2. Trennungsschmerz

[95] Als Meister Kung in We war, stand er eines Tages vor Sonnenaufgang auf. Yen Hui befand sich ihm zur Seite. Da hörte man jemand bitterlich weinen. Der Meister sprach: »Hui, weißt du, warum jemand da so weint?«

Er erwiderte: »Dieses Weinen ist nicht nur um einen Toten,[95] es ist auch noch der Schmerz des Abschieds von einem Lebenden dabei.«

Der Meister sprach: »Woher weißt du das?«

Er erwiderte: »Ich hörte einmal auf dem Berge Huan einen Vogel, der hatte vier Junge ausgebrütet, und als sie flügge geworden waren und in alle Welt hinausflogen, da sang ihnen die Alte traurig nach. Es klang geradeso wehmütig wie das Weinen da, weil sie weggingen und nie mehr wiederkamen. So schließe ich es denn aus der Art des Klanges.«

Meister Kung ließ die Weinenden fragen. Und richtig sagten sie, der Vater sei gestorben und weil sie so arm seien, müßten sie einen Sohn verkaufen, um das Begräbnis bezahlen zu können, und das sei eine Trennung für immer.

Der Meister sprach: »Hui, du hast ein feines Gehör für die Klänge.«

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 95-96.
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