XIII. Destutt de Tracys Reproduktionstheorie

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Als Beispiel der konfusen und zugleich renommistischen Gedankenlosigkeit politischer Ökonomen, bei Betrachtung der gesellschaftlichen Reproduktion, diene der große Logiker Destutt de Tracy (vergl. Buch I, p. 147, Note 30), den selbst Ricardo ernsthaft nahm und a very distinguished writer nennt. (»Principles«, p. 333.)

Dieser distinguierte Schriftsteller gibt folgende Aufschlüsse über den gesamten gesellschaftlichen Reproduktions- und Zirkulationsprozeß:

»Man wird mich fragen, wie diese Industrieunternehmer so große Profite machen und von wem sie sie ziehn können. Ich antworte, daß sie dies tun, indem sie alles, was sie produzieren, teurer verkaufen, als es ihnen zu produzieren gekostet; und daß sie es verkaufen

1. aneinander für den ganzen Teil ihrer Konsumtion, bestimmt zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse, welche sie bezahlen mit einem Teil ihrer Profite;

2. an die Lohnarbeiter, sowohl an die, welche sie besolden, wie die, welche die müßigen Kapitalisten besolden; von welchen Lohnarbeitern sie auf diesem Wege ihren ganzen Lohn zurückerhalten, ausgenommen etwa deren kleine Ersparnisse;

3. an die müßigen Kapitalisten, welche sie bezahlen mit dem Teil ihrer Revenue, den sie nicht schon abgegeben haben an die von ihnen direkt beschäftigten Lohnarbeiter; so daß die ganze Rente, welche sie ihnen jährlich zahlen, ihnen auf dem einen oder andern dieser Wege wieder zurückfließt.« (Destutt de Tracy, »Traité de la volonté et de ses effets«, Paris 1826, p. 239.)[476]

Also die Kapitalisten bereichern sich erstens, indem sie im Umsatz des Teils des Mehrwerts, den sie ihrer Privatkonsumtion widmen oder als Revenue verzehren, sich alle wechselseitig übervorteilen. Also, wenn dieser Teil ihres Mehrwerts, resp. ihrer Profite, = 400 Pfd. St. ist, so werden aus diesen 400 Pfd. St. etwa 500 Pfd. St. dadurch, daß jeder Beteiligte der 400 Pfd. St. dem andern seinen Teil um 25% zu teuer verkauft. Da alle dasselbe tun, so ist das Resultat dasselbe, als hätten sie sich wechselseitig zum richtigen Wert verkauft. Nur brauchen sie zur Zirkulation eines Warenwerts von 400 Pfd. St. eine Geldmasse von 500 Pfd. St., und dies scheint eher eine Methode, sich zu verarmen als sich zu bereichern, indem sie einen großen Teil ihres Gesamtvermögens in der nutzlosen Form von Zirkulationsmitteln unproduktiv aufbewahren müssen. Das Ganze kommt darauf hinaus, daß die Kapitalistenklasse trotz der allseitigen nominellen Preiserhöhung ihrer Waren nur einen Warenstock von 400 Pfd. St. Wert unter sich zu ihrer Privatkonsumtion zu verteilen haben, daß sie aber sich das wechselseitige Vergnügen machen, 400 Pfd. St. Warenwert zu zirkulieren mit einer Geldmasse, die für 500 Pfd. St. Warenwert erheischt ist.

Ganz abgesehn davon, daß hier »ein Teil ihrer Profite« und also überhaupt ein Warenvorrat, worin Profit sich darstellt, unterstellt ist. Destutt will uns aber gerade erklären, wo dieser Profit herkommt. Die Geldmasse, die nötig ist, um ihn zu zirkulieren, ist eine ganz untergeordnete Frage. Die Warenmasse, worin der Profit sich darstellt, scheint davon herzustammen, daß die Kapitalisten diese Warenmasse nicht nur einander verkaufen, was bereits sehr schön und tief ist, sondern sich alle einander zu teuer verkaufen. Wir kennen jetzt also eine Quelle der Bereicherung der Kapitalisten. Sie kommt hinaus auf das Geheimnis des »Entspektor Bräsig«, daß die große Armut von der großen pauvreté herkommt.

