b) Der Arbeitsüberschuß

[114] »Man findet in den Abhandlungen über politische Ökonomie folgende abgeschmackte Hypothese: Wenn der Preis aller Dinge verdoppelt würde... Als ob der Preis aller Dinge nicht das Verhältnis der Dinge wäre und man eine Proportion, ein Verhältnis, ein Gesetz verdoppeln könnte!« (Proudhon, Bd. I, S. 81.)

Die Ökonomen sind in diesen Irrtum verfallen, weil sie die richtige Anwendung des »Gesetzes der Proportionalität« und des »konstituierten Wertes« nicht verstanden.

Leider findet man in dem Werke des Herrn Proudhon selbst, Bd. I, S. 110, diese abgeschmackte Hypothese, daß, »wenn der Lohn allgemein stiege, der Preis aller Dinge steigen würde«. Zum Überfluß findet man, wenn man in den[114] Abhandlungen über politische Ökonomie die fragliche Phrase findet, ebendaselbst auch ihre Erklärung.

»Wenn man sagt, daß der Preis aller Waren steigt oder sinkt, so schließt man stets die eine oder die andere der Waren aus: Die ausgeschlossene Ware ist gewöhnlich das Geld oder die Arbeit.« (»Encyclopaedia Metropolitana or Universal Dictionary of Knowledge«, vol. IV, Artikel »Political Economy« von Senior, London 1836. Siehe auch über diesen Ausdruck J. St. Mill, »Essays on Some Unsettled Questions of Political Economy«, London 1844, und Tooke, »A History of Prices, etc.«, London 1838.)

Schreiten wir jetzt zur zweiten Anwendung des »konstituierten Wertes« und anderer Proportionalitäten, deren einziger Fehler ist, wenig proportioniert zu sein; und sehen wir zu, ob Herr Proudhon dort glücklicher ist als in der Verwandlung der Hammel in Geld.

»Ein von den Ökonomen einstimmig anerkanntes Axiom sagt, daß jede Arbeit einen Überschuß ergeben muß. Dieser Satz gilt mir als absolut und allgemein wahr: Er ist die Ergänzung des Gesetzes von der Proportionalität, welches man als die Summe aller ökonomischen Wissenschaft betrachten kann. Aber ich bitte die Ökonomen um Verzeihung: Das Prinzip, daß jede Arbeit einen Überschuß ergeben muß, hat in ihrer Theorie keinen Sinn und ist keines Beweises fähig.« (Proudhon [I, S. 73].)

Um zu beweisen, daß jede Arbeit einen Überschuß ergeben muß, personifiziert Herr Proudhon die Gesellschaft, er macht aus ihr eine Person Gesellschaft, eine Gesellschaft, die keineswegs die Gesellschaft der Personen ist, da sie ihre besonderen Gesetze hat, die nichts gemein haben mit den Personen, aus denen sie sich zusammensetzt; die ebenfalls ihren »eigenen Verstand« hat, der nicht der Verstand der gemeinen Menschen ist, sondern ein Verstand, der nicht den gemeinen Menschenverstand hat. Herr Proudhon wirft den Ökonomen vor, die Persönlichkeit dieses Gesamtwesens nicht begriffen zu haben. Es macht uns Vergnügen, ihm den folgenden Satz eines amerikanischen Ökonomen entgegenzuhalten, der den anderen Ökonomen das gerade Gegenteil vorwirft:

»Dem moralischen Individuum (the moral entity), dem grammatikalischen Wesen (the grammatical being), Gesellschaft genannt, wurden Eigenschaften beigelegt, die nur in der Einbildung derer bestehen, welche aus einem Wort eine Sache machen... Dies hat zu vielen Schwierigkeiten und beklagenswerten Irrtümern der politischen Ökonomie Veranlassung gegeben.« (Th[omas] Cooper, »Lectures on the Elements of Political Economy«, Columbia 1826.)[115]

»Dieses Prinzip des Arbeitsüberschusses«, fährt Herr Proudhon fort, »trifft in bezug auf die Individuen nur zu, weil es von der Gesellschaft ausgeht, die ihnen so die Wohltat ihrer eigenen Gesetze zukommen läßt.« [I, S. 75.]

Will Herr Proudhon damit lediglich sagen, daß die Produktion des Individuums in der Gesellschaft die des isolierten Individuums übertrifft? Will er von diesem Überschuß der Produktion der assoziierten Individuen über die der nicht assoziierten Individuen sprechen? Wenn dem so ist, so können wir ihm hundert Ökonomen zitieren, welche diese einfache Wahrheit ausgesprochen haben ohne den ganzen Mystizismus, in den sich Herr Proudhon hüllt. So sagt z.B. Herr Sadler:

»Die gemeinschaftliche Arbeit ergibt Resultate, welche die Individuelle Arbeit niemals hervorzubringen vermag. In dem Maße daher, wie die Menschheit der Zahl nach sich vermehrt, werden die Produkte der vereinigten Arbeit bei weitem die Summe übertreffen, welche sich aus einer einfachen Addition der Menschenzahl-Vermehrung ergibt... In den mechanischen Industrien wie auf wissenschaftlichem Gebiet kann jeder einzelne heute in einem Tage mehr leisten als ein isoliertes Individuum während seines ganzen Lebens. Das mathematische Axiom, daß das Ganze der Summe der Teile gleich ist, ist falsch in Anwendung auf unseren Gegenstand. In bezug auf die Arbeit, diesen großen Grundpfeiler der menschlichen Existenz (the great pillar of human existence), kann man sagen, daß das Produkt der gemeinschaftlichen Anstrengungen bei weitem alles übertrifft, was isolierte Bemühungen der einzelnen je zu produzieren vermögen.« (Th[omas] Sadler, »The Law of Population«, London 1830.)

Kehren wir zu Herrn Proudhon zurück. Der Arbeitsüberschuß, sagt er, findet seine Erklärung in der Person Gesellschaft. Die Lebenstätigkeit dieser Person richtet sich nach Gesetzen, die den Gesetzen widersprechen, welche die Tätigkeit des Menschen als Individuum bestimmen; dies will er durch »Tatsachen« beweisen.

»Die Entdeckung eines neuen wirtschaftlichen Verfahrens kann nie dem Erfinder einen Vorteil eintragen, der dem gleich ist, welchen er der Gesellschaft verschafft... Man hat bemerkt, daß die Eisenbahnunternehmungen weit weniger eine Reichtumsquelle für die Unternehmer sind als für den Staat... Der Durchschnittspreis des Gütertransportes per Achse (Fuhre) beträgt 18 Centimes pro Tonne und Kilometer ab und an Lager. Man hat ausgerechnet, daß bei diesem Preise ein gewöhnliches Eisenbahnunternehmen keine 10 Prozent Reingewinn machen würde, ein Resultat, das beinahe dem eines Fuhrunternehmens gleichkommt. Aber nehmen wir an, daß die Geschwindigkeit eines Transportes per Eisenbahn sich zu der eines Fuhrunternehmens wie 4 : 1 verhält, so wird, da in der Gesellschaft die Zeit selbst Wert ist, bei Gleichheit des Preises die Eisenbahn gegenüber der Frachtfuhre einen Gewinn von 400 Prozent darstellen.[116] Indes realisiert sich dieser enorme, für die Gesellschaft sehr reelle Gewinn bei weitem nicht in dem gleichen Verhältnis für den Transportunternehmer, der, während er der Gesellschaft einen Vorteil von 400 Prozent verschafft, selbst keine 10 Prozent bezieht. Nehmen wir in der Tat an, um die Sache noch greifbarer zu machen, daß die Eisenbahn ihren Tarif auf 25 Centimes festsetzt, während der der Fracht per Achse 18 bleibt, so wird sie sofort alle ihre Gütertransporte verlieren. Absender und Empfänger, alle Welt wird, wenn es sein muß, auf die alten Rumpelkästen zurückkommen. Man wird die Lokomotive stehenlassen: Ein gesellschaftlicher Vorteil von 400 Prozent wird einem privaten Verlust von 35 Prozent aufgeopfert werden. Die Ursache davon ist leicht einzusehen: Der Vorteil, den die Geschwindigkeit der Eisenbahn zur Folge hat, ist rein sozial, und jeder einzelne nimmt daran nur im geringsten Maße Anteil (vergessen wir nicht, daß es sich in diesem Augenblick nur um den Gütertransport handelt), während der Verlust den Konsumenten direkt und persönlich trifft. Ein sozialer Vorteil, gleich 400, stellt für das Individuum, wenn die Gesellschaft nur aus einer Million Menschen besteht, 4/10000 dar, während ein Verlust von 33 Prozent für den Konsumenten ein soziales Defizit von 33 Millionen voraussetzte.« (Proudhon [I, S. 75-76].)

