Achtundzwanzigstes Kapitel (45. Gegenstand).

Der Schiffsaufseher.

[197] Der Schiffsaufseher soll den Betrieb der Meeresschiffahrt und der Befahrung von Flußmündungen und die Fähren über die natürlichen und die künstlichen Seen und über die Flüsse bei den Kreisstädten (sthānīya) und an anderen Orten überwachen.1

Die Dörfer an den dafür in Betracht kommenden Meeresküsten und Gewässerufern sollen eine feststehende Steuer entrichten. Die Fischfänger sollen den sechsten Teil (ihrer Beute) als Bootszins entrichten. Die Kaufleute sollen den den Häfen zukommenden Zollanteil entrichten, Fahrtmiete die, die mit des Königs Schiffen auf den Meeren fahren.2

[197] Die Muschel- und Perlenfischer sollen Schiffszins bezahlen oder auf ihren eigenen Schiffen kreuzen. Ihr Aufseher hat ähnliche Pflichten wie der über die Edelsteinfundgruben (vgl. Kap. 12 des II. Buchs, besonders 82, 11 ff.; 84, 11 f.).

Der Schiffsaufseher soll sich nach den Festsetzungen3 des Hafenaufsehers und nach den Ortsbräuchen der Kaufmannshäfen richten.

Eines von widrigen Winden bös mitgenommenen Schiffes4 soll er sich wie ein Vater annehmen. Von Waren, die das Wasser beschädigt hat,5 soll er gar keinen oder doch nur halben Zoll erheben. Und im Einklang mit ihrer Vorschrift soll er solche Schiffe zu den Zeiten, die für die Hafenausfahrt geeignet sind, (ihres Weges weiter) schicken.

Von Meerschiffen,6 die in sein Gebiet kommen, soll er den Zoll verlangen. Seeräuberische7 soll er wegtreiben, ebenso solche, die von Feindesland herüberkommen, und solche, die die Bräuche der Handelshäfen verletzen.

Große Schiffe, die geleitet werden von einem Kapitän, einem Steuermann, einem Ankerwerfer und einem Ausschöpfer,8 soll er auf den großen Flüssen, die Winter und Sommer befahrbar sind, in Gang setzen; kleine auf den kleineren, die nur in der Regenzeit Zufluß haben.

Und unter strenge Regelung soll das Übersetzen über die Flüsse gebracht werden, aus Furcht, daß solche übersetzen, die dem König Feindliches unternehmen.9 Wer zur Unzeit und wer an einem Orte, wo weder (regelrechte) [198] Furt noch Überfahrt10 ist, hinübergeht, der zahlt die niedrigste Sāhasastrafe. Wer zur richtigen Zeit und an einem Kreuzungsort,11 aber ohne besondere Erlaubnis übersetzt, entrichtet 263/4 paṇa als Kreuzungsbuße. Keine Buße gibt es für Fischer, Holz- und Grasträger, die Pfleger von Blumen-und Fruchtgärten, Gemüsegärten und Rindern, sowie für solche, von denen man annehmen kann, daß sie eilends als Boten nachgesandt worden sind,12 für Leute, die mit ihren eigenen Fahrzeugen übersetzen, falls sie zur Beförderung von Sachen (bhāṇḍa) für das Heer angestellt sind, und solche, die zu den am Wasser gelegenen Dörfern Samen, Eßwaren und Geräte hinschaffen.

Brahmanen, Asketen, Kinder, Greise, Kranke, die Überbringer eines königlichen Befehls oder Erlasses und Schwangere sollen auf die Stempelmarken des Schiffsaufsehers hin (unentgeltlich) übersetzen dürfen.

Leute von fremden Ländern oder ganze Karawanen sollen erst hineindürfen, nachdem ihre Zulassung geordnet ist. Festnehmen lassen soll er: den, der eines andern Gattin, Tochter oder Vermögen davonführt, einen Verdächtigen, einen, der Angst zeigt, einen übermäßig Aufgeregten, einen, der sich durch eine Last auf dem Kopfe, die viel Sachen enthält, selber versteckt, einen Büßer, der rasch sein religiöses Abzeichen hervorholt oder gar keins besitzt, einen, der ein unbemerkbares Leiden hat, einen, den die Furcht aus dem Geleise geworfen hat, einen, der heimlicher Weise eine wertvolle Ware, einen Auftrag, eine Waffe oder ein Feuermittel mit sich führt, einen, der Gift bei sich hat, und einen, der von einer weiten Reise kommt, aber keinen Paß besitzt.13

[199] Ein kleines Haustier und ein Mensch, der etwas an der Hand trägt, soll einen māsha (als Fährgeld) geben. Einer, der eine Last auf dem Kopfe oder auf den Schultern14 trägt, ein Rind und ein Pferd zwei. Kamel und Büffel vier. Ein leichtes Gefährt fünf. Ein rinderbespanntes sechs. Sieben ein Lastwagen (çakaṭa). Eine Traglast Kaufmannswaren einen viertel māsha. Damit ist das Nötige über die Gütertraglasten gesagt.15

Doppelt ist das Fährgeld auf großen Flüssen.

Die Dörfer am Wasser sollen (den Fährleuten) festgesetzte Nahrung und Löhnung geben.

An den Grenzen sollen die Fährleute Zoll, Geleitsgebühr und Wegmaut erheben. Überschreitet sie jemand ohne Paß oder Stempelmarke, so sollen sie ihm seine Sachen wegnehmen.

Wird jemand auf einem Schiffe mit zu starker Belastung oder zu verkehrter Zeit, oder da, wo keine Überfahrt ist, übergesetzt, oder kommt das Schiff zu Schaden, weil es ihm an Mannschaft oder Ausrüstung fehlt, oder weil es überhaupt nicht fahrtüchtig ist, so muß der Schiffsaufseher ihm für das, was zugrunde oder verloren geht, aufkommen.16A1

[200] Zwischen dem siebenten Tage nach der Vollmondsnacht des Monats Āshāḍha und der Vollmondsnacht des Monats Kārttika soll der Fährenaufseher den Arbeitern eine (besondere) Zuwendung (pratyaya) gewähren und ihren ständigen Tagelohn ihnen verabfolgen.17

Fußnoten

1 Die am Meere gelegenen Flußmündungen brauchen größere Schiffe. Darum werden sie von den Flüssen selber unterschieden. Devasaras wäre der nächsten Bedeutung des Wortes nach wohl ein heiliger See, ein Wallfahrtssee und visaras ein Vogelsee, ein See, auf den viel Vögel sind. Aber das alles paßt hier nicht. Devasaras ist also mit daivakṛita beim durga (51, 1, erster Satz von Buch II, Kap. 3) devakhāta (taḍāga etc.) Manu IV, 203; Nār. IV, 305; Yājñ. I, 159; Vish. LXIV, 16 usw. und mit devamāṭrika (240, 7) zu vergleichen, visaras mit vilavaṇa verfälschtes Salz (84, 18); vimāṃsa unkoscheres Fleisch (226, 3); vibhūmi ungünstiges Gelände (364, 8); vairājya Fremdherrschaft (323, 11 f.). Nach diesen und anderen bekannten Beispielen wie videça und vimārga, die alle eine Abweichung vom Natürlichen einschließen, läßt sich auch visaras künstlicher See erklären. Nach Gaṇ. wäre devasaras ein großer See, der immer Wasser hat, visaras ein kleiner, der austrocknet.


2 Lies naukābhāṭakam und im Folgenden naubhāṭakam (wie Gaṇ, hat) und vgl. 98, 8. Mit yātrāvetana vgl. das gleich folgende yātrākāla. Das Wort weist also auf Bezahlung einer einzelnen Fahrt. Ob aber das Heuern ganzer Schiffe oder einfach das Fahrgeld eines Einzelnen gemeint ist, läßt sich kaum entscheiden. Nach Sham. und Stein (S. 147) wäre zu übersetzen: »Reisende auf des Königs Schiffen sollen Fährgeld geben«. Der Zusammenhang wiese aber eher auf Kaufleute, die keine eigenen Schiffe haben und die des Königs Schiffe mieten und mit diesen reisen oder hin- und herfahren (saṃpatantaḥ vgl. 21, 14; 145, 7).A2


3 Oder: »den Eintragungen, Buchungen« (nibandha)?


4 Der Text ist kaum ganz in Ordnung. Es ist vielleicht mūḍhavātāhatatāntam, oder wegen des folgenden etāḥ möglicherweise – tāntaḥ zu lesen: »von widrigen Winden getroffen und in Not gekommen«.


5 Wörtlich: »ins Wasser gekommen« oder: »vom Wasser gepackt«.


6 Mit saṃyāti (Part. präs., lies saṃyātrī?) Meerschiff vgl. saṃyāna Fahrt auf die hohe See, Meerschiffahrt 126, 2; 298, 8 und die bekannten saṃyātrā, saṃyātrika.


7 Oder vielleicht einfach: »gefährliche, feindlich überfallende«, was dann solche einschlösse, die vom Feinde gesandt sind. Doch besteht da kein wesentlicher Unterschied.


