Gemeinsames Leben von Leib und Seele

[105] Dies ist also das Wesen, das gänzlich vom Körper gehalten

Wieder den Körper bewahrt und der Grund ist seiner Erhaltung.

Denn durch gemeinsame Wurzeln ist Seele und Körper verbunden;

Trennung erscheint für beide nicht ohne den Untergang denkbar.

Wie es nur schwer uns gelingt den Geruch aus den Körnern des Weihrauchs

Ganz zu beseitigen, ohne sein Wesen zugleich zu vernichten,

So ist's schwierig den Geist und die Seele vom Körper zu lösen,

Ohne daß alles zusammen dadurch der Vernichtung verfiele.

Da sie von Uranfang durch die Grundelemente verwoben[105]

Sind miteinander, so führen sie auch ein gemeinsames Leben;

Auch daß das eine der beiden, der Körper nur oder die Seele,

Ohne die Hilfe des ändern empfinde, erscheint mir undenkbar.

Nein, der Empfindung Flamme wird nur durch vereinte Bewegung

Jener beiden gemeinsam in unserem Innern entzündet.

Überdies wird der Körper auch nie selbständig geschaffen,

Nimmt auch allein nie zu, noch dauert er fort nach dem Tode.

Denn es ist nicht wie beim Wasser, das häufig die Wärme verlieret,

Die es besaß, und doch nicht deshalb auch selber zerstört wird,

Sondern es bleibt wie es war. So, sag' ich, ist's nicht bei der Seele.

Ihr Abscheiden vermag der zurückgebliebene Körper

Nicht zu ertragen. Sofort zerfällt und verfaulet er gänzlich.

So vom Beginne des Lebens, verborgen im Schöße der Mutter,

Lernen Seele und Körper durch innige Wechselberührung

Sich an des Lebens Regung in solchem Maße gewöhnen,

Daß sich nicht ohne Vernichtung die Trennung der beiden vollziehn kann.

Daraus kannst du ersehn, daß ihr Wesen aufs engste verknüpft bleibt,

Da auch der Grund der Erhaltung für beide so innig verknüpft ist.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 105-106.
Lizenz:
Kategorien: