (dadurch erstarkten) Gegner.24

Unter Verbündeten ist es für einen, der nicht Führer (der Koalition) ist, besser, in einen Nachteil oder in zweifelhafte Lage in der Mitte oder am Ende eines Kriegszugs zu geraten, weil dann keine dringende Notwendigkeit (weiter mit) zu ziehen da ist.25

Irdischer Vorteil (artha), sittlich Gutes (dharma) und Lust (kāma), das ist die Dreiergruppe von Vorteilen.

Bei ihr ist das jeweils (in der Aufzählung) vorangehende zu erlangen besser als das jeweils folgende.26

Irdischer Nachteil, sittlich Schlechtes und Schmerz, das ist die Dreiergruppe des Nachteils. Bei ihr ist es besser, das jeweils (in dieser Reihe) voranstehende abzustellen.27

[559] »Ist es (wirklich) ein Vorteil oder ein Nachteil?« »Ist es gut in sittlicher und religiöser Hinsicht oder schlecht?« »Ist es Lust oder Schmerz?« So heißt hier die Dreiergruppe der Unsicherheit. Bei ihr ist es am besten, immer die zweite Alternative zu beseitigen und dann28 die erste Alternative zu erlangen.

Dies die Festsetzung im Hinblick auf die Zeit.

Das wären also die Unheilsfälle (āpadaḥ).

Nun die Mittel, sie zu beseitigen. Wo es sich um Sohn, Bruder oder Verwandte (die die »Unheilsfälle« oder Anzettelungen gegen den Fürsten herbeigeführt haben) handelt, da geschieht die angemessene Beseitigung (der Gefahr, die dem Herrscher von ihnen droht) durch Freundlichkeit und Geschenke; wo es sich um Führer unter den Stadtbewohnern, den Landleuten oder den Truppen handelt,29 durch Geschenke und Zwietrachtsäen; wo es sich um Vasallen und Waldhäuptlinge handelt, durch Zwietrachtsäen und Gewaltmittel. Das ist die natürliche (Beseitigung oder Erledigung). Im entgegengesetzten Falle redet man von widernatürlicher.

Wo es sich um Bundesgenossen und um Feinde handelt, da gilt eine gemischte Erledigungsweise; denn die Mittel verhelfen einander gegenseitig zu Erfolg. Freundlichkeit gegen argwöhnische hohe Würdenträger30 des Feindes macht die Anwendung der übrigen Mittel überflüssig; ebenso Beschenkung bei verräterischen hohen Würdenträgern (des Feindes); Entzweiung bei Koalitionen (gegen den Eroberer) und Gewaltanwendung gegen Mächtige.

Je nach Maßgabe der größeren Wichtigkeit oder der geringeren Bedeutung der Unheilsfälle kommen »das einzig Mögliche« oder ein »Entwederoder« oder die »Häufung« (als Mittel) in Frage. »Nur durch dies Mittel und durch kein anderes«, das ist das einzig Mögliche. »Entweder durch dieses Mittel oder durch das andere«, das ist das Entwederoder. »Durch dies und durch anderes«, das ist die Häufung.

Bei diesen gibt es vier Eineranwendungen und vier Dreieranwendungen, sechs Zweieranwendungen und eine Viereranwendung. Das macht 15 (natürliche) Mittelanwendungen.31 Ebensoviel sind die widernatürlichen.

[560] Bei diesen ist die Bewältigung durch ein Mittel eine Einerbewältigung, durch zwei eine Zweierbewältigung, durch drei eine Dreierbewältigung, durch vier eine Viererbewältigung.32

Wenn die Erlangung eines irdischen Vorteils, weil dieser irdische Vorteil im sittlich Guten seine Wurzel hat und in sinnlicher Lust seine Frucht, überirdischen Gewinn (dharma), irdischen Vorteil und sinnliche Lust im Gefolge hat, dann ist das eine Erlangung aller Vorteile.33

Das sind die Arten der Beseitigung des Unheils und der Gewinnung von Erfolg.

Die Unheilsfälle, die vom Schicksal herkommen, sind: Feuer, Wasser, Krankheit, Pest, Panik,34 Hungersnot und von Teufeln Hervorgebrachtes.

[561] Die Abhilfe von ihnen kommt durch demütiges Niederfallen vor den Gottheiten und den Brahmanen.

