Zweites Kapitel (97. Gegenstand).

Ruhe und Tätigkeit.

[401] Ruhe und Tätigkeit sind die Quelle der Wohlfahrt (der gedeihlichen Entwicklung, des Erwerbens und des ruhigen Besitzens, yogakshema).

Die durch Anspannung bewirkte Fruchtbarmachung der Werkunternehmungen ist Tätigkeit. Die friedliche Fruchtbarmachung des Genusses der Früchte der Arbeit ist Ruhe.

Die Quelle von Ruhe und Tätigkeit sind die sechs Verfahrensarten der Politik (shāḍguṇya).

Deren Folgen sind: Schwund, Stillstand und Fortschritt.

Das Menschliche dabei sind kluge Politik und unkluge Politik, das Göttliche Glück und Unglück.

Denn göttliches und menschliches Wirken halten die Welt in Gang.

Das von unsichtbarer Macht Bewirkte ist das Göttliche. Dabei bedeutet die Erreichung des erstrebten Erfolgs Glück.1

Das von sichtbarer Macht bewirkte ist das Menschliche. Dabei bedeutet das Zustandekommen von Wohlfahrt (Neugewinn und ruhigem Fortbesitz) kluge Politik, das Mißlingen unkluge Politik.2

Mit diesem (dem Menschlichen) hat es unser Denken und Sorgen zu tun, mit dem Göttlichen hat es nichts zu tun.

[401] Der König, der durch seine eigene Persönlichkeit und durch seine in Material bestehenden Reichsfaktoren hervorragt, der Grund, auf dem die kluge Politik ruht, heißt der Eroberer.3 Der Faktor Feind ist, was nach allen Seiten im Kreis um ihn herliegt4 und soweit es den unmittelbaren Nachbarländern angehört. Gleicherweise ist, was durch ein dazwischenliegendes Land getrennt wird, der Reichsfaktor Freund.

Der mit der Vollzahl der Eigenschaften eines Widersachers ausgestattete Grenznachbar ist der Feind (oder: Hasser, çatru). Ist er in Schlimmes hineingeraten5, dann ist er ein »Anzugreifender« (yātavya). Ist er ohne Stütze oder schwach gestützt,6 dann ein »Auszutilgender« (ucchedanīya).

Im gegenteiligen Fall,7 ein zu »Pisackender« (pīdanīya) oder zu Schwächender (karçanīya). Das sind die Besonderheiten des Feindes.8

Von ihm aus gerechnet fügen sich vorne (vor dem Eroberer) an: der Freund, des Feindes Freund, des Freundes Freund und der Freund von des Feindes Freund, (alles) in fortlaufender Folge der Länder.9

Hinten: der Fersenpacker (Feind im Rücken), der »Angerufene« (der Freund im Rücken, ākranda, der den Fersenpacker angreift), der Beistand des Fersenpackers und der Beistand des »Angerufenen« (des Freundes im Rücken).10

[402] Der Fürst im unmittelbar angrenzenden Reich ist der Feind von Natur. Der von der gleichen Familie ist der angeborne.11 Der, dem man in den Weg getreten ist, oder der, der einem selber in den Weg tritt, ist der erworbene.

Der durch ein Land getrennte Fürst ist der Freund von Natur. Der durch Mutter oder Vater (oder durch beide) verwandte oder verbundne ist der angeborne. Hat sich einer um Gewinnes oder des Lebens willen an einen angeschlossen, dann ist er ein erworbener.

An das Land des Feindes und des Eroberers angrenzend, fähig, den zweien zu nützen, seien sie nun miteinander zusammengeschlossen oder nicht zusammengeschlossen, und sie zu ducken, wenn sie einzeln stehen, ist der Mittelfürst (madhyama).

Stärker als die äußern Reichsfaktoren des Feindes, des Eroberers und des Mittelfürsten, fähig, dem Feind, dem Eroberer und dem Mittelfürsten zu nützen, seien sie nun zusammengeschlossen oder nicht zusammengeschlossen, und sie zu ducken, wenn sie allein stehen, ist der Abseitsstehende (udāsīna).12

Dies sind die Faktoren (der äußern Politik).13

Der Eroberer, sein Freund und des Freundes Freund sind seine (des Kreises) drei Grundfaktoren: diese (drei) sind, jeder einzeln, mit ihren fünf in Minister, Bauernland, Burg, Schatz und Heer bestehenden Reichsfaktoren verbunden: so gibt es den aus achtzehn14 Gliedern zusammengesetzten Kreis.

