Dreizehntes Kapitel (88. Gegenstand).

Strafe für Ausschreitungen.

[361] Wenn jemand einen Brahmanen etwas verzehren macht, was nicht getrunken oder gegessen werden darf, trifft ihn die höchste Sāhasastrafe; wenn einen Kshattriya, die mittlere; wenn einen Vaiçya, die niedrigste; wenn einen Cūdra, eine Geldstrafe von 54 paṇa. Solche, die selber dergleichen verzehren, sollen aus dem Lande vertrieben werden.A1

Wer bei Tage (ohne Weiteres) in ein fremdes Haus geht, zahlt die erste Sāhasastrafe; wer bei Nacht, die mittlere. Wer bei Tage oder Nacht (ohne Weiteres) mit einer Waffe hineintritt, zahlt die höchste Sāhasastrafe. Bettler und Händler, Trunkene und Wahnsinnige, (solche die) auf Gewalt hin oder bei Unglück (eindringen), überaus Nahestehende und solche, denen das Eintreten zusteht,1 sind nicht strafbar, außer es ist ihnen verwehrt worden.A2

Wer die Schutzwehr (parivārya) sogar um sein eignes Haus nach Eintritt der tiefen Nacht (virātrād ūrdhvam) ersteigt, zahlt die niedrigste Sāhasastrafe; wer die eines fremden Hauses, die mittlere; ebenso wer die Umhegungen von Dörfern oder Gärten durchbricht.

Reisende Kaufleute sollen in den Dörfern an einem Ende übernachten, nachdem sie ihr Besitztum bekannt gegeben haben. Wird ihnen etwas gestohlen oder weggeführt, das nicht in der Nacht hinausgekommen (nicht aus dem Dorf und seinem Schutz gebracht worden oder hinausgelaufen) ist, dann muß es der Dorfvorsteher (grāmasvāmin) vergüten.2 Was zwischen den Dörfern gestohlen oder weggeführt wird, soll der Weidelandaufseher wiedererstatten. Bei Gegenden, die nicht einmal mehr zum Weideland gehören, der Diebsfänger. Bei solchen, die nicht einmal diesen Schutz haben, müssen [361] sich die Leute eine Untersuchung unter Grenzsperre gefallen lassen.3 Gibts keine Grenzsperre, dann (soll) eine Fünfdörferschaft oder eine Zehndörferschaft (den Verlust vergüten).

Wenn jemand ein zu schwaches Haus macht, einen Wagen ohne Stützen, eine Waffe an emporragenden Pfosten ohne Schutzvorrichtung, ein Loch, einen Brunen oder eine Fanggrube, ohne diese letztgenannten zu bedecken, so soll man im Falle von Schädigung das als Realinjurie betrachten.A3

Wer einen Baum umhaut, einem erst noch zu zähmenden Tiere den Zaum wegnimmt, Vierfüßler gebraucht, die noch nicht eingewöhnt sind, Holz, Erdkloß, Stein, Stock oder Pfeil schleudert, den Arm hinausstößt oder umherschwingt, und wer auf einem Wagen oder einem Elefanten dahingeht und wer mit einem anderen zusammenstößt, muß rufen: »Aus dem Weg!« dann ist er nicht strafbar.4

Wer von einem zornig gemachten Elefanten getötet wird, soll (für das Tier) einen kumbha, Rauschtrank weniger einen droṇa, Kranz und Salbe geben sowie ein Tuch, ihm die Stoßzähne abzureiben. Der Tod durch einen Elefanten ist gleich dem Schlußbade am Ende des Roßopfers. Aus diesem Grunde die Fußwaschung. Wird aber einer, der nichts getan hat, (von einem Elefanten) getötet, dann trifft den Treiber die höchste Sāhasastrafe.5

[362] Wenn einen Menschen, der von gehörnten oder zahnbewehrten Tieren geschädigt wird, deren Besitzer nicht befreit, trifft ihn die erste Sāhasastrafe. Ist er um Hilfe angerufen worden, die doppelte.A4

Veranlaßt jemand gehörnte oder zahnbewehrte Tiere einander zu töten, so zahlt er soviel (wie die Tiere wert sind) und ebenso viel Strafe. Wer ein Göttertier, einen als Zuchtbullen dienenden Stier6 oder eine Kuh, die noch nicht gekalbt hat, ziehen macht,A5 zahlt 500 paṇa Strafe; wer solch ein Tier umbringt, die höchste Sāhasastrafe. Wer ein kleineres Haustier, das durch seine Haare oder seine Wolle oder seine Milch oder durch Ziehen (oder Tragen) oder Zeugen (prajanana) Nutzen bringt, sich zueignet, der muß soviel (wie es wert ist) zahlen und ebenso viel als Strafe. Ebenso bei Tötung, es sei denn für ein Götter-oder Manenopfer.

Handelt es sich um ein Räderfuhrwerk, dessen Tiere den Nasenstrick zerrissen haben, oder dessen Joch zerbrochen ist, oder eins, das in die Quere oder gerade entgegen daherkommt, oder das zurückgeht, oder um ein Gedränge von Wagen, Tieren und Menschen, so ist der Fuhrmann straffrei, wenn ein Schade geschieht. Sonst soll er bei Schädigung von Menschen und Tieren für die Strafe, wie sie angegeben worden ist, aufkommen; wo es sich um die Tötung eines nicht menschlichen Lebewesens handelt, auch für die Bezahlung des Lebewesens.7 Ist ein Kind der Lenker, dann ist der im Wagen fahrende Herr (des Fuhrwerks und der Tiere) strafbar; ist der Herr nicht dabei, dann wer im Wagen fährt. Oder der Fuhrmann, wenn er mündig ist. Ein von einem Kinde geleitetes Fuhrwerk oder eins ohne einen Menschen soll der König wegnehmen.A6

Was jemand bei Bezauberung und Behexung einem anderen Böses zufügt, das soll ihm wieder zugefügt werden. Beliebig aber ist die Ausübung von Liebeszauber gegen die eigene Gattin, wenn sie nicht den Gatten umarmen will, oder gegen ein Mädchen, das man zum Weibe begehrt, oder von seiten der Gattin gegen den Gatten. Sonst aber, wenn ein Schade geschieht, die mittlere Sāhasastrafe.A7

Wer die Schwester von Mutter oder Vater, die Gattin des Mutterbruders,A8 die Lehrersfrau, die Schwiegertochter, die Tochter oder die Schwester beschläft,8 dem soll das männliche Glied abgeschnitten und er selber hingerichtet [363] werden. Dasselbe (d.h. den Tod) soll die Frau, wenn sie willig war, empfangen. Ebenso die von einem Sklaven, Diener oder Verpfändeten Genossene.

Bei Unzucht mit einer behüteten Brahmanin9 soll der Kshattriya die höchste Sāhasastrafe bezahlen, dem Vaiçya alles Vermögen genommen und der Çūdra mit Strohfeuer verbrannt werden. Bei Umgang mit einer Frau des Königs in allen Fällen Kochen in einem Kessel.

Geht einer zu einer Hundekocherin (einer Paria), so wird er mit dem Abbild einer kopflosen Leiche gebrandmarkt und muß in ein anderes Land ziehen, oder Hundekocher (Hundefresser, Paria) werden. Geht aber ein Hundekocher (Caṇḍāla) zu einer Arierin, dann trifft ihn der Tod und die Frau die Abschneidung der Ohren und der Nase.10

Auf Umgang mit einer Nonne (pravrajitā) steht eine Strafe von 24 paṇa. Hat sie selber gewollt, dann soll sie dasselbe (d.h. dieselbe Strafe) erhalten.11

Wer eine von ihrer Schönheit Lebende mit Gewalt genießt, zahlt 10 paṇa Strafe. Fallen viele über eine solche her, dann jeder einzelne 24 paṇa.12

[364] Wer mit einem Weibe außerhalb der vulva Verkehr hat, zahlt die erste Sāhasastrafe; ebenso wer mit einem Manne Schmutzerei treibt.13

Für den Selbstvergessenen, der mit Tieren die Begattung ausübt, beträgt die Strafe 12 paṇa; zweimal so hoch ist sie nach der Überlieferung bei Geschlechtsumgang mit Götterbildern.A9

Der König, der einen nicht Strafwürdigen straft, soll das Dreißigfache der betreffenden Strafe im Wasser für Varuṇa dargeben und darauf den Brahmanen.14

Dadurch wird die Sünde des Königs gesühnt, die aus seinem Vergehen im Strafen entstanden ist; denn ein Bestrafer derer, die unter den Menschen verkehrt wandeln, ist König Varuṇa.15

Fußnoten

1 Pravṛittapraveça. Vgl. pravṛitta: für jemand hervorgekommen, ihm zukommend. MBh. IV, 4, 29. Daher dann freistehend, erlaubt.


2 Als »getötet« hat Yājñ. II, 271 unser pravāsita verstanden im Einklang mit der gewöhnlichen Gebrauchsweise bei Kauṭ. Aber ich hätte vielleicht sogar meine ursprüngliche Übersetzung nicht preisgeben sollen: »Wenn ihnen etwas gestohlen oder beiseite geschafft wird und kommt nicht wieder zum Vorschein«.


3 Vgl. ātmavicayaṃ dadyuḥ »sie müssen sich selber (auf Waffen hin) untersuchen lassen« (237, 7–8). Es ist wohl im Text etwas ausgefallen, dem Anschein nach ungefähr dieses Inhalts: »Wenn die Untersuchung keine Frucht bringt, dann sollen es die und die wiedererstatten« (dadyuḥ). Der Ausfall konnte leicht durch das dadyuḥ am Ende der beiden Sätze veranlaßt werden. Der folgende Satz mit pañcagrāmī usw. fordert nämlich die Ergänzung eines dadyuḥ im Sinne von wiedererstatten, vergüten. – Corarajjuka der »Diebsstrickler« entspricht dem cauroddhartar in Yājñ II, 271.A10


4 Auch dieser Satz scheint nicht ganz vollständig zu sein, wie schon aus den zwei ca hervorgeht, dem einen nach hastini oder hastinā, wie man wohl statt der Lesarten hāstine oder hāstinā wird lesen müssen, und dem anderen nach saṃghaṭṭane. Der Sinn ist aber offenbar gleichbedeutend mit Yājñ. II, 298: »Wer nicht sagt: Aus dem Weg! trägt die Schuld an einem Schaden, der veranlaßt wird durch Holzscheit, Erdscholle, Pfeil, Stein, Arm oder Gefährt (die er in rasche Bewegung setzt)«. Vgl. Manu VIII, 292. Nur das Unterlassen der Warnung bei all den genannten Dingen kann strafbar sein, nicht aber die betr. Handlung selber. Denn Bäume muß man fällen, uneingewöhnte Tiere muß man einspannen, wo kämen sonst die eingewöhnten her usw. Der Ausfall ist wohl vor saṃghaṭṭane anzusetzen. Oder man könnte ca hinter saṃghaṭṭane tilgen: »Wer, wenn er einen Baum umhaut ... umherschwingt oder auf einem Wagen oder Elefanten dahingeht, ausruft: ›Geh weg!‹, der ist nicht strafbar bei einem Zusammenstoß«, d.h. wenn dem anderen was zustößt. Vgl. 233, 11.A11


5 Macht jemand den Elefanten zornig und wird der Aufreizer getötet, dann muß er, d.h. natürlich sein Erbe, Entschädigung leisten; der Lenker ist straffrei. Tötet aber ein Elefant einen Menschen, der ihm nichts getan hat, dann trifft den Lenker die höchste Sāhasastrafe. Udāsīna ein »Abseitssitzender«, sonst ein Unbeteiligter, d.h. Neutraler, ist also hier ein Untätiger, Unschuldiger. Das ungeheuer kostspielige und langwierige Roßopfer gilt als das allerverdienstlichste. Das Bad am Ende ist der Abschluß, die Krönung des Werkes. Also kommt der Tod durch einen Elefanten an heiligender Kraft dem Roßopfer gleich. Glückliche Verbrecher Altindiens, denen schon durch die vom König kommende sühnende Strafe das Tor zu herrlichsten Himmeln geöffnet wurde, wo müßt ihr erst hingekommen sein, wenn der Elefant den Scharfrichter bei euch machte!A12


6 Vṛishabham ukshāṇam nach der indischen Auslegung von ukshan: »einen Bullen, einen alten (ausgedienten) Stier«. Stiere miteinander kämpfen zu lassen, ist eine große Volksbelustigung. Jāt. Nr. 77.A13


7 Lies yāna in Zeile 11.A14


8 Lies vādhicarataḥ statt vābhicarataḥ.


9 Statt aguptāyām ist gewiß guptāyām: »mit einer behüteten Brahmanin« das Richtige.


10 Lies çvapākasya vāryāgarnane statt çūdraçvapākasya bhāryāgamane. Der Fälscher hat seine Sache mit dem vorgeschobenen çūdra allzu schlecht gemacht Kauṭ. selber hätte natürlich çūdraçvapākayor geschrieben. Vgl. Yājñ. II, 294, wo ebenfalls das Brandmal mit dem kopflosen Leichnam geboten wird.A15 Trotz der Strenge gegen den Geschlechtsverkehr mit einer Frau aus höherer, namentlich aus der höchsten Kaste herrschen doch beträchtliche Unterschiede unter den Bestimmungen der einzelnen Rechtsschriften. Eine Zusammenstellung gibt Anm. 2 auf S. 190 meines Weibes im altind. Epos. Vgl. auch 278, Anm. 1; 389ff. Mahānirvānat. XI, 38 befiehlt, den Kshattriya und den Vaiçya ebenso wie den Çūdra zu entmannen, wenn sie wissentlich einer Brahmanin beigewohnt haben; die Ehrvergessene selber wird verstümmelt und verbrannt. MBh. K XIII, 149, 15ff. lehrt, der Diener (Çūdra), der sich mit einer Brahmanin vergißt, sühne sein Verbrechen dadurch, daß er zwölf Jahre unter freiem Himmel schlafe; oder er solle augenblicks mit einem Strohfeuer verbrannt werden; oder er werde rein durch die Entfernung des Geschlechtsgliedes. Dreht sichs um eine Vaiçyā, dann soll er drei Jahre unter freiem Himmel liegen; einer Kshattriyā wegen sechs Jahre lang. U. dgl. mehr.


11 Auch bei Yājñ. II, 293 heißt es: »Wenn einer mit einem Weibe außerhalb der vulva Geschlechtsverkehr hat oder mit einem Manne Schmutzerei treibt oder zu einer Nonne geht, beträgt die Strafe 24 paṇa«. Abhimehati hat hier bei Yājñ. dieselbe Bedeutung wie adhimehati bei Kauṭ. 146, 12; 234, 13, nicht aber ist es = beharnen wie nach dem P.W. in der von ihm angeführten Stelle des Çatapathabrāhmaṇa. Unzucht mit einer Asketin (pravrajitā) wird in der Smṛiti. öfters der Schändung der Lehrersgattin, dem scheußlichsten aller geschlechtlichen Verbrechen, gleichgestellt. Weib im altind. Epos 189, Anm. 2. Garuḍapurāṇasarōdh. V, 29 sagt, wer eine Nonne besuche, werde zum marupiçācaka oder Wüstengespenst.


12 Bei Yājñ. II, 291, wo dieselbe Vorschrift steht, haben wir dāsi Sklavin, Lustdirne.A16


13 Wörtlich: »ihn bepißt« (d.h. Geschlechtsumgang mit ihm hat). Mit adhimehati vgl. adhimehayati 146, 12, wo ich diesen Sprachgebrauch schon besprochen habe. Vielleicht muß man auch in Yājñ. II, 293 adhimehati einsetzen.


14 Daß die Dargebung an Varuṇa nur symbolisch sein soll, eine Zeremonie zum frommen Schein, und daß die Brahmanen die wahren Empfänger sind, erhellt wohl von vorneherein. Yājñ. I, 307 hören wir: »Die Geldstrafe, die der König zu Unrecht erhoben hat, soll er dem Varuṇa ankünden (anbieten) und dann den Brahmanen geben, nachdem er sie selber verdreißigfacht hat«. Kauṭ.'s Vorschrift könnte an sich auch heißen: »soll ... ins Wasser dem V. dargeben und weiterhin (oder: eine andere, eine zweite natürlich von derselben Höhe) auch den Brahmanen«. Nach Manu IX, 244 soll der Fürst einfach das Strafgeld dem Varuṇa ins Wasser dargeben oder einem gelehrten und frommen Brahmanen.A17


15 Vielleicht: »derer, die gegen die Menschen Unrecht tun« (mithyā vyācaratāṃ nṛishu). Gemeint sind da natürlich die Fürsten.


A1 Vgl. Y. II, 296; Vish. V, 99ff. (bei ihm die Strafen höher); V, 173 (nur er hat etwas dem zweiten Satz des Kauṭ. Entsprechendes).


A2 Obwohl ich meine Auffassung im Text bei Gaṇ., der übrigens balād falsch versteht, wiederfand, so muß es dennoch heißen: »Bettler und Händler, Trunkene und Wahnsinnige, sowie sehr Nahestehende bei (ihnen angetaner oder drohender) Gewalt oder bei einem Unglück und solche, denen der Eintritt (ein für allemal) erlaubt ist, sind nicht strafbar« usw. Sonderbar scheint es, daß »überaus Nahestehende« nicht ohne weiteres eintreten dürfen. Aber meine Übersetzung im Text und Gaṇ. mißachten das ca nach āpadi allzusehr.


A3 Vielleicht wäre besser: »eine in einem aufgerichteten Pfosten bestehende Waffe ohne festen Halt« (so daß er leicht von selber umfällt). Besonders auf S. 154 der Übers, haben wir ja von einer ganzen Anzahl Kriegsgeräten dieser Art gehört. Aber hier ist die Rede von friedlichem Bürgerleben. So wäre kaum etwas anderes denkbar als eine Falle für große wilde Tiere, und da regen sich ebenfalls Bedenken. Gaṇ. liest – sthambhaṃ çastram. Das mag verkehrt sein, mag aber auch die ohnehin auftauchende Vermutung bestärken, daß der Text nicht in Ordnung sei.


A4 Auch diese Regel, wie Dutzende von anderen des Kauṭ., hat Y. fast wortwörtlich in Verse gebracht (II, 300).


A5 Nach Gaṇ. wäre statt »ziehen macht« das Richtige: »raubt, stiehlt«. Der einzige Anhalt dafür ließe sich in ādāne (»sich zueignet«), das gleich darauf folgt, finden. Aber natürlicher Weise heißt eben vāhayati »zum Ziehen oder zum Reiten gebrauchen,« genau wie in 135, 4 (Übers. 215, 21). Allein die Sache bereitete wohl Anstoß. In der Tat kann ich mich jetzt keiner Erzählung erinnern, wo Kühe eingespannt werden. Daß sie trotzdem so verwendet wurden, geht wohl aus MBh. I, 63, 11; 64, 21 hervor. Da hören wir als eine der Besonderheiten idealer Vorzeiten, daß die go nie an Deichsel oder Pflug gestellt worden seien. Natürlicherweise heißt es: die Kühe. Nīl. freilich sagt an beiden Stellen, Stiere seien gemeint; denn die Erde habe eben alles ohne Pflügen hervorgebracht. Das widerspricht dem Wortlaut des MBh.; außerdem vergißt Nīl. zu sagen, daß auch die Räderfuhrwerke von selber dahinrollten! Çukran. IV, 3, 37ff. behauptet: »Ackerbau durch Umbrechen mit dem Pflug ist von Manu und den anderen für die Brahmanen und die übrigen Kasten (als Lebensunterhalt) vorgeschrieben worden (Sie! Hat der Mann denn nie M. III, 64f; X, 83 gelesen, von den vielen Entsprechungen aus der sonstigen Smṛiti ganz zu schweigen?). Von den Brahmanen sollen dabei 16 Rinder gebraucht werden, sowie von den übrigen Kasten immer je vier weniger; zwei Rinder aber von den Paria (antyaja), je nach dem Pflug und der Weichheit des Bodens« Sarkar übersetzt go mit Kuh und rechnet uns vor, also solle der Kshattriya mit 12, der Vaiçya mit 8, der Çūdra mit 4 Kühen pflügen. Aber go wird da halt Stiere bedeuten. Und sollten selbst Kühe gemeint sein, so möchte dies einfach ein weiteres Stück Torheit in dieser köstlichen Masse Unsinn der Çukran. sein.


A6 Auch Pār.-Gṛihyas. III, 14, 9 verbietet, daß eine Frau oder ein Junge, der noch schulpflichtig ist (brahmacārin), einen Wagen lenke.


A7 Schon B. II, 1, 47 und Ā. 10, 29, 15 erklären die schädigende Bezauberung (abhicāra) für açucikara, d.h. eine böse Sünde, die gesühnt werden muß, ja Ā. berichtet in 16, daß der ältere Lehrer Hārīta sie als patanīya, bezeichne, mithin als ein Vergehen, das zum Verlust der Kaste führt – die häufige Erscheinung, daß die ältesten ind. Rechtslehrer auch die strengstens sind. Jemand Liebe anzuhexen, wird besonders der Wurzelzauber gebraucht. M. IX, 290 belegt auch ihn mit schwerer Geldstrafe, wenn er anāptau angewendet werde, also nicht bei āpti. Das PW. meint, anāpti bedeute hier »Nichterreichung seines Zweckes«. Das ist schon an und für sich verkehrt, denn Zauberei erreicht immer ihren Zweck. Besser klingt schon Bühlers Übertragung: »practised by persons not related to him.« Es müßte freilich mindestens heißen: »on a person not related to him.« Aber wir müßten dann weiter berichtigen zu: »on a person who is neither one's husband nor one's wife.« Ob aber āpti so gebraucht wird? Ich denke, es heißt: »außer, wenn er zur (Erreichung der) Begattung geübt wird.« Āpti Koitus (wörtl. »Kriegen«, »Nehmen«) wird von den Lex. angegeben. Wir wollen voraussetzen, daß dabei nur an das Gemahl gedacht ist. Doch wo es sich um den perfetto amore, d.h. den Liebesgenuß, handelt, erlauben nicht nur die Minneschriften aller Völker und Zeiten, sondern auch die ernsten altind. Rechtslehrer gar mancherlei. Vgl. »Weib« 166, 366.


A8 Vgl. Y. III, 233; M. XI, 171f., auch 59 und die in Bühlers Manu dazu aufgeführten Parall. Gaṇ. hat tri liṅgacchedanaṃ »sollen die drei Mannheitszeichen (der Penis und die zwei Hoden) weggeschnitten werden«.


A9 Y. II, 289 verordnet 100 paṇa als Strafe für die Begattung mit Tieren; die mittlere Sāhasabuße bei einer Kuh. Vish. V, 42, 44 schreibt das getreulich von Y. ab, ohne zu beachten, daß seine eigene mittlere Sāh. 40 paṇa weniger beträgt als die des Y. In LIII, 3, 7 hat er wie die ganze übrige mir bekannte Smṛiti nur geistliche Sühne, nämlich Prāyāpatya kṛicchra, wenn nicht mit einer Kuh; bei dieser das govrata, d.h. einen Monat lang nur von dem Fünfererzeugnis der Kuh (süßer Milch, saurer Milch, Schmelzbutter, Urin, Kot) leben. M. XI, 174 gebietet bei Sodomiterei sāṃtāpana kṛicchra; G. XXII, 36 Schmelzbutteropfer mit Kūshmāṇḍaversen, XXIII, 12 mit Kuh aber = gurutalpa; Vas. XXIII, 5f. weißen Bullen als Geschenk an Brahmanen, dieselbe Sühne aber wie für Tötung einer Çūdrā (s. XX, 40), wenn mit Kuh.


A10 Diesen Abschnitt bespreche ich wieder in meinem »Wesen der altind. Rechtsschr.« Was die Pflicht zur Verbrecheraufspürung und zur Vergütung anlangt, vgl. N. XIV, 22–25; Pariç. 16–18, Y. II, 271f.; Ā. II, 10, 26, 6–8 und Bühlers Anm. dazu; auch Kauṭ.-Übers. 300, 8–14 und meine Bemerkung. Wenn besonders in der Smṛiti die Nachbardörfer ersatzpflichtig sind, so ist das nicht so ungerecht. Der gewöhnlichste Diebstahl war Rinderdiebstahl; und wer diesen besonders gern übte, erhellt auch aus der feierlichen Übereinkunft in einer südindischen Inschrift: »Wenn irgendeiner von uns den Bauern in den und den Dörfern Kühe raubt oder sonst Böses antut, so werden wir, d.h. unsere ganze Körperschaft, so und soviel Strafe entrichten.« Majumdar, Corp. Life 212.


A11 Die Tilgung des ca, die auch Gaṇ. hat, ist das Richtige. Das ca geht ja auch stilistisch nicht. Zum ganzen Abschnitt und zu 363, 12–24, vgl. M. VIII, 290–298; Y. II, 298f. Ach, wie wußte der Rückständige, der diese neun Strophen im Manu verfaßt hat und der den Fuhrmann ausdrücklich sogar für getötete Hunde und Schweine strafbar macht, so wenig von der allheiligen Selbstherrlichkeit jener Errungenschaft neuester Zivilisation, des Automobils, und seinem alle Sichelwagen der Alten übertreffenden Triumphgerase dahin durch das niedrige Pack, das sich auf seinen zwei oder vier Beinen fortbewegt. Und o Wunderland Kalifornien, wo niemand nach Manugesetzen zu seufzen braucht, wo kein menschlicher Fußgänger totgefahren wird, weils eben keinen mehr gibt, sondern nur Automobilisten!


A12 Wegen udāsīna vgl. udāsīṇa im Prakrit, Mudrār. ed. Hillebrandt 184, 2, sich nicht einmischend, nichts zuleid tuend, unschuldig und madhyastha die Hände in den Schoß legend, untätig in M. IX, 272; N. Pariç. 15. Eine bisher nicht erkannte Parallele zu unserer Kauṭ.stelle haben wir in N. XV – XVI, 32: »Den Vater trifft keine Strafe, wenn sein Sohn, noch auch den Herrn, wenn sein Pferd, sein Hund, sein Affe, einem Menschen etwas zuleide tut, falls dieser selbst ihn hineingehetzt (d.h. gereizt) hat.« Der Text mit na cet und Jollys Übersetzung ergibt blanken Unsinn. Man muß sa cet lesen, wie andererseits naiva statt saiva in IX, 15 und na statt sa in I, 204. Dies letzte also: »Wenn ein Zeuge beim Zeugnisablegen eine Rede vorbringt, die so wacklig ist wie ein Kuhohr, dann wird er die tausend Fesseln des Varuṇa gewißlich nicht lösen von ihrer (Macht zur) Bindung (oder: nicht von sich abtun, weg von der Bindung).« Vgl. 206.


A13 Auch Gaṇ. nimmt einen Zuchtbullen an.


A14 Gaṇ. hat ebenfalls yāna- und ergänzt yadā, wie auch ich ursprünglich, vor chinnanasyaṃ bhagnayugaṃ usw. Aber wir haben wohl hier und anderwärts im Arthaç., wie z.B. in dem upadeçalabhyam von 214, 13, einen mir sonst unbekannten Akkus, der Beziehung, den ich meistens übersetze: »Handelt sichs um«. Er stünde hier also einem Loc. gleich.


A15 Nach Gaṇ.'s wohl richtigem Text zu urteilen, haben wir nicht eine Interpolation in dem Çūdra, sondern falsche Satzabteilung. Er liest nämlich çvapākatvaṃ vā çūdraḥ. Die Übers, lautet also: »... in ein anderes Land ziehen, oder Hundekocher (Paria) werden, wenn es ein Çūdra ist.« Dieselben Strafen bei Y. II, 286, einem Çloka, der aus N. XII, 70 und unserer Kauṭ.stelle (234, 7–8) zusammengebraut ist. Nach B. II, 2, 67 und M. XI, 176, zwei fast gleichlautenden Stellen, wird der Brahmane, der zu einer Paria geht, zum Paria.


A16 N. VI, 19 setzt für beide Fälle fest: achtfach den Dirnensold und ebensoviel als »Anstandsbuße« (vinaya, Strafe an den König).


A17 Vgl. auch M. IX, 323 mit Bühlers Anm.; ferner N. XII, 112f.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 361-365.
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