8 Dātra, das Sham. und Gaṇ. in der Bedeutung »Sichel« fassen, Sorabji mit »Bootshaken« und Stein mit »Strick« übersetzt, hat wohl seinen bekannten Sinn; dātraraçmigrāhaka »Sichel- oder Krummmesserseilhalter, Hakenseilhalter« scheint = Ankerwerfer zu sein. Adhishṭhita, das bei Kauṭ. oft vorkommt, heißt wohl auch hier nicht »bemannt«, obwohl es z.B. Rām. II, 89, 16 so gebraucht wird, sondern wie sonst im Arthaçāstra »geleitet«. Die wichtigsten Leute auf den Schiffen wären also: Kapitän, Steuermann, Ankeraufseher und Oberhaupt der Ausschöpfer. Statt niyāmaka hat C niryāmaka Pilote und Bhaṭṭ. wohl ebenfalls, da er sagt: »einer, der mit allen Straßen vertraut ist«. Auf Flüssen sind tüchtige Piloten sehr nötig. Oder es verrichtet doch der »Steuermann« dessen Dienste.


9 Oder: »Unter strenge Regelung sollen ihre (der Schiffe) Landungstreppen (Landungsstege) gestellt werden«? Tīrtha »Furt« bezeichnet hier alle Übergänge (Fährenwege, Überfahrten). Vgl. z.B. tīrtha = Wanderung, Hinüberziehen MBh. IV, 29, 3. Das Wort bezeichnet aber auch einen Abstieg zum Wasser, also auch zu Schiffen, mithin eine Landungstreppe oder eine Landungsbrücke. So faßt es Gaṇ. Im Sinne kommt beides auf dasselbe hinaus, aber tīrtha und atīrtha im Folgenden machen sich natürlicher in der ersten Bedeutung, und etāh in Zeile 19 kann man an sich auf die vorhergehenden großen und kleinen Flüsse oder auf die Schiffe beziehen. Aber da atīrtha 139, 3 nur »Nichtfurt, Nichtübergang« heißen kann, so wird es auch hier nicht anders sein.


10 Also kaum: Landungssteg, Landungsbrücke.


11 Also kaum: Landungssteg, Landungsbrücke.


12 Möglich auch: »solche, von denen man annehmen kann, daß sie Boten nacheilen«, oder: »daß sie Boten oder Nachjagende sind«. Bhaṭṭ. sagt: »solche, die hinter Sachen, welche von Dieben gestohlen worden sind, und hinter Königsboten herjagen«. Wie der Text so ohne weiteres das heißen kann, ist mir dunkel. Behaupten, daß er als das und das gesandt werde, kann jeder. Also gilt es zuzusehen. – Auch hier ist wohl gopāla einfach = Hüter, Pfleger. Die Rinderhirten passen nicht recht hierher. Da fielen also wohl die »Pfleger von Rindern« weg.


13 Sārthapramāṇa »den Umfang einer Karawane habend« oder: »für den die Regeln von Karawanen gelten«. Anders alle Inder. Kṛitapraveça, »dem der Eintritt erlaubt ist, der die Zulassungsgebühr entrichtet hat« usw. (vgl. 225, 5), hieße gewöhnlich: »den Eintritt bewerkstelligt habend«. Danach vielleicht Sham.'s Übersetzung: »Fremde Kaufleute, die das Land oft besucht haben«. Daneben scheint seine Wiedergabe »those who are well known to local merchants« aus der Erklärung des Bhaṭṭ. herausgesponnen zu sein. Dieser liest sārdhapramāṇa. Das könnte man zur Not so verstehen: »zusammen mit anderen Autorität, also Berechtigung, Erlaubnis bekommend«. Sein kṛitapraveçārdha aber verrät die Auffassung: »durch solche, die schon früher hereingekommen sind, eine Hälfte habend«, also halb aus solchen bestehend, die schon früher dagewesen sind. Es wäre nun möglich sārthapramāṇa, das auch Gaṇ. hat, so zu verstehen: »in ihrer Reisegesellschaft eine Richtschnur, ein Entscheidungsmittel darbietend«. Das wäre ein Gebrauch von pramāṇa, wie wir ihn 111, 18 gefunden haben. Dann ergäbe sich die Übertragung: »Leute aus fremden Ländern sollen nur dann zugelassen werden, wenn sie schon früher im Lande gewesen sind oder ihre Reisegesellschaft eine Bürgschaft für sie bildet«. Aber wie kämen da die ersten ins Land? Soweit ich mich erinnere, kommt auch in der Erzählungsliteratur, die doch viel von der Ankunft fremder Kaufleute berichtet, nie eine solche Vorsicht vor. Endlich tut diese Auslegung der Wortstellung unnötig Gewalt an.

