a) Das Geld

[106] »Gold und Silber sind die ersten Waren, deren Wert zu seiner Konstituierung gelangt ist.« [I, S. 69.]

Somit sind Gold und Silber die ersten Anwendungen des – von Herrn Proudhon – »konstituierten Wertes«. Und da Herr Proudhon den Wert der Produkte dadurch konstituiert, daß er ihn durch die in denselben verkörperte Arbeitsmenge bestimmt, so hatte er einzig und allein den Beweis zu liefern, daß die mit dem Wert von Gold und Silber vorgehenden Veränderungen stets ihre Erklärung finden in den Veränderungen der zu ihrer Produktion notwendigen Arbeitszeit. Herr Proudhon denkt nicht daran. Er spricht nicht von Gold und Silber als Ware, sondern er spricht von ihnen als Geld.

Seine ganze Logik, soweit bei ihm von Logik die Rede sein kann, besteht darin, die Eigenschaft von Gold und Silber, als Geld zu dienen, allen Waren unterzuschieben, welche die Eigenschaft haben, ihr Wertmaß in der Arbeitszeit zu finden. Kein Zweifel, diese Eskamotage zeugt mehr von Naivetät als von Malice.

Ein nützliches Produkt, einmal durch die zu seiner Herstellung notwendige Arbeitszeit abgeschätzt, ist stets tauschfähig (acceptable en échange). Beweis, ruft Herr Proudhon aus, das Gold und das Silber, die sich in der von mir gewollten Lage der »Austauschbarkeit« befinden. Somit sind Gold und Silber der in den Zustand seiner Konstitution gelangte Wert, die Verkörperung der Idee des Herrn Proudhon. Es ist unmöglich, in der Wahl seiner Beispiele glücklicher zu sein. Gold und Silber besitzen außer der Eigenschaft, eine Ware zu sein, die wie jede andere durch die Arbeitszeit geschätzt wird, noch die, allgemeines Tauschmittel, Geld, zu sein. Dadurch nun, daß man Gold und Silber als eine Anwendung des durch die Arbeitszeit »konstituierten Wertes« hinstellt, ist nichts leichter als der Beweis, daß jede Ware, deren Wert durch die Arbeitszeit konstituiert sein wird, stets austauschbar, Geld sein wird.

Eine höchst einfache Frage drängt sich dem Geiste des Herrn Proudhon auf: Warum genießen Gold und Silber das Privilegium, der Typus des »konstituierten Wertes« zu sein?

»Die besondere Funktion, welche der Gebrauch den edlen Metallen beigelegt hat, als Vermittler des Verkehrs zu dienen, ist rein konventionell; jede andere Ware könnte, vielleicht weniger bequem, aber ebenso zuverlässig, diese Rolle ausfüllen: Die[106] Ökonomen erkennen das an, und man zitiert mehr als ein Beispiel dafür. Was ist somit die Ursache dieses allgemein den Metallen eingeräumten Vorzuges, als Geld zu dienen, und wie erklärt sich diese Besonderheit der Funktionen des Geldes, die kein Analogon hat in der politischen Ökonomie? ... Nun also, ist es vielleicht möglich, den Zusammenhang (série) wiederherzustellen, aus dem das Geld herausgerissen zu sein scheint, und somit dieses seinem wirklichen Prinzip wieder zuzuführen?« [I, S. 68 u. 69.]

Bereits damit, daß er die Frage in diesen Ausdrücken stellt, setzt Herr Proudhon das Geld voraus. Die erste Frage, welche er sich hätte stellen sollen, wäre die, zu erfahren, warum man im Tauschverkehr, wie er sich heute herausgebildet hat, den Tauschwert sozusagen individualisieren mußte durch Schaffung eines besonderen Austauschmittels. Das Geld ist nicht eine Sache, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis. Warum ist das Verhältnis des Geldes ein Produktionsverhältnis wie jedes andere ökonomische Verhältnis, wie die Arbeitsteilung etc.? Wenn Herr Proudhon sich von diesem Verhältnis Rechenschaft abgelegt hätte, so würde er in dem Geld nicht eine Ausnahme, nicht ein aus einem unbekannten oder erst wieder zu ermittelnden Zusammenhang herausgerissenes Glied gesehen haben.

Er würde im Gegenteil gefunden haben, daß dieses Verhältnis nur ein einzelnes Glied in der ganzen Verkettung der ökonomischen Verhältnisse und als solches aufs innigste mit ihr verbunden ist und daß dieses Verhältnis ganz in demselben Grade einer bestimmten Produktionsweise entspricht wie der individuelle Austausch. Was aber tut er? Er fängt damit an, das Geld aus dem Zusammenhang der heutigen Produktionsweise herauszureißen, um es später zum ersten Glied eines imaginären, eines noch zu findenden Zusammenhanges zu machen.

Hat man einmal die Notwendigkeit eines besonderen Tauschmittels, d.h. die Notwendigkeit des Geldes eingesehen, so handelt es sich nicht mehr um die Erklärung, warum diese besondere Funktion vor allen anderen Waren dem Gold und Silber zugefallen ist. Es ist das eine sekundäre Frage, die nicht im Zusammenhang der Produktionsverhältnisse ihre Erklärung findet, sondern in den besonderen stofflichen Eigenschaften von Gold und Silber. Wenn demgemäß die Ökonomen bei dieser Gelegenheit »aus dem Gebiet ihrer Wissenschaft herausgetreten sind, wenn sie Physik, Mechanik, Geschichte etc. getrieben haben« [I, S. 69], wie ihnen Herr Proudhon vorwirft, so haben sie nur getan, was sie tun mußten. Die Frage gehört nicht mehr in das Gebiet der politischen Ökonomie.

»Was keiner der Ökonomen«, sagt Herr Proudhon, »erkannt noch begriffen hat, ist der ökonomische Grund, der für die Bevorzugung, deren sich die Edelmetalle erfreuen, maßgebend war.« [I, S. 69.][107]

Den ökonomischen Grund, den niemand, und zwar aus guten Gründen, erkannt noch begriffen hat, Herr Proudhon hat ihn erkannt, begriffen und der Nachwelt überliefert.

»Was nämlich niemand bemerkt hat, ist die Tatsache, daß Gold und Silber die ersten Waren sind, deren Wert zur Konstituierung gelangt ist. In der patriarchalischen Periode werden Gold und Silber noch in Barren gehandelt und ausgetauscht, aber schon mit einer sichtbaren Tendenz zur Herrschaft und einer ausgeprägten Bevorzugung. Nach und nach bemächtigen sich die Souveräne derselben und drücken ihnen ihr Siegel auf: Und aus dieser souveränen Weihung geht das Geld hervor, das heißt die Ware par excellence, die, aller Erschütterungen des Marktes ungeachtet, einen bestimmten proportionellen Wert beibehält und überall als voll in Zahlung genommen wird... Die besondere Stellung, die Gold und Silber einnehmen, ist, wiederhole ich, eine Folge der Tatsache, daß dieselben, dank ihren metallischen Eigenschaften, der Schwierigkeit ihrer Beschaffung und namentlich der Intervention der staatlichen Autorität, sich rechtzeitig, als Waren, Festigkeit und Authentizität erobert haben.« [I, S. 69 bis 70.]

Behaupten, daß von allen Waren Gold und Silber die ersten sind, deren Wert zu seiner Konstituierung gelangt ist, heißt nach dem Vorstehenden behaupten, daß Gold und Silber die ersten sind, die Geld geworden sind. Dies die große Offenbarung des Herrn Proudhon, dies die Wahrheit, die niemand vor ihm entdeckt hatte.

Wenn Herr Proudhon mit diesen Worten sagen wollte, daß Gold und Silber Waren sind, deren zu ihrer Erzeugung notwendige Arbeitszeit früher bekannt war als die aller andern, so wäre dies wieder eine jener Annahmen, mit denen er seine Leser so bereitwillig beschenkt. Wenn wir uns an diese patriarchalische Gelehrsamkeit halten wollten, so würden wir Herrn Proudhon sagen, daß man zuallererst die Arbeitszeit kannte, die zur Herstellung der allernotwendigsten Gegenstände erforderlich war, wie Eisen usw. Den klassischen Bogen von Adam Smith schenken wir ihm.

Aber wie kann Herr Proudhon nach alledem noch von der Konstituierung eines Wertes sprechen, wo doch ein Wert niemals für sich allein konstituiert wird? Der Wert eines Produkts wird nicht durch die Arbeitszeit konstituiert, die zu seiner Herstellung für sich allein notwendig ist, sondern im Verhältnis zur Menge aller anderen Produkte, die in derselben Zeit erzeugt werden können. Die Konstituierung des Wertes von Gold und Silber setzt also bereits die fertige Konstituierung (des Wertes) einer Menge anderer Produkte voraus.[108]

Es ist also nicht die Ware, die im Gold und Silber »konstituierter Wert« geworden ist, sondern es ist der »konstituierte Wert« des Herrn Proudhon, der im Gold und Silber Geld geworden ist.

