Siebentes Kapitel (25. Gegenstand).

Das Geschäft der Buchführung im Rechnungsamt.

[86] Die Rechnungskammer soll ihr Oberverwalter nach Westen oder nach Norden schauend, mit unterschiedlichen Abteilungen, mit einem Aufbewahrungsort für die Eintragungsbücher1 errichten lassen.

Da soll er ins Eintragungsbuch einschreiben lassen: die Zahl der Ämter (oder Bureaus) und die Gesamtheit all dessen, was von ihren Betrieben zusammen gekommmen ist; die genauen Angaben über Gewinn, Verlust, Ausgaben, Dreingaben,2 Vergütungsgebühren (vyājī Ort der Verwendung, Lohn [86] und Fronarbeit der Fabriken bei der Verarbeitung ihrer Materialien; Preis, Muster3, Nachprüfungsmaß und -gewicht, Umfang, Gewicht und Höhe4 und Behälter bei Edelsteinen, wertvollen und minderwertigen Rohstoffen; Gesetze, Geschäfte (oder: Verkehr), Bräuche und Zustand der Gegenden, Dörfer, Kasten, Familien und VerbändeA1; Empfang von Vergünstigungen, Zuweisungen (pradeça), Nutznießungen (bhoga), Steuerbefreiungen, Unterhalt und Lohn derer, die vom Königsdienst leben; Empfang von Edelsteinen und Land durch des Königs Gemahlinnen und Söhne5 und Gewinn, den diese haben von Gegenmitteln (religiösen und zauberischen Zeremonien) gegen üble Vorzeichen und Vorhersagungen,6 und alles was in Friedensbündnissen mit Freunden und in kriegerischen Unternehmungen gegen Feinde hingegeben oder empfangen worden ist.

[87] Darauf soll er vermittels der Eintragung7 vorweisen: aller Ämter zu Leistendes, Erledigtes, Restliches, Einnahme und Ausgabe, Kassenbestand, »Hinzutritt«,8 Brauch und Zustand der Betriebe (die ihnen unterstehen). Und für die höchsten, mittleren und niedrigsten Geschäfte soll er je einen Aufseher einsetzen, der darin Fachmann ist;9 bei Geschäften, die eine Menge Dinge und Personen umfassen, einen als passend Erachteten, bei dem es der König nicht bereuen muß, wenn er ihn zur Rechenschaft zieht.10 Mitteilhaber, Bürgen, von dem betreffenden Geschäft Lebende, Söhne, Brüder, Gattinnen, Töchter und Diener von ihm (d.h. von solch einem hohen Beamten) sollen für Veruntreuung in seinem Geschäfte aufkommen.

Dreihundert und vierundfünfzig Tage und Nächte sind ein Arbeitsjahr. Dieses, das mit dem Monat Āshāḍhī endetA2, soll er danach als unvollständig oder als voll berechnen. Die Arbeit des Schaltmonats soll er unter die Oberaufsicht des betr. Bureaus stellen.11 Und die Betriebe unter die Oberaufsicht der Beschleicher.12 Denn ein Vorgesetzter, der sich über[88] Gang13 und Zustand der Betriebe nicht Kunde verschafft, bewirkt durch seine Unkenntnis, daß Einkünfte wegfallen, und zwar: durch Faulheit, wenn er kräftiger Tätigkeit und der Mühsal nicht gewachsen ist; durch Unachtsamkeit, wenn er sich den Sinnendingen, wie den Tönen usw. hingibt;14 durch Furcht, wenn er Angst hat vor dem Geschrei des Unwillens, vor Unrecht und vor irdischem Nachteil;15 durch Liebe, wenn sein Sinn darauf gerichtet ist, die ihre Angelegenheiten eifrig Betreibenden (die Bittsteller) zu begünstigen; durch Zorn, wenn er grausamen Sinnes ist; durch Hochmut, wenn er sich auf Wissen, Geld oder Günstlingsprotektion verläßt; durch Habsucht, wenn er etwas anderes als das bei der Prüfung von Maß und Gewicht Herausgebrachte16 betrügerisch unterschiebt.