Udbhāṇdīkṛita könnte gut mit āvigna zusammengerückt werden: »einer, der bestürzt ist, wenn er seine Sachen hat ablegen müssen« (zum Zweck der Besichtigung). Gaṇ. sagt, es heiße: eine übergroße Last tragend. Das Wort erscheint aber 144, 17 wieder und kann dort in keiner der angegebenen Weisen verstanden werden. Es scheint mir also unserem »entrüstet« ähnlich zu sein: aus dem Geschirr gebracht, aus dem Häuschen, gerätlos, ratlos.A3 Alakshyavyādhita (wohl von alakshya und vyādhitā, wenn man nicht -vyādhika lesen will) ist nach den Indern einer, der eine Krankheit heuchelt. Aber nach Stellen wie 145. 10 ff.; 212, 16 wäre eher wahrscheinlich: einer der ein Leiden (eine Verletzung usw.) versteckt. Ob der bhayavikārin so »alteriert ist«, daß er nur große Aufregung zeigt, oder geradezu krank ist (etwa gar mit so drastischer Bekundung seiner Furcht, wie wir sie mehrere Male in der Erzählungsliteratur zu hören, sogar zu riechen bekommen), erhellt aus dem Ausdruck nicht. Über die »Feuermittel« (agniyoga Feuerpräparate) werden wir besonders im 14. Buch noch Näheres erfahren.


14 Kāyabhāra, während die Handlast hier bloß mit bhāra ausgedrückt wird.


15 Bhāṇḍabhāra. Der Unterschied zwischen diesen und paṇyabhāra »Traglast von Kaufmannswaren« ist mir nicht klar. Auch wenn man bhāṇḍa etwa im Sinn von Geräte versteht, ist wenig geholfen Gaṇ.'s bhāṇḍabhāra = mahishosḥtrādivāhya will mir nicht in den Kopf. Höchstens könnte ich da altindisches Rotwälsch bhāṇda = Hund als unzureichende Stütze erblicken. Man könnte wegen 110, 13 bhāṇḍa = Güterpack verstehen. Aber sogar dort wird diese Unterscheidung zwischen paṇya und bhāṇḍa nicht festgehalten. Eine »Traglast« (bhāra) im engeren Sinn ist nach 104, 4 = 20 tulā (1 tulā = 100 pala, 1 pala = 4 karsha, 1 karsha = 11,375 franz. Gramm nach dem PW). Das ergäbe also 91 Kilo für eine »Traglast«.


16 Die Stellung des ca und der ganze Satzbau sprechen dafür, daß man den Punkt nach hareyuḥ tilge und ihn hinter tarataç ca setze. Dann: »so sollen sie ihm seine Sachen wegnehmen; ebenso wenn jemand mit zu schwerer Last, zu verkehrter Zeit oder da, wo keine Überfahrt ist, übersetzt. Kommt ein Schiff zu Schaden, weil es ihm usw.« (im folgenden fiele da »ihm« aus). Aber wir haben doch eben vernommen, daß die erste Sāhasastrafe den Sünder trifft, der zur Unzeit oder am unrechten Orte kreuzt. Hier soll ihm sogar an der Grenze einfach das beschlagnahmt werden, was er mit sich führt! Das mag ja viel mehr wert sein als 48–96 paṇa, aber auch weit weniger. Nun heißt es jedoch auch 110, 4: »Die Strafe für stempellose Güter beträgt das Doppelte des Zolles«. Hier scheint es, als ob ihm Stempelloses einfach weggenommen würde. Also kommt vielleicht an der Grenze, wo die Sache besonders wichtig ist, die Konfiskation zu der ein für allemal geltenden sonstigen Strafe hinzu. So mag diese zweite Übertragung, die überdies dem Texte Gaṇ.'s entspricht, doch die richtige sein.


17 Wie das 6. Kapitel des 2. Buches vorschreibt (64, 2 ff.), beginnt die jährliche Abrechnung der Beamten im Monat āshāḍha. Kārmika bedeutet bei Kauṭ. sonst Arbeiter, Angestellter. Aber es könnte ja auch heißen: »auf die Arbeit, auf das Geschäft bezüglich«. Pratyaya »das jemand Zufallende« ist schon besprochen worden. Also könnte man auch übersetzen: »Zwischen ... soll der Fährenaufseher das bei seinem Geschäfte (oder: ›durch oder bei seinen Angestellten‹) Eingekommene abgeben, und fortwährend soll er die tagtägliche Einnahme (seiner Unterbeamten mit ihren Angestellten) an sich ziehen (einsammeln).« Da hätte also der Schiffsaufseher die besondere Vergünstigung, daß er mehrere Monate Zeit für seine Berichterstattung bekäme. Die angegebene Zeit ist die nasse in Indien. Da gibt es besonders viel Arbeit für den Schiffsaufseher und für seine Angestellten. Gaṇ.'s Erklärung ist sehr gezwungen.A4


