Sechstes Kapitel (81. Gegenstand).

Verhaftung auf Verdacht hin, mit dem corpus delicti und auf die Tatindizien hin.

[335] Zu der Verwendung von (vorgeblichen) zaubermächtigen Heiligen hinzu kommen (als Mittel Verbrecher zu fassen): Die Verhaftung auf Verdacht hin, mit dem corpus delicti und auf die Anhaltspunkte der Tat hin.

Wessen Familie ihr Erbe verbraucht hat,A1 wer geringen Lohn einnimmt, wer Heimat, Kaste, Familie, Namen und Beschäftigung verkehrt angibt, wessen Beschäftigung und Beruf verborgen ist, wer versessen ist auf den Genuß von Fleisch, Likör und Kuchen, auf Wohlgerüche, Kleider und Schmucksachen, wer zu viele Ausgaben macht, wer an Huren, Würfelspiel und Schenkwirten hängt, wer beständig auf Reisen ist, wessen Aufenthalt, Hin- und Herziehen und Handelsware man nicht kennt,1 wer zur Unzeit in einsamen Wäldern und Parks herumstreicht, wer an heimlichem oder irreführendem Orte viel2 zur Beratung zusammen kommt, wer im Geheimen soeben empfangene Verletzungen und Wunden kurieren läßt, wer beständig im Innern seines Hauses steckt, wer die auf Liebhaber erpichten Ehefrauen anderer beschläft, wer sich beständig nach anderer Weib, Gut und Haus erkundigt,3 wer sich mit den Werkzeugen makelbehafteter Berufe und Wissenschaften abgibt,4 wer tief in der Nacht5 im Schatten von versteckten Häusermauern umherschleicht, wer die [335] verschiedenartigsten6 Gegenstände an ungehörigem Ort und zur Unzeit verkauft, wer in Feindschaft (mit dem grade Bestohlnen) lebt, wer eine niedrige Beschäftigung und Kaste hat, wer aussieht wie einer, der sich verstecken muß,7 wer ein Asketenzeichen trägt und doch kein Asket ist oder ein Asket ist und einen damit im Widerspruch stehenden Lebenswandel führt, wer schon früher Verbrechen begangen hat und so durch seine Taten verraten ist, wer beim Anblick des Stadthauptmanns oder eines Staatswürdenträgers sich versteckt und davonläuft, wer ohne nur zu schnaufen dasitzt und bestürzt ist, wessen Stimme, Gesicht und Farbe rauh und wechselhaft erscheint, wer Angst hat vor einer Ansammlung waffentragender Menschen: – den soll man in Verdacht haben, er sei einer von denen, die einen lichtscheuen Lebensunterhalt haben, sei es nun Mörder, Dieb, Entwender von Bewahrgut oder vergrabenen Schätzen oder einer, der sich von anderen gebrauchen läßt.8 Dies die Verhaftung auf Verdacht hin.

Nun aber die Verhaftung auf das corpus delicti hin. Etwas Verlorenes oder Gestohlenes, das nicht gefunden wird, soll man bei denen, die mit dergleichen handeln, anzeigen. Wenn sie das ihnen Angezeigte in Besitz bekommen haben und es verbergen, sollen sie der Schuld der Hilefeleister (Hehler) verfallen sein. Wußten sie von nichts, so sollen sie auf die Auslieferung des Gegenstandes hin frei sein. Und ohne dem Handelsaufseher Anzeige zu machen, sollen sie keine alten Waren versetzen oder verkaufen. Wenn das (den Händlern) Angezeigte gefunden wird, soll man den mit dem corpus delicti Abgefaßten nach der Herkunft fragen: »Woher hast du es bekommen«? Wenn er sagt: »Ich habe es aus einem Erbe erhalten«. »Von N. N. erhalten«. »Gekauft«. »Machen lassen«. »Als Pfand ist es etwas Geheimes«. »Dies ist der Ort und dies die Zeit, wo ich es empfangen habe. Dies sein Wert, dies sein Umfang und dies sein Gelegenheitspreis«:9 – dann soll er frei sein, wenn die rechtmäßige Erwerbung sich als wahr erweist. Wenn es sich um einen handelt, der etwas verloren hat, soll er ebendasselbe nachweisen.10 Wer vorher und lange [336] fort im Besitz (des betreffenden Gegenstandes) gewesen ist oder wessen Angabe makellos ist,11 dem gehört der Gegenstand. So soll er (der Richter) es ansehen. Denn sogar vierfüßige und zweifüßige Wesen (d.h. lebendige Wesen) zeigen gemeinsames Aussehen und gemeinsame Merkmale. Wie viel mehr da Rohstoffe, Schmucksachen und Geräte (oder: Waren), die von einem Ursprungsort oder einem Hersteller solcher Gegenstände herkommen!A2 Das soll man bedenken. Wenn er sagen sollte, es handle sich nur um Entlehntes, Gemietetes, als Pfand Hinterlegtes, zur Bearbeitung übergebenes Material, ein Bewahrgut, oder ein Kommissionsgeschäft, und zwar komme der Gegenstand von dem und dem, dann soll er auf die zusammenstimmende Aussage der (von ihm genannten) Entlastungsperson hin frei sein. Oder die Entlastungsperson mag sagen: »Es ist nicht so«.

Wer mit dem corpus delicti ergriffen worden ist, soll die Veranlassung, weshalb ein anderer es ihm gegeben, und die Veranlassung, weshalb er selber es entgegengenommen hat, oder das Znsammenstimmen der Umstände mit Hilfe dessen, der den Gegenstand übergeben hat, oder dessen, der ihn hat geben machen, oder des Anordners (nibandhaka) oder des Entgegennehmers oder mit Hilfe von Augenzeugen oder Ohrenzeugen nachweisen.12

Handelt es sich um einen Gegenstand, der zurückgelassen, verschwunden oder herausgefallen (oder: davongelaufen) und so in den Besitz des Betreffenden gekommen ist, so geschieht die Reinigung von Verdacht durch das Zusammenstimmen der Umstände von Ort, Zeit und Erlangung.13 Wer sich da nicht reinigt, muß den Gegenstand und ebensoviel als Strafe herausrücken. In anderen Fällen soll er die Strafe für Diebstahl auf sich nehmen.

Dies die Verhaftung auf das corpus delicti hin.

Nun aber die Ergreifung auf die Anzeichen der Tat hin: Hineingehen und Herauskommen aus einem bestohlenen Hause durch etwas anderes als die Türe, Aufsprengen der Tür mit Hilfe der Fuge zwischen den Türflügeln oder der Schwelle,14 Zerbrechung des Gitterfensters oder der Dachtraufe eines oberen Gemachs und zum Zweck des Hinaufsteigens oder Hinuntersteigens Durchbrechen oder Durchgraben einer Hauswand, wenn dies das Mittel war, eine versteckte Niederlage von Wertsachen zu rauben, da, wo es [337] sich um etwas handelt, was man durch Mitteilung erfahren mußte,15 Schutt von einem Durchbruch (durch die Mauer), der sich im Innern des Hauses befindet, oder ebenda irgendein Werkzeug der Niederreißung, das alles möge man erkennen als von einem Hausgenossen zustande gebracht. Im gegenteiligen Fall von einem Draußenstehenden. Ist beiderlei (Anzeigenbestand) da, dann von beiden (d.h. dann rühren Anzeichen und Diebstahl von Hausgenossen und Fremden, die mit ihnen im Bunde sind, her).A3

Ist es durch einen Hausgenossen geschehen, dann untersuche man: einen (dem Hausvater) nahestehenden Mann, der im Unglück ist oder schreckliche Gefährten hat oder mit Diebswerkzeugen umgeht, oder eine Frau von armer Familie oder eine, die an einem anderen Manne hängt,16 oder einen Diener, dessen Lebenswandel derart ist, oder einen allzu verschlafenen, einen von Schlafbedürfnis ermatteten oder von Seelenleiden ermatteten,17 einen angsterfüllten, oder einen, dessen Stimme und Gesichtsfarbe rauh und wechselhaft ist, einen, der seine Dienste geschäftig aufdrängt (aupasthita)18 einen, der viel daherschwatzt, einen, dessen Glieder vom Emporklettern geschwollen oder entzündet sind, einen, dessen Körper und Kleidung zerschnitten, zerrieben, zerrissen oder zerfetzt sind, einen, dessen Hände und Füße Schrammen zeigen und geschwollen sind, einen, dessen Haare und Nägel voll Schmutz sind oder dessen Haare zerrupft und dessen Nägel verbogen sind, einen, der sich soeben19 gebadet und gesalbt, seine Glieder mit Öl eingerieben oder erst im Augenblick seine Hände und Füße gewaschen hat, oder einen, dessen Fußspuren den in Staub und Klebrigem abgedrückten gleich sind, oder einen, dessen Salbe und Schweiß die gleichen sind wie an einem Teilchen von einem Kranz, Einreibemittel,20 [338] Duftmittel oder Kleid (das man dort gefunden hat). Oder man möge einen Stadtbürger, der ein Liebhaber der Gattinnen anderer ist (also ganz wohl eine Geliebte in dem Hause haben kann), ausforschen.21

Zusammen mit den Revieraufsehern und den Oberbeamten der Kreise soll der Strafrichter die Suche der Diebe draußen auf dem Land besorgen, der Stadthauptmann im Inneren der festen Stadt, nach den eben angegebenen Verdachtsgründen.

Fußnoten

1 Der also umherzieht, während man doch nicht weiß, womit er handelt. Kaum: »von wessen Waren man nicht weiß, wo sie gelagert sind und wohin sie gehen«.


2 Oder: »mit vielen«? Ich lese samishe. Sāmishe etwa: »wo etwas zu holen ist«, was nicht passen will.


3 Wie Kām. XV, 56 und Çank,'s Glosse dazu zeigt, muß man wohl mit B antargṛihanityam lesen. Aber dann ist wohl auch kāntaparaparaparigrahāṇāṃ nötig, und ich übersetze danach. Mt kāntāparaṃ hieße es: »wer, nur auf Liebchen bedacht, die Ehefrauen anderer beschläft«, was an sich ja sachlich unbeanstandbar ist, aber als zu weitschweifig erscheint. Auch stünde kāntāparaṃ dann natürlicher vor abhyadhigantāraṃ. Es mag aber trotz alledem richtig sein. Behält man wirklich antargṛihaṃ nityam bei, dann könnte der Sinn etwa dieser sein: »wer beständig (zu einem) ins Haus herein gelaufen kommt (natürlich um was auszuschnüffeln), wer seine Geliebte immer unter den Eheweibern anderer sucht (gen. part.), wer sich fortwährend nach anderer Frauen, Gut und Häusern erkundigt.«A4


4 So nach Ausweis von 214, 16–17.


5 Wie man aus 232, 6 ersieht, bedeutet virātra Einbruch der Finsternis, tiefe Nacht.


6 Oder: »umgestalteten, umgearbeiteten«, was hier noch besser paßt.A5


7 Vielleicht eher: »wer sich immer zu verstecken trachtet« (vigūhamānarūpa). Ich lese im Folgenden natürlich aliṅginaṃ.


8 Als Vermittler oder Hehler usw. Oder: der sich vom Feind gebrauchen läßt, in dessen Diensten steht (paraprayoga).A6


9 Lies copasaṃprāpteḥ. Ādhipracchannaṃ wird kaum richtig sein. Soll man etwa ādhipratipannaṃ lesen: »als Pfand erhalten«? Statt »Gelegenheitspreis« vielleicht eher: Augenblickspreis, d.h. Preis zu der Zeit, wo ich es kaufte. Oder mit kshaṇaṃ: »So war die Gelegenheit (Zeit). So der Preis.«


10 Zu diesem ganzen Abschnitt vgl. 189, 147ff. Pratisaṃdadhāti wörtlich »eins gegen das andere zusammenlegen«, zusammenstimmen machen, dartun, nachweisen, = dem häufigeren pratisamānayati. Vgl. 214, 1. Nāshṭika der oder das mit dem Verlorenen Zusammenhängende (vgl. 190, 1) kommt ebenfalls in der hierhergehörenden Stelle Manu VIII, 200–202 vor und zwar in derselben Bedeutung wie hier, wenn man den Text der Ausgaben vor Jolly mit -çodhitaḥ annimmt, während mūla, das Böhtlingk recht wunderlich erklärt, seine gewöhnliche Bedeutung: Wurzel, Quelle, Herkunft hat (hier = asvāmī vikretā Kull.). Freilich scheint Jollys prakāçakrayaçodhitam textkritisch weit besser zu sein. Mit diesem wäre, soviel ich sehe, mūlam der ursprüngliche, aber unerweisbare Eigentümer und nāsḥtika der jetzige Inhaber des Verlorenen. Solches Gut gehört jedoch sonst dem König (vgl. Manu VIII, 30ff.)


11 Oder: »ehrlich ist«. Woher sollte man das aber wissen können. Ist ādeça Ausweis, Indizien, Leumund? Oder soll man mit dem Text vā deças trennen: »bei wem der Ort koscher ist«, d.h. bei wem man solch einen Gegenstand erwarten darf?


12 Im Einklang mit 176, 2 ist wohl upadrasḥtribhiḥ statt upadeshṭribhiḥ zu lesen. Freilich ließe sich auch 67, 2; 218, 13 usw. heranziehen und upadesḥtar = dem dortigen mantrin fassen; also: »oder den, ders angeraten hat« (den Helfershelfer) soll er nachweisen.A7


13 Also: Umstandsbeweis mit Rücksicht auf Ort. Zeit und Erwerbung des Gegenstandes.


14 Die Stelle ist dunkel, vor allem wegen bīja. Ob das wirklich: Türgrundlage, Türstützpunkt, Türfundament, also etwa Schwelle bedeuten kann, weiß ich nicht, finde das aber wahrscheinlicher als anderes, worauf ich geraten habe.


15 Durchbrechung oder Durchgrabung der ja meistens aus Erde bestehenden Wand, um beim Hinauf- und Hinabsteigen Halt zu bekommen, kann an und für sich natürlich nicht auf Hausgenossen deuten, viel eher auf Leute von draußen. Gūḍhadravyanikshepagrahaṇopāyam muß also Apposition dazu sein, wie auch das ca vor kuḍyasya zeigt: »Durchgrabung als Mittel der Ergreifung« usw. Da die betr. Wertgegenstände versteckt sind und naturgemäßer Weise nur der Hausherr und solche, denen er von ihrem Verbleib irgendwie Mitteilung (upadeça) gemacht hat. um den Ort wissen, so ist der Umstandsbeweis in diesem Fall recht zwingend.


16 Natürlich eine solche Frau, die in dem betr. Hause entweder als Dienerin usw. oder als Gattin wohnt.


17 Statt des mir unverständlichen āviklāntam lese ich ādhiklāntam.


18 Oder nach der Lesart anavasthitam »einen, der nicht am selben Fleck beiben kann« (den es vor Unruhe umhertreibt). Vgl. dazu 43, 18. Es scheint aber, als ob beide stehen sollten: aupasthitam (oder viel leicht eher: aupasthitikam) und anavasthitam, denn das erste hat Kshemendra wohl durch sein sevārthin »sich nützlich zu machen suchend«, das zweite durch sein kimapi kartuṃ kṛitodyoga »sich anstrengend, irgendwas Beliebiges zu tun« umschrieben (Kalāv. IX, 47f.). Vielleicht aber steht beides für aupasthita und ist darum dies vorzuziehen.


19 Samyak, eig. »zusammengehend« scheint hier »zur gleichen Zeit« zu bedeuten. Denn daß sich jemand ordentlich gebadet und gesalbt hat, kann ihn doch kaum zum Einbrecher stempeln. Oder heißt yaç cādhikapariçuddhiṃ prārthayate bei Kshemendra (Kalāv. IX, 49): »wer auf übermäßige Reinlichkeit ausgeht« und nicht: »der seine außerordentliche Unschuld darzutun sucht«? Dann doch: einen, der sich tüchtig gebadet und gesalbt hat.


20 Was madya hier soll, verstehe ich nicht. Die Verbrecher in Altindien trinken zwar gerne Rauschtrank, aber doch nicht während des Einbruchs. Ich lese also mardya »das zu Zerreibende«, also zum Einreiben gebrauchte.A8


21 Vidyāt wird in ähnlichen Verbindungen oft von Kauṭ. gebraucht, aber sonst nur in der Bedeutung auskundschaften, erkunden oder erkennen als, halten für. Auch kommen hier doch nicht nur die paura in Betracht. Also muß man wohl cauraṃ oder coraṃ lesen: »Oder er erkenne einen, der mit den Gattinnen anderer Umgang zu haben pflegt, als den Dieb«. In der 2. Textausg. des Sham. steht in der Tat cāram als var. lect. Das muß natürlich coraṃ heißen.


A1 Es muß heißen: »Wessen Erbteil und Anwesen (Wirtschaft usw.) erschöpft ist.« Kuṭumba bedeutet ja Haushalt, Wirtschaft usw., auch Eigentum. So ebenfalls im Pāli, wo kuṭumbaṃ saṇthapeti »eine eigene Wirtschaft gründen,« »to set up an establishment« öfters vorkommt (Jāt. I, 225; II, 423; III, 376).


A2 Eine gute Veranschaulichung hierzu bilden Asahāyas Glossen zu N. I, 163: »Z.B. es kommt jemand und spricht folgendermaßen: ›Der Stier, der an deiner Seite steht, ist mein. Heut ist es der dritte Tag, daß er mir von Dieben weggestohlen ist. Mit ihm zusammen sind sieben Stück Rindvieh verschwunden. Wenn sie bei dir sind, muß ich sie (auch) bekommen. Und ich will mittels vier Zeugen beweisen, daß Vieh, welches durch die Erkennungszeichen: rote Farbe, Fleck auf der Stirn, Schwanz wie der eines Yak, weiße Beine usw. klar kenntlich gemacht ist, mir gehört.‹ Darauf hin sagt der zweite: ›Hier auf Erden sind unter den zweibeinigen und vierbeinigen Wesen des Prajāpati, der die Hervorbringung der Geschöpfe besorgt, viele mit den gleichen Zeichen. Wenn man einzig wegen ähnlicher Merkmale etwas bekommt, warum sollte ich da, weil ich die Eigentümlichkeiten meiner eigenen Frau: Brauen, Ohren, Nase, Augen, Zähne, Zunge, Hände, Füße usw. auch an den Frauen anderer sehe, nicht diese in mein Haus führen!‹«


A3 Gaṇ. hat advāreṇa, dvārasya sandhinā bījena vā vedham, uttamāgārasya jālavātāyananīvravedham usw. Dvārasya sandhi ist ihm = suruṅgā, was nicht angeht. Was bīja bedeutet, weiß auch er nicht; er sagt, es sei ein Werkzeug zum Durchbrechen. Yantraghaṭṭanabīja »Grundlage (Mittel) des in Bewegungsetzens einer mechanischen Vorrichtung« heißt in Mudrār. ed. Hillebrandt 55, 7 ein eiserner Keil, den man herauszieht, worauf der Torbogen über dem Feind zusammenstürzt. Vgl. bīja die wesentliche Silbe (der entscheidende Buchstabe) eines mantra. Çukran. II, 365. Das bringt mich auf meine allererste Auffassung zurück; »Erbrechung der Türe mit Hilfe der Türfuge oder der Angelvorrichtung«, wobei ich nicht sagen kann, ob die altindischen Türen etwas unseren Angeln gleiches hatten. Bänder (hinges) schienen eher annehmbar. Auf jeden Fall wiese das Wort selber und die Gleichsetzung mit einem Zapfen im Mudrār. viel eher auf »Angelvorrichtung«, als auf »Schwelle«. Dieses zog ich nur vor, weil die Sache es zu gebieten schien. Die Angelbefestigung wäre also innen an der Tür und die Türfuge von innen zugänglicher als von außen. Das klingt ganz natürlich.


A4 Auch Gaṇ. liest antargṛihanityam, im übrigen aber wie Sham. Seine Glossen taugen aber wenig. Besser noch wäre meine ursprüngliche Übersetzung, bei der ich Sham.'s Text völlig ungeändert ließ, abgesehen von antargṛihanityam. »Wer unversehens und unbefugt zu einem ins Haus tritt, wer seine Geliebte immer unter der Dienerschaft anderer sucht (wo er natürlich Gelegenheit ausspionieren kann)« usw. Aber die etwas eigentümliche Verwendung des Gen. paraparigrahāṇām schreckte mich dann davon ab, wohl mit Unrecht. Was wir erwarten, wäre etwa, daß einer auf die Gesellschaft, die Reden usw. der Diener und Hausangehörigen eines anderen erpicht ist. Nahe dem kāntāparaṃ stünde vāntaparam: »wer auf das Gespei der Dienerschaft anderer versessen ist«, d.h. auf die Reden, die sie von sich geben. Für Kauṭ. wäre vamati auch in diesem Sinn ein vorzügliches Wort. Vgl. 214, 16ff. Adhigama und abhigamana (vielleicht in adhigamana zu bessern) unbefugtes Eintreten oder Eindringen haben wir in 172, 3; 232, 2.


A5 Vgl. N. VII, 3; Y. II, 168; Vish. V, 166.


A6 Vgl. N. XIV, 18: »Diebstahl wird erwiesen, wenn man das Gestohlene bei einem findet (sahoḍhagra haṇāt, vgl. M. IX, 270); daß etwas gestohlenes Gut ist, dadurch daß er es allzu rückhaltlos gebraucht (atyupabhogataḥ); Verdacht ist am Platze, wenn einer mit schlechten Leuten zusammen ist, sowie auch, wenn er ausgibt, ohne einzunehmen« (lies anāyavyayatas). Auch Vas. XIX, 39: »Als Verbrecher indiziert ist nach einigen jemand, der die Waffe noch in der Hand hat, der mit dem Gestohlenen betroffen, der mit einer Wunde behaftet ist.« Sowie auch Bṛ. XXII 6; 36. Vor allem aber Y. II, 266–69, eine Stelle, die handgreiflich zum größten Teil aus Kauṭ. stammt. Ferner N. I, 193ff.; Kauṭ. 43, 16ff.; Y. II, 13–15; Vish. VIII, 18; M. VIII, 25f. Auch N. Pariç. 1–14; M. IX, 256ff.; Tantrākhy. I, Str. 166 usw.


A7 Es sollte wohl heißen: »Oder die Entlastungsperson mag sagen: ›Es ist nicht so.‹ Dann soll der mit dem corpus delicti Ergriffene die Veranlassung« usw. Auch Gaṇ. hat upadeshtṛibhiḥ und versteht dies als »die, welche die Eintragung diktiert haben«, während er in nibandhaka den Buchenden (lekha) sieht, was mit der bei Kauṭ. gewöhnlichen Bedeutung von nibandhaka stimmt. Statt »Kommissionsgeschäft« in Zeile 9 müßte es nach seiner Lesart bharma statt karma wohl heißen: eine »Wagenlast (oder Traglast) Kommissionsgut.« Das empfiehlt sich weniger.


A8 Folgt man Gaṇ., dann: »Nach der Besonderheit der eben genannten Anzeichen möge er erkennen, ob es ein Dieb oder ein Ehebrecher gewesen ist.« Aber das Kap. redet nur von der Aufspürung eines Diebes. Auch Gaṇ. hat madya. Aber seine Auslegung klingt nicht annehmbar.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 335-339.
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