3. Über Kindesehrfurcht

[107] Dsï Lu befragte den Meister Kung: »Da ist ein Mann, der steht mit Tagesanbruch auf und geht erst spät in der Nacht zur Ruhe, er pflügt und jätet und pflanzt und arbeitet, so daß er Schwielen an Händen und Füßen hat, um seine Eltern zu ernähren, und doch steht er nicht im Ruf eines guten Sohnes. Wie kommt das?«

Meister Kung sprach: »Ich denke, vielleicht ist er in seinem Benehmen nicht ehrfürchtig oder in seinen Worten nicht gefügig oder in seinen Mienen nicht freundlich. Die Alten hatten ein Wort: Liegt's an den andern? Liegt's an dir? Darüber täusche dich ja nicht. Wer wirklich mit aller Kraft seinen Eltern dient und keinen dieser drei Mängel zeigt, warum sollte der nicht in den Ruf eines guten Sohnes kommen? Merke dir, was ich dir sage: Selbst der stärkste Mann im ganzen Land kann sich nicht selbst in die Höhe heben. Nicht daß seine Kraft zu klein wäre, die Umstände erlauben es nicht. Wenn einer zu Hause seine Person nicht bildet, das ist seine eigne Schuld. Wenn aber sein Wandel[107] gepflegt ist und sein Name dennoch keinen guten Klang hat, das ist die Schuld seiner Freunde. (Wessen Wandel gepflegt ist, der bekommt ganz von selbst einen guten Namen.1) Darum führt der Edle zu Hause einen rechtschaffenen Wandel, und draußen verkehrt er mit würdigen Freunden. Dann wird er sicher in den Ruf eines guten Sohnes kommen.«

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Der eingeklammerte Satz ist eine Glosse, die mit dem Zusammenhang in Widerspruch steht. Er findet sich bei Sündsï und Han Schï Wai Dschuan nicht.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 107-108.
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