A1 Die Haftbarkeit der Bootsleute, wo etwas durch ihre Schuld zerstört wird, lehrt auch M. VIII, 408, wo dann in 409 hinzugefügt wird, wenn es den Schiffern durch höhere Gewalt schief gehe, dann treffe sie keine Strafe. Ebenso muß überhaupt ein Warenbeförderer (vāhaka) ein verlorenes oder zugrunde gegangenes Stück ersetzen oder bezahlen, außer wenn König oder Schicksal eingreift. Hindert er dessen Versendung, dann leistet er das Doppelte des Lohnes als Strafe – auch ein Stück aus dem Kapitel Streik, Boykott und Sabotage in Altindien. Siehe N. VI, 8–9; Y. II, 197.


A2 Daß Kaufleute, sogar ganze Gesellschaften, sich für ihre Meerfahrten Schiffe mieten, scheint aus dem Jātaka hervorzugehen. Strabo berichtet, daß die Schiffbauer nur für den König gearbeitet hätten und von ihm unterhalten und besoldet worden wären, und daß der König seine Schiffe vermietet habe. Mookerji, Indian Shipping S. 102–103. Aber auch andere Leute hatten Schiffe, wie Kauṭ., G. X, 33 und andere Stellen beweisen. Kein Fähr- oder Schiffsgeld bezahlen nach der Smṛiti: die Schwangeren, die Brahmanen, die Wald- und die Wanderasketen, die Wallfahrer, die Vedaschüler. N. XVIII, 38; M. VIII, 407; Vish. V, 132. Da für Fährgeld auch die Wörter çulka und kara gebraucht werden, oder doch diese öfters das Fährgeld miteinschließen, indem sie eben alle Abgaben bezeichnen, so kommen wohl aus anderen Quellen hinzu: die Frauen und Mädchen aller Kasten, noch nicht mannbare männliche Kinder, Blinde, Stumme, Kranke oder irgendwie körperlich oder geistig nicht Normale, Königsdiener, Schutzlose (anātha) und Çūdra, die vom Fußwaschen leben müssen. Ā. II, 10, 26, 10ff.; Vas. XIX, 23. Besonders wenn man Vas. XIX, 23 mit unserer Stelle vergleicht, wird es klar, daß auch Vas. so verstanden werden muß und dann natürlich ebenso Ā. Dieser führt in 17 als letzte Klasse auf: ye vyarthā dravyaparigrahaiḥ. Bühler übersetzt nach Haradatta: And to whom the acquisition of property is forbidden (as Saṃnyāsins). Aber die Büßer (tapasvinas) haben wir ja schon in 14. Es wäre nun möglich, unter diesen nur die vānaprastha oder Waldsiedler zu verstehen. Aber in Vas. XVIII, 20 heißt es: Avyarthāḥ striyaḥ. Das bedeutet dem Zusammenhang und Ā. II, 10, 26, 10–11 nach: »Abgabenfrei sind die Frauen.« Da nun bei Ā. öfters das a privat, fehlt, wo es stehen, müßte und umgekehrt auch fehlt, und hier ja nur der so unendlich häufige Wegfall des avagraha in Betracht käme, so schlüge ich ye 'vyarthā vor: »und solche, die wegen ihrer Güter und Besitztümer abgabenfrei sind«, d.h. besonders solche, die steuerfreie Schenkungen und Stiftungen genießen. Vgl. auch Übers. 171, 26–32 und die Zusatzanmerkung dazu.


A3 Vgl. auch nirākāra one who has lost countenance, verwirrt, verdutzt (MBh. XII, 333, 18).


