[58] 10. Der Bucklige Zikadenfänger

[58] Als Dschung Ni auf der Wanderung nach Tschu aus einem Walde herauskam, sah er einen Buckligen, der Zikaden fing, als pflückte er sie nur so von den Bäumen. Dschung Ni sprach: »Beruht deine Geschicklichkeit auf dem Besitz geheimen SINNS?«

Jener sprach: »Ja, ich besitze ein Geheimnis. Fünf, sechs Monate lang legte ich zwei Erdkügelchen auf (die Leimrute), und als sie nicht mehr herunterfielen, da mißte ich von den Zikaden nur noch wenige. Dann legte ich drei auf. Als die nicht mehr herunterfielen, mißte ich unter zehn höchstens eine. Dann legte ich fünf auf, und seit die nicht mehr herunterfallen, kann ich sie nur so abpflücken. Ich mache meinen Körper unbeweglich wie einen Baumstumpf und halte meinen Arm wie einen dürren Ast. Von all den unzähligen Dingen zwischen Himmel und Erde kenne ich nur die Flügel der Zikaden. Davon weiche ich nicht ab und tausche nicht um die ganze Welt die Flügel der Zikaden ein. So bringt man alles fertig.«

Meister Kung blickte seine Schüler an und sprach: »Wer seinen Willen gebraucht ohne Zerteilung, dem verdichtet er sich zu einer geistigen Macht. Das ist wohl die Meinung dieses buckligen Alten.« Der Alte sprach: »Ihr Herren in langen Gewändern, was wißt ihr nach solchen Dingen zu fragen! Pflegt euren Wandel und heftet nachher eure Worte daran.«

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Liä Dsi: Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Stuttgart 1980, S. 58-59.
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