Fünftes Kapitel (150. bis 157. Gegenstand)[576] A1.

Anordnung1 der Streithaufen der Flügel, Flanken und Front je nach der Größe des Heeres2, Anordnung der wertvollen und minderwertigen Truppen und die Kampfarten der Fußsoldaten, der Reiterei, der Wagen und der Elefantenkämpfer.

Fünfhundert Bogenlängen (vom Kampfplatz) entfernt errichte er eine Befestigung und dann gehe er in die Schlacht. Oder nach Maßgabe des Geländes. Der Feldmarschall und der »Führer« (nāyaka) sollen das Heer außerhalb des Gesichtskreises3 freimachen (für die Schlacht) und in Kampfordnung aufstellen, indem sie die besten Soldaten verteilen.4

Er soll die Fußsoldaten mit einem çama Zwischenraum (ein çama = 14 aṅgula oder etwa ein Viertel Meter) aufstellen, die Pferde mit drei çama Zwischenraum, mit fünf çama Zwischenraum die Wagen und die Elefanten. Oder er soll sie mit doppelt oder dreifach so viel Zwischenraum aufstellen; so wird man bequem, ohne Gedränge kämpfen.

Fünf Ellen (aratni) hat eine Bogenlänge (dhanus). In einer solchen Bogenlänge (Entfernung) stelle er die Bogenschützen auf, in drei Bogenlängen (Entfernung) die Pferde, in fünf Bogenlängen die Wagen oder die Elefanten.5

Fünf Bogenlängen (an Weite) hat die Fuge zwischen den Schlachtreihen (anīka) der Flügel, der Flanken und der Front. Auf ein Pferd kommen drei Mann als Mitkämpfer,6 fünfzehn Mann und fünf Pferde auf einen Streitwagen oder einen Elefanten; je ebensoviele Fuß- oder Radbeschützer7 sind den Rossen, Wagen und Elefanten beizuordnen.

Zu je drei Einheiten von dreien stelle er die Schlachtreihe (anīka) der Wagen als Front auf. Je ebensoviel als Flanke und als Flügel auf beiden Seiten. Solchergestalt werden es fünfundvierzig Wagen in einer Schlachtordnung.

Zweihundertfünfundzwanzig Pferde, sechshundertfünfundsiebzig Mann als Mitkämpfer, ebensoviele Fußbeschützer für die Pferde, Wagen und Elefanten,[577] das ist die gleichmäßige Schlachtordnung. Die Vermehrung steigt bei dieser von zwei (hinzugefügten) Streitwagen aufwärts bis hinauf zu einundzwanzig Wagen; durch solche Verstärkungen8 entstehen die zehn Formen der gleichmäßigen Schlachtordnung. Bei ungleichmäßiger Zahl (der Wagen) an den Flügeln, den Flanken und der Front gibt es die ungleichmäßige Schlachtordnung. Auch bei dieser steigt die Vermehrung von zwei (Wagen) aufwärts bis hinauf zu einundzwanzig. Durch solche Verstärkungen entstehen die zehn Formen der ungleichmäßigen Schlachtordnung. Was dann noch an Soldaten als Rest (als noch unverwendeter Überschuß) von der Schlachtordnung übrig ist, das ist zum Einschub zu machen. Zwei Drittel der Wagen (die er noch übrig hat) schiebe er unter die (anderen) Teile ein. Den Rest (also ein Drittel) stelle er in die Front. So ist der Einschub der Wagen zu machen, der um ein Drittel verkürzt ist (denn ein Drittel kann ja nie zwischen die anderen Heeresteile eingeschoben werden, weil dieses Drittel ein für allemal in die Front kommt). Damit ist auch das Nötige gesagt über den Einschub der Elefanten und der Pferde (d.h. auch bei diesen kommt ein Drittel des Überschusses ein für allemal in die Front). Soviel Einschub von Pferden, Wagen und Elefanten darf gemacht werden, als beim Kampf kein Gedränge verursacht.9

[578] Überschuß (bāhulya) an Truppen heißt Einschub, Überschuß an Fußsoldaten Gegeneinschub (pratyāvāpa), Überschuß an einem Truppenteil (aṅga) Nacheinschub (anvāvāpa), Überschuß an verräterischen Truppen Drübereinschub (atyāvāpa).10 Bis zum Vierfachen oder bis zum Achtfachen des Einschubs im feindlichen Heer und des Gegeneinschubs soll der Einschub gemacht werden, je nach der Gesamtzahl der verfügbaren Soldaten.11

[579] Mit der Schlachtwagenanordnung ist auch die Elefantenanordnung dargelegt. Oder die aus Elefanten, Pferden und Wagen gemischte: an den Heeresenden12 die Elefanten, an den zwei Seiten die Pferde, die vorzüglichsten Wagenkämpfer als Front.13 Oder eine Front aus Elefanten, die beiden Flanken aus Wagen, die beiden Flügel aus Pferden (gebildet), das ist die »Mittelspaltende«, im gegenteiligen Fall die »Endspaltende«.14

Eine Schlachtordnung nur aus lauter Elefanten aber hat eine Front aus Kriegselefanten,15 ein Hintertreffen aus Trag- oder Reitelefanten, die beiden Spitzen (koṭi)A2 aus tückischen Elefanten.

Bei einer Reiterschlachtordnung besteht die Front aus Gepanzerten, die zwei Flanken und Flügel aus Ungeharnischten (çuddha).

Bei einer Fußsoldatenschlachtordnung sind vorn solche mit Schutzwehr, hinten Bogenschützen. Ungeharnischte Fußsoldaten auf den beiden Flügeln, Pferde auf den zwei Seiten (Flanken), Elefanten hinten, Wagen vorne, oder nach Maßgabe der Schlachtordnung des Feindes auch Umtauschung, das ist die Verteilung eines Heeres von vier Truppengattungen.16 Damit ist auch das Nötige gesagt über die Verteilung eines Heeres von drei Gattungen.

Die Vollkommenheit eines Heeres ist: Kerntruppen und Vorzüglichkeit der Mannschaft, der Elefanten und der Pferde: gute Abstammung, gute [580] Art (jāti), mutig festes Wesen, kräftiges Lebensalter, Körperstärke, Körperschnelle,17 Feuer, Kunstgeschicklichkeit, Standhaftigkeit, Stolz,18 Gehorsam und Begabtheit mit glücklichen Körpermerkmalen und gutem Betragen.

Ein Drittel der Fuß-, Reiter-, Wagen- und Elefantentruppen19 von der ersten Güte (sāra) stelle er in die Front, zwei Drittel in die Flanken und Flügel auf beiden Seiten in natürlicher Ordnung (anulomam), die Truppen von zweiter Güte (anusāra) in umgekehrter Ordnung (pratiloman), die von dritter Güte (tṛitīyasāra) und die wertlosen (ebenfalls) in umgekehrter Ordnung. So soll er alle zur Verwendung kommen lassen.

Die wertlosen Streitkräfte an die Enden (anteshu) stellend, wird er zu einem, der durch sein Ungestüm niederrennt.20 Die Streitkräfte von der ersten Güte vorne hinstellend, möge er die der zweiten Güte an die Spitzen (an die Hörner, koṭi) tun, hinten hin die von dritter Güte, in die Mitte die geringsten; dann wird er ein Widerstandsfähiger.21

Hat er die Schlachtordnung aufgestellt, dann soll er mit nur einem oder zweien von diesen (fünf Teilen): Flügel, Flanken und Front angreifen. Mit den übrigen soll er den Empfang ausführen.22

[581] Was beim Feinde schwach oder von Elefanten und Pferden entblößt ist23 oder verräterische hohe Befehlshaber (amātya) hat oder selber aufgewiegelt ist, auf das schlage er mit viel Truppen von der ersten Güte los. Oder was den allerbesten Heeresteil des Feindes bildet, auf das schlage er mit doppelt so viel Truppen von der ersten Güte los. Den Heeresteil, der in seiner eigenen Streitmacht wenig Kernvolk hat, den stärke er durch viel Mannschaft. Wo dem Feinde leicht Abbruch geschehen kann,24 nahe dahin stelle er die Schlachtordnung auf, oder von wo Gefahr droht.