»Wie groß die Schädigung des königlichen Vorteils ist, so groß und dazu der Reihenfolge der genannten Fälle nach immer um eins ansteigend soll die Geldstrafe sein.« So die Manuisten.

»In allen Fällen das Achtfache«, so die Schule des Parāçara.

»Das Zehnfache«, so die Bṛihaspatianer.

»Das Zwanzigfache«, so die Anhänger des Uçanas.

Je nach dem Vergehen, also Kauṭilya.

Die Rechnungsablagen sollen auf den Monat Ashāḍhī einkommen. Wenn sie (die Beamten) mit versiegelten Bücherbehältern und Barbeständen angelangt sind, soll er verhindern, daß sie miteinander an einem Orte zusammenreden. Hat er die Gesamtsumme der Einnahmen, Ausgaben und Barbestände angehört, so soll er den Barbestand auf die Seite tun lassen. Und was bei einem abweichenden Bestand der Kasse an Gesamtheit der Einnahmen mehr eingekommen ist (als in den Büchern steht) und was er (der Samāhartar) von der Gesamtheit der Ausgaben (als zu Unrecht eingetragen) wegstreicht, das soll er den betreffenden Verwaltungsbeamten verachtfacht zahlen machen. Im gegenteiligen Fall soll ebenderselbe den Betrag leisten.17

[89] Alle, die nicht zur richtigen Zeit kommen oder ohne Bücher und Kassenbestände (in der richtigen Verfassung), sollen das Zehnfältige des von ihnen Abzugebenden als Strafe zahlen.18 Und wenn ein Bureauarbeiter herzutritt (seinem Vorgesetzten Bericht zu erstatten usw.) und der Kanzleibeamte geht seinerseits nicht darauf ein,19 so trifft diesen die niedrigste Sāhasastrafe. Im gegenteiligen Fall (d.h. wenn der Beamte will, nicht aber sein Untergebener) den Bureauarbeiter diese verdoppelt.

Alle die hohen Würdenträger sollen über ihre Tätigkeit in gleicher Weise berichten, sollen nicht ungleiche Pläne haben.20 Wer von ihnen eine Sonderstellung einnimmt oder die Unwahrheit redet, soll die höchste Geldstrafe zahlen.

Wer seinen Bericht über die tägliche Gestalt der Dinge (d.h. die Rechenschaft über jeden Tag des Jahres) nicht gemacht hat, auf den soll er einen Monat warten. Nach Ablauf eines Monats muß er für jeden Monat um 200 paṇa mehr Strafe zahlen. Auf einen, der nur noch einen geringen Rest seines Kassenbestandes aufzuschreiben hat, soll er fünf Tage warten.21 [90] Darauf soll er, nachdem der Schatz (d.h. das Abzuliefernde) des Betreffenden abgegeben ist,22 seinen Bericht über die tägliche Gestalt der Dinge einsehen mit Berücksichtigung von Recht, Geschäft, Herkommen, Lage der Dinge, Aufhäufung23 und Wiederholung,24 Schlußfolgerung und Spionenbericht. Und ebenso nach Tagen, Perioden von fünf Tagen, Halbmonaten, Monaten, Jahreszeiten von vier Monaten und Jahren soll er ihn, das eine dem anderen gegenüberstellend, prüfen.25 Nach Datum, Ort, Zeitumständen, Verwaltungsgebiet und Herkunft, danach, ob (neu eingekommen oder nur) weitergeführt,26 nach Menge, Maß oder Gewicht, nach dem, der ablieferte (zahlte), dem, der abliefern ließ (zahlen machte), dem Eintragenden und dem Empfänger soll er das Eingekommene vergleichend prüfen. Nach Datum, Ort, Zeitumständen und Verwaltungsgebiet (mukha), nach der Ursache des Empfangs, nach der Verwendung dessen, was ausgezahlt werden mußte, nach seinem Umfang, nach Anordner, Auszahler,27 Veranstalter28 und Empfänger soll er die Ausgaben vergleichend nachprüfen. Nach Datum, Ort, Zeitumständen und Verwaltungsgebiet, nach der Fortführung,29 nach Aussehen, Merkzeichen, Umfang, Behälter der Aufbewahrung und den Hütern soll er den Barbestand vergleichend nachprüfen.