Was Unding oder Widerding oder Teufelsding ist, dafür bestehen die Abhilfen in Zauberhandlungen, wie sie der Atharvaveda enthält, und in den Betätigungen der mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten vollkommenen Heiligen.35

Fußnoten

1 Kopayati (»empört«) bringt in Aufruhr, auch wie die Säfte des Körpers in Aufruhr gebracht werden, also: versetzt in ungesunden, verderbenbringenden Zustand. Vgl. vikāra (»Abfall«), das zunächst und hier nebenbei eine »krankhafte oder schädliche Veränderung«, eine »Verstimmung« bedeutet. Möglich wäre so auch die folgende Übertragung: »Der aus dem Begehrenstrieb entspringende Überschwall (d.h. die Leidenschaft für Wein, Weib, Würfel und Waidwerk) versetzt die eigenen Reichsfaktoren in Aufruhr. Schlechte Politik die im Ausland. Beides ist ein teuflisches Wesen. Verstimmung (Abfall) der eigenen Leute erzeugt der Zorn (mit seinen drei Äußerungen: Härte im Reden und im Strafen und Entziehung irdischen Gutes)«.


2 Nach der Var. in Sham.'s 2. Textausgabe, die viel für sich zu haben scheint: »wenn nicht erlangt« (aprāptaḥ). Übrigens hat Kauṭ. avāpta öfters z.B. 28, 19; 377, 20; 403, 17; 405, 14).


3 Wie das Folgende zeigt, ist artho na veti ausgefallen.


4 Man weiß ja nicht, was es alles für Folgen haben mag. Möglich scheint auch: »Ist es ein Vorteil, einen Feind aufzustacheln gegen einen Bundesgenossen« (einen Freund, der dem Eroberer »fürchterlich zu werden anfängt«, oder den er aus einem anderen Grunde in den Staub getreten sehen möchte)? Ob der Akkus, »gegen einen« aber bei utsāhayati vorkommt, weiß ich nicht. Dem Sinne nach wäre das die beste Deutung. Weiterab stünde: »einen Bundesgenossen gegen einen Feind aufzustacheln«. Hier könnte ja der Feind siegen. Oder der Freund und dann zu übermütig werden. Oder man lese: çatrumitram »den Freund eines Feindes aufzustacheln«.


5 Der klare Nachteil besteht darin, daß der Betreffende ja Geld und Gut dranwenden muß. Der Vorteil mag sein, daß die also Erworbenen ihm nützen. Aber Verlaß ist auf solche Truppen durchaus nicht.


6 D. h. die Sechsergruppe, die bei dem Begriff Nachteil in Betracht kommt. Die sofort auftauchende Änderung in arthānarthavargaḥ »die Sechsergruppe von Vorteil und Nachteil« entspräche eigentlich nicht dem Geiste dieses absonderlich tiefsinnigen Kapitels. Hier gilt: »Des Lebens ungetrübte Freude ward keinem Irdischen zuteil«. Hat der Liebhaber seine Himmlische heimgeführt, dann – hat er sie. Bei jedem Vorteil ist die Möglichkeit irgendeines Nachteils da; auch alle Vorteile gehören zur »Gruppe der Nachteile«.A8


7 Oder: »zu einem Unheil, das in allseitigem, (aber) zweifelhaft gewordenem Vorteil besteht«. Im vorhergehenden Satz muß man arthāpad bhavati lesen.


8 Oder vielleicht eher: »durch die Erwerbung von Freunden (mitra) und von Helfern im Rücken (ākranda)«. Oder: »von der Unterstützung durch ...« Der Sinn wird dieser sein: Im ersten Fall (beim Vorteilsunheil) helfen Freunde, im zweiten (d.h. bei dem Unheil, das in allseitigem, aber zweifelhaft gewordenem Vorteil besteht, was ja durch einen Angriff im Rücken zustande kommt) der Helfer im Rücken. Nun klingt es freilich seltsam, von Vorteilsunheil zu reden, und āpad wäre wörtlich etwa »das Zufallen«. Also: »Zufallen von allseitigem Vorteil« usw. durch die ganze Reihe durch? Nein. Denn āpad heißt halt Unheil. Sodann sagt Kauṭ. selber: »In diesen zwei Fällen kommt der Erfolg oder: die Bewältigung, die Wegräumung des Übels (siddhi), von« usw. Schon unsere Jugend erfährt aus dem Ring des Polykrates, wie unheimlich eine Überhäufung mit Glück eigentlich sei, und das Leben hat uns Gereifteren dann diese Wahrheit noch ganz anders nahe gerückt. Vor allem gilt sie im Leben der Völker und der Fürsten. Jede Seite der Geschichte lehrt, welch ein Unheil der allseitige Vorteil ist. Nur die »Staatsmänner« lernen natürlich nie das geringste. Freunde dämpfen den Vorteil wohl so, daß man ihnen einen Teil der Beute geben muß. Ist das zugleich ein Versöhnungsopfer an die bösen Gewalten?