2. Dieselben Kapitalisten verkaufen ferner

»an die Lohnarbeiter, sowohl an die, welche sie selbst besolden, wie an die, welche die müßigen Kapitalisten besolden; von welchen Lohnarbeitern sie auf diese Weise ihren ganzen Lohn zurückerhalten, ausgenommen deren kleine Ersparnisse«.

Der Rückfluß des Geldkapitals, in Form von welchem die Kapitalisten den Lohn dem Arbeiter vorgeschossen haben, zu den Kapitalisten, macht nach Herrn Destutt die zweite Quelle der Bereicherung solcher Kapitalisten aus.

Wenn also die Kapitalistenklasse z.B. 100 Pfd. St. den Arbeitern in Lohn gezahlt und dann dieselben Arbeiter von derselben Kapitalistenklasse[477] Ware zum selben Wert von 100 Pfd. St. kaufen und daher die Summe von 100 Pfd. St., welche die Kapitalisten als Käufer von Arbeitskraft vorgeschossen, ihnen beim Verkauf von Waren zu 100 Pfd. St. an die Arbeiter zurückfließt, so bereichern sich dadurch die Kapitalisten. Es scheint, vom Standpunkt des gewöhnlichen Menschenverstands, daß die Kapitalisten sich vermittelst dieser Prozedur wieder im Besitz von 100 Pfd. St. befinden, die sie vor der Prozedur besaßen. Bei Beginn der Prozedur besitzen sie 100 Pfd. St. Geld, sie kaufen für diese 100 Pfd. St. Arbeitskraft. Für diese 100 Pfd. St. Geld produziert die gekaufte Arbeit Waren von einem Wert, soviel wir bis jetzt wissen, von 100 Pfd. St. Durch Verkauf der 100 Pfd. St. Waren an die Arbeiter erhalten die Kapitalisten 100 Pfd. St. Geld zurück. Die Kapitalisten besitzen also wieder 100 Pfd. St. Geld, die Arbeiter aber für 100 Pfd. St. Ware, die sie selbst produziert haben. Wie sich die Kapitalisten dabei bereichern sollen, ist nicht abzusehn. Wenn die 100 Pfd. St. Geld ihnen nicht zurückflössen, so hätten sie den Arbeitern erstens 100 Pfd. St. Geld für ihre Arbeit zahlen und zweitens ihnen das Produkt dieser Arbeit, für 100 Pfd. St. Konsumtionsmittel, umsonst geben müssen. Der Rückfluß könnte also höchstens erklären, warum die Kapitalisten durch die Operation nicht ärmer, keineswegs aber, warum sie dadurch reicher geworden.

Eine andre Frage ist allerdings, wie die Kapitalisten die 100 Pfd. St. Geld besitzen, und warum die Arbeiter, statt selbst für eigne Rechnung Waren zu produzieren, gezwungen sind, ihre Arbeitskraft gegen diese 100 Pfd. St. auszutauschen. Aber dies ist etwas, was sich für einen Denker vom Kaliber Destutts von selbst versteht.

Destutt ist selbst nicht ganz befriedigt mit dieser Lösung. Er hatte uns ja nicht gesagt, daß man sich dadurch bereichert, daß man eine Geldsumme von 100 Pfd. St. ausgibt und dann eine Geldsumme von 100 Pfd. St. wieder einnimmt, also nicht durch den Rückfluß von 100 Pfd. St. Geld, der ja nur zeigt, warum die 100 Pfd. St. Geld nicht verlorengehn. Er hatte uns gesagt, daß die Kapitalisten sich bereichern,

»indem sie alles, was sie produzieren, teurer verkaufen, als es ihnen zu kaufen gekostet hat«.

Also müssen sich auch die Kapitalisten in ihrer Transaktion mit den Arbeitern dadurch bereichern, daß sie denselben zu teuer verkaufen. Vortrefflich!

