Sechstes Kapitel (111.–112. Gegenstand).

Feldzug im Bündnis mit einem anderen[429] (saṃhitaprayāṇa), Verbindung mit Ausbedingnis und ohne Ausbedingnis und mit einem Abtrünnig Gewordenen.

Der Eroberer möge den zweiten Faktor der äußern Politik (d.h. den Nebenbuhler ari) in folgender Weise listig übermeistern. Er bewege den Grenznachbarn (d.h. den Nebenbuhler) zu einem gemeinsamen Feldzug: »Zieh du dahin Ich werde dorthin ziehen. Der Gewinn soll gemeinsam sein.« Solange nun der Gewinn in der gleichen Richtung läuft, gilt das Bündnis, sowie er in einer anderen Richtung läuft, kriegerische Tätigkeit (gegen den bisherigen Genossen).1

Das Bündnis kann sein mit Ausbedingnis und ohne Ausbedingnis.

»Zieh du an diesen Ort, ich werde an jenen ziehen«. Das ist ein Bündnis ausbedungenem Ort. »Du betätige dich so lange Zeit, ich werde mich so lange Zeit betätigen«. Das ist ein Bündnis mit ausbedungener Zeit. »Du führe diese Sache aus, ich werde jene Sache2 ausführen«. Das ist ein Bündnis mit ausbedungener Sache.

Er mag denken: »Der andere wird (bei meinem Plan) in eine Gegend ziehen, in der sich Berg-, Wald-und Flußfestungen oder Waldstämme in den Weg stellen,3 die Getreide- und Mannschaftszufuhr und der Hilfszuzug abgeschnitten ist, oder Grünfutter für die Tiere, Brennholz und Wasser fehlen. Oder in eine, die ihm unbekannt, weit entlegen und von Eingeborenen mit anderem Wesen bewohnt ist. Oder in eine, wo für die Kraftbetätigungen4 der Soldaten kein geeignetes Gelände zu erlangen ist. [430] Ich aber in eine, bei der es sich gerade umgekehrt verhält«. In diesem besondern Fall möge er ein Bündnis mit ausbedungener Gegend eingehen.

Oder er mag denken: »Der andere wird während der regnerischen oder der heißen oder der kalten Zeit oder einer Zeit, wo übermäßig viel Krankheit herrscht5 oder wo die Nahrung und die Gebrauchsgegenstände6 zu Ende gegangen sind, oder zu einer Zeit, die den Betätigungen der Soldaten viel Hemmnisse bereitet, oder während einer Zeit, die für die Mittel zu dem Werke zu kurz oder zu lang ist, operieren, ich während einer völlig anders gearteten«. In diesem besonderen Fall gehe er ein Bündnis mit ausbedungener Zeit ein.

Oder er mag denken: »Der andere wird eine Sache ausführen, die rückgängig gemacht werden muß, oder die die Untertanen zur Empörung treibt, oder die lange Zeit braucht, oder die viel Verluste und Ausgaben verursacht, oder die geringfügig ist, oder mit künftigen Nachteilen verknüpft, oder unangenehm7 oder gottlos ist, oder die dem Mittelfürsten oder dem Unbeteiligten (dem Abseitsstehenden) verhaßt oder die seinem eigenen Freunde (mitra) schädlich ist. Ich aber eine, bei der es sich gegenteilig verhält«. In diesem besonderen Fall gehe er ein Bündnis mit ausbedungener Sache ein.

Demzufolge ist das Bündnis mit Ausbedungenem, weil dabei entweder 1. Ort und Zeit oder 2. Zeit und Sache oder 3. Ort und Sache oder 4. bloß der Ort oder 5. bloß die Zeit oder 6. bloß die Sache oder 7. alle drei zusammen festgesetzt werden, siebenfacher Art. Bei solch einem Bündnis soll er zuerst die eigenen Angelegenheiten in Angriff nehmen und auf festen Boden stellen und dann kräftig an die Angelegenheiten des anderen gehen.

