Erstes Kapitel (147. Gegenstand).

Die Errichtung des Heerlagers.

[563] An einer von Baustellekundigen gebilligten Baustelle sollen der Führer (nāyaka), die Zimmerleute und die Astrologen das Heerlager errichten rund, lang oder viereckig oder je nach Maßgabe des Geländes, mit vier Toren, sechs Wegen, neun Gliederungen, ausgestattet mit Graben, Erdaufwurf,A1 Wall, Toren und Türmen für die Gefahr und den ständigen Aufenthalt. Im nördlichen Neuntel, des mittleren Neuntels soll, hundert Bogenlängen lang und halb so breit, des Königs Wohnstätte, in deren westlicher Hälfte das Frauengemach (antaḥpura) und am Saum das Heer der Haremswächter seinen Platz finden. Vorne (oder: im Osten) die Audienzhalle, rechts die Bureaus für die Geschäfte des Schatzes und der königlichen Verordnungen, links der Standort der vom Könige zu besteigenden Elefanten, Rosse und Wagen,1 in einem je hundert Bogenlängen messenden Abstand vier Umhegungen, die aus Karren, Pfosten, wie sie in der Mitte von Dreschtennen stehen, Rankengeflecht2 und Baumstammwall gebildet sind. Innerhalb der ersten Umhegung sollen vorne (im Osten) der Ratgeber und der Hauspriester sich befinden, nach rechts hin die Kornkammer und die Küche, nach links hin das Rohmaterial- und das Zeughaus; in der zweiten sei der Standort für die ererbten und die Söldnertruppen,3 für Pferde und Wagen und für den Feldmarschall; in der dritten die Elefanten, die Verbandstruppen und der »Anweiser« [563] (praçāstar), in der vierten die Fronarbeiter, der »Führer« (nāyaka), die Freundestruppen, die dem Feinde abgenommenen und die der Waldstämme, von ihren eigenen Männern befehligt;4 die Kaufleute und die Frauen, die von ihrer Schönheit leben, die Hauptstraße entlang. Außerhalb sollen sein die Jäger und Hunderudelbesitzer und die Leute, die Musikinstrumente und Feuer handhaben, und die geheimen Wachen. Gegen den Einbruch der Feinde stelle er (versteckte) Brunnen, Fanggruben und Stacheldrähte hin. Zum Schutze seiner eigenen Person richte er einen Ablösungswechsel von achtzehn Trupps (varga) ein. Er lasse auch am Tage Wache halten, um die Spione (des Feindes) zu erkennen.A2

Streitigkeiten, Trinkfestlichkeiten und Würfelspiel lasse er verbieten.A3 Und die Überwachung der vom Feldherrn ausgehenden, nicht durch besonderen königlichen Befehl angeordneten Paßzeichen für die Soldaten soll der Grenzwächter kontrollieren.A4

Vorn im Zuge marschiere gebührlicherweise der »Anweiser« (praçāstar), und er lasse die Aufnahmeorte (die Marschroute und die Lagerplätze) und die Wasserversorgung durch die Zimmerleute und die Fronarbeiter herrichten.5

Fußnoten

1 Kām. XVII, 8–9 heißt es: »Elefanten, die sich einen Namen gemacht haben und gedankenschnelle Rosse sollen, von sehr tüchtigen Vertrauten bewacht, in der Nähe der Wohnung des Fürsten untergebracht sein. Ein kampfgeschickter, großer Elefant, gerüstet und von einem Kundigen geleitet, und ein feurig rasches Pferd sollen an der Türe des Königs stehen«. XVI, 4ff. lesen wir, der König solle sich nur ganz leichtem Schlaf (yoganidrā) hingeben, so daß er beständig das Wiehern der Rosse und das Glockengetön der Elefanten, die des Nachts draußen vor dem Lager herumlaufen, hören könne.


2 Zu pratati (vratati) vgl. 368, 4, 8, 9.A5


3 Nach Kām. XVII, 6 lagern zunächst um des Königs Wohnstätte umher die ererbten Truppen, dann weiter draußen die Söldner, und so immer fort, bis zuäußerst die Waldstämme kommen.


4 Kaum: »von seinen (des Königs) eigenen Leuten befehligt«. Denn Kauṭ. selber hat uns verraten, daß die Waldstammtruppen nicht Arier zu Offizieren hatten. Auch hätten sich die Bundesgenossen sicherlich nicht derart bevogten lassen, daß sie ihr Aufgebot so dem »Eroberer« in die Hand gegeben hätten.


5 Ich fasse das sehr schwierige grahaṇāni »Aufnahmen« also = Aufnahmeorte. Seine Stellung im Satz strapaziert freilich die dichterische Freiheit, die im çloka in dieser Hinsicht nicht sehr groß zu sein pflegt, recht bedenklich. Aber das ca – ca et – et spricht für meine Auslegung, und weit schlimmer wird die Sache, wenn man, wie bisher geschehen ist, diesen Plur. als zweites Subjekt zu yāyād stellt. Auch läßt sich die natürliche Bedeutung des Wortes kaum mit lebenden Wesen vereinen. Da müßte also der praçāstar vorausziehen, die Marschroute in richtigen Stand setzen und die ersten Vorbereitungen für die Lagerung auf dem Marsche besorgen. Übersetzt man nur etwa: »er lasse die Aufnahmen und durch die Fronarbeiter und Zimmerleute die Wasserversorgung (vor allem: das Graben von Brunnen) bewerkstelligen«, dann könnte die Rede sein von der Aufnahme des nötigen Proviants. Aber den führen die Soldaten ja mit sich, oder er wird doch jedenfalls durch Furagierzüge zusammengeholt. Weniger wahrscheinlich ist wohl auch: Auskundschaftung (des Geländes), obgleich grah vom geistigen Aufnehmen, vom Kennenlernen usw. gebraucht wird.A6


A1 Genau wie hier ist auch in MBh. XIV, 64, 10 das Lager shaṭpatha navasaṃsthāna (so muß dort statt shaṭpada navasaṃkhyāna gelesen werden).


A2 Musikinstrumente und Feuer sind dazu da, das Nahen des Feindes anzukünden, die als Viehhirten u. dgl. mehr verkleideten geheimen Wachen sollen die Spione des Feindes abfangen. So Gaṇ. Er hat bloß ārakshaviparyāsa statt ātmarakshāviparyāsa und erklärt die 18 Ablösungstrupps in recht wunderlicher, ja unmöglicher Weise, denn daß die vom Feinde stammenden und die Waldstammsoldaten ebenfalls zum Leibwächterdienst des Königs verwendet worden wären, ist ausgeschlossen. Wegen der Stacheldrähte (kaṇṭakinī) s. Übers. 68, Anm. 6.


A3 Ebenso Gaṇ. Aber vielleicht besser, wie in der nächsten Zusatzanmerkung.


A4 Sham.'s Text (mit antapāla) ließ sich kaum ein annehmbarer Sinn abringen. Weit besser ist Gaṇ.'s: Mudrārakshaṇaṃ ca. Senānivṛittam āyudhīyam açāsanaṃ çūnyapālo 'nubadhnīyāt. Also: »Er sorge für die Unterdrückung von Streithändeln, von Trinkfreizeiten (vgl. 121, 13), von Festzusammenkünften und Würfelspiel; ebenso für die Überwachung der Pässe (der Soldaten, die ein- und ausgehen). Hinter Soldaten, die ohne Ermächtigung aus dem Heere heimkehren, soll sich der Hüter des vom Fürsten verlassenen Heimlands hermachen.«


A5 Nach Gaṇ. ist die erste (d.h. wohl innerste) Umhegung gebildet aus den Karren, die zweite aus einem Vorhau, der aus den Ästen dorniger Bäume besteht, der dritte aus hölzernen Pfosten, der vierte aus einem Wall. Methi soll nämlich = kaṇṭakavṛikshaçākhā sein. In der Sache klingt das gut, sprachlich erweckt es Bedenken. Oder wählte man zu jenen Pfosten, an die die Ochsen beim Dreschen gebunden wurden, absichtlich stachliche Bäume? Kaum; denn methi ist ja auch sonst ein Anbindepfosten fürs Vieh. Auch pratati in 368, 4, 8, 9 will sich nicht in Gaṇ.'s Erklärung fügen. Freilich bei meiner Auffassung scheint çāla, sogar wenn man es zu den drei anderen hinzu ergänzt, etwas müßig zu sein. Vielleicht also pratatistambha Baumstämme mit Rankengeflecht? Vgl. außer dem 21. und 22. Gegenstand auch 172, 4.


A6 Gaṇ. liest rakshaṇāni statt grahaṇāni, wohl eine spätere und leichtere Umdeutung, und er verbindet ebenso wie ich. Nach ihm muß der praçastar alle Hemnisse des Geländes und des Marsches, auch lebendige, entfernen, ist also der Oberwegbereiter.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 563-564.
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