Es mag noch angehen, daß Herr Proudhon eine vervierfachte Geschwindigkeit mit 400 Prozent der ursprünglichen Geschwindigkeit ausdrückt; aber wenn er die Prozente der Geschwindigkeit mit den Prozenten des Profites in Verbindung bringt und zwischen zwei Dingen ein Verhältnis herstellen will, die zwar jedes für sich nach Prozenten gemessen werden können, aber dessenungeachtet eins mit dem anderen inkommensurabel sind, so heißt dies ein Verhältnis zwischen den Prozenten herstellen und die Dinge selbst beiseite lassen.

Prozente sind immer Prozente. 10 Prozent und 400 Prozent: sind kommensurabel, sie verhalten sich zueinander wie 10: 400; daher, schließt Herr Proudhon, ist ein Profit von 10 Prozent vierzigmal weniger wert als eine vierfache Geschwindigkeit. Um den Schein zu retten, sagt er, daß für die Gesellschaft die Zeit der Wert ist (time is money). Dieser Irrtum stammt daher, daß er sich dunkel erinnert, daß ein Verhältnis zwischen Wert und Arbeitszeit besteht, und er hat nichts eiliger zu tun, als die Arbeitszeit der Zeit des Transportes gleichzusetzen, d.h., er identifiziert die paar Heizer, Zugführer und Genossen, deren Arbeitszeit nichts anderes ist als die Zeit des Transportes, mit der ganzen Gesellschaft. So wird mit einem Male die Geschwindigkeit Kapital, und auf diese Art hat er voll auf recht zu sagen: »Ein Vorteil von 400 Prozent wird einem Verlust von 35 Prozent aufgeopfert.« Nachdem er diesen sonderbaren Satz als Mathematiker aufgestellt hat, erklärt er ihn uns als Ökonom.

»Ein sozialer Vorteil, gleich 400, stellt für das Individuum, wenn die Gesellschaft[117] nur aus einer Million Menschen besteht, 4/10000 dar.« Einverstanden; aber es handelt sich nicht um 400, sondern um 400 Prozent, und ein Vorteil von 400 Prozent stellt für das Individuum 400 Prozent dar, nicht mehr und nicht weniger. Welches immer das Kapital sei, die Dividenden werden sich stets im Verhältnis von 400 Prozent berechnen. Was tut Herr Proudhon? Er nimmt die Prozente für das Kapital, und als ob er fürchte, daß seine Konfusion nicht »greifbar«, nicht deutlich genug sei, fährt er fort:

»Ein Verlust von 33 Prozent für den Konsumenten würde ein soziales Defizit von 33 Millionen voraussetzen.« 33 Prozent Verlust für den Konsumenten bleiben 33 Prozent Verlust für eine Million Konsumenten. Wie kann Herr Proudhon daher vernünftigerweise sagen, daß bei einem Verlust von 33 Prozent sich das gesellschaftliche Defizit auf 33 Millionen belaufe, wo er weder das soziale Kapital noch auch nur das Kapital eines einzigen Interessenten kennt? Es genügte somit Herrn Proudhon nicht, Kapital und Prozente zusammengeworfen zu haben, er übertrifft sich noch, indem er das in ein Unternehmen gesteckte Kapital mit der Zahl der Interessenten identifiziert.