A4 Füge hinzu: Sie geht gewiß auf Bhaṭṭ. zurück und hat jedenfalls auch auf Sham.'s Übersetzung eingewirkt, ebenso auf die Wiedergabe bei Radhakumud Mookerji, Indian Shipping, S. 108, der S. 104ff. Kauṭ.'s Schiffskapitel bespricht: »During the period from the seventh day of Āshāḍha till the month of Kārtika, i.e. when rivers are swollen owing to rains, the crossing of rivers by state or licenced fernes was strictly enforced.« Mookerji versteht also wohl die erste Hälfte des Çloka so: »Zwischen ... Kārttika ist die Überfahrt (gilt die Überfahrt)«, nämlich für die königlichen Boote. Daß aber in der übrigen oder trockneren Zeit die Kähne und Schiffe des Fürsten nicht hätten benützt werden müssen, ist undenkbar und widerspricht Kauṭ.'s eigenen Worten (siehe namentlich Übers. 198, 14–17). Nun bedeutet bei Kauṭ. pratyaya am Ende eines Kompos., abgesehen von der dunkeln Stelle 61, 13, wo man aber in Anbetracht von 93, 15; 94, 8 mit Gaṇ. pratyāya wird setzen müssen, sonst immer: beruhend auf, abhängig von, entschieden Werdend durch (166, 2; 176, 20; 184, 3; 186, 17–18; 331, 13 und sonst, sowie z.B. in M. VIII, 262; Vas. XVI, 13f.). Demnach hieße kārmikapratyaya »auf seinen Angestellten fußend« und sollte es in der Übersetzung meiner Anmerkung heißen: »das auf ihnen Fußende (d.h. das bei ihnen Eingekommene, wie sie es ihm übermitteln)«. Nun aber könnte ich tara Fährmann und dann: Oberaufseher der Fähren sonst nicht belegen. Am bekanntesten ist ātara (also antarā + ātara) »Überfahrt« und »Überfahrtsgeld«. Man lese darum ātaram statt ātaraḥ: »Zwischen ... Kārttika liefere er das Überfahrtsgeld ab, wie es von seinen Angestellten kommt (weil er ja in dieser geschäftigen Zeit besonders viele haben und sich da ganz auf sie verlassen muß), und fortwährend soll er die täglichen Einnahmen an sich ziehen.« Oder, was noch besser schiene: »Zwischen Kārttika verschaffe er (den da besonders zahlreichen Kunden) Überfahrt, fußend auf Angestellten (d.h. Überfahrt, die er für alle dadurch möglich macht, daß er für den außergewöhnlich großen Fährenverkehr genügend Leute in den Sold nimmt), und fortwährend« usw.

Wegen dieses Schiffskapitels verweise ich besonders auf Radhakumud Mookerjis aufschlußreiche Monographie Indian Shipping (A History of Indian Shipping and Maritime Activity from the Earliest Times 1912). Besonders interessant sind die aus dem Yuktikalpataru mitgeteilten Angaben über die verschiedenen Arten der Boote und Schiffe (S. 19ff.). Leider bleibt der für das Ganze so wichtige Sinn von rājakasta ganz dunkel. Mookerji entscheidet sich dafür, daß rājan 16 bedeute. Über die durch Wörter ausgedrückte Zahlenbezeichnung geben Burnell, South Indian Palaeogr. S. 77f. und Bühler, Altind. Paläographie S. 80ff. näheren Bericht. Da sie nach Bühler nicht nur in Inschriften und sternenkundlichen Werken, sondern vereinzelt auch in arithmetischen und prosodischen vorkommt, könnte sie in dem recht späten und von einem ungeschickten Gelehrten zusammengestellten Yuktikalpataru nicht besonders befremden. Erscheinen sie doch auch in der Çukran. (z.B. IV, 7, 98 ist hasta = 5; IV, 4, 92 tithi = 15; IV, 4, 381 veda= 4). Aber es ist klar, daß unter die Schiffe hier wie anderwärts auch die Kähne und Nachen gerechnet werden. Von der kleinsten Art nun heißt es da: Rājahastamitāyāmā, tatpādapariṇāhinī, tāvad evonnatā naukā kshudreti gaditā budhaiḥ. Nach Mookerji beträgt da also die Länge 24 Fuß, die Breite 6 und die Höhe ebensoviel. Das ist undenkbar. Die Hälfte wäre vollauf genug, besonders für die Länge. Und dann erst 6 Fuß Höhe auf 6 Fuß Breite! Im Lichte namentlich des Gewicht- und Maßkapitels bei Kauṭilya und auch schon an und für sich sieht nur »Königselle« natürlich aus. Der gewöhnliche hasta hat bei Kauṭitya wie anderwärts 18 Zoll; dann nennt er noch vier besondere Arten, von denen der »für den Zimmermann und königliches Eigentum« beinah zweimal so lang ist wie der alltägliche. Setzen wir also der Einfachheit halber den rājahasta gleich zwei gewöhnlichen, dann erhalten wir einen Kahn von 12 Fuß Länge, 3 Fuß Breite und 3 Fuß Höhe. Das sieht weit vernünftiger aus und mag so einigermaßen richtig sein. Freilich erregt solche Schlankheit für Altindien Bedenken. Auf jeden Fall aber wird auch aus dem Yuktakalpataru klar, daß die alten Inder tüchtige Seefahrer waren, obgleich die Beschiffung des Meeres für das brahmanische Denken eine böse Sünde bedeutet (B. II, 1, 4 = II, 1, 2, 2; vgl. I, 1, 20 = I, 1, 2, 4) und auf irgendeinem Schiffe oder Kahn weder der Veda rezitiert, noch gegessen werden darf, natürlich weil beides magisch gefährlich, also dem religiösen Bewußtsein anstößig wäre (Vas. XIII, 19; M. IV, 120; Vish. XXX, 18; Y. I, 151; Ā. I, 5, 17, 6). Unheil abwehren und Glück herbeiziehen sollten gewiß auch die Bildwerke und Figuren an den Schiffen und Schifflein, wie sie der Yuktikalpataru angibt. Die Fahrzeuge, besonders wohl die größeren, waren mit Schiffsschnäbeln versehen, die in die jedenfalls geschnitzte Darstellung von allerhand Tieren und von Menschenköpfen ausliefen, und waren mit Gold, Silber, Kupfer usw. geschmückt, je nach der Art des Schiffes, und verschiedenfarbig angestrichen. In buntem Farbenspiel waren die Sonne (? brahman) und andere Figuren daraufgemalt, die wie Vierspitze, Dreispitze und Einspitze aussahen (?). Ebenso sind ja auch in Rām. II, 89, 11–12 die Fahrzeuge mit Svastikafiguren, großen Glocken und Fahnen versehen, lauter zauberkräftigen Dingen. Eine Reihe von Einzelheiten, die dem Kauṭ. entsprechen, gibt M. VIII, 404–409.