»Sie zahlen Arbeitslohn... und alles das fließt ihnen zurück durch die Ausgaben aller dieser Leute, die ihnen« 〈die Produkte} »teurer bezahlen als sie ihnen« 〈den Kapitalisten} »vermittelst dieses Arbeitslohns gekostet haben.« (p. 240.)[478]

Also die Kapitalisten zahlen 100 Pfd. St. Lohn an die Arbeiter, und dann verkaufen sie den Arbeitern ihr eignes Produkt zu 120 Pfd. St., so daß ihnen nicht nur die 100 Pfd. St. zurückfließen, sondern noch 20 Pfd. St. gewonnen werden? Dies ist unmöglich. Die Arbeiter können nur mit dem Geld zahlen, das sie in Form von Arbeitslohn erhalten haben. Wenn sie 100 Pfd. St. Lohn von den Kapitalisten erhalten, können sie nur für 100 Pfd. St. kaufen und nicht für 120 Pfd. St. Also auf diese Weise ginge die Sache nicht. Es gibt aber noch einen andern Weg. Die Arbeiter kaufen von den Kapitalisten Waren für 100 Pfd. St., erhalten aber in der Tat nur Ware zum Wert von 80 Pfd. St. Sie sind daher unbedingt um 20 Pfd. St. geprellt. Und der Kapitalist hat sich unbedingt um 20 Pfd. St. bereichert, weil er die Arbeitskraft tatsächlich 20% unter ihrem Wert gezahlt oder einen Abzug vom nominellen Arbeitslohn zum Belauf von 20% auf einem Umweg gemacht hat.

Die Kapitalistenklasse würde dasselbe Ziel erreichen, wenn sie von vornherein den Arbeitern nur 80 Pfd. St. Lohn zahlte und ihnen hinterher für diese 80 Pfd. St. Geld in der Tat 80 Pfd. St. Warenwert lieferte. Dies scheint – die ganze Klasse betrachtet – der normale Weg, da nach Herrn Destutt selbst die Arbeiterklasse »genügenden Lohn« (p. 219) erhalten muß, da dieser Lohn wenigstens hinreichen muß, um ihre Existenz und Werktätigkeit zu erhalten, »sich die genaueste Subsistenz zu verschaffen«, (p. 180.) Erhalten die Arbeiter nicht diese hinreichenden Löhne, so ist dies nach demselben Destutt »der Tod der Industrie« (p. 208), also wie es scheint, kein Bereicherungsmittel für die Kapitalisten. Welches aber immer die Höhe der Löhne sei, welche die Kapitalistenklasse der Arbeiterklasse zahlt, so haben sie einen bestimmten Wert, z.B. 80 Pfd. St. Zahlt also die Kapitalistenklasse 80 Pfd. St. an die Arbeiter, so hat sie ihnen 80 Pfd. St. Warenwert für diese 80 Pfd. St. zu liefern, und der Rückfluß der 80 Pfd. St. bereichert sie nicht. Zahlt sie ihnen in Geld 100 Pfd. St. und verkauft ihnen für 100 Pfd. St. einen Warenwert für 80 Pfd. St., so zahlte sie ihnen in Geld 25% mehr als ihren normalen Lohn und lieferte ihnen dafür in Waren 25% weniger.

Mit andern Worten: der Fonds, woher die Kapitalistenklasse überhaupt ihren Profit zieht, würde gebildet durch Abzug vom normalen Arbeitslohn, durch Zahlung der Arbeitskraft unter ihrem Wert, d.h. unter dem Wert der Lebensmittel, die zu ihrer normalen Reproduktion als Lohnarbeiter notwendig sind. Würde also der normale Arbeitslohn gezahlt, was nach Destutt geschehn soll, so existierte kein Fonds von Profit, weder für die Industriellen noch für die müßigen Kapitalisten.

Herr Destutt hätte also das ganze Geheimnis, wie sich die Kapitalistenklasse bereichert, darauf reduzieren müssen: durch Abzug am Arbeitslohn.[479] Die andern Fonds des Mehrwerts, wovon er sub 1 und sub 3 spricht, existierten dann nicht.