Wenn in einer Angelegenheit des Königs der Beamte30 für die betreffende Angelegenheit nicht ans Werk geht oder davon abhält, oder Einkünfte oder Ausgaben anders einrichtet als dem Befehl oder der Eintragung entspricht,31 so trifft ihn die niedrigste Sāhasastrafe.

Wer einen Gegenstand niederschreibt, indem er hinter der ordnungsmäßigen Weise zurückbleibtA3 oder über sie hinausgeht, oder unleserlich oder doppelt, der leistet zwölf paṇa Strafe. Wer (in den genannten verkehrten Arten) etwas in die Abschlußrechnung (den Barbestand) niederschreibt, das Doppelte (der 12 paṇa). Wer es verzehrt, das Achtfache. Wer es verschwendet, das Fünffache des Wertes und Wiedererstattung. Bei einer Lüge dieselbe Strafe wie bei Diebstahl. Für etwas erst später Eingestandenes [91] und etwas erst Vergessenes und dann (in den Büchern) Erschienenes das Doppelte (der zwölf paṇa).32

Ein kleines Vergehen soll er (hier der König) ruhig hinnehmen und sich auch bei geringer Erhöhung seines Einkommens freuen und einen Oberverwalter, der ihm großen Nutzen bringt, mit Begünstigungen ehren.

Fußnoten

1 Oder: »als den Ort der Eintragungsbücher«. Upasthāna »das Hinzutreten, Hinzutritt«. Heißt es also: »mit verschiedenen Zugängen«? Oder ist upasthāna das Behandeln, die Abwicklung, die Besorgung, Behandlungsabteilung, Ressort? Sham. übersetzt seats (for clerks). Sorabji erklärt, upasthāna bedeute Zimmer. Ähnlich Gaṇ. (= antaḥkakshyā). Jedenfalls ist gemeint: die Rechnungskammer soll nach den verschiedenen Abteilungen oder Fächern, die in Betracht kommen, eingerichtet werden. – Im folgenden Satz liest Gaṇ. statt saṃkhyāṃ, pracāra das wohl bessere saṃkhyāpracāra. – Akshapaṭala etwa = »Finanzministerium« findet sich auch MBh. K XII, 115, 20.


2 Prayāma. Sham., der vielleicht Recht hat, übersetzt es mit delayed earnings. Aber 104, 10, wo er das Wort mit excess wiedergibt, bedeutet es allem Anschein nach »Dreingabe«, wörtlich »Streckung«. Erstreckung, Ausdehnung (in der Zeit) heißt es Kirāt. III, 43 und nach Mon.-Will. in der Jātakam.


3 Prativarṇaka findet sich auch 110, 13 und bedeutet da Muster (sample). Vgl. meine Anmerkung zu Text 86, 9 ff. (im 13. Kap.).


4 Avamāna »das Maß hinab«. Was das eigentlich heißt, weiß ich nicht. Sham. übersetzt »cubic measure«. Gaṇ.'s Text hat dies Wort nicht. Unmāna ist nach ihm = Höhe. Das klingt sehr annehmbar (wörtlich: »das Maß hinauf«). Da gäbe avamāna wohl »Tiefe«. Dies wäre eine sonderbare Bestimmung bei Edelsteinen und Walderzeugnissen oder Rohmaterialien. Da nun Höhe und Tiefe eigentlich das gleiche sind, beide altitudo, so habe ich avamāna mit Höhe und unmāna, dieses sehr zweifelnd, mit GewichtA4 wiedergegeben. Pratimāṇa sind gewöhnlich die Gewichtssteine der Wage.


5 Oder: »durch den König, seine Gemahlinnen und seine Söhne«? Ca sollte dann aber hinter -putrāṇām kommen. Es ist jedoch überhaupt befremdlich.