Wenn er aber einen mit Unglück, Hast, Verachtung8 oder Faulheit [431] behafteten oder einen dummen Feind zu überlisten trachtet, dann spreche er, ohne Ort, Zeit und Sache festzusetzen: »Wir sind Verbündete«, und sowie er dann an dem anderen durch dessen Vertrauen auf das Bündnis eine Blöße gefunden hat, schlage er auf ihn los. Das ist das Bündnis ohne Ausbedungenes. Dabei gilt das Folgende:

Nachdem er den Grenznachbarn mit dem Grenznachbarn (nicht aber auch mit sich selber) in Krieg verwickelt hat, nehme er dem anderen sein Land weg, nachdem er ihm vollständig die Flügel abgeschnitten hat.9

Zu einem Vertrag gehört: 1. Das Streben, das nicht Gemachte zu machen (d.h. Beziehungen anzuknüpfen), 2. der feste Abschluß des Gemachten, 3. die Aufhebung des Gemachten, 4. die Zusammenfügung (Wiederanknüpfung) des Zerissenen; zur Kriegtätigkeit: 1. offener Kampf, 2. hinterlistiger Kampf, 3. stiller Kampf.

Dies also Krieg und Frieden.

Das mit den Mitteln: schöne Worte usw. nebst deren Drum und Dran arbeitende Bewerben um ein vorher nicht daseiendes Bündnis und die Einordnung10 der Gleichstehenden, Schwächeren und Überlegenen je nach ihrer Stärke ist das Streben, das nicht Gemachte zu machen.

Das von beiden Seiten durch angenehme und nützliche Personen vermittelte11 behutsame Großpflegen und die Verwirklichung des Festgesetzten, sowie es verabredet worden ist, und dessen Aufrechterhaltung mit dem Gedanken: »Wie könnte man erreichen, daß es vom anderen aus12 nicht gebrochen wird?« das ist feste Zusammenfügung des Gemachten.

[432] Aufhebung des Gemachten13 ist die Hinwegsetzung (über den Pakt) nachdem man durch Überlistung des Verräterischen seine Untauglichkeit zum Bundesgenossen festgestellt hat.14

Die Wiederverbindung mit einem Diener oder einem Bundesgenossen (mitra), der durch jemandes Makel oder Schuld abtrünnig geworden ist, heißt Wiederanknüpfung des Zerrissenen.

Bei dieser ist der Davongegangene und Wiedergekommene von vierfacher Art: 1. aus gutem Grunde sowohl davongegangenen als wiedergekommen, 2. das Gegenteil (in beidem), 3. aus gutem Grunde davongegangen und ohne solchen Grund wiedergekommen, 4. das Gegenteil (d.h. ohne guten Grund davongegangen, aber aus gutem Grund wiedergekommen). Wenn einer wegen eines Makels oder einer Schuld des Herrschers (seines Herrn) davongegangen, durch dessen Vorzüge bewogen wiedergekommen oder wegen der Vorzüge des anderen (des feindlichen Herrschers, zu dem er übergegangen war) davongegangen und wegen dessen Mangelhaftigkeit oder Schuld wiedergekommen ist, so ist das ein aus gutem Grund Davongegangener und Wiedergekommener und soll als Genosse wieder aufgenommen werden. Wer durch seine eigene Schuld davongegangen und wiedergekommen ist, indem er den Vorzügen der beiden Fürsten den Rücken kehrte, der ist ein ohne guten Grund Davongegangener und Wiedergekommener und soll als Flattergeist nicht wieder zum Genossen angenommen werden. Wenn einer durch die Schuld des Herrn davongegangen und durch eigene Schuld vom anderen her wiedergekommen ist, so ist das einer, der aus gutem Grund davongegangen, aber ohne guten Grund wiedergekommen ist, und soll als solcher genau geprüft werden: »Ist er wiedergekommen in dem Verlangen, mir Böses zuzufügen, ob nun vom anderen dazu angestellt oder aus eigener Schlechtigkeit; oder weil er erkannt hat, daß ich als Widersacher den anderen vernichten werde,15 [433] und er darum fürchtet, die Rache werde über ihn selber kommen? Oder ist er aus Mitleid wiedergekommen, indem er den anderen verließ, weil dieser mich zu vernichten trachtet?« Nachdem er über diese Punkte Näheres erfahren hat, soll er ihm Ehre erweisen, falls er redlich gesinnt ist; oder ihn weit von ihm weg wohnen machen, falls er anders gesinnt ist.

