Preis Epikurs

[96] Der du zuerst aus der Finsternis Nacht so leuchtend die Fackel

Hoch zu erheben vermocht und die Güter des Lebens zu zeigen,

Dir, o Zier des hellenischen Volks, dir folg' ich und setze

Fest den Fuß in die Spuren, die du in den Boden gedrückt hast.

Nicht Wetteifer, dir gleich es zu tun, nur glühende Liebe

Drängt mich dir nachzustreben. Wie möchte dem Schwane die Schwalbe

Je sich vergleichen? Wie könnte denn auch mit zitternden Gliedern

Jemals das Böcklein im Lauf mit dem sehnigen Rosse sich messen?

Du, mein Vater, du bist der Entdecker der Wahrheit, du gibst uns

Väterlich Rat. Wie die Bienen auf blumiger Halde den Blüten

Allen Honig entsaugen, so schlürfen auch wir aus den Rollen,

Die du. Gepriesener, schriebst, nun alle die goldenen Worte,

Goldene Worte und wert bis in Ewigkeit weiterzuleben!

Denn sobald dein System, das Erzeugnis göttlichen Geistes,

Über das Wesen der Dinge die laute Verkündigung anhebt,

Scheucht es die Angst von der Seele. Da weichen die Mauern des Weltalls

Und ich erblick' im unendlichen Raum das Getriebe der Dinge.

Da enthüllt sich der Gottheit Macht und die friedlichen Sitze,

Die kein Sturmwind peitscht, kein Regengewölke benetzet,

Die kein Schneesturm schädigt, wo nie bei starrendem Froste

Weißlich die Flocken sich senken; wo immerdar heiter der Äther

Lacht und überallhin sich die Ströme des Lichtes ergießen.

Allen Bedarf reicht ferner von selbst die Natur und es stört nie

Irgendein Wesen die Gottheit im seligen Frieden des Geistes.

Nirgend erscheinen hingegen des finsteren Acheron Räume,

Nirgend auch hindert die Erde zu schauen, was alles umherschwirrt

Unterhalb unserer Füße im Raum des unendlichen Leeren.

Hier ergreift es mein Herz mit wahrhaft göttlicher Wollust

Und mit Schauer zugleich, daß so die Natur sich erschlossen

Deiner Gedankengewalt und jetzt allseitig enthüllt ist.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 96.
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