[129] 8. Pessimismus

Yang Bu fragte (seinen älteren Bruder Yang Dschu) und sprach: »Es gibt hier Menschen, die sind Brüder an Jahren, in ihren Worten, in ihrer Begabung, in ihrem Aussehen und unterscheiden sich doch wie Vater und Sohn in Beziehung auf ihre Lebensdauer, auf Rang, auf Ruhm, auf Liebe und Haß der Menschen. Das macht mir zu schaffen.«

Meister Yang sprach: »Die Alten hatten ein Wort, das ich mir gemerkt habe und das ich dir sagen will: Was so ist, wie es ist, ohne daß man die Gründe für sein Sosein kennt, das ist Schicksal. Nun aber folgt undurchdringliches Dunkel und gesetzloser Zufall sowohl dem, der handelt, als auch dem, der nicht handelt. Die Tage kommen und gehen. Wer kann die Ursache davon ergründen? Das alles ist Schicksal.

Wer sich nun dem Schicksal überläßt, für den gibt es kein hohes Alter und kein frühes Sterben. Wer sich der Notwendigkeit überläßt, für den gibt es kein Recht und Unrecht. Wer sich seinem Gefühl überläßt, für den gibt es kein Widerstreben oder Folgen. Wer sich der Natur überläßt, für den gibt[129] es nicht Ruhe noch Gefahr. Von dem kann man sagen, daß er an nichts glaubt und an alles glaubt. Der hat die Wahrheit unverfälscht. Wozu gehen? Wozu kommen? Wozu traurig sein? Wozu fröhlich sein? Wozu handeln? Wozu nicht handeln?«

Quelle:
Liä Dsi: Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Stuttgart 1980, S. 129-130.
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