Der durch eigene Schuld Davongegangene und durch die Schuld des anderen (seines neuen Herrn) Wiedergekommene ist der ohne guten Grund Davongegangene und aus gutem Grund Wiedergekommene und soll als solcher genau geprüft werden: »Er wird mir eine Lücke ausfüllen. Hier ist sein altvertrauter Wohnort; bei dem anderen gefällt es seinen Leuten nicht. Mit meinen Freunden steht er im Bunde, mit meinen Hassern im Krieg. Vor dem Habsüchtigen und Grausamen (d.h. seinem also gearteten neuen Herrn) hat er Angst oder vor einem anderen, der mit meinem Hasser verbündet ist«. Wenn er über diese Punkte Gewißheit hat, soll er ihm je nach seiner Gesinnung seine Stelle anweisen.

Verlust der angewendeten Mühe, Schwund der Macht, Handelschaft mit dem eigenen Wissen, Verzweiflung an der Hoffnung, Wanderlust,16 Mangel an Vertrauen, Verfeindung mit Mächtigen – das sind die Ursachen des Verlassens (von König und Heimat). So die Lehrer.

Furcht, Mangel an Lebensunterhalt oder Rachezorn, so Kauṭilya.17

Einer, der (nur) hier (dem heimatlichen Fürsten) Böses zugefügt hat, ist wegzutun, einer, der (nur) dem anderen Böses zugefügt hat, anzunehmen; einer, der beiden Böses zugefügt hat, ist genau zu prüfen usw., alles wie eben angegeben.

Handelt es sich um einen, den man zwar nicht zum Genossen annehmen kann, mit dem man sich aber doch unbedingt zusammentun muß, dann soll man da vorbauen, wo seine Macht (zu schaden) liegt.18

Einen, der der Partei des Feindes angehört hat, soll er, wenn jener ihm Gutes tut, außerhalb seiner unmittelbaren Nähe und bewacht [434] bis an sein Lebensende unterbringen19 bei dem Verfahren der Wiederanknüpfung des Zerrissenen.

Oder er lasse ihn gegen seinen (früheren) Herrn Feindseligkeit üben, oder wenn er bewährt ist, mache er ihn zum Heeresleiter unter den (herübergenommenen) Feindestruppen oder den Waldstämmen oder versetze ihn sonstwohin an die Grenze.

Oder wenn er nicht bewährt ist (sich nicht bewährt hat), mache er ihn zur Handelsware, oder er gebe ihn, weil er sich sonst mit dem Feinde verbinden könnte,20 als Begleiter einem Bewährten bei, der durch die Schuld dieses Mannes nicht verdorben werden kann.

Oder er mache ihn aus Sorge für die Zukunft auf geräuschlose Weise zum stillen Mann. Auch wenn er gesehen hat, daß er in Zukunft ihn zu morden trachtet, soll er den Davongegangenen und Wiedergekommenen töten.

Wer vom Feinde herbeigekommen ist, der ist ein Übel, erzeugt durch das (frühere) Zusammenwohnen mit dem Feinde, durch die beständige Angst verdorben, weil es dem Zusammenwohnen mit einer Schlange gleicht, ist wie (das Übel das) dem Çālmalibaum von der Taube erwächst, die Samen des Plakshabaumes gegessen hat (und sich auf den Çālmalibaum setzt) – in einem fort Furcht erregend und zuletzt auch die Gefahr heraufführend.21