Anrennen, Herumrennen (um den Feind), Hinüberrennen (durch den Feind hindurch), Wegrennen, verwirrendes Niederwerfen,25 Umschließung wie mit einer Spange,26 Geschlängel, Kreisen, Aus- oder Herumschwärmen, Sich wieder Zurückwenden, Beschützung der Überwältigten die Linie entlang, vorne, an den Flanken und im Rücken27 und Verfolgung der Überwältigten (Feinde), das sind die Kampftätigkeiten der Reiterei.

Mit Ausnahme von Aus- oder Herumschwärmen eben diese (und dazu:) Niedermachung der vier Truppengattungen, seien sie nun einzeln oder vereinigt, Zerbrechen der Flügel, Flanken und Front, Überfall und Überrumpelung im Schlaf, das sind die Kampfarten der Elefanten.28

Mit Ausnahme von verwirrendem Niederwerfen eben diese (und dazu) auf ihnen günstigem Gelände Anrücken (gegen den Feind), Zurückweichen und Kämpfen im Stillstehen, das sind die Kampfarten der Kriegswagen.

An allen Orten und zu allen Zeiten Einhauen und die Ausübung der »stillen Strafgewalt«, das sind die Kampfarten der Fußsoldaten.

[582] In dieser Weise soll er die Schlachtordnungen, die geraden und die ungeraden, machen lassen,29 bis die Stärke der vier Truppengattungen (der Aufgabe) entsprechend wird.

Zweihundert Bogenlängen weggerückt, soll sich der König als Reserve aufstellen, indem er die Geschlagenen zusammenrafft und stützt. Deshalb soll er nicht ohne Reserve eine Schlacht liefern.30

Fußnoten

1 Wörtl.: Einteilung, dann: Einordnung, Anordnung (vibhāga).


2 Balāgratas. Wegen agra Gesamtzahl, Größe vgl. 62, 12; 64; 129, 13; 142, 4. Jolly übersetzt: »dem feindlichen Heer gegenüber«, Stein (Meg. u. Kauṭ. 163) »an der Spitze des Heeres«. Beide Auffassungen sind Einwänden ausgesetzt.A3


3 Der Feinde.A4


4 Damit überall im Heer Leute da sind, die ein gutes Beispiel geben. Nach der gewöhnlichen Bedeutung von mukhya freilich eher: »indem sie die Offiziere verteilen«, d.h. jeden zu seiner Schar stellen, was mir etwas wunderlich, d.h. als allzu selbstverständlich vorkommt.


5 Zwischen je zweien von diesen stehen dann die gleich genannten Fußsoldaten.


6 Pratiyoddhar eig. Gegenkämpfer, Entsprechungskämpfer, zukommender Kämpfer, also zugeteilter Kämpfer.


7 Pādagopa. Auch die Räder der Streitwagen heißen im Epos Füße (pāda).


8 D. h. zwei Streitwagen werden zu der ursprünglichen Dreiereinheit hinzugefügt, das gibt dann eine Einheit von fünf; zu dieser wieder zwei gibt eine solche von sieben, und so hinauf, bis die zehnte oder stärkste Einheit einundzwanzig Wagen umfaßt. Ich verstehe also evamoja als Kompos, und oja = ojas: »so gekräftigt, so verstärkt«. Freilich im Schluß -çloka des Kapitels bedeutet oja dem Anschein nach wie gewöhnlich »ungerade«. Danach sollte man dann wohl übersetzen: »So entstehen (so gibt es) mit solchen ungeraden Einheiten (von 3, 5, 7, 9 usw. Wagen) gebildet, zehn Formen der gleichmäßigen Schlachtordnung«.