»Setzen wir in der Tat, um die Sache noch greifbarer zu gestalten«, ein bestimmtes Kapital voraus. Ein sozialer Profit von 400 Prozent, auf eine Million von Teilnehmern repartiert, von denen jeder mit einem Franc beteiligt ist, ergibt vier Francs Profit pro Kopf und nicht 0,0004, wie Herr Proudhon behauptet. Ebenso repräsentiert ein Verlust von 33 Prozent für jeden der Teilnehmer ein gesellschaftliches Defizit von 330000 Francs und nicht von 33 Millionen (100 : 33 = 1000000 : 330000).

Von seiner Theorie der Person Gesellschaft bestochen, vergißt Herr Proudhon, die Teilung durch 100 vorzunehmen. Er erlangt so 330000 Francs Verlust, aber 4 Francs Profit pro Kopf machen für die Gesellschaft 4000000 Francs Profit. Bleibt für die Gesellschaft ein reiner Profit von 3670000 Francs. Diese exakte Rechnung beweist just das Gegenteil von dem, was Herr Proudhon beweisen wollte: nämlich daß Profit und Verlust der Gesellschaft sich keineswegs im umgekehrten Verhältnis zu Profit und Verlust der Individuen verhalten.

Nachdem wir so diese einfachen Rechenfehler berichtigt haben, wollen wir nun einmal die Konsequenzen betrachten, zu denen man gelangen müßte, wollte man für die Eisenbahnen das Verhältnis von Geschwindigkeit und Kapital, wie Herr Proudhon es gibt, ohne die Rechenfehler zugrunde legen. Nehmen wir an, daß ein viermal schnellerer Transport viermal mehr kostet, so würde dieser Transport nicht weniger Profit ergeben als der Transport per Achse, der viermal langsamer geht und den vierten Teil der Fracht kostet.[118] Wenn also der Achsentransport 18 Centimes nimmt, so könnte die Eisenbahn 72 Centimes nehmen. Das wäre nach »mathematischer Genauigkeit« die Konsequenz der Voraussetzung des Herrn Proudhon, immer von seinen Rechenfehlern abgesehen. Aber da sagt er uns mit einemmal, daß, wenn die Eisenbahn statt 72 Centimes nur 25 nehmen würde, sie sofort alle ihre Gütertransporte verlieren würde. Entschieden, man muß zum alten Rumpelkasten zurückkehren. Wenn wir indes Herrn Proudhon einen Rat zu geben haben, so ist es der. In seinem »Programme de l'association progressive« nicht die Division durch 100 zu vergessen. Aber leider ist nicht zu erwarten, daß unser Rat erhört werde, denn Herr Proudhon ist von seiner »progressiven« Berechnung, die seiner »progressiven Assoziation« entspricht, so entzückt, daß er mit großer Emphase ausruft:

»Ich habe bereits im zweiten Kapitel, bei der Lösung der Antinomie des Wertes, gezeigt, daß der Vorteil jeder nützlichen Entdeckung unvergleichlich geringer für den Erfinder ist, was er auch tun möge, als für die Gesellschaft; ich habe den Beweis in dieser Beziehung bis zur mathematischen Genauigkeit geführt!«

Kehren wir zur Fiktion von der Person Gesellschaft zurück, die keinen anderen Zweck hatte, als die einfache Tatsache zu beweisen, daß eine neue Erfindung, die mit derselben Arbeitsmenge eine größere Menge Waren verfertigen läßt, den Marktpreis des Produktes sinken macht. Der Gesellschaft fällt damit ein Gewinn zu, nicht dadurch, daß sie mehr Tauschwert erlangt, sondern daß sie mehr Waren für denselben Wert erhält. Was den Erfinder anbetrifft, so bewirkt die Konkurrenz, daß sein Profit sukzessive bis zum allgemeinen Niveau der Profite fällt. Hat Herr Proudhon, wie er wollte, diesen Satz bewiesen? Nein. Das verhindert ihn aber nicht, den Ökonomen vorzuwerfen, diesen Beweis nicht erbracht zu haben. Um ihm das Gegenteil zu beweisen, zitieren wir nur Ricardo und Lauderdale; Ricardo, das Haupt der Schule, die den Wert nach der Arbeitszeit bestimmt, Lauderdale, einen der entschiedensten Verteidiger der Bestimmung des Wertes durch Angebot und Nachfrage. Beide haben denselben Satz aufgestellt.

»Indem wir beständig die Leichtigkeit der Produktion erhöhen, vermindern wir fortgesetzt den Wert einiger der früher produzierten Dinge, obwohl wir durch dieses Mittel nicht nur den Nationalreichtum vermehren, sondern auch die Möglichkeit, für die Zukunft zu produzieren... Sobald wir mittelst Maschinen oder unserer naturwissenschaftlichen Kenntnisse die Naturkräfte zwingen, die Arbeit zu verrichten, die bis dahin der Mensch leistete, so fällt infolgedessen der Tauschwert des Produktes. Wenn zehn Leute notwendig wären, um eine Getreidemühle zu drehen, und man entdeckte,[119] daß vermittelst des Windes oder des Wassers die Arbeit dieser zehn Menschen erspart werden könnte, so würde das Mehl, das Produkt der Mühlenarbeit, von diesem Augenblick an im Verhältnis zur Summe der ersparten Arbeit fallen, und die Gesellschaft würde sich um den vollen Wert der Dinge bereichert finden, welche die Arbeit dieser zehn Männer zu erzeugen vermag, da die zur Erhaltung der Arbeiter bestimmten Fonds damit nicht die geringste Verminderung erfahren hätten.« (Ricardo [II, S. 59].)

Lauderdale seinerseits sagt:

»Der Profit der Kapitalien entstammt stets dem Umstande, daß sie einen Teil der Arbeit auf sich nehmen, welche der Mensch mit seinen Händen verrichten müßte, d.h., daß sie eine Portion Arbeit über die persönlichen Bemühungen des Menschen hinaus verrichten, die er selbst nicht auszuführen vermöchte. Der schmale Profit, den im allgemeinen die Besitzer der Maschinen erzielen im Vergleich zum Preis der Arbeit, welche diese ersetzen, wird vielleicht Zweifel über die Richtigkeit dieser Ansicht hervorrufen. Eine Dampfpumpe befördert z.B. in einem Tage mehr Wasser aus einer Kohlenmine, als dreihundert Menschen auf ihrem Rücken heraustragen könnten, selbst wenn sie eine Eimerkette bildeten, und es unterliegt keinem Zweifel, daß sie die Arbeit derselben zu viel geringeren Kosten ersetzt. Dasselbe ist der Fall mit allen Maschinen. Die bisherige Menschenarbeit, an deren Stelle sie getreten sind, müssen sie zu billigerem Preise verrichten... Angenommen, dem Erfinder einer Maschine, welche die Arbeit von vieren verrichtet, sei ein Patent erteilt worden, so ist es klar – da das ausschließliche Privilegium jede Konkurrenz verhindert, außer der, welche die Arbeit der Arbeiter bewirkt –, daß der Lohn dieser Arbeiter während der ganzen Dauer des Privilegiums der Maßstab des Preises sein wird, den der Erfinder für seine Produkte bestimmen wird: d.h., um sich der Aufträge zu versichern, wird er etwas weniger fordern als den Lohn für die Arbeit, die seine Maschine ersetzt. Sobald aber das Privilegium verfallen ist, werden andere Maschinen derselben Art aufgestellt und rivalisieren mit der seinigen. Alsdann wird er seinen Preis nach dem allgemeinen Prinzip festsetzen, indem er ihn von der Menge der Maschinen abhängig macht. Der Profit der angelegten Fonds..., obwohl das Resultat ersetzter Arbeit, regelt sich schließlich nicht nach dem Werte dieser Arbeit, sondern wie in allen übrigen Fällen nach Maßgabe der Konkurrenz unter den Kapitalbesitzern, und die Höhe desselben wird stets durch das Verhältnis der Menge der zu diesem Zweck disponiblen Kapitalien zur Nachfrage nach denselben bestimmt.« [S. 119, 123, 124, 125 u. 134.]

In letzter Instanz wird es somit, solange der Profit größer ist als in anderen Industriezweigen, Kapitalien geben, die sich auf die neue Industrie werfen, bis der Profitsatz auf das allgemeine Niveau gefallen ist.

