Drittes Kapitel (178. Gegenstand)[650] A1.

Anwendung von Medikamenten und Zaubersprüchen, um zu täuschen.

Man nehme die linken und die rechten Augen von einem, oder zweien oder vielen (der folgenden Tiere): Katze, Kamel, Wolf, Eber, Stachelschwein, fliegender Hund (vāgulīA2), Käuzchen (naptṛikā) und Eule oder von anderen [650] bei Nacht umherschweifenden Tieren heraus und mache daraus zwiefach Pulver (d.h. die eine Art aus den rechten, die andere aus den linken Augen). Dann bestreiche man das rechte Auge mit dem Pulver von linken Augen1 und das linke mit dem von rechten Augen und man sieht (alles) in der Nacht und in der Finsternis.

Eine Amlafrucht (Artocarpus lacucha)2, ein Eberauge, ein Leuchtinsekt (khadyota) und eine schwarze Predigerkrähe (çārikā)A3 – wer damit (d.h. mit der aus all diesen zerstoßenen Sachen gemachten Salbe) seine Augen bestreicht, sieht in der Nacht alles Gestaltete.

Nachdem man drei Tage gefastet hat, sät man am Tage des Sternbilds PushyaA4 im Schädel eines Mannes, der mit einer Waffe getötet oder der gepfählt werden ist, in Erde (die man in den Schädel getan hat) Gerstenkörner3 und begießt sie mit Schafmilch. Wenn die Gerste aufgegangen ist, mache man daraus einen Kranz, lege ihn an, und man geht dahin ledig des Schattens und der Gestalt (d.h. völlig unsichtbar).

Nachdem man drei Tage gefastet hat, macht man am Tage des Sternbilds Pushya die rechten und die linken Augen von Hund und Katze, Eule und fliegendem Hund (vāgulī) zwiefach zu Pulver. Bestreicht man dann damit die Augen in der jedem Auge zukommenden Weise,4 so geht man ledig des Schattens und der Gestalt dahin.

Nachdem man drei Tage gefastet hat, mache man am Tage des Sternbildes Pushya aus dem großen Arm- oder Beinknochen eines Mörders5 ein Spänchen oder Salbspatelchen. Wenn man sich (indem man sich dieses Spatelchens bedient) mit irgendeinem der genannten Augenpulver die Augen gesalbt hat, geht man dahin ledig des Schattens und der Gestalt.

Nachdem man drei Tage gefastet hat, mache man am Tage des Sternbilds Pushya aus Eisen ein Salbspatelchen oder ein Spänchen. Darauf fülle man mit Augensalbe den Schädel irgendeines der bei Nacht umherschweifenden [651] Tiere, stecke ihn in die Vulva einer toten Frau und verbrenne ihn. Diese Augensalbe nehme man am Tage des Sternbildes Pushya heraus und tue sie auf jenes Salbspatelchen. Damit salbe man nun die Augen und man geht dahin ledig des Schattens und der Gestalt.6

Wo man einen (toten) Brahmanen, der beständig die heiligen Feuer unterhalten hat, schon verbrannt oder verbrennen sieht, da mache man, nachdem man drei Tage gefastet hat, am Tag des Sternbildes Pushya aus dem Gewand eines Selbstmörders7 einen Sack, fülle ihn mit Asche vom Leichenstoß8 und hänge ihn an. Dann geht man dahin ledig des Schattens und der Gestalt.

Ein Schlangenschlauch9, gefüllt mit einem Pulver aus den Knochen und dem Mark eines Rindes, das bei den Totenzeremonien eines Brahmanen getötet wird, macht Vieh unsichtbar.

Der Schlauch des Giftreptils pracalāka, gefüllt mit der Asche eines Menschen, der an Schlangenbiß gestorben ist, macht das Wild unsichtbar.

Ein Schlangenschlauch, gefüllt mit einem Pulver aus dem Schwanzkot und dem Knieknochen (oder: aus dem Schwanz, dem Kot, dem Knie und den Knochen) einer Eule und eines fliegenden Hundes (vāgulī) macht Vögel unsichtbar.

Das sind die acht Mittel oder Zaubertricks (yoga), unsichtbar zu machen.10

Ich verehre den Bali, den Vairocana und den ÇambaraA5 mit den hundert Zauberlisten, den Bhaṇḍīrapāka, Naraka, Nikumbha und Kumbha.

[652] Ich verehre den Devala und Nārada, ich verehre den Sāvarṇigālava. Nach deren Belehrung11 habe ich über dich die große Einschläferung ausgeführt.

Wie die Riesenschlangen schlafen und wie die camūkhala schlafen, so sollen die Männer schlafen und alle Neugierlinge in dem Dorf.12

Mit einem Tausend Geschirren und einem Hundert Wagen will ich in dies Haus kommen. Ruhig bleiben sollen die Möbel.13

Ich banne und binde die »Hundekisten« und verneige mich vor Manu, und vor allen Göttern in den Welten der Götter und vor den Brahmanen in denen der Menschen und vor den zaubergewaltigen Heiligen und vor den Büßern auf dem Berg Kailāsa, vor all diesen Heiligen. Ausgeführt ist über dich diese große Einschläferung.14

Vorüber geht die Yakkuh – weggehen sollen alle zusammen die Leute. O Alitā, o Palitā.15 Dem Manu Heil!

[653] Die Anwendung dieses Zauberliedes ist folgende: Nachdem man drei Tage gefastet hat, kaufe man am vierzehnten Tag der dunkeln Monatshälfte, wenn das Sternbild Pushya in Konjunktion steht, das Abschabsel zweier Nägel16 von einer Caṇḍālafrau. Das tue man zusammen mit Bohnen (māsha) in ein Rohrkörbchen und vergrabe es an einer unentweihten Verbrennungsstätte.17 Am zweiten (d.h. am folgenden) vierzehnten Tag der dunkeln Monatshälfte nehme man es heraus und zerstoße es zusammen mit dem Insekt Sphex asiatica18 und mache Kügelchen daraus. Wo man dann ein solches Kügelchen, nachdem man es mit dem eben angegebenen Zauberlied besprochen hat, hinwirft, da schläfert es alles ein. In derselben Weise vergrabe man einen Stachel des Stachelschweins, dreiweiß und dreischwarz,19 an einem unentweihten Verbrennungsort. Am folgenden vierzehnten Tag der dunkeln Monatshälfte nimmt man ihn wieder heraus, und wo man ihn mit der Asche von einer Totenverbrennung und mit diesem Zauberlied hinwirft, da schläfert man alles ein.

Ich verehre die Göttin Brahmāṇī, deren Monatsfluß Gold ist, und den Gott Brahman mit dem männlichen Gliede wie ein Kuçabaum und alle Gottheiten. Ich verehre alle Büßer.20

Ich meine Gewalt sollen die Brahmanen kommen und die erdebehütenden Kshattriya, in meine Gewalt die Vaiçya und die Çūdra; immerfort sollen sie in meine Botmäßigkeit kommen.

[654] Heil, o Amilā, o Kimilā, o Vāyujārā, o Prayogā, o Phakā, o Kavayuçvā, o Vihālā, o Dantakaṭakā, Heil!

Gemütlich schlafen sollen die Hunde und alle Neugierlinge in dem Dorf. Und dieser Stachelschweinstachel, der dreiweiße, ist von Brahma geschaffen.

Denn eingeschlafen sind alle wundertätigen Heiligen. Hier habe ich über dich diese Einschläferung ausgeführt bis zur Grenze des Dorfes und bis zum Aufgang der Sonne. Heil!

Die Anwendung dieser Zauberformel ist wie folgt: Man nehme eine Ansammlung von hundert und acht Stachelschweinstacheln mit drei schwarzen (und drei weißen) Flecken,21 nachdem man sieben Tage gefastet hat, am vierzehnten Tag der dunkeln Monatshälfte und opfere mit Holzscheiten von Khadiraholz und unter Rezitation dieses Zauberspruchs im Feuer Honig und Schmelzbutter. Wo man dann einen (von diesen Stacheln) mit diesem Zauberspruch am Tor eines Dorfes oder am Tor eines Hauses vergräbt, da schläfert er alles ein.

Ich verehre den Bali und den Vairocana und den hundertlistigen Çambara, den Nikumbha, Naraka, Kumbha, Tantukaccha, den großen Asura; den Armālava und Pramīla, den Maṇḍolūka und Ghaṭodbala und den, der den (zwei Todfeinden) Kṛishṇa und Kaṃsa gedient hat, und die Paulomī, die Ruhmreiche. Mit dem Zauberlied besprechend, nehme ich glücklich die tote Predigerkrähe.

Und mögen sie siegreich sein in der Hand des Siegreichen! Verehrung sei den Stachelwesen! Heil!

Gemütlich schlafen sollen die Hunde und alle Neugierigen in dem Dorf. Gemütlich schlafen sollen die, die das Ziel erreicht haben, nach dem wir jetzt streben,22 bis durch den Sonnenuntergang Erfolg kommt, bis Reichtum als Frucht mir zufällt. Heil!23

[655] Die Anwendung dieses Zauberspruchs ist wie folgt: Nachdem man vier Tage lang gefastet und am vierzehnten Tag der dunkeln Monatshälfte an einem unentweihten Verbrennungsort ein Streuopfer dargebracht hat, faßt man mit diesem Zauberspruch eine tote Predigerkrähe und bindet sie in ein Gewandbündel hinein.24 Mitten da hinein sticht man mit einem Stachelschweinstachel, und wo man den mit diesem Zauberspruch eingräbt, da macht man alle schlafen.

Ich nehme meine Zuflucht zu Agni, zu den Gottheiten, zu den zehn Himmelsgegenden. Weggehen sollen alle und alles (was mir hinderlich ist). In meine Botmäßigkeit kommen sollen sie immerdar! Heil!

Die Anwendung dieses Zauberspruchs ist die folgende: Nachdem man drei Tage gefastet hat, lege man am Tag des Sternbildes Pushya Kieselsteinehen25 zu einem Haufen von einundzwanzig zusammen und opfere Honig und Schmelzbutter im Feuer. Darauf verehre man (die Kieselsteinchen) mit Duftwerk und Kränzen und grabe sie dann (an der Leichenstätte) ein. Am folgenden Pushyatag nehme man sie heraus, bespreche ein Kieselsteinchen (mit dem Zauberspruch) und schlage damit gegen den Türflügel. Auf den Zwischenraum26 von vier Kieselsteinchen öffnet sich die Tür.

Indem man vier Tage fastet, mache man am vierzehnten Tag der dunkeln Monatshälfte aus einem Knochen eines ertrunkenen Mannes einen Stier und bespreche ihn (jedenfalls mit dem vorhergehenden Zauberspruch). Dadurch wird ein Ochsenwagen, mit zwei Ochsen bespannt (zauberisch) herbeigezogen. Von da an fährt man (auf diesem Wagen) im Luftraum umher und verkündet alles, was Sonne und Horizont überschauen.27

O Türriegel, der du scharf riechst, wie der Unterrock und der Milcheimer einer Caṇḍālafrau, du hast ein Weiberloch. Heil dir!28

[656] Dies (d.h. dieser Zauberspruch) ist ein Mittel, Schloß und Riegel zu öffnen und schlafen zu machen.

Nachdem man drei Tage gefastet hat, pflanzt man am Pushyatag im Totenschädel eines Mannes, der mit einer Waffe getötetoder gepfählt worden ist, in Erde Asparagus racemosus und begießt ihn mit Wasser. Wenn die Pflanzen gewachsen sind, nimmt man davon, ebenfalls am Pushyatag, und dreht ein Stricklein daraus. Wenn man dieses nun vor Bogen oder Kriegsmaschinen, die mit der Sehne bespannt sind, zerschneidet, so verursacht dies die Zerschneidung der Sehne.29

Den Schlauch einer Wasserschlange füllt man mit Erde, in die eine Frau oder ein Mann geblasen hat, so daß sie sich emporhebt, das ist ein Mittel, die Nase groß zu machen.30

Man fülle die Blase eines Eichhörnchens,31 eines Hundes oder eines Ebers mit emporgeblasener Erde und binde diese dann mit einer Affensehne (an die betreffende Person). Das ist ein Mittel, Harn- und Stuhlverhaltung herbeizuführen.

Mit der Galle einer rotbraunen Kuh, die mit einer Waffe getötet worden ist, beschmiere man (mṛijyāt) am vierzehnten Tag der dunkeln Monatshälfte das aus dem Holze des Königsbaums gemachte Bildnis des Feindes (wohl: an den Augen). Das macht ihn blind.

Indem man vier Tage fastet, bringt man am vierzehnten Tag der dunkeln Monatshälfte ein Streuopfer (bali) dar und macht aus einem Knochen eines [657] mit der Waffe getöteten oder eines gepfählten Mannes Keilchen. Wird eines davon in den Kot oder den Urin (des Verhaßten) eingegraben, dann verursacht es ihm Harn- und Stuhlverhaltung. Wird es an seinem Platz32 oder Sitz eingegraben, dann tötet es ihn durch Schwindsucht. Wird es in seinem Laden, Feld oder Haus vergraben, dann schneidet es ihm den Lebensunterhalt ab.

Ebenso wie mit dieser Schmierpaste wird es auch mit den Keilchen von einem blitzversengten Baum ge macht.33

Bei wessen Haus ein Fingernagel, nach unten gekehrt (d.h. aufrecht hineingesteckt), ein Nimba und ein »Liebsüßchen« (kāmamadhu) Affenhaar und Menschenknochen, gebunden in das Gewand eines Toten, eingegraben wird, oder zu wessen Platz (Wohnstatt) man es hinbringt, wenn man sich mit ihm verfeindet hat, der wird zusammen mit Weib und Kind und Gut es nicht über drei Halbmonate hinausbringen.34

Wenn an jemandes Platz ein Fingernagel, nach unten gekehrt, ein Nimba und ein »Liebfüßchen« und ein Knochen von einem Selbstmörder35 eingegraben wird, oder am Saum eines Hauses, Heeres, Dorfes öder Stadtgebietes, da kommen die Betreffenden samt Weib und Kind und Gut nicht über drei Halbmonate hinaus.

[658] Man hole die Körperhaare von Ziege, Affe, Katze und Ichneumon, von Brahmanen, Caṇḍālas, Krähen und Eulen herbei. Wenn damit zusammen Menschenkot zerstoßen wird,36 so bringt er (dem Betr.) sofort die Vernichtung. An wessen Platz der Blumenkranz von einem Toten, Gährstoff (zu geistigem Getränk) und die Haare eines Ichneumons, der Balg eines Skorpions, einer Biene und einer Schlange vergraben werden, der hört sofort auf, ein Mann zu sein, bis dieses (Zaubermittel) entfernt wird.37

Nachdem man drei Tage gefastet hat, pflanze man am Pushyatag in den Totenschädel eines Mannes, der mit einer Waffe getötet oder gepfählt worden ist, Guñjābeeren (Abrus precatorius) und begieße sie mit Wasser. Sind sie gewachsen, so nehme man am ersten Tag der dunkeln oder am ersten Tag der lichten Monatshälfte, wenn das Sternbild Pushya in Konjunktion steht, die Guñjāranken und mache Reife (maṇḍalikāni) daraus. Die Gefäße mit Speise oder Getränk, die man dahinein stellt, nehmen nie ab.38

Zu der Zeit, wo ein nächtliches Schaufest39 vor sich geht, schneide man die Zitzen einer toten Kuh weg und verbrenne sie in den Flammen eines Festlichts. Sind sie verbrannt, dann zermache man sie zusammen mit dem Urin eines Stiers und bestreiche damit die Innenwand eines neuen Topfes. Wenn man den dreimal von rechts nach links um das Dorf trägt und dort niedersetzt, dann kommt aller Rahm der Dorfleute (zauberisch) in ihn hinein.

Am vierzehnten Tag der dunkeln Monatshälfte, wenn das Sternbild Pushya in Konjunktion steht, stoße man einen Siegelring (oder: Fingerring) aus Eisen in die Vulva eines läufigen Hundes.40 Wenn es dann von selber niedergefallen ist, nehme man es auf. Die Baumfrüchte, die man damit herbeiziehen will, kommen zu einem her.

Mit all diesen Mittelchen,41 die verbunden sind mit Zaubersprüchen und Medikamenten und denen, die zu (mit) Truglisten angewendet werden, schädige der Fürst seine Feinde und schütze sein eigenes Volk.

Fußnoten

1 vor vāmena muß man tilgen und cākshīṇi statt vākshīṇi lesen, wie der Sinn und 417, 2 zeigen.A6


2 Vielleicht eher: eine Tamarindenfrucht (āmlaka). Aus dem säuerlichen Fruchtfleisch wird das auch medizinisch gebrauchte Tamarindenmus gemacht.


3 Man lese yavān āvāsya. Vgl. 421, 4; 422, 12. Āvāsayati schiene eher einsetzen, pflanzen zu bedeuten, wo dann yavās Gerstenpflanzen sein müßten. Aber das gleich folgende virūḍha, das am natürlichsten »hervorgewachsen, aufgegangen« heißt, hat wirklich diesen Sinn, wie das parallele jāta 421, 4; 422, 12–13 beweist.


4 Yathāsvam wörtlich: je nach dem Seinigen, jedes wie ihm zukommt, je nach seiner Art. Vgl. 10, 7; 190, 9; 259, 13. Wahrscheinlich ist es zu machen wie bei dem vorhergehenden Rezept, obgleich der Ausdruck eher darauf zu deuten scheint, daß das rechte Auge mit Salbe aus rechten Augen, das linke mit Salbe aus linken bestrichen wird. Doch wäre das wohl allzu einfach.


5 Wohl weniger wahrscheinlich: »aus dem Richtblock eines Mörders«, obwohl ja auch der zauberkräftig sein muß.A7


6 Añjanī, wie man natürlich durchweg lesen muß, bezeichnet, wie ich glaube, das Salbspänchen. Tasyām añjanyāṃ nidadhyāt zeigt wohl erstens, daß man in beiden Fällen vā (sive) statt ca lesen muß. Denn sonst müßte doch auch die Verwendung der çalākā besprochen werden. Spänchen (çalākā) und añjanī (Salbspänchen) bezeichnen danach dasselbe. Zweitens, daß man wohl nyastena statt 'nyatamena setzen muß. Wozu wäre erst solch ein Wesen mit dem Salbspatelchen gemacht worden, wenn es dann mit einem Male völlig unbeachtet bleiben sollte! Man wird also übersetzen dürfen: »Wenn man sich mit einem Augenpulver, das mit diesem aufgetragen wird, die Augen salbt« usw. Tato nyasta, wörtl. »von da aus aufgetragen«, wäre dann nach der Analogie von tasyām añjanyāṃ nidadhyāt wohl in tatra nyasta zu ändern. Vgl. auch 422, 14, 18.A8


7 Svayaṃmṛita wäre eigentlich ein von selber, also eines natürlichen Todes Gestorbener. 422, 2 haben wir svayaṃgupta in ähnlicher Verbindung. Keins von beiden wird richtig sein. Daß aber an beiden Stellen ein Selbstmörder gemeint ist, unterliegt kaum einem Zweifel.


8 Aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Leichenstoß jenes Brahmanen gemeint, vielleicht aber irgendeiner.


9 Der »Schlauch einer Schlange« (ahibhastra) ist wohl ihre abgestreifte Haut. Deutlicher wäre das vorher gebrauchte nirmoka. Aufgeblasene Schlangenhaube (vgl. Hindu Tales S. 227 Anm.) kann es hier nicht bedeuten.


10 Wie viel leichter hat es da z.B. der oberbayerische Mann aus dem Volk: er legt sich das Herz einer Fledermaus unter die linke Achsel – fertig! Helene Kaff, Die Braven und die Schlimmen, Berl. 1904, S. 180.A9


11 Anuyoga. Vgl. 248, 7, 10.


12 Man erwartet neben der Riesenschlange ein Tier, das unserem »Murmeltier« entspräche. Camūkhala »die schlechten Kerle im Heer« wären eher Muster der Wachsamkeit, denn der khala lauert ja beständig darauf, einem anderen Böses zu tun oder sich doch über sein Unglück zu freuen. Soll man api ca mūrkhalāḥ lesen: »und auch wie die Dümmlinge schlafen«? Mūrkhala verhielte sich zu mūrkha wie bahula zu bahu, çītala zu çīta, bhīmala zu bhīma, madhula zu madhu. Auch die Inder schreiben den Verstandesarmen einen gesegneten Reichtum an Schlaffähigkeit zu. Vgl. meine Buch Isoldes Gottesurteil (Berl. 1914), S. 141. MBh. K. XII; 173, 36 heißt es:


Sukhaṃ svapiti durmedhaḥ svāni karmāṇy acintayan,

Avijñānena mahatā kambaleneva saṃvṛitaḥ.


»Süß schläft der Tor, an seine Werke nicht denkend, von großem Wissens- und Erkenntnis mangel wie von einer wollenen Decke eingehüllt«. Hier steht freilich das Sittliche im Vordergrund.


13 In dem klassischen Schlafzauberlied des Atharvaveda (IV, 5) schläfert ein Verliebter das ganze Haus ein, damit er sich bei dem Weibe, das er begehrt, ungefährdet Liebesfreuden stehlen könne. Die in unserm Kapitel mitgeteilten Einschläferungszauber sind alte Sprüche gewöhnlicher Diebe und Gauner. Einbrecher, nicht etwa Einschläferer feindlicher Krieger, reden. Der in unserem Çloka sprechende Langfinger kommt in seiner Phantasie gleich mit einer Unmenge Behälter und Wagen (wörtl. »mit hundert Wagenfelgen«), um seine Beute wegzuführen. Ärgerlich sind da aber die »Möbel«, die »Kisten« usw. (bhāṇḍaka, phelakā, vgl. 398, 3, 4), was im Spitzbubenrotwelsch also die Hunde bezeichnet. Vgl. unser Schachtel, altes Möbel, Drucke (schweiz. = Kiste) für Frauenzimmer. Oder bedeutet bhaṇḍ tadeln usw. zuerst etwa schreien, lärmen, bellen, und ist also bhaṇḍaka doch = bhashaka, also: der Beller, der Kläffer, der Köter?A10


14 Vielleicht ist etebhyaḥ sarvasiddhebhyaḥ Ablativ und nach eteshām anuyogena (in Zeile 1) zu verstehen: »Vor dem Manu mich verneigend und die ›Hundekisten‹ bindend, ist über dir ausgeführt dieser große Einschläferungszauber her von (d.h. der da herkommt von) den großen Zauberheiligen, die ans Ufer des Vedastudiums (adhyayana) gelangt sind, und die als Büßer auf dem Kailāsa wohnen«.


15 »O Geschmückte! O Graue!«?


16 Ich lese dvinakhāvalekhanaṃ. Vgl. zu çvapākīhastāt auch 90, 12; 151, 4.


17 Oder: »ganz allein (asaṃkīrṇe ›im Unvermischten‹) an einem Verbrennungsort«? Die Entweihung einer Leichenstätte könnte z.B. so geschehen, daß an einer für Brahmanen ein Paria verbrannt wurde. Vgl. saṃkīrna durch Kastenmischung unrein.


18 Kumārī. Auch Jasminum Sambac und großer Kardamomen wird von den ind. Lex. als Bedeutung angegeben. Es muß aber etwas sein, das die zerstoßenen Nägelabschabsel und die Bohnen besser zusammenhält. Die nächstliegende Auffassung wäre: »und lasse es von einem Jungfräulein (oder einem noch nicht geschlechtsreifen oder doch einem keuschen Mädchen) zerstoßen und Kügelchen daraus machen«. Merkwürdig scheint es, daß die bei uns so notwendigen jungfräulichen Mädchen und Jünglinge bei diesen Zaubern nicht vorkommen. Verstand sich solch eine Mittelsperson von selber? Kaum. Immerhin ist es auffällig, daß meistens, wo die Zubereitung der Zauberdinge dargelegt wird, das Kausativum steht: er lasse machen, lasse begießen, lasse vergraben usw. In der Übersetzung habe ich das nicht wiedergegeben.A11


19 D. h. wohl: mit drei weißen und drei schwarzen Flecken. Vgl. 419, 7.


20 Bei dem Grotte Brahman spielt der mächtige Phallus meines Wissens sonst keine Rolle, wohl aber natürlich bei Çiva. Aber wir befinden uns hier in einer primitiven, nicht in einer priesterlichen Welt, und der »goldene Monatsfluß« der Gattin des Brahma scheint das männliche Glied des Gottes zu fordern. Trotz der Menge sonst unbekannter Eigennamen, die uns aufgetischt wird, ist es unwahrscheinlich, daß suvarṇapushpī und kuçadhvaja solche sein sollten. Noch auch wird kuçadhvaja in diesen durchweg rohen, untheologischen Sprüchen heißen können: »dessen Abzeichen das heilige Kuçagras ist«. Ich kenne einen solchen Beinamen Brahmas nicht, obwohl er an sich denkbar wäre (vgl. z.B. Kalāvilāsa I, 68).


21 Oder etwa: »man lege 108 Stachelschweinstacheln auf einen Haufen zusammen«. Es ist höchst wahrscheinlich trikālāni vor triçvetāni verloren gegangen, sowie ashṭasaṃpātaṃ kṛitvā an die falsche Stelle geraten. Wie 420, 13–14 ziemlich sicher beweist, gehört dies nach saptarātroshitaḥ hinein. So wird auch der sonst unverständliche Akkus, çalyakāni und die ganze Stelle klar. Wörtl.: »Stachelschweinstacheln ... zu einer Ansammlung von 108 machend«.A12


22 Die glücklichen Besitzer dessen, was der Einbrecher jetzt an sich zu bringen trachtet.


23 So nach dem Text. Die holprige Metrik wäre kein Hindernis. Der Sonnenuntergang, die Nacht, hat natürlich für den Dieb nur dann einen Zweck, wenn sie ihm zum Stehlen verhilft. Aber in der ersten Vershälfte sollte man doch wohl yadarthaṃ lesen: »deren Gut wir begehren«, und in der zweiten arthaṃ in arthaḥ ändern, obgleich artha als Neutr. z.B. auch MBh. XII, 142, 14 vorkommt. Die erste Hälfte der zweiten Verszeile würde glatt durch: yāvad asti mayodayo (oder: mamodayo). Dann: »bis mir (oder: durch mich) Erfolg da ist«.


24 Lies potrīpoṭṭalikāṃ.


25 Çarkarā. Wohl eher: Harnsteine, weniger wahrscheinlich: Zuckerstückchen.


26 Heißt das: Sie öffnet sich so weit (und kann dann natürlich leicht vollends aufgemacht werden)? Oder: Nachdem man mit vier Steinchen gepocht hat, tut sie sich auf? Da hier die Zeitdauer in Betracht kommt, wäre der Akkus, richtig.


27 Ich lese da ravisandhiparikhyāti. Aber auch so bleibt der Text im höchsten Grade verdächtig und die Übersetzung völlig unsicher. Sham. bietet in der zweiten Ausg. die Variante: raviraviḥ sagandhaparighāti. Nun wird im Kauṭ. mehrere Male ra und ū sowie u und ū, noch öfter d und bh und am häufigsten p und v verwechselt. So könnte vielleicht uparigatiḥ sagandhaparighāti sarvaṃ dṛiṇāti dem Richtigen näher kommen: »Oben dahinziehend, zersprengt (verjagt, vernichtet) er alles, was seine Verwandten schädigt«. Aber auch das befriedigt nicht. – Für bhagnasya von B setze ich magnasya.A13


28 So wenn man statt kumbītumibhakaṭukasārīghaḥ liest: kumbātumbākatuka parigha. Ähnlicher dem Text wäre: kumbhatumbā – oder khumbhītumba. Dann: »scharf wie der Topf oder die Flaschengurke«. Doch wird ein Reim nötig sein. Möglich wäre da wohl auch kumbītumbī »wie der Unterrock und die Flaschengurke«. Denn statt tumbā oder tumba wird wohl auch tumbī gebraucht werden können. Zwar mag kumbhītumbī als Reim rein genug sein, aber ohne kumbā (oder kumbī) Unterrock wäre die Zote weniger brenzlich und der Ärger des Diebs über den hinderlichen Riegel nicht stark genug ausgedrückt. – Das Loch im Türriegel dient dazu, ein Strickchen oder so etwas durchzuziehen und den Riegel daran aufzuhängen (389, 10–11).


29 Wörtl. wohl: »Daher (tatas), davon ausgehend, darauf bezüglich Zerschneidung (d.h. dessen Zerschneidung) vor den Kriegsmaschinen bringt ... hervor«. Vielleicht aber doch nur das gewöhnliche zeitliche tatas.


30 Damit hätte man also buchstäblich einem anderen eine lange Nase gemacht, wie das in jener buddhistischen Erzählung von der Hetäre Kṛiçāgautamī geschieht (Schiefner, Ind. Erzählungen Nr. III, Bull, der Petersb. Akad. Bd. XXI, Sp. 485ff.): Ein junger Mann, den die käufliche Schöne ausgebeutelt und dann hinausgeworfen hat, findet ein Zauberholz, mit dessen Hilfe er des holden Mägdleins Nase zu ungeheurer Länge anwachsen macht. Zwar gelten nun mächtige Nasen in Altindien wenigstens als eine Zierde des Mannes (Weib im altind. Epos 324). Doch ein Verschönerungsmittel für Männer wird man in diesem Zusammenhang nicht suchen dürfen. Und da das vorhergehende Rezept Zerschneidung bewirkt, so möchte man übersetzen: »ein Mittel die Nase abzuschneiden« (nāsikāvardhana).


31 »Eichhörnchen« ist nur geraten für mukhagṛiha »den Mund als Haus (Gemach) gebrauchend«. In der zweiten Ausg. liest Sham. mukhagṛihaç ca. Dies ist wohl in mukhagrahaç ca zu ändern: »Und auch Mundsperre«, nämlich verursacht das im vorhergehenden angegebene Mittelchen. Im folgenden hat dann die 2. Ausg.: Varāhahastibhastrām ucchvāsa –: »Man fülle den Sack (wohl = Blase) eines Ebers oder eines Elefanten mit emporgeblasener Erde« usw.A14


32 Pade zu lesen, wie 421, 4; 422, 2, 9 beweisen.


33 Statt der Keilchen aus jenen Menschenknochen sind also auch Keilchen aus einem blitzgetroffenen Baume verwendbar. Wie schon 411, 16 zeigt, ist vidyuddagdhasya zu lesen. – Was man von selber mutmaßt, wird durch etena lepakalkena bewiesen, nämlich daß etwas bei der Zauberhandlung mit den Keilchen aus den Menschenknochen verloren gegangen ist.A15


34 D. h. natürlich: alles wird innerhalb dieser Zeit zugrunde gehen. Im Einklang mit 421, 14; 422, 2, 9 ist yaṃ pade oder yatpade (weniger wahrscheinlich yaṃ padaṃ oder yatpadaṃ) zu lesen. Dṛishṭvā »nachdem er ihn erblickt hat« mutet zu seltsam an. Ich lese dafür dvishṭvā. Noch besser schiene dveshṭā. Vielleicht muß man in pishṭvā ändern: »nachdem er (diese Sachen) zerstoßen und zusammengeknetet hat«. Oder sṛishṭvā »nachdem er sie dort hat fallen lassen«? Oder kṛishṭvā, »nachdem er es (das Bündel) hingeschleift hat«? Der Text selber könnte heißen: »oder wer es (dies Bündel), nachdem er es gesehen hat, mit dem Fuße fortstößt« (also daranstößt und es ein Stückchen hinstößt). Da schiene adṛishṭvā »weil er es nicht gesehen hat« vernünftiger und müßte man wohl in spṛishṭvā ändern: »es berührt und hinstößt«. In beiden Fällen dann yaḥ statt yaṃ. Da würde ihm also der Zaubergegenstand auf den Weg gelegt, damit er unvorsichtigerweise mit dem Fuße daran stoße und so die verderbliche Gewalt in ihn hineingeleitet werde. Aber so hinge allzuviel vom Zufall ab. Auch braucht es bei so etwas ja gar keinen körperlichen Kontakt.A16


35 Statt des sinnlosen svayaṃgupta bietet sich zunächst svayaṃlupta oder svayaṃkḷipta. Vergleicht man aber 417, 10 svayaṃmṛita, das gewiß das gleiche bedeutet, so ergibt sich für beide Stellen wohl svayaṃmlupta: »durch sich selber gegangen, – untergegangen«, ein natürlicher Euphemismus, denn der Selbstmörder ist ungeheuer unheimlich, wie wir gesehen haben. Freilich auch Gaṇ. hat svayaṃguptā und sagt, dies sei = kacchura, hier wohl Alhagi Maurorum. Danach in Übers. 658, 16f.: »Nimba, ›Liebsüßchen‹ (oder: ›Krähensüßchen‹), Alhagi Maurorum und Menschenknochen eingegraben wird«. Vgl. Schmidt, Ind. Erotik 742, 843, 844f. Svayaṃmṛita in 417, 10 (Übers. 652, 8), das Gaṇ. gar nicht erklärt, bliebe da noch dunkel.


36 Wahrscheinlich Kot des Verhaßten.


37 Oder: »der Gährungs- (Verwesungs-)stoff eines Totenkranzes«? Apurusha bedeutet wohl vor allem impotent; kaum, wie Sham. meint: that man will lose all human appearance.


38 Sie bleiben immer gleich voll. Es könnte auch heißend »die man darauf stellt«. Sham. hat circular pedestals, was auch möglich wäre.


39 Prekshā wird, wie schon gesagt, am besten mit dem engl. show übersetzt, freilich durch dieses nicht einmal ganz gedeckt. Da in Indien besonders die religiösen Aufzüge und Feierlichkeiten aller Art shows sind oder gar Jahrmärkte, so hat man an eine heilige Festhandlung, eine Prozession u. dgl. zu denken.


40 Lagnaka. Dies ist offenbar der Sinn. Ebenso wird lagnā in Nār. XI, 33 von einer »rindernden« Kuh gebraucht. Sonderbar ist das Masc.


41 Lies yogā.


A1 Hier und durchweg am Kopf der Seiten muß es »178. Gegenstand« heißen, nicht 170.


A2 Vāgulī, Gujeratī vāgul = vāgguda (M. XII, 64) eine riesige, pflanzenfressende und daher recht schädliche Fledermaus. Siehe Bühler zu G. XVII, 34. In Ind. Erot. 934, Str. 2 steht dafür valguli. Valgula, f. valguli (von valg) wird die ursprüngliche Form, vāggula und vāgulī prakritisch sein.


A3 Auch Gaṇ. hat çaribā und sagt, es sei die »schwarze Bhadrāpflanze«, also wohl die vieldeutige kṛishṇā.


A4 Pushya ist das wichtigste Gestirn für Zauber und andere Unternehmungen. Sāmavidh. II, 1, 3; Hemavijaya übers. v. Hertel II, 21 usw.


A5 Çambara, ein Daitya, ist wegen seiner Betrügerkünste berühmt. Kalāvil. III, 7.


A6 Vgl. Ind. Erot. p. 904. Am ehesten ist wohl Kot des Zauberübenden selbst gemeint. Wegen des Blumenkranzes eines Toten s. Ind. Erot. 915, Str. 2 oben und Str. 2 unten; 922, Str. 15 usw.


A7 Gaṇ.'s kāṇḍaka = bāṇa leuchtet mir wenig ein. Vgl. 415, 13ff.; 420, 18f.; 421, 12f.


A8 Nach Gaṇ. wäre añjanī das Gefäß, in welchem man Augensalbe bereitet. Nach dem folgenden zu urteilen, stimmt das kaum (vgl. bes. 417, 7). Wohl aber könnte es ein Behälter sein, in dem man Salbe aufbewahrt. Wie ich erst bei der Druckkorr. bemerke, stimmte das mit Ind. Erot. S. 904, Mitte. Dann wäre ca, das auch Gaṇ. beide Male hat, ganz am Platz. Çalākā ist das Spänchen, die Nadel (vgl. MBh. III, 35, 3 sūcī) usw., womit die Salbe ins Auge getan wird, und wie wichtig es ist, zeigt schon das oft vorkommende jñānaçalākā (z.B. Divyāv. 125; Kuṭṭan. 425; Pañcaçatīprab. ed. Ballini S. 18; MBh. I, 1, 84). Sonderbar bliebe da, daß die çalākā dann gar nicht mehr genannt würde. Die Augensalbe, die man sich selber aufträgt und durch die man unsichtbar wird, kommt oft vor (s. z.B. Tawneys Kathākoça 103; Pariçishṭap. VIII, 382ff.; Uttarajjh. p. 731, 1. ult.). Darum spricht die Schöne in Kāvyād. II, 151:


»Die Trennung ertrag ich nur dann (hast du es bedacht?),

Wenn du Augensalbe mir gibst, die unsichtbar macht,

Und mit der ich die Augen bestreiche, geliebter Mann,

Daß mich Kāma nicht sehen, mit dem Pfeil nicht treffen kann.«


Daneben gibt es natürlich gar manche andere Mittelchen, vor allem gewisse Wurzeln (z.B. in Jāt. V, 21, 25ff.; Milindap. 199; 278) und Pflanzen (z.B. in Jāt. IV, 496, 10f.). Wegen der zauberischen Augensalben zur Gewinnung des Herzens einer Person s. bes. Ind. Erot. 912ff.


A9 Andere im Abendland haben es schwerer. In Hartmanns Iwein 1203ff. ist schon ein im Ring getragener Edelstein nötig; in Charles de Costers Tyll Ulenspiegel, übers, von Oppeln-Bronikowski 88, 181 eine verdorrte Diebeshand vom Galgenfeld; in Steiermark muß einer sogar das Herz von sieben Bräuten essen (Rosegger berichtet von einem, der zu diesem Zweck schon sechs umgebracht hatte, ehe er entdeckt wurde. Volksleben in Steiermark [1905] S. 70f.) u. dgl. mehr. Wegen Indien vgl. noch Ind. Erot. S. 784.


A10 Am Ende doch so! Denn in Nītiv. 108, 9–10 heißt es: Yatinṛipativeçyācarabhaṇḍānāṃ parispando mahān, arthatas tu na kiñcana. Das kann ich nicht anders verstehen als so: »Bettelmönche, Könige, Lohndirnen, Spione und Köter machen ein großes Getue, in Wirklichkeit aber ist es ein Nichts.« In 418, 4 muß es bhāṇḍakānāṃ statt bhaṇḍakānāṃ heißen, in 418, 5 dagegen wäre dann bhaṇḍakāḥ nötig, und die »Hundekisten« entsprächen da unseren »Hundehütten« (çunakaphelakāḥ).

Mittel, die Leute schlafen zu machen, kennen die Verliebten (vgl. Kauçikas. 36, 1–4) und besonders die Diebe aller Länder eine ganze Anzahl. Übt doch schon Hermes, der Urdieb, den Einschläferungszauber bei seinem nächtlichen Werke, und zwar bereits am ersten Tag seines Daseins – er im Grunde ein Totenseelengeist, genau wie der altindische Gott der Diebe Kumāra, Skanda oder Kārttikeya. Siehe Schwab, Die schönsten Sagen des klassischen Altertums, Basler vollst. Ausg. S. 360. Aber auch indische Helden gebrauchen den einschläfernden Zauber, hier eins der astra oder Waffenzauber (nicht: Zauberwaffen!), die namentlich im MBh. häufig und vielgestaltig erscheinen. Solch ein Schlafastra, unsagbar edler als unsere heutigen Giftgasmittel im Kriege, läßt ein ganzes Heer in Dornröschenschlaf versinken. S. Raghuv. VII, 58ff.; Kirāt. XVI, 24ff.; Çiçup. XX, 32ff. Es ist wohl aufschlußreich, daß Kubera, ein Totengeisterbeherrscher, in MBh. III, 41, 38 dem Arjuna solch einen Einschläferungszauber verleiht, gerade wie Wotan, der germanische Totenseelengott, den »Schlafdorn« besitzt. Diese Einschläferungs- und Bannungsmittel der Verbrecher hat Frazer im Golden Bough eingehend besprochen.


A11 Gaṇ. sagt kumāryā = kanyakayā, also: »von einem Jungfräulein«. Er hat hastād bilakhāvalekhan aṃ und sagt bilakhās seien rattenartige Tiere, die von den Caṇḍāla gegessen würden. »Von ihnen ein Abschabsel, d.h. ein Stückchen«. Das klingt nicht recht annehmbar. Asaṃkīrne ist ihm: »an einer einsamen Stelle«. Schon das Wasser von einem Fingernagel verzaubert. Wilsons Vishnup. ed. Hall V, 160f. Jungfräuliche Mädchen sind übrigens in Kauçikas. 37, 4–5 nötig zu dem Zauber, Verlorenes wiederzufinden; ebenso in erotischen Rezepten, Ind. Erot. 866, Str. 8; 868, Str. 7 (von einer Jungfrau gesponnener Zauberfaden); 907, Str. 25 (kanyāpishṭa); 922, Str. 13 (kanyayā paripishṭa). Also gewiß auch bei Kauṭ.: »von einem jungfräulichen Mädchen zerstoßen«.


A12 Nachträglich bin ich doch zweifelhaft geworden, ob die Umstellung gerechtfertigt ist. 108 ist bekanntlich eine heilige, zauberische Zahl in Indien. S. Zachariae, Kleine Schriften 209. In Y. I, 301 nun lesen wir: »Jedem einzelnen (Planeten) aber sind 108 (Holzscheiter der ihm gebührenden Art) ins Feuer zu werfen (hotavya) mit Honig und Schmelzbutter mit saurer und mit süßer Milch zusammen.« Danach richtig: »(Man nehme) Stachelschweinstacheln mit drei weißen Stellen (also nicht: trikālāni einfügen! Wegen der Stachelschweinstacheln mit drei weißen Flecken s. Kauçikas. 29, 12). Man faste sieben Tage und opfere dann am 14. Tag der dunkeln Monatshälfte mit Scheitern von Khadiraholz und unter Hersagung dieses Zauberspruchs im Feuer, nachdem man es mit einer Anhäufung von 108 Scheitern gespeist hat, Honig und Schmelzbutter.« So im wesentlichen schon Sham. Vgl. da z.B. Ā. I, 9, 27, 1; G. XXV, 10. Freilich könnte es auch heißen: »unter Rezitation dieses Zauberspruchs, den man 108mal wiederholt.« Vgl. Vas. XXI, 6, 7; XXVII, 18; Vish. XXII, 15; LIV, 11 (108mal die Gāyatrī); oder: indem man die Spende (aus Honig und Butter) 108mal wiederholt (wozu viele Parall.). Aber wegen des Absolutivs ist keins von beiden wahrscheinlich. Die Sprache der Rezepte ist ja öfters lapidarisch barbarisch. So wird man auch in dem bald folgenden Rezept von den Kieselsteinen übersetzen dürfen: »Nachdem man drei Tage gefastet hat, am Tag des Sternbilds Pushya, Kieselsteine (nehme man). Nachdem man eine Anhäufung von 21 gemacht hat, opfere man Honig« usw. wie in 656, 15ff. Ob da mit den 21 die Steine gemeint sind oder, was wahrscheinlicher sein dürfte, die Opferscheiter, kann man nicht entscheiden. Das richtige ist da aber jedenfalls Kieselsteine, nicht Harnsteine. Kieselsteine werden zu Zauber viel verwendet. S. Kauçikas. 14, 20; 25, 26; 35, 15; 36, 22–24; 37, 3; 38, 5; 47, 46; 50, 2; 52, 14.


A13 Gaṇ. liest: Sadā raviraviḥ sagaṇḍaparighāti sarvaṃ bhaṇāti, erwähnt aber auch Sham.'s sagandha. Danach scheint es mir jetzt, als gehöre dieser Satz eng mit dem folgenden zusammen und rede vom Riegel. Baviraviḥ oder raviravaḥ könnte die von den Grammatikern gelehrte Intensivform von ru sein, also »Brüllebrüller, Kreischekreischer«. Statt bhaṇāti dürfte bhṛināti am nächsten liegen. Statt parighāti möchte ich parigho 'ti setzen. So bekämen wir: »Immer schimpft als lauter Lärmer der vollbackige (oder mit sagandha: der stinkende) Riegel los, hinaus über alles.« Wegen des ati sarvam vgl. MBh. III, 33, 20: ati sarvān »über alle hinaus«, d.h. alle übertreffend, zu schanden machend, und Weib 207, Anm. 2, wo viele weitere Belege möglich wären. Also: Allen Vorsichtsmaßregeln zum Trotz, bläst dieser Satansriegel, sowie man ihn aufmachen will, die Backen auf und legt mit verräterischem Gelärme los!


A14 Gaṇ. hat nāsikābandhanaṃ mukhagrahaç ca. Varāhabastim usw. Dann also: »Das verursacht Nasenverschluß und Mundsperre. Man fülle die Blase eines Ebers« usw.


A15 Mindestens glatt ist Gaṇ.'s kalpena statt lepakalkena: »Mit dieser Verfahrensvorschrift ist auch das Nötige gesagt von den Keilchen, die von einem blitzversengten Baumstammen.« Auch sie werden also in der gleichen Weise gebraucht.


A16 Gaṇ.'s pishṭvā vā yaṃ prapāyayet ist schlecht. Dann schon besser prapādayet »oder zu wem er es hinbringt, nachdem er es zerstoßen hat.« Noch eher: mṛishṭvā oder mṛishṭyā (vgl. 421, 11) yaḥ »oder wenn er es darauf schmierend an seiner Wohnstatt anbringt.« Aber das Totengewand gehört gewiß dazu. Alles in allem dürfte sich als beste Gestaltung aus dem vorliegenden Material ergeben: sṛishtvā (sprachlich besser sṛishṭyā) vā yaḥ (yat-) pade nayet »oder wenn man es durch Wegstecken (Hinwerfen, Liegenlassen) bei jemandes Wohnstatt anbringt«. Oder vielleicht eher: spṛishṭyā vā yaḥ padaṃ (pade) nayet »oder wer es zu einem Ort der Berührung (d.h. einem Ort, mit dem er und die Seinen viel in Berührung kommt, wie z.B. Feld, Laden, Haus usw., vgl. 421, 14–15) anbringt (verbirgt, vergräbt).« Vgl. 421, 14; 422, 2, 9, wo überall das Vergraben vorgeschrieben wird. Nachträglich ersehe ich jetzt aus Kauçikas. 47, 39–53; 48, 4; 48, 32–34, daß ich auf richtiger Spur bin; denn da werden überall Zaubergegenstände in des Feindes Haus, Feld, Stätte des hl. Feuers usw. eingegraben, um ihn zu verderben. In 48, 32 sind es Urin, Kot, Vorhaut und Hoden eines männliches Kalbes, alle zusammen mittels eines Stabes aus dem magischen bādhaka-Holz klein zerstampft. – Nach Gaṇ. wäre punarṇava Boerhavia procumbens. Diese heißt aber sonst punarṇavā, und diese Form erscheint denn auch in 423, 9. Vgl. Ind. Erot. 852ff. (die Stellen im Index unter punarṇavā). Statt kāmamadhu hat Gaṇ. kākamadhu »Krähensüßchen« und sagt, es sei ein Baum, dessen Frucht die Krähen liebten. – vielleicht ad hoc erschlossen.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 650-659.
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