In allen Ländern also, wo der Geldlohn der Arbeiter reduziert ist auf den Wert der zu ihrer Subsistenz als Klasse nötigen Konsumtionsmittel, existierte kein Konsumtionsfonds und kein Akkumulationsfonds für die Kapitalisten, also auch kein Existenzfonds der Kapitalistenklasse, also auch keine Kapitalistenklasse. Und zwar wäre dies nach Destutt der Fall in allen reichen entwickelten Ländern alter Zivilisation, denn hier

»in unsern altgewurzelten Gesellschaften ist der Fonds, aus dem der Lohn bestritten wird... eine beinahe konstante Größe«. (p. 202.)

Auch beim Abbruch am Lohn kommt die Bereicherung der Kapitalisten nicht daher, daß sie erst dem Arbeiter 100 Pfd. St. in Geld zahlen und ihm nachher 80 Pfd. St. in Waren für diese 100 Pfd. St. Geld liefern – also in der Tat 80 Pfd. St. Ware durch die um 25% zu große Geldsumme von 100 Pfd. St. zirkulieren, sondern daher, daß der Kapitalist vom Produkt des Arbeiters sich außer dem Mehrwert – dem Teil des Produkts, worin sich Mehrwert darstellt – auch noch 25% von dem Teil des Produkts aneignet, das dem Arbeiter in der Form von Arbeitslohn anheimfallen sollte. In der albernen Weise, wie Destutt die Sache auffaßt, würde die Kapitalistenklasse absolut nichts gewinnen. Sie zahlt 100 Pfd. St. für Arbeitslohn und gibt dem Arbeiter für diese 100 Pfd. St. von seinem eignen Produkt 80 Pfd. St. Warenwert zurück. Aber bei der nächsten Operation muß sie wieder für dieselbe Prozedur 100 Pfd. St. vorschießen. Sie macht sich also nur das nutzlose Vergnügen, 100 Pfd. St. Geld vorzuschießen und 80 Pfd. St. Ware dafür zu liefern, statt 80 Pfd. St. Geld vorzuschießen und 80 Pfd. St. Ware dafür zu liefern. D.h., sie schießt beständig nutzlos ein um 25% zu großes Geldkapital für die Zirkulation ihres variablen Kapitals vor, was eine ganz eigentümliche Methode der Bereicherung ist.

3. Die Kapitalistenklasse verkauft endlich

»an die müßigen Kapitalisten, welche sie bezahlen mit dem Teil ihrer Revenue, den sie nicht schon abgegeben haben an die von ihnen direkt beschäftigten Lohnarbeiter; so daß die ganze Rente, welche sie jenen« (den Müßigen) »jährlich zahlt, ihr auf dem einen oder andern dieser Wege wieder zurückfließt«.

Wir haben vorher gesehn, daß die industriellen Kapitalisten

»mit einem Teil ihrer Profite den ganzen Teil ihrer Konsumtion, bestimmt zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse, bezahlen«.[480]

Gesetzt also, ihre Profite seien = 200 Pfd. St. 100 Pfd. St. z.B. verzehren sie für ihre individuelle Konsumtion. Aber die andre Hälfte = 100 Pfd. St. gehört nicht ihnen, sondern den müßigen Kapitalisten, d.h. den Grundrentlern und den auf Zins leihenden Kapitalisten. Sie haben also 100 Pfd. St. Geld an diese Gesellschaft zu zahlen. Wir wollen nun sagen, von diesem Geld brauchen diese letztren 80 Pfd. St. zu ihrer eignen Konsumtion und 20 Pfd. St. zum Kauf von Bedienten etc. Sie kaufen also mit den 80 Pfd. St. Konsumtionsmittel von den industriellen Kapitalisten. Damit strömen diesen, während sich für 80 Pfd. St. Produkt von ihnen entfernt, 80 Pfd. St. Geld zurück oder 4/5 von den 100 Pfd. St., die sie an die müßigen Kapitalisten unter den Namen Rente, Zins etc. gezahlt haben. Ferner die Bedientenklasse, die direkten Lohnarbeiter der müßigen Kapitalisten, haben von ihren Herrschaften 20 Pfd. St. erhalten. Sie kaufen damit ebenfalls von den industriellen Kapitalisten für 20 Pfd. St. Konsumtionsmittel. Damit strömen diesen, während sich für 20 Pfd. St. Produkt von ihnen entfernt, 20 Pfd. St. Geld zurück oder das letzte Fünftel von den 100 Pfd. St. Geld, die sie an die müßigen Kapitalisten als Rente, Zins etc. gezahlt haben.

Am Ende der Transaktion sind den industriellen Kapitalisten die 100 Pfd. St. Geld, die sie zur Zahlung von Rente, Zins etc. an die müßigen Kapitalisten abgetreten, zurückgeströmt, während die Hälfte ihres Mehrprodukts = 100 Pfd. St. aus ihren Händen in den Konsumtionsfonds der müßigen Kapitalisten übergegangen ist.

Es ist also für die Frage, um die es sich hier handelt, offenbar ganz überflüssig, die Teilung der 100 Pfd. St. zwischen den müßigen Kapitalisten und ihren direkten Lohnarbeitern irgendwie ins Spiel zu bringen. Die Sache ist einfach: Ihre Renten, Zinsen, kurz der Anteil, der ihnen vom Mehrwert = 200 Pfd. St. zukommt, wird ihnen von den industriellen Kapitalisten in Geld gezahlt, in 100 Pfd. St. Mit diesen 100 Pfd. St. kaufen sie direkt oder indirekt Konsumtionsmittel von den industriellen Kapitalisten. Sie zahlen ihnen also zurück 100 Pfd. St. Geld und entziehn ihnen für 100 Pfd. St. Konsumtionsmittel.

Damit hat der Rückfluß der von den industriellen Kapitalisten an die müßigen Kapitalisten gezahlten 100 Pfd. St. Geld stattgefunden. Ist dieser Geldrückfluß, wie Destutt schwärmt, ein Mittel der Bereicherung für die industriellen Kapitalisten? Vor der Transaktion hatten sie eine Wertsumme von 200 Pfd. St.; 100 Pfd. St. in Geld und 100 Pfd. St. in Konsum tionsmitteln. Nach der Transaktion besitzen sie nur die Hälfte der ursprünglichen Wertsumme. Sie haben wieder die 100 Pfd. St. in Geld, aber sie haben verloren die 100 Pfd. St. in Konsumtionsmitteln, die in die Hände[481] der müßigen Kapitalisten übergegangen sind. Sie sind also um 100 Pfd. St. ärmer statt um 100 Pfd. St. reicher. Hätten sie statt des Umwegs, erst 100 Pfd. St. Geld zu zahlen und dann diese 100 Pfd. St. Geld zurückzuerhalten in Zahlung von 100 Pfd. St. Konsumtionsmittel, direkt Rente, Zins etc. in der Naturalform ihres Produkts gezahlt, so strömten ihnen keine 100 Pfd. St. Geld aus der Zirkulation zurück, weil sie keine 100 Pfd. St. Geld in sie hineingeworfen hätten. Auf dem Weg der Naturalzahlung hätte sich die Sache einfach so dargestellt, daß sie von dem Mehrprodukt zum Wert von 200 Pfd. St. die Hälfte für sich behalten und die andre Hälfte ohne Äquivalent an die müßigen Kapitalisten weggegeben. Selbst Destutt hätte dies nicht für ein Mittel der Bereicherung zu erklären sich versucht fühlen können.