Wir haben gesehen, wie das Exempel von der Eisenbahn keineswegs geeignet war, einiges Licht auf die Fiktion der Person Gesellschaft zu werfen. Nichtsdestoweniger setzt Herr Proudhon seine Rede kühn fort:

[120] »Diese Punkte einmal klargelegt, ist nichts leichter als die Erklärung, warum die Arbeit jedem Produzenten einen Überschuß lassen muß.« [I, S. 77.]

Was nunmehr folgt, gehört dem klassischen Altertum an. Es ist eine poetische Erzählung, die den Zweck hat, den Leser sich erholen zu lassen nach der Anstrengung, welche ihm die Genauigkeit der vorhergegangenen mathematischen Demonstrationen verursacht haben dürfte. Herr Proudhon gibt seiner Person Gesellschaft den Namen Prometheus und verherrlicht dessen Taten folgendermaßen:

»Im Anfang erwacht Prometheus, hervorgegangen aus dem Schoße der Natur, zu einem Leben in einer Untätigkeit voller Reize etc. etc. Prometheus geht ans Werk, und von dem ersten Tage an, dem ersten Tage der zweiten Schöpfung, ist das Produkt des Prometheus, das heißt sein Reichtum, sein Wohlbefinden, gleich zehn. Am zweiten Tage teilt Prometheus seine Arbeit, und sein Produkt wird gleich hundert. Am dritten und den folgenden Tagen erfindet Prometheus Maschinen, entdeckt er neue Eigenschaften in den Körpern, neue Kräfte in der Natur... Bei jedem Schritt, den seine industrielle Tätigkeit macht, steigt die Ziffer seiner Produktion und verkündet ihm einen Zuwachs von Glück. Und da schließlich für ihn Konsumieren Produzieren ist, so ist es klar, daß jeder Tag des Konsums, indem er nur das Produkt des vorigen Tags verbraucht, einen Produktionsüberschuß für den nächsten Tag liefert.« [I, S. 77-78.]

Dieser Prometheus des Herrn Proudhon ist ein sonderbarer Heiliger, ebenso schwach in der Logik wie in der politischen Ökonomie. Solange er uns nur lehrt, wie die Arbeitsteilung, die Anwendung von Maschinen, die Ausbeutung der Naturkräfte und der technischen Wissenschaften die Produktivkraft der Menschen vermehrt und einen Überschuß gibt gegenüber dem, was die isolierte Arbeit hervorbringt, hat dieser neue Prometheus nur das Pech, zu spät zu kommen. Aber sobald Prometheus sich darangibt, von Produktion und Konsumtion zu sprechen, wird er in der Tat grotesk. Konsumieren heißt für ihn produzieren; er konsumiert am folgenden Tage, was er tags vorher produziert hat; auf diese Art ist er stets einen Tag voraus. Dieser Tag voraus ist sein »Arbeitsüberschuß«. Aber indem er den folgenden Tag verzehrt, was er tags zuvor produziert hat, so muß er wohl am ersten Tage, der keinen Vorläufer hatte, für zwei Tage gearbeitet haben, um in der Folge einen Tag vorauszuhaben. Wie hat Prometheus am ersten Tage, wo es weder Arbeitsteilung noch Maschinen, noch andere Kenntnisse von Naturkräften als die des Feuers gab, diesen Überschuß erzielt? Wie wir sehen, ist die Frage damit, daß sie »bis auf den ersten Tag der zweiten Schöpfung« zurückgeschoben wurde, keinen Schritt vorwärtsgerückt. Diese Art, die Dinge zu erklären, tappt gleichzeitig ins Griechische und Hebräische, sie ist mystisch und allegorisch zu gleicher Zeit, sie erlaubt Herrn Proudhon, unbedingt zu verkünden:

[121] »Ich habe theoretisch und durch Tatsachen das Prinzip nachgewiesen, daß jede Arbeit einen Überschuß lassen muß.« [I, S. 79.]

Die Tatsachen sind die famose progressive Rechnung; die Theorie ist der Mythus von Prometheus.