[403] Damit ist auch jeder einzelne der Kreise des Feindes, des Mittelfürsten (des Neutralen) und des Abseitsstehenden (des Unbeteiligten) dargelegt.15

So ergibt sich eine Gesamtheit von vier Kreisen; zwölf sind der in Königen bestehenden Faktoren, sechzig der in Material bestehenden Faktoren16 – in Summa zweiundsiebzig Faktoren.17

Diesen (Faktoren) kommt jedem für sich sowohl die Möglichkeit (das Mittel) als auch das wirkliche Zustandekommen des vollkommenen Zustandes (saṃpad) zu.

Möglichkeit (Macht) ist Kraft, das wirkliche Zustandekommen (das Gelingen, siddhi) ist Glück.

Möglichkeit oder Macht ist dreifach: die Geisteskraft (jñānabala) ist die Macht des weisen Rates; die Kraft des Schatzes und des Heeres ist die Herrschermacht; die Kraft heldenmütiger Tätigkeit (vikramabala) ist die Macht der Energie (utsāhaçakti).18

Demnach ist auch die glückliche Verwirklichung (siddhi) dreifach: die durch die Macht des Rates herbeiführbare ist die Verwirklichung durch den Rat (mantrasiddhi); die durch die Macht des Herrschers herbeiführbare ist die Verwirklichung durch den Herrscher (prabhusiddhi); die durch die Macht der Tatkraft herbeiführbare ist die Verwirklichung durch die Tatkraft (utsāhasiddhi).

Wer durch diese (drei Machtmittel und Verwirklichungen) sich emporhebt, der ist vorzüglich; wer an ihnen abgenommen hat, herabgekommen [404] oder gering; wer sich gleich bleibt in Macht, mittelmäßig.19 Darum möge der Fürst eifrig darauf aus sein, Macht und glückliche Verwirklichung sich selber zu eigen zu machen, oder, wenn er mittelmäßig ist, seinen in Material bestehenden Reichsfaktoren durch ununterbrochen fortlaufendes Streben und durch Lauterkeit.20 Oder er bemühe sich, den schlechten Subjekten (den Verrätern gegen ihn, dūshya) und den Feinden (das Ihre) zu entreißen.A1

Oder er mag sehen: »Kommt mein Feind in den Besitz der Macht, dann wird er durch beleidigende Reden, durch gewalttätige Strafen und durch Güterraub seine Untertanen schädigen. Oder kommt er in den Besitz des glücklichen Erfolges, dann wird er durch Jagd, Würfelspiel, Rauschtrank und Weiber in Unbesonnenheit verfallen. Und wenn er so seinen Untertanen verhaßt und geschwächt ist, oder wenn er unbesonnen wird, dann werde ich ihn überwältigen.« Oder (er mag sehen:) »Im Kriege angegriffen, wird er mit all seinem Kriegsaufgebot an einem einzigen Orte bleiben müssen, oder: er wird ohne Burg sein. Mit seinem zusammengedrängten Heere, abgeschnitten von Freunden und Burgen, wird er in meine Hände fallen«. Oder (er mag sehen:) »Wenn ich von einem Starken angegriffen werde und mir es bei meinen tätigen Unternehmen (d.h. bei meiner Verteidigung) schief geht, wird er in der Besorgnis: ›Der König ist mächtig und jetzt begierig, den Feind anderwärts auszutilgen; hat er aber diesen ausgetilgt, dann möchte er auch mich austilgen‹,21 mir Beistand leisten; oder auch wenn mich ein Mittelkönig überwältigen will«. Liegen solche und ähnliche Gründe vor, dann mag er sogar des Feindes Macht und Erfolg wünschen.

Die durch ein Land getrennten Könige (also die Freunde) zum Radreif und die unmittelbaren Nachbarfürsten (also die Feinde) zu den Felgen und sich selber zur Nabe machend, halte der führende Fürst Faktoren und Staatenkreis fest an sich gepreßt.22

Der in die Mitte zwischen den beiden: dem führenden Fürsten und seinem Freund hineingesetzte Feind ist, auch wenn er stark ist, dazu angetan, vernichtet oder drangsaliert zu werden.

Fußnoten

1 Oder: Das Zuteilwerden angenehmer Frucht (der Tätigkeit). Ich lese tasminn ishṭena und sehe nachträglich, daß Çaṅk. zu Kām. XIV, 18 dasselbe bietet.A2


2 Klugheit bringt Gelingen, Unklugheit Mißlingen.A3


3 Vijigīshu »der zu siegen, zu besiegen, zu erobern Wünschende« ist sehr schwer in ein Wort zu fassen. Es bezeichnet den nach Oberherrlichkeit Strebenden, den Eroberungslustigen, den Expansionisten oder Imperialisten. Auch nach der indischen Lehre hat jeder anständige König die Pflicht, sich »auf Kosten des anderen zu vergrößern«, wie Bacon sagt. Also ist der »Eroberer« der Mittelpunkt der altindischen Staatslehre. Siehe auch Varāh. Yogayātrā I, 8.