9 Lies mitravigṛihīta im Einklang mit 356, 10; 357, 9.


10 Wohl weniger wahrscheinlich: sich den Vorteil zu holen, der usw.


11 Also Mittel, die geringer sind, als in diesem Fall eigentlich nötig wären. Wenn man aber nur Zeit hat, läßt sich die Sache oft auch mit geringeren Mitteln machen. Weniger wahrscheinlich: »was einem nicht entwischt, und was mit geringen Mitteln zustande kommt«. Denn ūna bedeutet auch nicht gering, sondern geringer. Es ist allem Anschein nach hier also die Rede von dem »unglücklichen Zufall« (āpad), daß zu gleicher Zeit mehrere Vorteile locken, man aber nur einem seine Aufmerksamkeit und Kraft zuwenden kann. Welchen da wählen? – Der Text wird kaum ganz vollständig sein.


12 Oder: »diese Sache anzugreifen«.


13 Mūla, das ich oft mit Operationsbasis übersetze. Vielleicht ist dabei immer an des Fürsten Stammland gedacht. Vgl. etwa 284, 16; 285, 3.; 300, 1; 340, 19ff.; 346, 18, wo überall das Stammland gemeint zu sein scheint.


14 Vgl. Charpentier WZKM. 28, p. 239.


15 Ich lese kārayet statt vārayet.


16 D. h. über den Fall, wo von allen Seiten her sowohl Vorteile winken als auch Nachteile drohen.


17 Wie das folgende tasyām und etayā beweisen, ist anarthārthasaṃçayāpat oder doch – saṃçayā (scil, āpad) zu lesen. Demgemäß dann in der zehnten Zeile -saṃçayā vyākhātā und ebenso in Zeile 12, wo ja wieder tasyām ein vorhergehendes Fem. fordert. Statt des Sing. saṃçayo müßte ja auch der Dual stehen, wenn diese zwei: anartha und anarthasaṃçaya gemeint wären, wie ich der bequemeren Übersetzung zuliebe im folgenden angenommen habe. Die Verwandlung in den Plur., die Jolly nach B in Zeile 10 vornimmt, ist ganz ungehörig; der Sinn schließt den Plur. sowieso aus. -saṃçayā vyākhyātāḥ in Zeile 12 ist vielmehr ein Fehler.


18 Genauer also: »über das Unheil, das in Nachteil und in Unsicherheit für den Vorteil von allen Seiten her besteht«.


19 D. h. auf der einen Seite winkt ein Vorteil, auf der anderen steht der drohende Zweifel, ob nicht von dort Nachteil kommen oder die Sache zum Nachteil ausschlage. Man muß also lesen: ubhayato 'rthānarthasaṃçayāpad bhavati oder doch mindestens -saṃçayā (scil, āpad) bhavati, wie etayā aufs Neue erhärtet. Hinter unserem Satz (Zeile 11) ist allem Anschein nach etwas ausgefallen. In der Lücke wird gestanden haben, daß auch hier zuerst der tatsächliche Nachteil beseitigt und dann die Sache, die Nachteile zu bringen droht, erledigt werden solle.


20 Lies kshīṇa – statt tīkshṇa.


21 D. h. soll er retten oder befreien von der Gefahr des Schadens. Wo es also Wichtiges zu bewahren gilt, da soll der Fürst zu den letzten, den gefährlichsten Mitteln greifen, zu Krieg, Marsch in die Schlacht und Zufluchtsuchen bei einem Mächtigeren. Vgl. auch die Schlußstrophen von Buch 8, Kap. 1.


22 Lies yātrādimadhyānteshv.


23 Dem Sinne nach letzten Endes gleich, aber grammatisch und logisch weit glatter als die Lesart des Textes ist die von B, die ich um so lieber aufnahm, als ich schon vorher avishahyo in vishahyo verändert hatte. Auch der Vorteil schon, am Anfang eines Feldzugs ein für das eigene Heer günstiges Gelände zu erlangen, ist von größtem Werte. Schicksalsschläge lassen sich dann ertragen und überwinden. Statt: »Und wegen der unmittelbaren Verbindung« (d.h. des nahen Zusammenhangs) usw. sollte es vielleicht doch nur heißen: »Von den dreien: Vorteil, Nachteil und Unsicherheit ist wegen der lückenlosen, d.h. unmittelbaren (sofortigen und ununterbrochenen) Nutzbarkeit ein Vorteil am Anfang eines Feldzugs das Beste«. Er hat also auf den ganzen Feldzug eine segensreiche Einwirkung, die sogleich einsetzt und ununterbrochen fortdauert (beides, besonders freilich das zweite, bedeutet ja nirantara, vgl. Kām. X, 40). Siehe da auch anantara 342, 19 (»zur Hand seiend, unmittelbar zur Verfügung stehend«). Statt: »bei einem Angreifer im Rücken, seinem Helfer, einem Rückschlag« vielleicht eher: »bei einem Schlag (Hemmnis) durch einen Angreifer im Rücken und (oder) durch seinen Helfer«, oder: »beim Zurückschlagen (Abwehren) eines Angreifers« usw.A9


24 Oder: »durch andere« (d.h. die Bundesgenossen, die jetzt den Beuteanteil verkürzen)?


25 Wenn da ein kleiner Junge erklärt: »So, jetzt spiele ich nicht mehr mit«, dann geht das. Er kann sich in eine Ecke setzen, sich die blutige Nase wischen, zum Trost ein Butterbrot essen und zuschauen, wie sich die anderen weiter verhauen. Wenn da aber ein Leithammel aufgeben will, dann hat das ernstere Folgen. Vgl. 349, 1. Im Einklang mit jener Stelle ist wohl auch hier anirbandhagāmitvāt zu lesen, obwohl auch nibandha denselben Sinn haben könnte. Warum aber wird da nicht der Anfang des Feldzugs, ja dieser vor allem, genannt? Sodann hätte Kauṭ. puroga nur hier in diesem allerdings möglichen Sinn. Man könnte nun auch so übersetzen: »Unter Alliierten ist für einen, der nicht des ›vorangehenden Gewinns‹ teilhaft wird, am besten ein in die Mitte oder in das Ende eines Feldzugs fallender Nachteil oder Zweifel«. D. h. am vorteilhaftesten ist es, wenn einer gleich am Anfang einen tüchtigen Happen erschnappt und nun damit auf und davongeht. Siehe 349, 1. Ist ihm das Glück nicht so günstig, dann sollen Nachteil oder Unsicherheit lieber später als gleich im Anfang kommen. Weshalb die Genossen nun solch einen Schlauberger am Anfang des gemeinsamen Unternehmens wohl mit seinem Raub, nicht aber mit seiner Schlappe aus dem Spiel entlassen sollten, begreift man nicht. Die Nötigung wird also eine innere sein: Erwischt einer gleich am Anfang einen tüchtigen Vorteil, dann zwingt seine Natur ihn nicht zum Weitermachen, ausgenommen er ist ein Dummkopf. Geht es ihm aber am Anfang nicht nach Wunsch, dann tröstet sich da jeder mit der Hoffnung, während er nach längerem Gezause eher geneigt ist, die ganze Geschichte über Bord zu werfen. Weniger empfiehlt sich: »Unter Verbündeten ist für einen, der nicht Führer ist, besser ein Nachteil oder eine Unsicherheit in der Mitte oder am Ende eines Kriegszuges, weil dann (ein Gewinn) ohne halsstarriges Widerstreben erlangt werden kann«. Weil da nämlich der Hauptfürst bescheiden geworden ist und besorgt, seine Genossen zu verlieren.


26 Also irdischer Vorteil ist das allerbeste, dann kommt Gewinn für jene Welt oder das in religiöser oder sittlicher Hinsicht Vorzügliche und erst an dritter Stelle die Liebe, die Lust, das Vergnügen.