Untersuchen wir jetzt die ökonomischen Gründe, die nach Herrn Proudhon dem Gold und Silber den Vorzug verschafft haben, früher als alle anderen Produkte zu Geld erhoben zu werden, vermöge der Konstituierung ihres Wertes.

Diese ökonomischen Gründe sind: die »sichtbare Tendenz zur Herrschaft«, die schon in der »patriarchalischen Periode« »ausgeprägte Bevorzugung« und andere Umschreibungen des einfachen Faktums, welche die Schwierigkeit vermehren, indem sie die Tatsache vervielfältigen durch Vervielfältigung der Fälle, die Herr Proudhon vorführt, um die Tatsache zu erklären. Herr Proudhon hat indes noch nicht alle angeblich ökonomischen Gründe erschöpft. Greifen wir einen von überwältigender, souveräner Kraft heraus:

»Aus der souveränen Weihung geht das Geld hervor: Die Souveräne bemächtigen sich des Goldes und Silbers und drücken ihnen ihr Siegel auf.« [I, S. 69.]

Somit ist für Herrn Proudhon das Belieben der Souveräne der höchste Grund in der politischen Ökonomie!

In der Tat, man muß jeder historischen Kenntnis bar sein, um nicht zu wissen, daß es die Souveräne sind, die zu allen Zeiten sich den wirtschaftlichen Verhältnissen fügen mußten, daß aber niemals sie es gewesen sind, welche ihnen das Gesetz diktiert haben. Sowohl die politische wie die bürgerliche Gesetzgebung proklamieren, protokollieren nur das Wollen der ökonomischen Verhältnisse.

Hat sich der Souverän des Goldes und Silbers bemächtigt, um sie durch Aufprägung seines Siegels zu allgemeinen Tauschmitteln zu machen, oder haben sich nicht vielmehr diese allgemeinen Tauschmittel des Souveräns bemächtigt, indem sie ihn zwangen, ihnen sein Siegel aufzudrücken und ihnen eine politische Weihung zu geben?

Das Gepräge, welches man dem Gold gegeben hat und gibt, drückt nicht seinen Wert, sondern sein Gewicht aus. Die Festigkeit und Authentizität, von denen Herr Proudhon spricht, beziehen sich nur auf den Feingehalt der Münze; dieser Feingehalts-Titre5 zeigt an, wieviel Metallstoff in einem Stücke gemünzten Geldes enthalten ist.

»Der einzige innewohnende Wert einer Mark Silber«, sagt Voltaire mit seinem bekannten gesunden Menschenverstand, »ist ein halbes Pfund Silber im Gewicht von[109] acht Unzen. Gewicht und Feingehalt ergeben allein diesen immanenten Wert.« (Voltaire, »Système de Law«.)

Aber die Frage: Wieviel ist eine Unze Gold oder Silber wert? besteht darum nicht minder fort. Wenn ein Kaschmir aus dem Magazin zum Großen Colbert das Fabrikzeichen reine Wolle trägt, so gibt diese Fabrikmarke noch nicht den Wert des Kaschmirs an. Es bleibt noch immer zu ermitteln, wieviel die Wolle wert ist.

»Philipp I., König von Frankreich«, sagt Herr Proudhon, »versetzt das Geld – Pfund Tournois (Gewicht Karls des Großen) mit einem Drittel Legierung, indem er sich einbildet, daß, da er allein das Monopol der Geldfabrikation hatte, er auch tun könne, was jeder Kaufmann tut, der das Monopol eines Produktes besitzt. Was war in der Tat diese, Philipp und seinen Nachfolgern so sehr zum Vorwurf gemachte Münzfälschung? Ein vom Standpunkt der geschäftlichen Routine sehr berechtigtes, aber vom Standpunkt der ökonomischen Wissenschaft sehr falsches Räsonnement; daß man nämlich, da Angebot und Nachfrage den Wert regulieren, sowohl durch eine künstlich erzeugte Seltenheit wie durch Monopolisierung der Fabrikation die Schätzung und somit auch den Wert der Dinge steigen machen kann und daß dies ebenso von Gold und Silber gilt wie von Getreide, Wein, Öl und Tabak. Indes, kaum war der Betrug Philipps ruchbar geworden, als sein Geld auf den richtigen Wert reduziert ward und er zur selben Zeit das verlor, um was er seine Untertanen geglaubt hatte prellen zu können. Dasselbe Schicksal hatten in der Folge alle ähnlichen Versuche.« [I, S. 70 – 71.]