4 Maṇḍalībhūta zugleich: »zu seinem Staatenkreis gehörig, in die Sphäre seiner Politik mit einbezogen«. Natürlich ist hier und in 259, 1 Bhūmyanantara zu lesen. Vgl. Kām. VIII, 17–18; Çaṅk. zu VIII, 16, wo er unsere Stelle frei zitiert; auch MBh. XII, 69, 14 u. bes. Kauṭ. 258, 18; 260, 14; 309, 6; 428, 1.


5 Vyasanin, also: in Laster oder in Unglück versunken.


6 »Stütze sind Burg und Freund.« Kām. VIII, 63.


7 D. h. falls er zu stark ist, als daß ein Krieg gegen ihn Erfolg verspräche. »Oder« ist = sive.


8 Die besonderen Dinge, die bei ihm in Betracht kommen und zugleich: »das sind die verschiedenen Arten von Feinden«. »Oder« ist = sive.


9 D. h. immer einer hinter dem anderen, vom Standpunkte des Eroberers aus betrachtet.


10 Da immer der nächste Nachbar der natürliche Feind seines nächsten Nachbarn ist, so ist der Fürst im Rücken des Fersenpackers (pārshṇigrāha,) dessen Feind, mithin der Freund des Eroberers. Er heißt ākranda »Anruf«, der »Angerufene«, nämlich des Eroberers. Der Fürst, der hinter dem »Angerufenen« sitzt, ist natürlicherweise der Feind des »Angerufenen« und damit auch des Eroberers, aber der Beistand (āsāra) des Fersenpackers; der noch weiter hinten sitzende Nachbar dieses āsāra ist ein Beistand (āsāra) des Angerufenen, sintemalen er ja als Nachbar den Beistand des Fersenpackers haßt. Folglich ist der āsāra oder »Heranstürzer, Heraneiler« entweder ein Feind oder ein Freund des Eroberers, immer aber durch mehrere Länder von ihm getrennt und immer in seinem Rücken. Die gleiche Bezeichnung für zwei so verschiedene Größen bildet einen öfters verwirrenden Mangel in der Sprache der Politik.


11 Hinter prakṛityamitraḥ und prakṛitimitram gehört ein Punkt. Auch nach Çaṅk. zu Kām. IV, 71 und VIII, 58 ist dies Kauṭ.s Lehre.A4


12 Udāsīna wird ebenso wie madhyama oft mit Neutraler, auch mit uninteressierter Neutraler übersetzt. Kām. VIII, 19 heißt es: Maṇḍalād bahir eteshām udāsīno balādhikaḥ Anugrahe saṃhatānāṃ vyastānāṃ ca vadhe prabhuḥ. Danach wäre die richtige Übersetzung: »Außerhalb der Reichsfaktoren des Feindes, des Eroberers und des Mittelfürsten (stehend) und mächtiger als sie ... ist der Abseitsstehende«. Aber 1. wäre da bahis adjektivisch gebraucht, und das kommt meines Wissens sonst nicht vor, 2. sollte dann bahiḥ hinter prakṛitibhyaḥ stehen, wohin es Çaṅk. in seinem Zitat auch stellt; 3. sagt ja sogar Kauṭ, selber gleich darauf, der udāsīna gehöre zu den Reichsfaktoren. Woher sollte er da außerhalb stehen? Der Name zwar schiene auf ein solches Abseitsstehen hinzuweisen.A5 Ich möchte also bahiḥprakṛitibhyaḥ zusammenrücken. Die außerhalb des eigenen Landes stehenden, die der äußeren Politik angehörenden Faktoren sind: Freund, Feind, Feindes Freund, Freundes Freund usw.


13 Das wären also zwölf Fürsten, die für die Politik nach außen in Betracht kommen und besonders für die Fragen von Krieg und Frieden wichtig sind: 1. der Eroberer (vijigīshu), 2. sein Feind (ari, amitra, çatru), 3. sein Freund (oder Bundesgenosse, mitra), 4. der Freund des Feindes (arimitra), 5. der Freund des Freundes (mitramitra), 6. der Freund des Freundes des Feindes, 7. der Fersenpacker oder Feind im Rücken, 8. der Angerufene oder Freund im Rücken, 9. der Beistand des Fersenpackers, 10. der Beistand des Angerufenen, 11. der Mittelfürst, 12. der Abseitsstehende.A6


14 Natürlich unter Hinzuzählung des Eroberers, des Freundes und des Freundes vom Freunde.


15 D. h. jeder von den dreien steht seinerseits wieder in der Mitte eines eigenen Kreises oder eines politischen Wirkensbereichs von achtzehn solcher Faktoren.