6 Die Lesarten sind nirdeçotpātika, nirdeçotpādika, nirdeçautpādika (nirdeçautpātika). Statt nirdeçotpādika läge nirdeçotpādita nahe. Nirdeça eine Zuweisung, Gabe, Erbietung etwas für einen tun zu wollen, ein Versprechen wäre durch MBh. XIII, 23, 70 und wohl sonst zu belegen. So bekämen wir: »Empfang von Abhilfen (Entschädigungen, Schmerzensgeldern), die aus Zuweisungen (oder: aus Versprechen) entstanden sind.« Wer Mark Twains ergötzliche Schilderung der Szenen in Brigham Youngs Haushalt und orientalische Erzählungen von polygamen Ehen kennt, der kann sich eine lebhafte Vorstellung machen: sowie der arme König und Gatte der einen Frau oder ihrem Sohn etwas verspricht oder schenkt, muß er sofort den zornigen Neid der anderen durch Gaben besänftigen. Aber nirdeçautpādika (oder -autpātika) wird die richtige Lesart sein. Zwar kennen wir aus Kauṭ. selber nur nirdiçati »ausführlich, in den Einzelheiten darstellen« 149, 7 und nirdeça eine solche Darstellung 425, 16. Aber sonst ist ja nirdiçati mit Ableitungen im Sinne von Vorhersagen bekannt genug. Also verstehe ich nirdeça als Vorhersagung (eines Unheils). Autpādika und autpātika ergeben beide: »auf eine plötzlich kommende, außerordentliche (unheildrohende) Erscheinung bezüglich«. So haben wir autpādikī dhī Kām. XVI, 33 die Klugheit, die sich beim Eintreten eines widerlichen Ereignisses zu helfen weiß. Offenbar verwandt auch in der Bedeutung ist aupapādika, das 242, 9 allem Anschein nach eine Wundererscheinung, ein außerordentliches Phänomen bedeutet und 16, 11 wahrscheinlich einen Wundermenschen, einen außerordentlichen Mann. Solche meist unglückdrohende Dinge läßt der altindische Fürst selber durch den Gaukeltrug seiner Agenten hervorbringen, um sich von den erschreckten oder in ehrfürchtige Schauer versetzten Untertanen Abgaben zu erschwindeln (wie z.B. durch jenes aupapādika 242, 9). Da es sich hier ebenfalls um Einnahmen handelt, wird meine Auffassung noch wahrscheinlicher. Gaṇ. hat nirdeçautpādikapratikāra und erklärt nirdeça so, wie ich es ursprünglich selber auffaßte, nämlich mit »besonderer Zuweisung«, autpādika mit »Einnahmen für Feste« (also für besondere Anlässe) und pratikāra durch »Gelder für Abhilfe gegen Krankheiten usw.«. Am Ende ist wohl dies das Beste.


7 Oder: »genau« (nibandhena)?


8 Upasthāna »Hinzutritt« wird im 15. Kapitel des 2. Buches (94, 10) erklärt werden. Es bezeichnet eine Reihe besonderer Einnahmen des Königs.


9 Vgl. 128, 20 tajjātika bhāga »Abgabe in den betr. Naturalien« und das häufige tajjāta von der betr. Art, vom betr. Fach.


10 Nach Gaṇ.'s Text: sāmudāyikeshv avakḷiptikaṃ yam upahatya rājā nānutapyeta. Es soll also an Stellen, die besonders wichtig sind, ein Mann gesetzt werden, welchen man anpacken kann, wenn er sich etwas zuschulden kommen läßt, einen MannA5 von hoher, wohlhabender Familie und bedeutenden Verbindungen. Freilich upahatya klingt recht sonderbar. Gaṇ. gibt es mit daṇḍayitvā wieder, versteht das Ganze aber offenbar anders als ich, denn er erklärt, Männer mit hohen Konnexionen seien folglich ausgeschlossen. Er denkt also daran, daß sich der König fürchten müßte, einen so Mächtigen zu strafen. Aber im folgenden hören wir, daß unter anderem die Verwandten und Angehörigen eines solchen hohen Beamten, der sich verfehlt, verantwortlich seien. Sind's arme Teufel, dann kann man ihnen nichts abnehmen. Vielleicht aber müssen sie mit dem Leben büßen und soll der Beamte durch die Rücksicht auf sie in Schranken gehalten werden. Könnte vielleicht statt upahatya zu lesen sein upahitya »wenn er ihn angestellt hat« (vgl. 25, 3), was allerdings eine völlig unregelmäßige und darum durch upahatya ersetzte Form wäre? Sham.s und Jollys Text ergibt einen hier ganz ungehörigen Gemeinplatz.A6


11 Warum nicht auch die andern? Soll man übersetzen: »Den Schaltmonat soll er der Verfügung des Einzelbureaus unterstellen«; oder: »Arbeit im Schaltmonat soll er veranlassen, wenn das betr. Bureau ihn dazu anleitet«, die Berechtigung an die Hand gibt, also nur wenn das Bureau es für nötig hält? Der Schaltmonat ist unheilvoll. Da sind wohl die Leute aus Furcht vor Unglück abgeneigt, etwas zu unternehmen. Aber karaṇādhisṭhita ist doch wohl dem gleich folgenden apasarpādhishṭita parallel. So möchte man adhi adhikāre annehmen, wie etwa adhyātma(ka) MBh. XII, 313; XIV, 42, 18 ff.; 53, 24: 54, 1). Dann: »Unter die Oberaufsicht des (betr.) Bureaus soll er das auf den Monat Bezügliche d.h. die monatliche Arbeit stellen.« Aber adhimāsaka heißt halt sonst, auch bei Kaut., Schaltmonat. Dadyāt im vorhergehenden Satz entspricht genau dem englischen to allow (gewähren, zugestehen, gelten lassen, anrechnen usw.). Er soll sich also danach richten, ob bis zum Ende des Monats āshāḍhī, d.h. bis Mitte Juli, gearbeitet worden ist.


12 D.h. nach ihren Angaben soll er sich richten, wo immer es auf Kunde von den königlichen Betrieben ankommt.


13 Oder nach der gewöhnlichen Bedeutung: Brauch, gewohntes Verfahren. Doch caritra scheint hier und in Zeile 2 = Gang, Fortgang zu sein.


14 Lebt er in sinnlichen Vergnügungen, dann ist er nachlässig im Amt.


15 Welch einen unheimlichen Chor von Millionen Seufzern und Flüchen hört auch hier das Ohr heraus! Sogar das Heil in kommendem Dasein (dharma) muß der königliche Fronvogt verscherzen, wo es gilt, das Äußerste aus dem Sklaven in der Tretmühle herauszuschinden.


16 Oder durch Wage, Maß und Prüfung. Gaṇikā nach Wilson auch = counting. Das hätten wir hier. Doch scheint mir gaṇita besser zu sein. Immerhin hat auch Gaṇ. gaṇikā. Dann: »wenn er durch Falsches bei Gewicht, Maß, Prüfung (auf die Qualität hin) oder Zählung betrügt«A7.