9 Die Ausdrücke vyūha und anīka bereiten Schwierigkeiten. Vyūha bedeutet Aufstellung eines Heeres oder Heeresteils, dann auch die aufgestellten Truppen selber. Ähnlich verhält es sich bei anīka, das ursprünglich Gesicht bedeutet, dann scharfe Seite eines Schneidewerkzeugs; mithin entspricht es der acies oder Schlachtreihe. Ein anīka umfaßt, abgesehen von den Kämpfern zu Wagen, Elefant und Pferd, die Kauṭ. nicht zählt, 810 Mann. Fünf solcher anīka, nämlich Front, zwei Flügel und zwei Flanken hat der vyūha, mithin 4050 Mann, Dazu kämen die Krieger zu Pferd, Elefant und Wagen. Wenn also Stein meint, der vyūha »dürfte als taktische Einheit eine legio repräsentieren«, so sieht das auf den ersten Blick sehr bestechend aus. Ein anīka wäre nun freilich etwa doppelt so groß wie eine Kohorte. Immerhin könnte man für anīka Kohorte setzen. Aber hört man dann, daß ein vyūha in seiner höchsten Steigerung sogar 28350 »Mitkämpfer« und »Fußbeschützer«, also alles zusammen über 30000 Mann, umfassen kann, ja daß unter diese gewaltige Menge noch zahlenmäßig geradezu unbegrenzter »Einschub« eingefügt werden kann, so ist es klar, daß wir es hier auch nicht entfernt mit einer taktischen Einheit im gewöhnlichen Sinne zu tun haben, und daß Ausdrücke wie Legion, Division usw. für vyūha unstatthaft sind. Dasselbe gilt für anīka. Vyūha ist eigentlich nur die Aufstellung in einem bestimmten Verhältnis der Truppengattungen zueinander und in einer bestimmten geometrischen Form und anīka die Schlachtreihe, wie am besten übersetzt wird. Nach Kauṭ.'s Grundschema gibt es also zehn Formen der gleichmäßigen Schlachtordnung, von denen die erste oder schwächste ohne die Einschübe 4050 Mitkämpfer und »Fußschützer«, 225 Pferde, 45 Wagen, 45 Elefanten und die Besetzung der drei letztgenannten in sich schließt. Dazu kommen dann neun weitere Formen, numerische Steigerungen der Musterform, deren letzte siebenmal stärker ist als die Grundgestalt. Das ergäbe, wie schon gesagt, 28350 Mitkämpfer und Fußbehüter, ferner 1575 Pferde, 315 Wagen und 315 Elefanten, wozu dann noch all die Kämpfer auf diesen Streitwagen, Pferden und Elefanten hinzukommen und all die Einschübe. So erhalten wir für einen einzigen vyūha die Möglichkeit jener 40500 Mann, die Stein, freilich durch ein Mißverständnis, auf zehn vyūha herausrechnet, oder etwa die Zahl der indischen Kämpfer in der Porusschlacht. Trotzdem ich also Stein in den berührten Punkten nicht zustimmen kann, muß ich doch nachdrücklich auf seine Ausführungen hinweisen und kann mir darum weiteres ersparen (Meg. u. Kauṭ. 163ff.).

Nachzutragen wäre noch Folgendes. S. 370, 18 ist dvirathottarā statt dviratho einzusetzen, wie bei der Darlegung der ungleichmäßigen Schlachtordnungen richtig steht. Der Satz pakshakakshorasyānām ato vishamasaṃkhyāne usw. heißt eigentlich: »Bei einer davon verschiedenartigen Anzahl usw.«, was hier im Grunde der bequemeren »ungleichmäßigen Zahl« gleichkommt. Gemeint ist: verschieden davon ist die Zahl und nicht gleichmäßig in der Verteilung: 3 X 3 usw. Also z.B. kann da die Front aus mehr Dreiereinheiten bestehen als die Flanken und die Flügel. Die Vermehrung der einzelnen Dreiereinheiten erfolgt aber genau in derselben Weise wie bei den gleichmäßigen Schlachtordnungen. Stein faßt ato als »weiter, ferner«. Das macht die Sache einfacher. Aber dann sollte ato am Anfang des Satzes stehen. Mit den (an deren) »Teilen« (aṅga), in welche zwei Drittel der Wagen und der Elefanten einzuschieben sind, müssen hier die zwei Flanken und die zwei Flügel gemeint sein, wie denn auch Çaṅk. in der Erläuterung von Kām. XX, 40 darlegt.


