4. Der Tempelbrand

[83] Als Meister Kung in Tsi war, wurde er in einem Schloß vor der Hauptstadt beherbergt. Der Fürst Ging begab sich zu ihm. Während des Begrüßungsgesprächs kam einer von der Umgebung des Fürsten und meldete: »Von Dschou ist ein Bote angekommen, der berichtet, daß der Tempel eines der früheren Herrscher in Flammen aufgegangen sei.« Der Fürst[83] ließ weiter fragen, welchen Königs Tempel verbrannt sei. Meister Kung sprach: »Sicher der Tempel des Königs Li.« Der Fürst sprach: »Woher wißt Ihr das?«

Meister Kung sprach: »In den Liedern heißt es:


Vor Gott, dem Erhabenen, gilt kein Anseh'n der Person.

Der Himmel gibt Segen als Lohn für die Tugend1.


Mit dem Unglück verhält es sich ebenso.

Der König Li hat die Einrichtungen der Könige Wen und Wu umgestürzt, er war von buntem Flittertand umgeben, baute hohe, weite Schlösser und Hallen, trieb Luxus mit Wagen und Pferden und ließ sich durch nichts von diesem Wandel abbringen2. Darum ist es billig, daß des Himmels Strafe seinen Tempel trifft. Aus diesem Grunde sprach ich jene Vermutung aus.«

Der Fürst sprach: »Warum hat ihn der Zorn des Himmels dann nicht zu Lebzeiten getroffen, sondern fügt die Strafe erst seinem Tempel zu?«

Meister Kung sprach: »Vermutlich um der Könige Wen und Wu willen. Hätte ihn das Unheil bei Lebzeiten ereilt, so wäre das Geschlecht der Könige Wen und Wu ohne Erben geblieben. Darum mußte das Unheil seinen Tempel treffen, um seine Sünden zu offenbaren.«

Nach einer Weile berichtete einer aus des Fürsten Umgebung: »Der Tempel, der verbrannt ist, war der des Königs Li.«

Da erschrak der Fürst Ging, stand auf, verneigte sich zweimal und sprach: »Vortrefflich! Der Heiligen Weisheit übertrifft die andrer Menschen weit.«

1

In dieser Form nicht im Schï Ging. Ähnliche Verse finden sich im Lied 256, 12.

2

In diesen Worten liegt ein indirekter Vorwurf für den Fürsten Ging, der ebenfalls dem Luxus ergeben war.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 83-84.
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