27 Schaden am irdischen Vorteil d.h. an Geld und Gut, Stellung usw., ist am schlimmsten und muß zuerst gehoben werden. Schon weniger bedeutet Einbuße an dem, was nach dem Tode nützt, und am allerwenigsten Schmerz. Natürlich haben die Inder oft ganz andere Ansichten ausgesprochen. Vgl. z.B. Weib im altind. Epos 247.


28 Oder: »und so«, »und damit«. Das Schwinden des Schmerzes ist Lust, die Tilgung der Sünde ein religiöses und sittliches Verdienst, die Beseitigung weltlichen Schadens ein Gewinn. Aber vor allem meint doch Kauṭ., wie besonders aus der folgenden Zeile hervorgeht: Zuerst entferne das nicht Erwünschte, dann mache dich daran, das Erwünschte herbeizuführen.


29 Nach Kām. XVIII, 51: »um Stadtbürger, Landleute und Offiziere im Heer.«


30 Amātya Minister? Wohl eher: Unterkönige.


31 Das scheint zu heißen: Was diese Mittel anlangt, so gibt es vier Fälle, wo nur ein Mittel angewendet werden soll, und ebenso viele, wo drei Mittel in Frage kommen, sechs Fälle, wo zwei, und einen Fall, wo alle vier am Platze sind. Dann wären ekayoga und die anderen Komp. mit yoga Possessiva: »drei gibt es, bei denen die Anwendung eines Mittels in Betracht kommt« usw. Kauṭ. selber gäbe uns da in Zeile 6–7 die »vierfältige Eineranwendung«, nämlich: 1. beim argwöhnischen amātya des Feindes nur Freundlichkeit, 2. beim verräterischen amātya nur Bestechung, 3. bei Koalitionen nur Entzweiung, 4. bei Mächtigeren nur Gewalt. Über alle anderen erführen wir aus ihm nichts. Denn in Zeile 1 – 3 werden ja acht statt sechs Fälle aufgeführt, wo jedesmal zwei Mittel gebraucht werden sollen. Man könnte die nötigen sechs freilich so herausbekommen: 1. Sohn, 2. Bruder, 3. anderer Verwandter, 4. Rädelsführer unter den regelrechten Untertanen und zwar a) unter den Stadtleuten, b) unter der Landbevölkerung, c) unter den Soldaten, 5. Vasall, 6. Waldhäuptling. Das hätte manches für sich. Eine Aufzählung aller Anwendungsfälle finden wir bei Çaṅk. zu Kām. XVIII, 47, 52. Aber ich zweifle, ob sie für Kauṭ. richtig sind. Ja nicht einmal für den von Çaṅk. kommentierten Autor, für Kām., scheint sein Begriffsgebäude, ein wahrer Triumph indischer Haarspalterei, zu passen. Denn nach XVIII, 51–52 wären die sechs dviyoga doch eher: paura, jānapada, daṇḍamukhya, avaruddha, tatkulīna, sāmanta. Ja mit den drei in 48 genannten: putra, bhrātar, bandhu bekämen wir sogar neun Fälle, wo zwei Mittel in den Dienst gestellt werden sollen, während Kauṭ. da acht, bzw. sechs herzählt. Sodann gibt Kām. XVIII 45f. eine Liste von über einem Dutzend Herrschern, die das eine Mittel des sāman erfordern. Endlich hat uns Kauṭ. selber soeben gesagt: Gegen mitra und amitra gut die gemischte Erledigung. Da hätten wir also zwei, bei denen alle vier Mittel nützen, je nachdem. So bleibt mir die Stelle dunkel. – Statt iti pañcadaçopāyāḥ bietet Çaṅk. (Kām. XVIII, 51): iti pañcadaçayogāḥ. Wahrscheinlich sollte man pañcadaço-pāyayogāḥ setzen.A10


32 D. h. wenn ein Fall durch die Anwendung nur eines Mittels erledigt wird, so redet man von Erledigung durch ein Mittel; wenn durch die Anwendung von zwei Mitteln, dann nennt man es eine Erledigung durch zwei Mittel usw.


33 Lies -ānubandhā yārthasya.A11


34 Vidrava. Der Verfasser der Tantrākhyāyikā hat dies Wort offenbar wie unser »Abweichen«, d.h. als Cholera verstanden (ed. Hertel p. 22 1. 5f.). Aber 1. vishūcikā, 2. maraka und 3. vyādhi, das heißt doch den Krankheiten allzuviel Raum zuweisen. Sodann ist maraka wahrscheinlich = vishūcikā. Ferner wüßte ich nicht, daß vidrava in dieser Bedeutung wirklich vorkäme. Dagegen ist sein natürlicher und gewöhnlicher Sinn: »Davonlaufen, Flucht«. Und nichts könnte besser passen. Denn gerade die sinnlose massenhafte Flucht der Leute, die Panik, ist eine oft beobachtete, geradezu epidemische Erscheinung in Zeiten »göttlicher Heimsuchung«. Ich verweise nur auf das hochinteressante Schriftchen Hans von Hentig, Über den Zusammenhang von kosmischen, biologischen und sozialen Krisen, Tübingen 1920, S. 29–46. Hier nur eine Stelle daraus: »Bei allen großen Seuchen des Mittelalters versteckten sich die Bewohner in den Wäldern. Es genügt, daß ein Mädchen beim Heimweg ins Dorf zwei Männer trifft, die nicht aus der Gegend sind. Darauf hin flüchten ganze Dörfer bei Nacht in die Wälder«. Er erwähnt auch, daß Livius III, 5 und IV, 21 von terrores spricht, die den Seuchen von 490 v. Chr. und der Epidemie von 426–28 im alten Rom vorausgingen.


35 Vṛishṭi statt sṛishṭi in unserer Strophe und zwei Zeilen vorher halte ich für ein Schlimmbesserung, obgleich sie schon in der Tantrākhy. steht. Avṛishṭi deckt sich ja mit durbhikshā; diese beiden Begriffe sind für Indien ein und dasselbe. Ativṛishṭi sodann ist gleichbedeutend mit udaka Wassersnot, wie jeder Kenner Indiens weiß. Allzureichlicher Regen kann zwar ebenfalls den Feldfrüchten sehr schaden. Aber in Indien ist eine Überfülle da nicht so bös wie kein Regen; das hat uns ja Kauṭ. selber gesagt. Vgl. 324, 19f. Was soll nun vollends āsurī vṛishṭi »teuflischer Regen?« Das könnte doch nur überheftiger Regenguß, Unwetter sein, also = ativṛishṭi. Solch ein Ragout von Tautologie und Schwachsinn stellt uns doch Kauṭ. sonst nirgends vor die Nase. Alles wird vernünftig, sowie wir sṛishṭi ruhig stehen lassen und vā = sive fassen. Asṛishṭi, atisṛishṭi und āsurī sṛishṭi sind also Synonymas. Das wird auch daraus klar, daß die Schlußstrophe, die auch hier das vorhergehende zusammenfassend wiederholt, offenbar zu der schon genannten āsurī sṛishṭi nur eine Ausdeutung, nicht aber etwas Neues hinzufügt. Asṛishṭi heißt »Unschöpfung, schlechte Hervorbringung, schlimme Erscheinung« (vgl. z.B. adeça, abhūmi, akāla), atisṛishṭi eine über das Natürliche, Zulässige hinausgehende Hervorbringung, also Widernatur, Übernatur. Vgl. auch ativyādhi böse Krankheit 277, 17. Alle drei bezeichnen mithin einen Dämonenspuk im weitesten Sinne des Worts und entsprechen den rakshāṃsi im 3. Kap. des 3. Buchs. Ebenso wie hier werden ja auch dort (S. 208) Zauber und die Bemühungen vollendet heiliger Büßer (siddha) als Abhilfe genannt.A12


A1 Nach Gaṇ.'s jedenfalls richtigem Text muß hinter »Zweifelhaftes« hinzugefügt werden: »Ist es ein Vor teil-Nachteil (d.h. ein wie ein Vorteil aussehender Nachteil), ein bestimmtes Land, das mächtige Grenznachbarn hat, sich anzueignen? Das ist etwas Zweifelhaftes. Ist es ein Nachteil-Vorteil, mit einem bestimmten Mächtigeren (als man selber) im Bunde zu Felde zu ziehen? Das ist etwas Zweifelhaftes.« Machiavelli schreibt: »Hier aber sei jeder Fürst gewarnt, sich mit einem mächtigeren, als er selbst ist, zum Angriff auf andere zu verbinden, den Fall der Not ausgenommen ... Denn siegt dieser, so wird man von ihm abhängig, und davor können sich Fürsten nicht sorgfältig genug hüten« (S. 100). Das könnte Wort für Wort aus dem Indischen übersetzt sein. Aber unter gewissen Verhältnissen mag dieser wie ein Nachteil aussehende Vorteil trotzdem wirklich ein Vorteil sein.


A2 Nach Gaṇ. ist antar = antardhi, also: »den Eingeklemmten des Feindes« (d.h. den Bufferstaat zwischen jenem und wohl einem selber) vernichten ist ein Vorteil, der Nachteil im Gefolge hat. Auch das folgende sūtra vom »Anwohner« (prativeça) begünstigt diese Auffassung. Ob aber antar diese Bedeutung hat? Vielleicht wäre es besser antardhyucchedanam zu lesen.


A3 Gaṇ. sagt, der Nachteil ist, 1. daß er ja zuerst Geld, Mannen oder Kriegstiere dranwenden muß, 2. daß der Schwache so allein ja den Gegner nicht unterkriegen kann. Nr. 2 hängt da aber sehr von den Umständen ab. »Keine Folge« bezieht sich natürlich darauf, daß der Schwache sich nicht zu rächen vermag.


A4 Nītiv. 120, 4–6 lehrt: »Er fördere den Vorteil der keine Folge oder Vorteil zur Folge hat.«


A5 Gaṇ. hat den Text; Tulye lābhaguṇe pradhānam, āsannam, anatipātinam, ūno vā yena, bhavet, tam (bei Gaṇ. steht das Komma fälschlicherweise nach, tam) ādātuṃ yāyāt. Dagegen ist zunächst einzuwenden: Wenn einem der Gewinn ja doch nicht entwischt warum dann sich jetzt schon mit der Sache befassen? Die Erklärung Gaṇ.'s hilft nichts. Also wird man die von Gaṇ. mitgeteilte var. lect. atipātinam einsetzen müssen. Ūno yena bhavati sodann soll bedeuten: yasminn anupātie hīnatvam ātmanaḥ syāt. Welch wunderliche Unlogik: »mit welchem (d.h. ohne welches) er geringer würde«. Daher muß man entweder den Ausfall eines vinā vor yena annehmen oder, was geratener sein dürfte, anūno vā yena einsetzen: »Wo die Vorzüglichkeit des Gewinnes gleich ist, da soll er ausziehen, den hervorstechenden (also wohl: den glänzenden, Prestige verleihenden), den in der Nähe liegenden, den keinen Aufschub duldenden Gewinn oder den, durch welchen er davor bewahrt wird, geringer zu werden, sich zu holen.«


A6 Die Reihenfolge ist: Herrscher, Reichskanzler (amātya), Bauernland, feste Stadt, Schatz, Heer, Bundesgenosse (mitra).


A7 Bei wörtlicher Wiedergabe müßte hinter »Stillstand« noch stehen: »oder aus Zunahme«. Sonst wäre ja kshayādyor nötig.


A8 Gaṇ. hat den besseren Text ityanubandhashaḍvargaḥ »das ist die Sechsergruppe in bezug auf die Folge«.


A9 Gaṇ. liest – pratighāte kshaya –. Dann übersetze ich: »Er ist gut bei der Abwehr eines Angreifers im Rücken und seines Helfers und bei Verlusten, Auslagen« usw. wie oben.


