Widerlegung des Gegenbeweises. Schwimmender Fisch

[39] Eines muß ich hierbei zuvor noch erwähnen, damit nicht

Wahngebilde der Gegner vom Pfade dich lockender Wahrheit.

Vor den schuppigen Tieren (so sagen sie) weiche das Wasser,[39]

Während sie schwimmen, zurück und eröffne die Bahn, weil sie hinten

Platz zum Zusammenströmen den weichenden Wellen gewährten.

So aneinander vorbei sich bewegend vermöchten auch andre

Dinge beliebig die Stellung zu tauschen, wenn alles auch voll ist.

Merke dir, dieser Beweis ruht ganz auf falscher Begründung.

Wohin sollten denn nur die schuppigen Fische vorangehn,

Machte das Wasser nicht Platz? Wenn ferner die Wellen zurückgehn,

Wie vermöchten sie das, wenn die Fische sich rühren nicht können?

Also man muß entweder jedwede Bewegung der Körper

Leugnen oder behaupten: es gibt ein Leeres in ihnen,

Welches den Anfang schafft jedwedem zu jeder Bewegung.

Endlich noch dies! Zwei breite, zusammenstoßende Körper

Prallen mit Wucht auseinander. Da muß nun die Luft in das Leere,

Das hierzwischen entsteht, eindringen und gänzlich es füllen.

Aber auch wenn sie sofort ringsum in beschleunigtem Zustrom

Flösse zusammen, so kann sie doch nimmer in einem Momente

Sämtlichen Raum ausfüllen. Sie muß erst jeden der Plätze

Nacheinander erobern, bis alles am Ende besetzt ist.

Glaubt man nun etwa, der Grund für der Körper gewaltsamen Abprall

Sei aus der Luft zu entnehmen und ihrer Verdichtung, so irrt man.

Denn es entsteht ja ein leerer Raum, der vorher nicht da war,

Ebenso füllt sich auch wieder die Leere, die vorher bestanden.

Niemals kann sich die Luft auf ähnliche Weise verdichten

Oder, wenn je sie es könnte, wie sollte sie ohne das Leere

Sich in sich selber zusammenziehn und die Teile vereinen?

Magst du dich drum bestreitend auch noch so drehen und wenden,

Mußt du doch endlich gestehen: es gibt in den Dingen ein Leeres.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 39-40.
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