16 Material oder Stoff (dravya) sind also für jeden der zwölf Könige die fünf: Minister, Bauernland, feste Stadt, Schatz und Heer.


17 12 in Königen bestehende Faktoren + 60 in Material bestehenden ergibt 72 Faktoren. Oder: 18 prakṛiti des Eroberers + 18 prakṛiti des Feindes + 18 prakṛiti des Mittelfürsten + 18 prakṛiti des Unbeteiligten macht 72 prakṛiti oder Faktoren. Dieses ganze Gebäude schiene uns wahrhaftig Zimmer genug zu enthalten, alle guten und alle bösen Geister der altindischen Staatsweisheit und Systematisierungssucht zu beherbergen. Aber weit gefehlt! Auch hier war es gar manchen noch nicht genug des grausamen Spiels, während dagegen andere stark zu vereinfachen und auf Grundbegriffe zurückzugehen strebten. Kām. VIII, 20ff. teilt uns mit, daß je nach den verschiedenen Lehrern und Gesichtspunkten der Staatenkreis eines Fürsten oder das Wirkens- und Ausstrahlungsfeld der äußeren Politik folgender Art sei: 1. einfach (çl. 40), 2. zweifach (çl. 39), 3. dreifach (çl. 31, 38), 4. vierfach (çl, 20), 5. fünffach (çl. 38), 6. sechsfach (çl. 21, 31), 7. zehnfach (çl. 35), 8. zwölffach (çl. 22), 9. vierzehnfach (çl. 30), 10. achtzehnfach (çl. 26), 11. einundzwanzigfach (çl. 33), 12. dreißigfach (çl. 37), 13. sechsunddreißigfach (çl. 23, 32), 14. sechzigfach (çl. 38), 15. achtundvierzigfach (çl. 34), 16. vierundfünfzigfach, 17. einhundertundachtfach (çl. 27), 18. dreihundertvierundzwanzigfach (çl. 29),


18 Besser deutsch: »Das Macht- oder Verwirklichungsmittel ist dreifach: in der Geisteskraft besteht das Machtmittel des Rates, in der Kraft des Schatzes und des Heeres das Machtmittel des Herrschers, in der Kraft der kriegerischen Tätigkeit das Machtmittel der Tatkraft.«


19 Sama = dem folgenden sādhāraṇa.


20 Wer diese Tugenden entfalten soll, ist nicht klar. Selbstverständlich der Fürst, denkt man. Durch ehrliche gesunde innere Politik soll er Minister, Bauernland, Burgen, Schatz und Heer in gedeihlichen Zustand bringen. Vgl. 344, 15. Aber die Lauterkeit (çauca) wird sonst bei Kauṭ. von den Untertanen gefordert und sie besteht vor allem in der Treue gegen den Fürsten. Wegen ānantarya vgl. Weib im altind. Epos 344, Anm. 1.


21 Lies ucchidya mām ucchindyāt und vgl. Kām. VIII, 66; IX, 10. Die Lesart na mām ucchidyat, die ich jetzt in Sham.'s 2. Ausg. finde, läuft genau aufs Gleiche hinaus: »Er soll, nachdem er diesen ausgetilgt hat, nicht auch mich austilgen«.


22 Lies netuḥ. Netar »der Führende« ist ebenfalls ein häufig gebrauchter Ausdruck und gleichbedeutend mit vijigīshu oder »Eroberer«. Statt prakṛitimaṇḍale ist möglicherweise -maṇḍalaṃ zu setzen (vgl. 261, 4; 264, 15): »den Kreis der Faktoren«. Sonst: »halte der Führende mitten in seinem Faktorenkreis (alle) fest an sich gepreßt«. Vgl. Raghuv. IX, 15. In Zeile 14 muß natürlich ekāntarān stehen.


A1 Oder: »Er bemühe sich, sie (nämlich Kraft und Erfolg, den Feinden) durch Verräter und Widersacher zu entreißen.« So Gaṇ.