Zunächst hat es sich gar oft gezeigt, daß, wenn der Fürst darangeht, die Münzen zu fälschen, er es ist, der dabei verliert. Was er bei der ersten Emission einmal verdient, verliert er so oft, wie die gefälschten Münzen ihm in Form von Steuern usw. wieder zufließen. Aber Philipp und seine Nachfolger wußten sich mehr oder minder gegen diesen Verlust zu schützen; denn kaum daß das gefälschte Geld in Umlauf gesetzt, hatten sie nichts Eiligeres zu tun, als ein allgemeines Umschmelzen des Geldes auf den alten Fuß anzuordnen.

Dann aber, hätte Philipp I. wirklich, wie Herr Proudhon, räsoniert, so hätte Philipp I. vom »kommerziellen Gesichtspunkt« aus nicht gut räsoniert. Weder Philipp I. noch Herr Proudhon legen kaufmännischen Geist an den Tag, wenn sie sich einbilden, daß man den Wert des Goldes wie den jeder anderen Ware aus dem einzigen Grunde ändern könne, daß ihr Wert durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt wird.

Wenn König Philipp angeordnet hätte, daß ein Malter Weizen künftighin[110] zwei Malter Weizen heißen solle, so würde er ein Betrüger gewesen sein; er würde alle Rentiers, alle Leute betrogen haben, die hundert Malter Weizen zu empfangen hatten; er wäre die Ursache gewesen, daß alle diese Leute statt hundert Malter Weizen nur fünfzig empfangen hätten. Man nehme an, der König sei Schuldner von hundert Malter Weizen gewesen, so hätte er nur fünfzig zu bezahlen gehabt. Aber im Handel wären hundert Malter nie mehr wert gewesen als vorher fünfzig. Damit, daß man den Namen ändert, ändert man nicht die Sache. Die Menge Weizen, die angebotene wie geforderte, wäre durch diese einfache Veränderung der Namen weder vermindert noch erhöht worden. Da trotz dieser Veränderung des Namens das Verhältnis von Angebot und Nachfrage das gleiche bliebe, so erlitte der Preis des Getreides keinerlei wirkliche Veränderung. Wenn man von Angebot und Nachfrage der Dinge spricht, so spricht man nicht von Angebot und Nachfrage des Namens der Dinge. Philipp I. machte nicht Gold oder Silber, wie Herr Proudhon sagt, er machte nur Namen von Münzen. Gebt eure französischen Kaschmire für indische aus, so ist es möglich, daß ihr ein oder zwei Käufer täuscht, aber sobald der Betrug einmal bekannt ist, werden eure vorgeblich indischen Kaschmire auf den Preis der französischen fallen. Damit, daß er dem Gold und Silber eine falsche Etikette gab, konnte Philipp I. die Leute nur so lange hinters Licht führen, wie der Betrug nicht bekannt war. Wie jeder andere Krämer betrog er seine Kunden durch eine falsche Bezeichnung der Ware: das konnte eine Zeitlang dauern. Früher oder später mußte er die Unerbittlichkeit der Gesetze des Verkehrs erfahren. Wollte Herr Proudhon das beweisen? Nein. Nach ihm empfängt das Geld vom Souverän und nicht vom Verkehr seinen Wert. Und was hat er in Wirklichkeit bewiesen? Daß der Verkehr souveräner ist als der Souverän. Der Souverän ordne an, daß eine Mark künftig zwei Mark sei, und der Verkehr wird stets behaupten, daß diese zwei Mark nur so viel wert sind wie die eine Mark von früher.

Aber damit ist die Frage des durch die Arbeitsmenge bestimmten Wertes um keinen Schritt vorwärtsgerückt. Es bleibt noch immer zu entscheiden, ob diese zwei Mark, die jetzt wieder die Mark von früher geworden, bestimmt werden durch die Produktionskosten oder durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage.

Herr Proudhon fährt fort:

»Es bleibt auch noch zu erwägen, daß, wenn es in der Macht des Königs gelegen hatte, statt das Geld zu fälschen, dessen Menge zu verdoppeln, der Tauschwert von Gold und Silber um die Hälfte gefallen wäre, immer auf Grund der Proportionalität und des Gleichgewichtes.« [I, S. 71.][111]

Wenn diese, Herrn Proudhon mit den anderen Ökonomen gemeinsame Ansicht richtig ist, so spricht sie zugunsten ihrer Doktrin von Angebot und Nachfrage und keineswegs zugunsten der Proportionalität des Herrn Proudhon. Denn welches auch immer die in der doppelten Masse von Gold und Silber verkörperte Arbeitszeit gewesen wäre, immer wäre ihr Wert um die Hälfte gefallen, wenn die Nachfrage dieselbe geblieben wäre und das Angebot sich verdoppelt hätte. Oder liefe zufällig das »Gesetz der Proportionalität« diesmal auf das so verachtete Gesetz von Angebot und Nachfrage hinaus? Die richtige Proportionalität des Herrn Proudhon ist in der Tat so elastisch, sie gestattet so viele Variationen, Kombinationen und Permutationen, daß sie wohl einmal mit dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage zusammenfallen kann.

Behaupten, daß »jede Ware (jederzeit), wenn nicht tatsächlich, so wenigstens von Rechts wegen, austauschbar« [I, S. 71] sei, mit dem Hinweis auf die Rolle, welche Gold und Silber spielen, heißt diese Rolle verkennen. Gold und Silber sind nur deswegen von Rechts wegen (jederzeit) austauschbar, weil sie es tatsächlich sind; und sie sind es tatsächlich, weil die gegenwärtige Organisation der Produktion eines allgemeinen Tauschmittels bedarf. Das Recht ist nur die offizielle Anerkennung der Tatsache.

Wir haben gesehen, daß das Beispiel vom Gelde als Darstellung des zu seiner Konstituierung gelangten Wertes von Herrn Proudhon nur gewählt wurde, um seine ganze Lehre von der Austauschbarkeit einschmuggeln zu können, das heißt, um nachzuweisen, daß jede nach ihren Produktionskosten abgeschätzte Ware Geld werden müsse. Alles das wäre schön und gut, bestände nicht der kleine Übelstand, daß gerade Gold und Silber in ihrer Eigenschaft als Münze (als Wertzeichen) von allen Waren die einzigen sind, die nicht durch ihre Produktionskosten bestimmt werden; und das ist so sehr richtig, daß sie in der Zirkulation durch Papier ersetzt werden können. Solange ein gewisses Verhältnis zwischen den Bedürfnissen der Zirkulation und der Menge des ausgegebenen Geldes beobachtet wird, sei dieses Papier-, Gold-, Platin- oder Kupfergeld, so wird es sich nicht darum handeln, ein Verhältnis zwischen dem innewohnenden Wert (Produktionskosten) und dem Nominalwert des Geldes einzuhalten. Kein Zweifel, im internationalen Verkehr wird das Geld, wie jede andere Ware, durch die Arbeitszeit bestimmt. Aber auch Gold und Silber sind im internationalen Verkehr Tauschmittel als Produkte, nicht als Münze, d.h., sie verlieren diesen Charakter der »Festigkeit und Authentizität«, der »souveränen Weihe«, die für Herrn Proudhon ihren spezifischen[112] Charakter bilden. Ricardo hat diese Wahrheit so gut begriffen, daß, obwohl er sein ganzes System auf den durch die Arbeitszeit bestimmten Wert aufbaut und erklärt: »Gold und Silber haben, wie jede andere Ware, nur Wert im Verhältnis zu der Arbeitsmenge, die notwendig ist, sie zu produzieren und auf den Markt zu bringen« – er nichtsdestoweniger hinzufügt, daß der Wert des Geldes nicht durch die in seiner Materie fixierte Arbeitszeit, sondern nur durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage bestimmt wird.

