10. Das Ventil der öffentlichen Meinung

[168] In Dscheng gab es Landschulen. Die Lehrer dieser Schulen kritisierten die regierenden Kreise. Dsung Ming16 wollte darauf die Landschulen abschaffen. Aber der Kanzler Dsï Tschan sprach: »Warum sie abschaffen? Wenn die Leute morgens und abends in ihrer freien Zeit zusammenkommen, um über die Vorzüge und Fehler der Regierenden zu sprechen, so brauchen wir einfach das, was sie für gut befinden, auszuführen, und das, was sie tadeln, zu bessern. Wieso soll man diese Schulen abschaffen? Ich habe gehört, daß man durch Gewissenhaftigkeit und Tüchtigkeit der Mißstimmungen Herr werden soll, aber nicht, daß man durch Einschüchterung die Mißstimmung eindämmen soll. Wenn man die Mißstimmung eindämmt, das ist, wie wenn man Wasser eindämmt. Bricht es durch und es gibt eine Überschwemmung, so kommen notwendig viele Menschen zu Schaden, und ich kann sie nicht retten. Da ist es besser, einen kleinen Abfluß zu lassen und es abzuleiten. So ist es auch besser, wenn ich das, was ich höre, abstelle.«

Meister Kung hörte diese Worte und sprach: »Ziehe ich dies in Betracht, so glaube ich es einfach nicht, wenn jemand sagt, Dsï Tschan sei nicht gütig.«

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ein Beamter von Dscheng.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 168.
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