[435] Offener Kampf ist tapfere Kriegertätigkeit an dem Ort und zu der Zeit, die vorher angezeigt worden sind. In Schrecken Jagen, Überfall und Drangsalierung bei Nachlässigkeit oder Unglück und Imstichlassen oder Töten, wenn einer allein ist, das ist die Musterform des hinterlistigen Kampfes.22 In Mordlisten, Zauber und Aufwiegelung besteht das Kennzeichen des stillen Kampfes.23

Fußnoten

1 Wörtl.: »bei Übereinstimmung des Gewinnes Bündnis, bei Nichtübereinstimmung kriegerische Tätigkeit«. Nur davon ist die Rede, ob der »Eroberer« bei der Geschichte gehörig seine Rechnung findet. Sowie das nicht mehr der Fall ist, soll er sofort gegen seinen Kriegsgefährten vorgehen und ihn womöglich abschlachten.


2 Wörtlich beide Male: »das (ein) Werk (oder: eine Aufgabe) von dem und dem Umfang«.


3 Wörtl.: »Berg- und (oder) Wald- und (oder) Flußfestungen hat und (oder) durch Waldstämme (die zwischen dem Ausgangs- und dem Bestimmungsort liegen) getrennt ist.«


4 Vyāyāma bezeichnet bei Kauṭ. öfters die Betätigung körperlicher Kraft und Kriegstüchtigkeit, welche eine Sache der gemeinen Soldaten ist, im Gegensatz zu der geistigen oder doch gewissermaßen auch geistigen der Offiziere und vor allem zu der politischen Drahtzieherei und der Hinterlist im Kampf.


5 Oder: wo besonders böse Krankheiten (»Überkrankheiten«) häufig sind (ativyādhi)? Vgl. 325, 12.


6 Upabhoga. Vgl. meine Anm. zu 217, 7 (das was jemand auf sich trägt, also vor allem die Kleider; 408, 14f. (alles was für die leiblichen Bedrüfnisse nötig ist).


7 Kauṭ. selber gibt zweimal eine Begriffsbestimmung dessen, was er unter kalya versteht. Nach 285, 12 ist es = nirdosha, nach 348, 18 = nirābādha. Nirābādha »nicht mit Schädigung verbunden«. Schädigung für andere? Für mich? Jedenfalls für mich. Oder Schädigung, Gefahr für die Sache selber, also »unsicher«? Dagegen spricht wohl die Definition von bhavyārambha 285, 12. Nirdosha ohne Mangel, Übelstand, Schuld, Sünde. Bei den beiden letzten wäre also an eine sittliche Beschaffenheit gedacht. Aber das sollten wir wohl ausscheiden und uns etwa an Kām. X, 20 halten. Dort wird dosha nur den Nachteil für den bedeuten, der die Sache unternimmt. Aber auch »Nachteil« ist arg unbestimmt. Das ganz farblose »unangenehm« mag am besten passen.


8 »Hast« (tvarā) wird hier wohl eine Charaktereigenschaft sein, also Hasterei, Eilfertigkeit, wie denn auch vyasana hier statt »Unglück« Laster, besonders die übermäßige Hingabe an Weib, Wein, Würfel, Waidwerk bedeuten könnte. Also wohl kaum: Eile, drängende Sache. »Verachtung« kann die Verachtung durch andere, also Schmach bezeichnen. Weit wahrscheinlicher ist aber wohl: »Mißachtung gegen andere Menschen«, also verächtliche Überheblichkeit, ferner Verachtung dessen, was klug usw. ist. Am besten paßt contemptuousness, wofür unser »verächtliches Wesen« ein mißlicher Notbehelf ist.