»Obwohl das Papier keinen inneren Wert hat, so kann doch, wenn man seine Menge begrenzt, sein Tauschwert dem Wert von Metallgeld im gleichen Betrage oder von nach ihrem Münzwert abgeschätzten Barren gleichkommen. Ganz ebenso, infolge desselben Prinzipes, d.h. dadurch, daß man die Menge des Geldes einschränkt, können unterwertige Geldstücke zu dem Wert zirkulieren, den sie haben würden, wären ihr Gewicht und ihr Gehalt die vom Gesetz vorgeschriebenen, nicht aber nach dem inneren Wert des reinen Metalles, das sie enthalten. Deshalb finden wir in der Geschichte des englischen Geldes, daß unser Hartgeld niemals sich in dem gleichen Verhältnis entwertete, wie es gefälscht wurde. Die Ursache liegt darin, daß es niemals im Verhältnis seiner Entwertung vermehrt wurde.« (Ricardo, a. a. O. [II, S. 206-207].)

J[ean]-B[aptiste] Say bemerkt zu diesem Satze Ricardos:

»Dieses Beispiel sollte, wie mir scheint, genügen, um den Autor zu überzeugen, daß die Grundlage jedes Wertes nicht die zur Herstellung einer Ware notwendige Arbeitsmenge ist, sondern das Bedürfnis, das man nach ihr empfindet, zusammengehalten mit ihrer Seltenheit.«

So wird das Geld, das für Ricardo nicht mehr ein durch die Arbeitszeit bestimmter Wert ist und welches J.-B. Say deshalb als Beispiel nimmt, um Ricardo zu überzeugen, daß die anderen Werte ebensowenig durch die Arbeitszeit bestimmt werden können – so wird dieses Geld, welches J.-B. Say als Beispiel eines ausschließlich durch Angebot und Nachfrage bestimmten Wertes nimmt, für Herrn Proudhon das Beispiel par excellence der Anwendung des – durch die Arbeitszeit – konstituierten Wertes.

Um zum Ende zu kommen: Wenn das Geld kein durch die Arbeitszeit »konstituierter Wert« ist, so kann es noch weit weniger irgend etwas mit der richtigen »Proportionalität« des Herrn Proudhon gemein haben. Gold und Silber sind stets austauschbar, weil sie die besondere Funktion haben, als universelles Tauschmittel zu dienen, und keineswegs, weil sie in einer der Gesamtheit der Güter proportionellen Menge vorhanden sind; oder, um es noch besser auszudrücken, sie sind stets proportionell, weil sie von allen Waren allein als Geld, als universelles Tauschmittel dienen, in welchem Verhältnis auch immer ihre Menge zur Gesamtheit der Güter stehe.

[113] »Das in Zirkulation befindliche Geld kann nie reichlich genug vorhanden sein, um überzuströmen; denn wenn ihr seinen Wert herabsetzt, werdet ihr in demselben Verhältnis seine Menge vermehren, und mit der Vermehrung seines Wertes werdet ihr seine Menge vermindern.« (Ricardo [II, S. 205].)

»Welches Imbroglio ist die politische Ökonomie!« ruft Herr Proudhon aus. [I, S. 72.]

»Verdammtes Gold! ruft possierlich ein Kommunist« (durch den Mund des Herrn Proudhon). »Ebensogut konnte man sagen: Verdammter Weizen! verdammte Weinstöcke! verdammte Hammel! denn ebenso wie Gold und Silber muß jeder Handelswert zu seiner peinlich genauen Festsetzung gelangen.« [I, S. 73.]

Die Idee, Hammeln und Weinstöcken die Eigenschaft des Geldes zu verschaffen, ist nicht neu. In Frankreich gehört sie dem Jahrhundert Ludwigs XIV. an. Zu dieser Epoche, wo das Geld angefangen hatte, seine Allmacht geltend zu machen, beklagte man sich über die Entwertung aller anderen Waren und rief sehnsüchtig den Moment herbei, wo jeder »kommerzielle Wert« zu seiner peinlich genauen Festsetzung gelangen, Geld werden könne. Schon bei Boisguillebert, einem der ältesten Ökonomen Frankreichs, finden wir folgenden Satz:

»Dann wird das Geld, dank diesem unermeßlichen Zufluß von Konkurrenten, den in ihren richtigen Wert wieder eingesetzten Waren selbst, wieder in seine natürlichen Grenzen verwiesen werden.« (»Économistes financiers du dix-huitème siècle«, S. 422, éd. Daire.)

Man sieht: Die ersten Illusionen der Bourgeoisie sind auch ihre letzten.

5

Titre heißt einerseits Titel, Name, andererseits aber auch, bei Gold und Silber, deren Feingehalt. Die Übersetzer.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1959, Band 4, S. 106-114.
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