An die königlichen Fähren angegliedert hat Vas. seine ganze Lehre von den Abgaben an die Krone, was wegen der Wichtigkeit der Fähren für den Zoll sehr begreiflich erscheint. Da dieser Abschnitt (XIX, 13ff.) viele Schwierigkeiten enthält und bisher sehr ungenügend, ja zum Teil gar nicht übersetzt worden ist, während er doch sehr bedeutsame Einzelheiten, bedeutsam auch für das Arthaçāstra, enthält, so wage ich hier eine neue, z. T. von Bühler stark abweichende Wiedergabe. »Gewichte und Maße für die dem Haushaltungswesen nötigen Dinge sollen vom König überwacht werden (13). Für die Kontrolle aber keine Abgabe (keine Eichungsgebühr), wo es sich um Dinge für den eigenen Gebrauch (nicht um Kaufmannswaren) handelt (14; vgl. auch Çukran. IV, 2, 253f.). Was mit der Eichungsgebühr zu tun hat, soll sich einzig auf den Preis der Meß- und Wägegeräte beschränken (d.h. diese verkauft der König, wie bei Kauṭ. und darin besteht seine Einnahme für Maße und Wagen) (15). Vom Fußpunkt zweier Hauptstraßen gehe eine Fähre aus (16). Ein Schiff für die Fahrt aufs Meer soll zehn Wagenladungen tragen, das doppelte (eines Fluß- oder Landseeschiffes) leisten (17). Bei jedem Fährplatz seien Wasserschuppen (18). Bei den Männern soll ein Mindestmaß von 100 (wohl Kauri) abgabepflichtig sein (also nicht nur zur Steuer, sondern auch zu Fährgeld verpflichten) (19). Nicht des Guts beraubt (d.h. abgabenfrei) sollen die Frauen sein (20). Steuer (hier wohl: Fährgeld) sollen sein: die kākīni, der māsha ... der Viertel-kārshāpaṇā, der kārshāpaṇa (21). Die Fähre muß wasserfrei und gegen Diebstahl gesichert sein (amoshya, wörtlich Stehlbares nicht habend) (22). Keine Abgaben (also im besonderen kein Fährgeld) geben: der vedagelehrte Brahmane, der Königsdiener, der Schutz- und Hilflose, der Asket, das Kind, der Greis, der Jüngling (d.h. der Vedaschüler) und der Verkürzte (d.h. der an Körper oder Geist nicht Normale) (23). Den Vortritt (vor anderen Überfahrenden) haben junge (noch nicht geschlechtsreife?) Mädchen, und die Gattinnen von Männern, die um Lohn gedungen sind (oder wohl eher: verheiratete Frauen, die um Lohn arbeiten müssen) (24). Wer mit seinen Armen über ein Gewässer hinübersetzt, muß das Hundertfache (des Fährgelds) zahlen (25). Die Nutznießung von Flüssen, von Dickicht mit Gestrüpp, von Waldschwendenland (vanadāha) und von Bergen soll frei von Abgaben sein (26). Leute aber, die davon einen Verdienst (Gewinn) haben, sollen sie geben (27). Jeden Monat (einmal) soll er (der König) die in (eintägiger) Fronarbeit bestehende Steuer leisten machen (28)«. In 14 und 15 fasse ich nīhāra = nirhāra Eichung, sei es nun, daß das Wort ursprünglich eine Herausnehmung oder Durchlochung oder doch punching, also eine Art Abstempelung, bedeutet, sei es die Wegnahme, d.h. Abgabe oder Steuer für die Eichung. Für mahāmayayoḥ in 16 setze ich mahāpathayoḥ. Ob man statt des dunkeln pathaḥ nun plavathaḥ, das ich sonst freilich nicht kenne, oder plavaḥ oder tīrthaḥ liest, immer bekommt man »Fähre«. Wo also an jeder Seite eines Gewässers eine Hauptstraße »aufsitzt« oder »ruht«, da soll eine Fähre sein. Was 17 anlangt, so hätten wir da zwar keine sehr großen Meerschiffe, dafür aber wohl desto altertümlichere. Nach Plinius faßten die indischen Schiffe zu seiner Zeit ungefähr 75 einfache Tonnen. Vielleicht aber ist mit vāha eine größere Last als die Wagenfuhre (Vgl. MBh. XII, 288, 30) gemeint. Ob āhavayet in 19 ein Denom. von āhava ist, also »einfordern« bedeutet, oder ob man āvāhayet (vgl. z.B. N. VIII, 5; Vish. III, 64; V, 195) »leisten, zahlen« lesen soll, weiß ich nicht; beides läuft auf das gleiche hinaus, auf das āgamayet von 28. Sehr verstümmelt liegt wohl 21 vor. Stecke nun in karāsh ṭhīlā ein mir unbekanntes Wort oder nehmen wir kara ashṭhīlā an, immer scheint eine ganz kleine Münze gemeint zu sein, vermutlich die Kaurimuschel, die viele Namen hat und ganz wohl auch ashṭhīlā »Steinchen« heißen könnte. Ob wirklich mit den 100 in 19 die Kaurimuschel gemeint ist, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Als geringster abgabepflichtiger Wert erscheint bei M. (X, 120) der kārshāpaṇa, also nach der gewöhnlichen Rechnung 80 Kaurimuscheln, ebenso am Ende auch in Vas. XIX, 37. 100 māsha wäre zu menschenfreundlich für den Abgabenmoloch. Wasserfrei muß das Boot ja selbstverständlich sein. In Indien ist dazu noch Wasser, das in ein Fahrzeug eindringt, magisch gefährlich oder nicht koscher (Vas. XIV, 36). Statt Führers prajāta muß in 23 mit Bühlers MSS. pradāta gelesen werden. Ich nahm auf Grund des Wortes selber die Bedeutung »abgeschnitten« an, d.h. verkürzt an Körper oder Geist, und fand meine Vermutung dann bestätigt durch Ā. II, 10, 26, 10ff. und M. VIII, 394f. Pradāta bezeichnet also zunächst Kranke, dann Blinde, Taube, Stumme usw. Dasselbe geht aus Vas. XI, 7 hervor, wenn man dies sūtra mit den Parallelen vergleicht, die ich im Weib im altindischen Epos S. 117, Anm. 3 zusammengestellt habe, wenn auch nicht vollständig. In 24 ließe uns N. XVIII, 38 die Brahmanen erwarten. Um so besser, daß Vas. vernünftiger ist. Vielleicht sind mit kumāryas überhaupt alle »Mägdlein« gemeint, nicht nur noch nicht mannbare. Die von mir angesetzte Bedeutung von prāggāmika ist an sich vollkommen natürlich. Aber Vas. XVII, 62 scheint prāggāmin wirklich in dem gewöhnlich angenommenen Sinn zu stehen; denn paragāmin in XIII, 52 heißt: (durch Heirat) auf einen anderen übergehend. Aber das genügt nicht, meine Annahme auszuschließen. Da in 20 schon alle Frauen als abgabefrei erscheinen, wäre es befremdlich, wenn hier besondere namhaft gemacht würden. Außerdem bieten die doch zahlreichen Parallelen von den akara, handle es sich nun um Abgaben im allgemeinen oder um solche bei den Fähren, rein nichts Entsprechendes für die »widows who return to their former families«.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 197-201.
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Peter Schlemihls wundersame Geschichte

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In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.

56 Seiten, 3.80 Euro

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