»Aber«, fährt Herr Proudhon fort, »dieses Prinzip, welches so feststeht wie ein Satz der Arithmetik, ist weit entfernt, sich für alle Welt zu realisieren. Während durch den Fortschritt der gemeinschaftlichen Arbeit der Arbeitstag jedes einzelnen Arbeiters ein immer größeres Produkt erzielt und während daher in notgedrungener Folge der Arbeiter bei demselben Lohn von Tag zu Tag reicher werden müßte, gibt es in der Gesellschaft Stände, die sich bereichern, und andere, die am Verkommen sind.« [I, S. 79-80.]

Im Jahre 1770 betrug die Bevölkerung des vereinigten Königreiches Großbritannien 15 Millionen, die produktive Bevölkerung 3 Millionen. Die Leistungsfähigkeit der technischen Produktivkräfte entsprach ungefähr einer Bevölkerung von 12 Millionen; infolgedessen gab es in Summa 15 Millionen produktiver Kräfte. Somit verhielt sich die produktive Leistungsfähigkeit zur Bevölkerung wie 1 : 1 und die technische Leistungsfähigkeit zur Leistungsfähigkeit der menschlichen Arbeit wie 4 : 1.

1840 belief sich die Bevölkerung nicht über 30 Millionen, die produktive Bevölkerung betrug 6 Millionen, während die technische Leistungsfähigkeit auf 650 Millionen stieg, d.h. sich zur Gesamtbevölkerung wie 21 : 1 und zur Leistungsfähigkeit der menschlichen Arbeit wie 108: 1 verhielt.

In der englischen Gesellschaft hat somit der Arbeitstag in siebzig Jahren einen Überschuß von 2700 Prozent an Produktivität gewonnen, d.h., im Jahre 1840 produzierte er siebenundzwanzigmal mehr als 1770. Nach Herrn Proudhon müßte man die Frage folgendermaßen stellen: Warum war der englische Arbeiter von 1840 nicht siebenundzwanzigmal reicher als der von 1770? Um eine solche Frage zu stellen, muß man natürlich voraussetzen, daß die Engländer diesen Reichtum ohne die historischen Bedingungen hätten produzieren können, unter denen er produziert wurde, wie: Anhäufung von Privatkapitalien, moderne Arbeitsteilung, Maschinenbetrieb, anarchische Konkurrenz, Lohnsystem, mit einem Wort lauter Dinge, die auf dem Klassengegensatz beruhen. Das waren nämlich gerade die Existenzbedingungen für die Entwicklung der Produktivkräfte und des Arbeitsüberschusses. Es war somit, um diese Entwicklung der Produktivkräfte und diesen Arbeitsüberschuß zu erlangen, notwendig, daß es Klassen gab, die profitierten, und andere, die am Verkommen waren.

Was ist also in letzter Instanz dieser von Herrn Proudhon auferweckte Prometheus? Es ist die Gesellschaft, es sind die gesellschaftlichen Verhältnisse,[122] basiert auf den Klassengegensatz. Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist, von Pächter zu Grundbesitzer etc. Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben; euer Prometheus ist nur mehr ein Phantom ohne Arme und Beine, d.h. ohne Maschinenbetrieb, ohne Arbeitsteilung, dem mit einem Worte alles fehlt, was ihr ihm ursprünglich gegeben habt, um ihn diesen Arbeitsüberschuß erlangen zu machen.

Wenn es somit in der Theorie genügte, die Formel des Arbeitsüberschusses mit Herrn Proudhon im Sinne der Gleichheit aufzufassen, ohne Rücksicht auf die gegenwärtigen Bedingungen der Produktion, so müßte es in der Praxis genügen, unter den Arbeitern eine gleiche Verteilung aller heute erworbenen Reichtümer vorzunehmen, ohne irgend etwas an den heutigen Produktionsbedingungen zu ändern. Diese Verteilung würde sicherlich den einzelnen Beteiligten keinen ausnehmend großen Wohlstand sichern.

Aber Herr Proudhon ist nicht so pessimistisch, wie man wohl glauben könnte. Da die Proportionalität alles für ihn ist, so muß er wohl oder übel in dem fertig gegebenen Prometheus, d.h. in der heutigen Gesellschaft, einen Anfang zur Verwirklichung seiner Lieblingsidee erblicken.