10 So nach der gewöhnlichen Bedeutung von bāhulya (»Menge, Fülle«) und nach Kām. XX, 40. Mir scheint aber doch, ich hätte bei meiner ursprünglichen Übersetzung bleiben sollen: »Verstärkung des Heeres (überhaupt, oder daṇḍa = daṇḍabala, ›der regelrechten oder Haupttruppen‹) heißt Einschub; Verstärkung der Fußsoldaten Gegeneinschub; Verstärkung verräterischer Truppen (wohl: durch treue) Drübereinschub«. Möglich auch: »Verstärkung durch regelrechte Truppen heißt Einschub; Verstärkung durch Fußsoldaten Gegeneinschub« usw. Da würden dann Verräter unter Getreue gesteckt. Das Sanskrit ist gerade so doppelsinnig wie die wörtlichen deutschen Übersetzungen »Fußsoldatenverstärkung« usw. Lies pattibāhulyaṃ statt pattyabāhulyaṃ (371, 5).A5


11 Auch der »Gegeneinschub«, d.h. die »Fußsoldatenverstärkung«, wird der des feindlichen Heeres sein. Sachlich schiene hier »Wiedereinschub« (pratyāvāpa), also neuer Einschub, weit besser zu passen. Trotz der häufigen indischen Unsitte, in einem Atem zwei verschiedene Bedeutungen eines Wortes zu verwenden, habe ich aber doch diesen Sprung gescheut. Übrigens wäre vielleicht meine ursprüngliche Übertragung richtiger: »Nach Maßgabe des Einschubs der Feinde und ihres Gegeneinschubs (Wiedereinschubs) soll der Einschub bis zum Vierfachen oder bis zum Achtfachen (des Regelrechten oder Ursprünglichen) gemacht werden« usw. Warum aber dann nicht parāvāpavaçena (vgl Zeile 15–16)?A6


12 Wohl kaum: »an den Räderenden« (cakrānteshu), d.h. bei den Wagen, neben oder hinter ihnen.


13 Oder: »die vorzüglichsten: die Wagenkämpfer«. In dieser ganzen Darlegung zeigt Kauṭ. trotz seiner Vorliebe für die Elefanten, daß die Streitwagen als wichtigste Truppengattung galten. Wenn er die Wagen nennt, schließt er ja öfters die Elefanten stillschweigend mit ein. Auch sagt Kām. XX, 39: »Fehlen die Wagen, so stelle er überall Elefanten hin«. Leider ist nicht klar, wie die hier behandelte Aufstellungsform heißt. Denn vyāmiçra »gemischt« scheint doch die Gesamtbezeichnung zu sein für alle die verschiedenen aus den hier angegebenen Truppengattungen zusammengesetzten Aufstellungen, und sollte vyāmiçra den Namen einer einzigen bilden, dann erwartet man es am Ende der Beschreibung mit iti. Der Text wird also kaum in Ordnung sein.


14 Vgl. Kām. XX, 38: »In der Mitte (d.h. an der Front) die Pferdeschlachtreihe, an den zwei Flanken aber die Wagenschlachtreihe und an den Flügeln die Elefantenschlachtreihe, das gilt als sie endspaltende Schlachtordnung«. Die Wagen bleiben also sowohl bei der mittespaltenden (madhyabhedin) als bei der endspaltenden (antabhedin) an den Flanken; nur die Pferde und die Elefanten tauschen die Stelle, während bei der erstgenannten (vyāmiçra geheißen?) die Wagen vorne sind und die Pferde in den Flanken (pārçva = kaksha, Zeile 15).


15 Oder: »Eine nur aus Elefanten (gebildete) ist ungeharnischt: die Front von Kriegselefanten« usw. Lies aupavāhyāmāṃ. Çuddha »rein, unvermischt« heißt auch: »ungepanzert«.


16 Ich lese caturaṅgabalavibhāgaḥ. Was man mit dvyaṅga- auch für Auswege suchen mag, immer stößt man gegen die Mauer. Freilich auch so ist nicht alles völlig glatt. Soll man statt »ungeharnischte Fußsoldaten« setzen: »lauter Fußsoldaten«?A7


17 Daß varshma statt varsha gesetzt werden muß, ist klar. Aber Kām.'s varshmavegitā zerlegt, Çaṅk. in varshma = mahākāyatā und vegitā = javas. Dann: »Größe des Leibes, Schnelligkeit«.