17 D.h. wenn die Ausgaben zu niedrig und die Einnahmen zu hoch gebucht sind, dann muß er einfach die »Differenz« tragen, zur Strafe für seine schlechte Buchführung. Wörtlicher wäre: »Und was von der Gesamtsumme der Einnahmen bei einer Differenzgestalt des Kassenbestandes (d.h. bei einem Unterschied zwischen Kassenbestand und Bücherbefund) anwächst (was sich als mehr eingekommen herausstellt), oder was er von den Ausgaben vermindert« usw. Parihāpayati ist sonst bei Kauṭ. der Ausdruck für das Wegfallenmachen von Einnahmen oder Ausgaben. Ja, er sagt im nächsten Kapitel: »Verminderung des Einkommens und Vergrößerung der Auslagen ist parihāpaṇa« (66, 7). Danach möchte man übersetzen: »Und um welche Summe vom Gesamtbetrag der Einnahmen in der Differenzgestalt des Kassenbestandes (d.h. der jetzigen im Vergleich zu der sonstigen) eine Vermehrung (natürlich der Einnahmen) da ist, oder was einer von den Ausgaben hat wegfallen machen (d.h. gespart hat), das soll er (der samāhartar) ihm vom Oberverwalter verachtfacht auszahlen lassen. Im gegenteiligen Fall soll er soviel leisten«. Im wesentlichen so übersetzt auch Sham. Aber das wäre doch eine zu tolle Welt; sogar der König müßte da ja wünschen, daß seine Beamten stählen wie die Elstern. Die Übertragung im Text deckt sich in den Grundzügen mit der Auffassung Gaṇ.'s, ausgenommen im zweiten Satz. Dieser heißt wörtlich: »Im gegenteiligen Fall kommt es (was zu wenig oder zu viel eingetragen ist) auf ihn (auf seine Rechnung)«. Ist vielleicht das bei Kauṭ. häufige tad eva zu lesen und pratyasti gleich seinem sonstigen pratibhavati: »soll er nur für soviel (gerade diesen Betrag) aufkommen«? Oder: »Tut er (der samāhartar) das nicht, dann muß er selber dafür aufkommen?«


18 Das ist eine zermalmende Strafe. Aber zehn Prozent, wie man deçabandha(ka) Manu VIII, 107 und Yājñ. II, 76 übersetzt hat, bedeutet es bei Kauṭ. nicht, sondern das Zehnfache, und entsprechend pañcabandha das Fünffache (66, 1–2; 149, 12; 176, 6 usw.); wörtlich etwa: »Zehnhaftung, mit Zehnhaftung versehen«. Denn bandha heißt Haftung, Haftungssumme, festgesetzte Summe (154, 13; 169, 7; 174, 11).


19 Pratibadhnāti dagegen anbinden, in der erwarteten Weiss reagieren, eingehen auf, anbinden mit, vgl. Daçak. 86, 5. Kāraṇika ist vielleicht der Vorsteher der betr. Kanzlei (karaṇa).


20 Oder: »unangemessene (ärgerliche) Pläne haben?« Oder: »sich zu unangemessener Beratung zusammentun«? Ich lese avishamamantrāḥ und setze hierher den Punkt. Oder man muß vishamamantraḥ lesen und es wie Sham. mit dem Folgenden verbinden. Dann: »Wer widerhaarige Pläne hat« (oder: »mit bösen Plänen umgeht«). Oder avishayamantraḥ »wer unstatthafte Pläne hat«? Doch spricht das vorhergehende sama für die Übersetzung im Text. Statt pracārasamaṃ, das freilich auch Gaṇ. hat, schiene prācaraṃ samaṃ besser. Gemeint kann sein: einer in derselben Weise wie der andere; also Gleichförmigkeit und keine Günstlingswirtschaft. Oder: in gleicher Weise über alle Teile ihrer Tätigkeit. Endlich könnte samam auch ehrlich, richtig, genau bedeuten.


21 Nach Gaṇ., der tataḥ param zu ākāṅksheta zieht, wären dem vorher genannten Säumigen in diesem Fall noch fünf weitere Tage zu gewähren.


22 Oder: »besichtigt worden ist« (koçapūrvam)? Das hier und schon in Zeile 12 erscheinende ahorūpahara »Tagesgestaltbringer« sieht sehr verdächtig aus. Ist vielleicht ahorūpopahāra zu lesen? Vgl. upaharati vorlegen, vorbringen, hinterbringen 176, 14; 399, 3.


23 Der Geschichte, der Dinge? Saṃkalana übersetzen Sham. und Gaṇ. mit »Addition«.


24 Ich lese mit Sorabji nivartana. Vgl. zur Bedeutung Wiederholung MBh. XIII, 107, 19, 25, 78. Oder: »Aufhören, Eingehen« (bestimmter Dinge)? Sham. übersetzt mit »Subtraktion«. Auch Gaṇ. liest nirvartana »Ausführung«.