»Aber auch überall ist der Fortschritt des Reichtums, d.h. die Proportionalität der Werte, das herrschende Gesetz; und wenn die Ökonomen den Klagen der sozialistischen Partei das fortschreitende Anwachsen des Nationalreichtums und die Verbesserungen in der Lage selbst der unglücklichsten Klassen entgegenhalten, so verkünden sie damit, ohne es zu ahnen, eine Wahrheit, welche die Verurteilung ihrer Theorien ist.« [I, S. 80.]

Was ist in Wirklichkeit das gemeinschaftliche Vermögen, der Nationalreichtum? Der Reichtum der Bourgeoisie, aber nicht der jedes einzelnen Bourgeois. Nun wohl; die Ökonomen haben nichts anderes getan, als den Nachweis zu liefern, wie unter den gegenwärtig bestellenden Produktionsverhältnissen der Reichtum der Bourgeoisie sich entwickelt hat und noch anwachsen muß. Was die arbeitenden Klassen anbetrifft, so ist es eine noch sehr bestrittene Frage, ob ihre Lage sich infolge der Vermehrung des angeblichen öffentlichen Reichtums verbessert hat. Wenn die Ökonomen uns als Stütze für ihren Optimismus das Beispiel der englischen Baumwollenarbeiter zitieren, so berücksichtigen sie deren Situation nur in den seltenen Momenten der industriellen Prosperität. Diese Momente der Prosperität verhalten sich zu den Epochen der Krise und Stagnation in der »richtigen Proportionalität« von 3:10. Aber vielleicht haben die Ökonomen, wenn sie von Verbesserung sprachen, von den Millionen Arbeitern sprechen wollen, die in Ostindien umkommen mußten, damit den eineinhalb Millionen in der gleichen Industrie in[123] England beschäftigter Arbeiter drei Jahre Prosperität auf zehn verschafft würden.

Was die zeitweilige Teilnahme an dem Anwachsen des Nationalreichtums betrifft, so ist das etwas anderes. Das Faktum der zeitweiligen Teilnahme findet seine Erklärung in der Theorie der Ökonomen. Es ist keineswegs ihre »Verurteilung«, wie Herr Proudhon sagt, sondern ihre Bekräftigung. Wenn etwas zu verurteilen wäre, so wäre es sicher das System des Herrn Proudhon, welches den Arbeiter, wie wir gezeigt haben, trotz des Anwachsens des Reichtums auf das Lohnminimum reduzieren würde. Nur dadurch, daß er ihn auf das Lohnminimum reduziert, würde er eine Anwendung der richtigen Proportionalität der Werte, des durch die Arbeitszeit »konstituierten Wertes«, vollziehen. Gerade weil der Lohn infolge der Konkurrenz über oder unter dem Preis der zur Erhaltung des Arbeiters notwendigen Lebensmittel schwankt, kann dieser in gewissem Grade an der Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums teilnehmen oder auch ebensogut vor Elend umkommen. Das ist die ganze Theorie der Ökonomen, die sich darüber keinen Illusionen hingeben.

Nach seinen langen Abschweifungen auf die Frage der Eisenbahnen, auf den Prometheus, die neue, auf den »konstituierten Wert« zu rekonstituierende Gesellschaft, sammelt sich Herr Proudhon, das Gefühl übermannt ihn, und er ruft in väterlichem Tone aus:

»Ich beschwöre die Ökonomen, einen Augenblick in der Tiefe ihres Herzens, fern von den Vorurteilen, die sie verwirren, und ohne Rücksicht auf die Ämter, die sie einnehmen oder erstreben, auf die Interessen, denen sie dienen, auf die Stimmen, um welche sie werben, auf die Auszeichnungen, in denen ihre Eitelkeit sich gefällt, sich zu fragen und zu antworten, ob ihnen bis heute das Prinzip, daß jede Arbeit einen Überschuß lassen muß, mit dieser Kette von Prämissen und Folgen erschienen ist, die wir enthüllt haben.« [I, S. 80.][124]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1959, Band 4, S. 114-125.
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