18 Udagratā könnte auch »Höhe«, also Größe, hoher Wuchs sein. Çaṅk. versteht darunter »Hochbrüstigkeit« oder »Hochgewachsenheit«, wenn ich sein unnatapūrvakāyatā richtig verstehe. Kām. XX, 8.A8


19 »Wagen«, »Pferde« und »Elefanten« sind bei Kauṭ., wie z.B. im Epos und wie ja ganz natürlich ist, öfters auch die Bezeichnung für die betreffenden Kämpfer. Suvyañjanācāratā wäre da also das Dvandva suvyañjanācāra + tā. So faßt es auch Çaṅk. in seiner Glosse zu Kām. XX, 9. Grammatisch näher läge und besser der Gleichförmigkeit der übrigen Glieder entspräche etwa: Begabtheit mit wohlbekundetem guten Wandel. Aber das erregt leise Bedenken in sachlicher und lexikalischer Hinsicht. Vgl. 407, 2.


20 Vegābhihūliko bhavati wird die richtige Lesart sein. Vegābhihūlita hieße: durch Ungestüm überrannt. Mit abhihūl vgl. huḍ, hūḍ, sowie huḍa Widder und zugleich ein im MBh. öfters erwähntes Kriegsgerät, von dem Nil. zu III, 15, 5 eine Erklärung gibt.A9


21 Oder: »dann wird es eine widerstandsfähige (Schlachtordnung)«? Nach dem Text von B: »dann wird es etwas Widerstandskräftiges«.


22 Pratigṛihṇīyāt. Das schiene natürlicherweise zu heißen: »mit den übrigen soll er den Feind (des Feindes Angriff) empfangen«, besonders da ja pratigrah auch oft (dem Angriff des Feindes) widerstehen bedeutet. Aber der Feind greift doch die ihn Angreifenden an. Sodann bezeichnet pratigraha auch die Reserve, den Entsatz, frische Truppen. So 364, 3; 373, 3, 10; 427, 6. Bei Kām. S. 298 lesen wir: »Das Heer, das die Reiter und die übrigen Truppen, wenn sie zerbrochen sind, empfängt, ist als der ›Empfang‹ (Empfänger pratigraha) bekannt. Der aber soll stark genug für seine Aufgabe gemacht werden.« Vgl. XX, 15: bhinnaṃ ca pratigṛihṇīyāt und die letzte Strophe unseres Kapitels. Demnach wäre also der Sinn: mit den übrigen soll er den zersprengten, weichenden oder geschwächten Teil seines angreifenden Heeres aufhalten, verstärken und wieder in den Kampf führen; also: die übrigen sollen Reserve sein.


23 »Weggegangene, geschwundene El. und Pf. habend.« Oder wohl eher: »in welchem die El. und Pf. erschöpft sind«. Man lese mit 398, 13 vītahastyaçvaṃ und vgl. das dortige dūshyāmātyaṃ, daṇḍam wegen amātya. Danach ist wohl dūshyāmātyaṃ zu lesen.A10


24 Oder: »wo der Feind einen Schwund, eine Schwächung zeigt«.


25 Unmathyāvadhāna. Es scheint damit ein rasches, in Verwirrung setzendes Erschüttern oder Vertreiben aus der Stellung gemeint zu sein. Ist vielleicht apadhāna zu setzen und dies = Vertreibung?


26 Valaya wörtl. Reif, Ring, Spange, vgl. 374, 8; gomūtrikā (Bilden einer) Ochsenpißlinie.


27 Prakīrṇakā »Ausgestreutheit« wäre nach der gewöhnlichen Bedeut. von prakīrṇa etwa »Verschiedenartiges« (Sham. miscellaneous operations). Aber das hat doch wohl gar zu wenig Sinn. Das folgende ist noch unsicherer. Heißt es: »Beschützung der Zerbrochenen, ob sie nun den Rücken wendend oder die Linie entlang oder vorne oder in den Flanken oder hinten fliehen«? Diese ganze Aufzählung kommt einem überflüssig vor. Also vielleicht: Umherschwärmen mit Rückenkehren (in verstellter Flucht), die Reihen entlang, vorn, an den Seiten und hinten, Schützung der Überwältigten usw.A11


28 Lies vyastānāṃ samastānāṃ vā.


29 Mit »gerade« und »ungerade« kann nichts anderes gemeint sein als mit »gleichmäßig« und »ungleichmäßig«; denn nur diese Schlachtordnungen hat das Kapitel dargelegt. Wie schon erwähnt, stammen diese Namen daher, daß bei dem gleichmäßigen Typus die Front, die zwei Flügel und die zwei Flanken gleich viele Dreiereinheiten zählen, nicht aber beim ungleichmäßigen. Also paßt paarig und unpaarig gerade so gut. Übrigens hätten wir eine weit bessere Zusammenfassung dessen, was das Kapitel behandelt, wenn wir yugmāṃç ca in yuddhāni änderten und übertrügen: »die Schlachtordnungen, die Verstärkungen (ojān) und die Kampfarten ausführen lassen«.


30 Der Text bei Kām. XX, 14–15 und in Çaṅk.'s Komm, ist glatter. Gleichbedeutend mit ihm wäre aber wohl bhinnasaṃghātanaḥ, wie man vielleicht lesen muß. Bhinnasaṃghātanaṃ »als Zusammenschließung der Zersprengten« geht aber auch zur Not.A12


A1 In der Überschrift und am Kopf der Seiten bis 582 muß es heißen: 155. bis 157. Gegenstand.


A2 Koṭi »Spitzen« = pakshau »Flügel«. So nach Gaṇ.


A3 Die Flügel (pakshau) sind nach Gaṇ. die vorderen Außenspitzen (bahiḥ purastāt koṭyau) des aufgestellten Heeres, die Flanken (kakshau) die hinteren »Innenseiten« (paçcādantaḥpārçve), die Front (urasya) die »Mitte« (madhya).


A4 Mokshayati »freimachen«, das Gaṇ. nicht erklärt, bedeutet wohl, daß dabei die Truppen »gelöst«, nicht in festen Ordnungen, sondern durcheinander sind; also etwa: »gelöst antreten lassen« (statt »freimachen« in Zeile 9). Nach der allzu ritterlichen Lehre von MBh. XII, 100, 27 ist es unrecht, mokshe den Feind anzufallen.


A5 Gaṇ.'s Erklärung ist dieselbe wie meine in Z. 37f. Zur Aufhellung von atyāvāpa bringt er nichts Brauchbares vor; auch hat er natürlich kein Wort von »regelrechten Truppen«.


A6 Die nächstliegende und meine allererste Übersetzung lautet sogar: »Je nach dem Einschub bei den Feinden, je nach dem gegnerischen Einschub soll der Einschub bis zum Vierfachen oder zum Achtfachen gemacht werden, nach Maßgabe der verfügbaren Truppen.« Diese Auffassung finde ich jetzt bei Gaṇ. wieder. Für sie spricht natürlich schon das Fehlen des hinter pratyāvāpād. Ob aber pratyāvāpa hier in so völlig ungewöhnlichem, wenn auch an sich natürlichem Sinn stehen kann? Und sodann, welch schauerliche Logik! Dabei kein vā! Gaṇ. ergänzt es zwar hinter vibhavataḥ, aber törichterweise. Denn dann müßte doch gemeint sein: vierfach oder achtfach, je nachdem man es sich in Anbetracht der eigenen Truppenzahl leisten kann.


A7 Hinter çuddhāḥ also vor pattayaḥ (Z. 15–16), gehört der Punkt hin. Somit lautet die Übers, in Z. 12ff.: »Bei einer Fußsoldatenschlachtordnung sind vorn solche mit Schutzwehr, hinten Bogenschützen. Das sind die unvermischten (Schlachtordnungen). Fußsoldaten auf den beiden Flügeln, Pferde« usw. Merkwürdig mutet es da freilich an, daß trotz der Bogenschützen »unvermischt« gesagt wird. Diese sind wir gewohnt, uns auf Streitwagen vorzustellen. Die erste Hälfte der Anm. 4 fiele also dahin.


A8 Gaṇ, sagt, es sei = ucchṛitamukhatva. Er setzt einen Punkt hinter puṃsām, und das wird richtig sein. Dann also: »Die Vollkommenheit eines Heeres besteht in Kerntruppen, was die Mannschaft anlangt, die Vorzüglichkeit der Elefanten und Pferde in: reiner Abstammung, guter Rasse, mutig festem Wesen, kräftigem Lebensalter« usw.


A9 Gaṇ. liest vego 'bhihuto bhavati, erwähnt aber als Lesart des Mādhava 'bhihato. Diese zweite klingt natürlich genug: »das Ungestüm des Feindes wird zurückgeschlagen, wenn man die wertlosen Streitkräfte an die Enden stellt«. Die Schärfe des Ausdrucks läßt aber sehr zu wünschen übrig; außerdem glaube ich nicht, daß Kauṭ. je das Absolutiv so gebraucht. Abhihuto ist schauerlich künstlich, sonst aber dem abhihato gleich. Das unverstandene abhihūlika hat wohl zu abhihuta und dies zu abhihata geführt.


A10 Gaṇ. wie im Text oben. Nach Nīl. zu MBh. VI, 71, 36 hätten wir auch dort in vīta den asāragaja. Aber er mißversteht die Stelle. Vītam ādadire heißt: »(die in Angst versetzten Elefanten) rissen die Leitung an sich«, nahmen die Hemmung, die sonst von Fuß und Haken des Lenkers ausgeht, weg, d.h. liefen davon, wie der Zusammenhang und Çiçup. V, 47 mit Mall.'s Scholion beweisen.


A11 Gaṇ.'s Glossen geben zum Teil andere Bedeutungen der term. tech. Nach ihm ist atisṛita (»Hinüberrennen«) nadelgleiches Anrücken, das Feindesheer in der Mitte durchspaltend; apasṛita in derselben Weise (mit dem gleichen Manöver, kaum: auf demselben Wege) wieder hinausdringen; unmathyāvadhāna wieder an einem Ort sich aufstellen, nachdem man mit vielen Pferden den Feind dahin und dorthin aus der Stellung geworfen und zerbrochen hat; valaya in zwiefacher Nadelformation andringen; gomūtrikā in geschlängelter Weise verfahren; maṇḍala (»Kreisen«, eig. Kreis) einen Teil des feindlichen Heeres abschneiden und ihn umzingeln; prakīrṇakā alle (die genannten) Manöver gemischt anwenden(!); vyāvṛittapṛishṭha (»sich wieder Zurückwenden«) nachdem man sich zurückgezogen hat, wieder das atisṛita ausführen; anuvaṃça dem eigenen Heere, das sich gegen den Feind kehrt, nachrücken; nach anderen: mitten im Dreinhauen aus dem Kampf ins eigene Heer zurückkehren. Dann folgt: Beschützung der Überwältigten vorn, an beiden Seiten und hinten (indem die Reiterei um sie her wirbelt). In Nītiv. 84, 2–3 heißt es: »Anrennen (Ansturm, saraṇa), Wegrennen (apasaraṇa), also: sich rasch Zurückziehen), Überfall und Zersprengung der feindlichen Schlachtreihen, das ist die Aufgabe der Pferde.«


A12 Vgl. Nītiv. 122, 2–5: »Nicht ohne Reserve (pratigraha) gehe er in die Schlacht. Nachdem man den Scheinkönig (1. rājavyañjanaṃ u. vgl. Kauṭ. 366, 12) an die Spitze gestellt hat, fassen Kerntruppen, vom König befehligt, hinten Posto. Das ist die Reserve. Da ist das dem Feinde entgegengestellte Heer (pratibala) vorzüglich imstande zu kämpfen. Im Rücken ein Gelände mit Befestigung und mit Wasser (zu wissen) ist ein großer Trost für das Heer (im Kampf). Wird jemand von einem Strom dahingerissen, so ist schon der Anblick eines Menschen, der am Ufer steht, für ihn ein Mittel (ein Ansporn), am Leben zu bleiben.«

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 576-583.
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