25 Samānayati und pratisamānayati, bei Kauṭ. ziemlich häufig, bedeuten konfrontieren, kontrollieren, einander gegenüberstellen, beweisen, überführen usw.


26 Anuvṛitti, vgl. paramavatsarānuvṛitta 61, 4, also »Vortrag«.


27 Oder: Erheber (der, der es wegnahm, uddhāraka)?


28 Lies vidhātṛika. Gaṇ. hat dies, erklärt es aber mit dem wohl nicht hierherpassenden bhāṇḍāgārika.


29 Anuvartana wohl = anuvṛitti, also »Vortrag«.


30 Gaṇ. hat bloß kāraṇikasya. »der Kanzleivorsteher«.


31 Oder: »Einkünfte und Ausgaben falsch umformt« (kombiniert)? Doch dafür wäre die Strafe wohl zu gering.


32 Oder: »erst später Wahrgenommenes (und dann Eingetragenes) oder als vergessen Eingetragenes?«


A1 Diese sorgfältige Buchung der Bräuche und Gesetze der Gegenden, Dörfer, Kasten, Familien und der verschiedenen, gewerblichen, politischen und anderen Verbände (saṃghāta = saṃgha mit den Unterabteilungen: pūga, çreṇi, gaṇa usw.) ist sehr nötig, weil sich der König besonders bei der Gesetzgebung und der Gerichtspflege nach dem richten muß, was in den genannten Gemeinschaften Brauch und Recht ist. Siehe besonders Mookerji, Local Gov. Kap. IV (S. 124ff.).


A2 Lies: »mit dem Vollmondstag des Monats Āshāḍha endigt« – übrigens ein beweglicher Jahresschluß! Ebenso S. 88, 45f.: »bis zum Vollmondstag des Monats Āshāḍha« und S. 89, 19: »auf den Vollmondstag des Monats Āshāḍha.«


A3 Avijñātam kann heißen: »ohne ordentliche Kenntnis davon zu nehmen.« Es werden in dem Satz wohl nur formelle Ungehörigkeiten genannt. Daher auch die niedrige Strafe. Gaṇ.s Erklärung utkramam gäbe aber einen Betrug. Freilich wäre wohl bei meiner Auffassung utkrāntam oder sotkramam natürlicher. Statt »indem er hinter der ordnungsmäßigen Weise zurückbleibt«, könnte es auch heißen: »nicht in der richtigen Reihen- und Rangfolge«.


A4 »Gewicht« ist richtig. Unmāna Gewicht; parimāṇa Hohlmaß; māna Längenmaß nach Çukran, II, 709f. Man vgl. zu unserem Kap. da II, 591–773, wo eine große Menge Einzelheiten über die richtige Art der Buchführung zu finden ist.


A5 Lies ein Mann (statt: einen Mann).


A6 In Kauṭ. 67, 12f. wird upahan gebraucht von der Schädigung durch einen ungetreuen Beamten. Nach dieser Stelle läge nahe: yadupahato rājā nānutapyeta »damit der König, wenn er von ihm geschädigt wird, sich nicht zu grämen braucht« (sintemalen er sich an ihm bezahlt machen kann). Aber Gaṇ.s Text wird wohl als richtig erwiesen durch Nītiv. 70, 7–8: Na tam adhikādhikariṇam (also zum hohen Beamten) kuryāt saty aparādhe yam upahatyānuçayet. Vgl. das Folgende im Nītiv.; auch MBh. XII, 118, 14; 119, 14; 121, 43.


A7 Wegen der Aufzählung der Dinge, die einen königlichen Beamten zu unrichtiger Tätigkeit bewegen, vgl. auch Ā. II, 11, 29, 5; N. Einleitung I, 67; M. VIII, 118ff.; Vish. III, 74; Y. II, 2, 4. Bei Vish. III, 74 heißt kāryārthin »prozessierend«. Es ist ja da von Richtern die Rede.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 86-92.
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