A2 Auch Gaṇ. hat ishṭena. Er fügt hinzu anishṭenānayaḥ »das Zuteilwerden von unangenehmer Frucht Unglück«. Nītiv. 113, 9 mit, seinem atarkitopasthitārthānarthasambandho daivāyattaḥ bildet wohl ein Zeugnis, wenn auch ein ziemlich unnötiges, für die Echtheit dieser Worte. Denselben Gedanken wie der in 258, 6 folgende und in Nītiv. 113, 8 wiederholte Satz spricht MBh. XII, 56, 15 aus: Paurushaṃ hi paraṃ manye; daivaṃ niçcintyam ucyate. So nämlich muß man dort lesen.


A3 Vidhyāyataḥ pradīpasyeva nayahīnasya buddhiḥ »denn einer verlöschenden Leuchte gleich ist der Geist dessen, der ohne politische Klugheit ist« (Nītiv. 42, 3f.). Vidhyāyati ist falsches Sanskrit aus vijjhāyati.


A4 Auch nach Çiçup. II, 36 gibt es dreierlei Feinde und dreierlei Freunde, nämlich sahaja, prākṛita, kṛitrima. Vgl. Mall.'s Bemerk. dazu; ebenso nach Nītiv. 115, 8ff. Māgha nun meint: »Wichtig und wesentlich sind der erworbene Freund und Feind; denn diese sind es wegen einer bestimmten Handlung (oder: Absicht, Ziel, kārya). Sowohl Feind wie Freund aber können der angeborene und der natürliche sein.« Vgl. Mall. dazu. Ebenso erklärt Nītiv. 115, 9–11: »Der unmittelbare Nachbar ist ein Feind, der durch ein Land getrennte ein Freund. Dies aber nicht unbedingt. Denn eine bestimmte Handlung (oder Absicht) (kārya) ist Ursache von Freundschaft und Feinschaft, nicht aber Entfernung oder Nähe.« »Es gibt keinen Feind von Geburt; wer das gleiche Streben hat, der ist Feind, sonst kein Mensch.« MBh. II, 55, 15. Ähnlich XII, 140 51. Feindschaft heißt denselben Gegenstand ausschließlich besitzen wollen und zunichte machen, was dem anderen lieb ist. Çukran. IV, 1 9–17; 7, 504. Vgl. Kām. VIII, 14. Fürsten haben überhaupt nur erworbene Freunde und Feinde, heißt es in MBh. XII, 138, 109; Çukran. IV, 1, 18–19. Vgl. MBh. II, 55, 10 (wo lekhya Verbriefung und mātṛikā feste Schablone bedeutet); XII, 138, 13; 110; 137ff.; 80, 8–9; Mudrār. ed. Hillebrandt 134, 9f.; Çiçup. II, 37 usw. – Gaṇ.'s Auslegung der Stelle ist verkehrt. Wegen der gleich folgenden drei Arten von Freunden vgl. z.B. MBh. XII, 80, 3.


A5 Aber auch Nītiv. 114, 10ff. stimmt mit Kām. überein: »Einer, der vorne, hinten, an einer Seite oder an einer Ecke in benachbartem Kreise sitzt und den madhyama und die übrigen, wenn sie untereinander in Streit liegen, zu bekriegen, und wenn sie miteinander verbunden sind, zu fördern fähig ist, sich trotzdem aber aus irgendeinem Grunde irgendeinem anderen Fürsten, der als Eroberer auftritt, gegenüber abseits stellt, ist der Abseitsstehende.« Vom madhyama heißt es in 114, 13ff.: »der, welcher, wie der Abseitsstehende, nicht eingeschränkt ist in bezug auf den Staatenkreis (also keinem bestimmten angehört, hierin sein freier Herr ist) und welcher, obwohl in Hinsicht auf andere Fürsten selber von größerer Macht, dennoch aus irgendeinem Grund einem anderen König, der als Eroberer auftritt, gegenüber sich neutral verhält, ist der Neutrale (madhyastha).« Das Nītiv. fährt fort: »Wer dem Eroberer, wenn er zu Feld gezogen ist oder zu Feld zieht, hinten einen Aufruhr (paçcātkopa) verursacht, ist der Fersenpacker. Der hinten sitzende Freund des Eroberers (1. mitram statt amitram) ist der Angerufene (ākranda). Der Freund des Fersenpackers (1. pārshṇigrāhamitram) ist der Heraneiler« (āsāra, 115, 1ff.).


A6 Die zwölf z.B. auch in Çiçup. II, 81; M. VII, 176ff. (hier auch die zweiundsiebzig). Nītiv. 114, 8–10 nennt auch den antardhi »den Zwischensetzling« oder »Eingeklemmten«, über den wir später einiges hören werden.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 401-405.
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