9 Nach der Lesart chittvā pakshaṃ. Vgl. 320, 7 die eindrucksvolle Parallele und meine Erklärung dazu. Freilich sollte dann eher pakshau stehen. Also vielleicht doch besser: »nachdem er seinen Anhang (seine Freunde) von ihm abgeschnitten hat«. Jitvā pakshaṃ wäre: »nachdem er seinen Anhang vollständig besiegt hat«. Oder: jitvāpakshaṃ: »nachdem er, was ihm feindlich ist (nicht zu seiner Partei gehört), ringsum besiegt hat«? Aber Kauṭ. braucht apaksha sonst wohl nicht. Wer ist aber der anya (andere)? Der andere, dem jetzt durch seinen Kampf mit dem Feinde alle Kraft in Anspruch genommen ist? Das wäre eine Schlauheit nach uraltem und doch ewig neuem Rezept. Oder soll er, während die zwei einander in den Haaren liegen und sich des »Gleichgewichts der Mächte« nicht annehmen können, einem dritten, der jetzt von den zwei anderen keine Hilfe bekommen kann, dessen Land rauben, natürlich in der Hoffnung, die zwei Kampfhähne, wenn sie sich halb tot gezaust haben, dann auch in die Jägertasche stecken zu können? Beides möglich und politisch tadellos. Der Ausdruck deutet stark auf das zweite; denn sonst stünde ekasya zu erwarten, das freilich nicht in den Vers ginge.


10 Avasthāpana Bestimmung und Zuweisung des status, das Hin und Hermarkten.


11 Oder: »auf Grund des Angenehmen und des Nützlichen erfolgende?« Vgl. aber 282, 2.


12 D. h. von dem anderen Vertragsbruder aus. Oder: »daß er vom Feinde aus (d.h. durch Einflüsterungen des Feindes) nicht abspenstig gemacht wird?« In beiden Fällen schiene da der Instr. das Natürlichere zu sein. Also vielleicht eher: »wie könnte es (das Bündnis) nicht vom anderen weg abgesprengt (abgerissen) werden«, d.h. wie könnte ich es dahinbringen, daß der Vertragsgenosse unlösbar an das Bündnis geknüpft bleibt?


13 Kṛitavidūshaṇa das Verderben, Entkräften, Nichthonorieren des Gemachten.


14 Oder vielleicht noch besser: »nachdem man (öffentlich) festgestellt hat, daß der andere sich durch seine übervorteilende Verräterlist als Bundesgenosse unmöglich gemacht hat«. Pardon, es sollte heißen: »nachdem man konstatiert hat« (sthāpayitvā). O Kauṭilya, wie international, wie hochmodern bist du! Ich lese apasandheyatām »Weggerücktheit vom Zustand dessen, der geschickt ist zum Verbündeten«, also hier jedenfalls: Zustand dessen der sich dieser Ehre unwürdig gezeigt hat.


15 Ich habe da nur me in mām geändert. Aber trotz çatrur »als Feind« 285, 18 und anderer ähnlicher Stellen sieht amitram »als Widersacher« nicht sehr vertrauenerweckend aus, und der Text leidet wohl an einer Zahnlücke oder anderer Verderbnis. Also möchte ich etwa vorschlagen: parasyocchettāraṃ māṃ mitrair me jñātvā »weil er durch meine Freunde erfahren hat, daß ich dem Anderen den Garaus machen werde«. Mitrair me saṃhitaḥ, in Verbindung mit den Freunden des Eroberers ist er ja geblieben (279, 20). Der Text hieße wohl: »weil er erkannt hat, daß mein Widersacher den Feind vernichtet (also auch ihn als wenigstens vormaligen Feind packen möchte), und darum fürchtet, es werde ihm selber an den Kragen gehen«. Aber pratighāta »Gegenschlag« haben wir bisher bloß in der Bedeutung »Rache« gefunden. Nur »Rückschlag« bedeutet es 359, 4. Bloß in 353, 11 heißt es allem Anschein nach »Schlag gegen jemand, Vernichtung«. Freilich Buffer ist es 301, 10; 317, 14. Sodann scheinen doch einander entgegengestellt zu sein: parasyocchettāraṃ me (d.h. mām) und paraṃ vā mām ucchettukāmaṃ.