A10 Gaṇ.'s Erklärung ist einfacher und wird richtig sein: Danach sind die vier Eineranwendungen die folgenden vier Fälle: es wird angewendet 1. nur Schmeichelei, 2. nur Bestechung, 3. nur Entzweiung, 4. nur Gewalt. Die vier Dreieranwendungen diese Fälle: es wird gebraucht 1. Schmeichelei, Bestechung und, Entzweiung, 2. Schmeichelei, Bestechung und Gewalt, 3. Schmeichelei, Entzweiung, Gewalt, 4. Bestechung, Entzweiung, Gewalt. Die sechs Zweierfälle sind: es werden ins Feld geführt 1. schöne Worte und Bestechung, 2. schöne Worte und Entzweiung, 3. schöne Worte und Gewalt, 4. Bestechung und Entzweiung, 5. Bestechung und Gewalt, 6. Entzweiung und Gewalt. Die eine Viereranwendung ist natürlich der Fall, wo alle die vier Mittel zusammen benutzt werden. Es beschämt mich tief, daß ich nicht selbst auf diese Lösung verfallen bin. Zugleich aber ergibt sich eine Warnung: Man soll immer alles Mögliche versuchen, eine Stelle aus dem Kontext oder doch aus dem Autor selber zu erklären und Hilfe von außen her nur in schlimmem Notfall zulassen. Ich habe mich durch Kām. und Çaṅk. auf falsche Fährte leiten lassen. Dabei geben die vorhergehenden Worte des Kauṭ. einen deutlichen Fingerzeig auf das Richtige und hatte ich im folgenden Satz die Sache ganz richtig verstanden? O du faules Gehirn!


A11 Häufig erklären die Nītischriftsteller ohne irgend weiche Klausel: »Die Frucht der politisch klugen Handlungsweise ist die Erlangung des überirdischen Gewinns, des weltlichen Vorteils und der sinnlichen Lust« (Bṛ.-Nīti II, 43). Das stimmt ganz mit Kauṭ.'s Lehren, und soeben haben wir ja aus seinem Mund gehört: »Der irdische Gewinn ist wichtiger als der Gewinn für jene Welt und als die sinnliche Lust«. So schiene Gaṇ.'s Erläuterung den Nagel auf den Kopf zu treffen: dharmaṃ prati hetutvāt, kāmaphalatvāti und die Glosse zu kāmaphalatvāc cārthasya, die da lautet: cakārād arthasādhakatvāc ca. Danach hieße es: »Weil der irdische Vorteil die Wurzel des religiös-sittlichen Verdienstes bildet, und weil er seine Frucht in irdischer Lust hat, so ist die Erlangung irdischen Vorteils, welche ja religiös-sittliches Verdienst, irdischen Vorteil und irdische Lust nach sich zieht, eine Erlangung aller Vorteile.« Aber 1. wird der Inhalt des Satzes so recht tautologisch, 2. braucht Kauṭ. ca nicht in dieser aus ind. Komm, wohlbekannten Weise, 3. kann dharmamūlatva wohl bedeuten: das Wurzel Sein für den dharma; da aber kāmaphalatva heißen muß: das seine Frucht im kāma Haben, so muß dharmamūlatva doch gewiß den Sinn enthalten: das seine Wurzel im dharma Haben.


A12 Jetzt aber finde ich, daß Nītiv. 44, 4ff. ebenfalls avṛishṭir vā gelesen haben muß. Mit den nötigen Verbesserungen lautet diese Stelle: Amānusho 'gnir avarsham, ativarsham, mārako, durbhikshaṃ, sasyopaghātajantūtsargah, vyādhibhūtapaiçācaçākinī-sarpavyālamūshakshobhaç (Beunruhigung) cety āpadaḥ. Diese alle muß bei ihm der königliche Hauspriester wegzaubern. Vgl. z.B. auch MBh. XII, 90, 36f. Daher wird aller Wahrscheinlichkeit nach Gaṇ. Recht haben, wenn er in der Prosa āsurī sṛishṭiḥ und in der Strophe Avṛishṭir ativṛishṭir vā sṛishṭir vā yāsurī bhavet darbietet, und zwar verdient dieser Text vor allem deshalb den Vorzug, weil so die Verse eine vollere Zusammenfassung bilden. Also setze man ein: »Regenlosigkeit, übermäßig viel Regen und alles was Erzeugnis böser Dämonen ist – dafür bestehen die Abhilfen« usw. Das »Dämonenwerk« besteht nach Mādhava im Erscheinen allzuvieler Mäuse u. dgl. mehr. Das Nītiv. denkt vor allem an die Insekten, und seine »Loslassung von erntezerstörenden Tieren« deutet wohl an, daß der Verf. Kauṭ.'s āsurī sṛishṭiḥ als Loslassung oder Sendung durch böse Geister verstand. Der Teufel als Gebieter und Aussender alles Ungeziefers ist ja eine vielen Völkern und auch uns geläufige Vorstellung.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 553-562.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon