III. Produktivkraft und Intensität der Arbeit konstant, Arbeitstag variabel

[548] Der Arbeitstag kann nach zwei Richtungen variieren. Er kann verkürzt oder verlängert werden.

1. Verkürzung des Arbeitstags unter den gegebenen Bedingungen, d.h. gleichbleibender Produktivkraft und Intensität der Arbeit, läßt den Wert der Arbeitskraft und daher die notwendige Arbeitszeit unverändert. Sie verkürzt die Mehrarbeit und den Mehrwert. Mit der absoluten Größe des letztren fällt auch seine relative Größe, d.h. seine Größe im Verhältnis zur gleichbleibenden Wertgröße der Arbeitskraft. Nur durch Herabdrückung ihres Preises unter ihren Wert könnte der Kapitalist sich schadlos halten.

Alle hergebrachten Redensarten wider die Verkürzung des Arbeitstags unterstellen, daß das Phänomen sich unter den hier vorausgesetzten Umständen ereignet, während in der Wirklichkeit umgekehrt Wechsel in der[548] Produktivität und Intensität der Arbeit entweder der Verkürzung des Arbeitstags vorhergehn oder ihr unmittelbar nachfolgen.747

2. Verlängerung des Arbeitstags: Die notwendige Arbeitszeit sei 6 Stunden oder der Wert der Arbeitskraft 3 sh., ebenso Mehrarbeit 6 Stunden und Mehrwert 3 sh. Der Gesamtarbeitstag beträgt dann 12 Stunden und stellt sich in einem Wertprodukt von 6 sh. dar. Wird der Arbeitstag um 2 Stunden verlängert und bleibt der Preis der Arbeitskraft unverändert, so wächst mit der absoluten die relative Größe des Mehrwerts. Obgleich die Wertgröße der Arbeitskraft absolut unverändert bleibt, fällt sie relativ. Unter den Bedingungen von I. konnte die relative Wertgröße der Arbeitskraft nicht wechseln ohne einen Wechsel ihrer absoluten Größe. Hier, im Gegenteil, ist der relative Größenwechsel im Wert der Arbeitskraft das Resultat eines absoluten Größenwechsels des Mehrwerts.

Da das Wertprodukt, worin sich der Arbeitstag darstellt, mit seiner eignen Verlängerung wächst, können Preis der Arbeitskraft und Mehrwert gleichzeitig wachsen, sei es um gleiches oder ungleiches Inkrement. Dies gleichzeitige Wachstum ist also in zwei Fällen möglich, bei absoluter Verlängerung des Arbeitstags und bei wachsender Intensität der Arbeit ohne solche Verlängerung.

Mit verlängertem Arbeitstag kann der Preis der Arbeitskraft unter ihren Wert fallen, obgleich er nominell unverändert bleibt oder selbst steigt. Der Tageswert der Arbeitskraft ist nämlich, wie man sich erinnern wird, geschätzt auf ihre normale Durchschnittsdauer oder die normale Lebensperiode des Arbeiters und auf entsprechenden, normalen, der Menschennatur angemessenen Umsatz von Lebenssubstanz in Bewegung.748 Bis zu einem gewissen Punkt kann der von Verlängerung des Arbeitstags untrennbare größere Verschleiß der Arbeitskraft durch größeren Ersatz kompensiert werden. Über diesen Punkt hinaus wächst der Verschleiß in geometrischer Progression und werden zugleich alle normalen Reproduktions- und Betätigungsbedingungen der Arbeitskraft zerstört. Der Preis der Arbeitskraft und ihr Exploitationsgrad hören auf, miteinander kommensurable Größen zu sein.[549]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 23, S. 548-550.
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