16 Deçalaulya »Ortsunbeständigkeit« oder: »Verlangen nach Ländern«. Vgl. āçānirvedin 333, 13; 334, 9.


17 Gut scheint er es nicht bei Candragupta gehabt zu haben, der Vishṇugupta-Kauṭilya! Oder zittert noch immer der Rachegrimm aus Nandas Zeiten (vgl. 429, 10) in seiner leidenschaftlichen Seele nach, und ist dieser Wutseufzer eine Art Rechtfertigung seines eigenen Abfalls von dem früheren Herrn? Dies wohl doch nicht, wenn ich 324, 13ff. recht verstehe.


18 Wörtl.: »bei einem notwendigerweise in eine Verbindung zu Setzenden, aber mit begleitender Untauglichkeit, zum Genossen gemacht zu werden«.


19 Wörtl.: »soll ihn getrennt (fern) wohnen lassen«. Iti »so« geht zwar recht wohl. Aber ist vielleicht ati »bis hinaus über« zu lesen? Ati dharmād balaṃ manye »höher als die Tugend und Religion schätze ich die Macht«, heißt es MBh. XII, 134, 6. Da hier die Bedeutung nicht stimmt, lieber abhi? Abhi mit dem Abl. = her von (also= ā c. abl.) findet sich MBh. XII, 8, 23.


20 So im Hinblick auf Stellen wie 316, 3. Sonst wäre auch denkbar: damit andere, bei denen dies möglich ist, als Verbündete gewonnen werden, d.h. solche, die durch eine schlechte Behandlung dieses Mannes abgeschreckt oder erzürnt und durch Milde gegen ihn angelockt werden können.


21 Der plaksha oder Ficus infectoria ist ein großer, schöner Baum, der nach MBh XIV, 44, 11 der vortrefflichste unter den Bäumen und Brahmas Wohnsitz ist; çālmali, Salmalia malabarica, der Wollbaum, mit Stacheln oder Dornen, die öfters erwähnt werden und ihn zum Marterbaum machen für die Verdammten in der Hölle. Wenn ein Vogel, der Samen des plaksha im Leib hat, diesen an den Fuß des çālmali hinunterfallen läßt und er aufgeht, wird der Wollbaum von seinem Gaste ums Leben gebracht. Jāt. Nr. 412 erzählt: Einmal war der Bodhisatta die Baumgottheit in einem Sālmali. Ein Suparṇa oder Vogel Greif brachte einen gewaltigen Nāga, d.h. eine göttliche Schlange, durch die Luft getragen. Der tief herabhängende Nāga umschlang einen Nyagrodha- oder Banyanbaum. Der Baum wurde dabei ausgerissen und mit fortgeschleift. Auf Bodhisattas Baum fraß dann der Suparṇa soviel er mochte und warf den Rest ins Meer. So stark und riesenhaft war also der Sālmali, daß er Suparṇa und Nāga mit Leichtigkeit trug. Da flatterte ein Vogel aus dem Nyagrodha auf den Sālmali. Tief bebte dieser auf: »Was erzitterst du von dem kleinen Vogel, nicht aber unter mir und dem Nāga?« fragte der Vogel Greif. Der Bodhisatta erwiderte: »Er läßt hier Nyagrodhasamen oder Plakshasamen fallen. Dieses Gewächse überwuchert und tötet dann meinen Baum. Der Suparṇa vertrieb den Vogel. Ähnlich ist Jāt. Nr. 370. Dort zersprengt und zerstört der aufwachsende Nyagrodha einen Palāçabaum. Kein Wunder also, daß die Tantrākhy. in der glättenden, zum Teil aber doch etwas ungeschickten Umformung unserer zwei Strophen neben dem Plaksha auch den Nyagrodha einfügt« (III, Str. 100f., S. 138).A1


22 Ekatra wäre: »an einem einsamen Orte«, ein sonst wohl unbelegbarer Gebrauch. Ich lese lieber ekasya. Mātṛikā wörtlicher »Mutterform«, Matritze, Schablone auch MBh. II, 55, 10.


23 Vgl. Kām. XVIII, 12. Der »stille Kampf« (tūshṇīṃyuddha) ist dasselbe wie tūshṇīṃdaṇḍa oder upāṃçudaṇḍa »die stille Strafgewalt«, die wir bisher schon gut haben kennen lernen und noch besser kennen lernen werden. Sie arbeitet mit der heimlichen Abmurksung durch die yoga oder Listen: Gift, Waffe, Feuer usw. Daß die Zauberei, (karman wie z.B. 238, 1; 243, 18; 252, 4; MBh. XIII, 156, 23ff.; 157, 7; Gaut. XXV, 7) in der altindischen Politik und Kriegführung eine wichtige Rolle spielt, ist längst bekannt und auch im Arthaçāstra bezeugt. Der Hauspriester des Königs hat ja, wie auch Kauṭ. angibt, die Pflicht, die Feinde krank oder tot zu zaubern, und wohl schon deshalb verachten ihn Leute von strenger Lebensauschauung, wie z.B. im Epos öfter hervortritt. Siehe dann noch besonders das letzte Buch des Arthaçāstra wegen des Zaubers. Von der Einflüsterung oder Aufwiegelung ist das Arthaçāstra übervoll. Ich lese also yogakarmopajāpārtham. Dabei heißt -artha ( ...zur Sache, zum Inhalt, zum Gegenstand habend, damit umgehend). Yogakarman Anwendung der yogas wäre schier zu umständlich. »Die Menge der heimlichen Mittel« (yogabhūman) erregt Mißtrauen. Mit gūḍha von B hieße es: »in Mordlisten, ›Geheimen‹ und Aufhetzung besteht« usw. Aber da ist gūḍha erstens ziemlich überflüssig; denn die yoga und upajāpa sind mit deren Vermittlern, den gūḍha oder gūḍhapurusha (d.h. den sattrin, tīkshṇa, rasada usw. I, 8) ja schon gegeben, obwohl die Tätigkeit der gūḍha damit nicht erschöpft ist. Zweitens aber macht sich das Konkretum mit einem Abstraktum an jedem Arm nicht gut. Also: Aufwiegelung durch die Geheimen?


A1 Nītiv. 118, 9–10 geht noch einen beträchtlichen Schritt weiter. Da heißt es: »Ins Haus eingedrungen vernichtet, wie die Taube (kapota) einer, der von des Feindes Anhang ist, sei er auch noch so klein, den Staat (tantra)«. Somadeva machte sich oder seinen Lesern, denen das Bild von der samenausscheidenden Taube zu wenig sagte, die Sache so mundgerecht, daß er die Taubenart kapota in ihrer Eigenschaft als Unglücksvogel verwertete (vgl. z.B. Caland, Toten und Bestattungsgebräuche 106). Besonders bringt es natürlich Unheil, wenn eine kapota-Taube einem aufs oder ins Haus fliegt. MBh. III, 197, 5; XVI, 2, 8 u. bes. XIII, 104, 104f. Die Turteltaube (parāvata) dagegen ist ein Glücksvogel. Vielleicht erweckt das Bild von dem Totenseelenvogel kapota auf dem Plaksha noch um so unangenehmere Empfindungen, weil dieser Baum dem Yama geweiht ist, während der Nyagrodha dem Varuṇa zugehört, der Açvattha dem Āditya, der Udumbara dem Prajāpati. Gobhila, Gṛihyas. IV, 7, 22. Besonders in diesen vier Bäumen wohnen die Gandharva und die Apsaras, Geister, die die Menschen besessen machen. Hillebrandt, Rituallit. 172. Als ersten und vorzüglichsten aller Bäume aber rühmt MBh. III 93, 10; XIV, 44, 10 den Plaksha. Der gatapratyāgataḥ ist kashṭataro ripuḥ. M. VII, 116. Vgl. auch MBh. XII, 111, 77ff. Zu den letzten zwei Strophen vgl. auch Nītiv. 127, 7ff. Die zweitletzte wird verstümmelt wiedergegeben in einem Zit. aus Hemādri bei Nandargikar zu Raghuv. VII, 69.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 429-436.
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