Das Land und das Kapital, das die industriellen Kapitalisten von den müßigen Kapitalisten geliehen und wofür sie ihnen einen Teil des Mehrwerts in Form von Grundrente, Zins etc. zu zahlen haben, war ihnen natürlich profitlich, denn es war eine der Bedingungen der Produktion sowohl des Produkts überhaupt wie des Teils des Produkts, der Mehrprodukt bildet oder worin sich der Mehrwert darstellt. Dieser Profit fließt aus der Benutzung des geliehenen Landes und Kapitals, aber nicht aus dem Preis, der dafür bezahlt wird. Dieser Preis konstituiert vielmehr einen Abzug davon. Oder es müßte behauptet werden, die industriellen Kapitalisten würden nicht reicher, sondern ärmer, wenn sie die andre Hälfte des Mehrwerts für sich selber behalten könnten, statt sie wegzugeben. Aber zu solcher Konfusion führt es, wenn man Zirkulationserscheinungen, wie Geldrückfluß, zusammenwirft mit der Verteilung des Produkts, welche durch solche Zirkulationsphänomene nur vermittelt ist.

Und doch ist derselbe Destutt so pfiffig zu bemerken:

»Woher kommen die Revenuen dieser müßigen Leute? Kommen sie nicht aus der Rente, die ihnen aus ihrem Profit diejenigen zahlen, die die Kapitale der erstern arbeiten machen, d.h. diejenigen, die mit den Fonds der erstern eine Arbeit besolden, die mehr produziert als sie kostet, in einem Worte, die Industriellen? Auf diese muß man also immer zurückgehn, um die Quelle alles Reichtums zu finden. Sie sind es, die in Wirklichkeit die von den erstren beschäftigten Lohnarbeiter ernähren.« (p. 246.)

Also jetzt ist die Zahlung dieser Rente etc. Abbruch an dem Profit der Industriellen. Vorhin war es Mittel für sie, sich zu bereichern.

Aber ein Trost ist unserm Destutt doch geblieben. Diese braven Industriellen treiben es mit den müßigen Industriellen, wie sie es untereinander und gegen die Arbeiter getrieben haben. Sie verkaufen ihnen alle Waren zu[482] teuer, z.B. um 20%. Nun ist zweierlei möglich. Die Müßigen haben außer den 100 Pfd. St., die sie jährlich von den Industriellen erhalten, noch andre Geldmittel, oder sie haben sie nicht. Im ersten Fall verkaufen die Industriellen ihnen Ware und Werte von 100 Pfd. St. zum Preis sage von 120 Pfd. St. Es strömen ihnen also beim Verkauf ihrer Waren nicht nur die 100 Pfd. St. zurück, die sie an die Müßigen gezahlt, sondern außerdem noch 20 Pfd. St., die wirklich Neuwert für sie bilden. Wie steht nun die Rechnung? Sie haben für 100 Pfd. St. Ware umsonst weggegeben, denn die 100 Pfd. St. Geld, womit sie zum Teil bezahlt, waren ihr eignes Geld. Ihre eigne Ware ist ihnen also mit ihrem eignen Geld bezahlt worden. Also 100 Pfd. St. Verlust. Aber sie haben außerdem 20 Pfd. St. für Überschuß des Preises über den Wert erhalten. Also 20 Pfd. St. Gewinn; dazu 100 Pfd. St. Verlust macht 80 Pfd. St. Verlust, wird nie ein Plus, bleibt immer ein Minus. Die an den Müßigen verübte Prellerei hat den Verlust der Industriellen vermindert, aber deswegen nicht Verlust von Reichtum für sie in Bereicherungsmittel verwandelt. Diese Methode kann aber auf die Länge nicht gehn, da die Müßigen unmöglich jährlich 120 Pfd. St. Geld zahlen können, wenn sie jährlich nur 100 Pfd. St. Geld einnehmen.

Also die andre Methode: Die Industriellen verkaufen Waren von 80 Pfd. St. Wert für die 100 Pfd. St. Geld, die sie den Müßigen bezahlt haben. In diesem Fall geben sie vor wie nach 80 Pfd. St. umsonst weg, in der Form von Rente, Zins etc. Durch diese Prellerei haben sie den Tribut an die Müßigen vermindert, aber er existiert nach wie vor, und die Müßigen sind im Stand, nach derselben Theorie, wonach die Preise von dem guten Willen der Verkäufer abhängen, künftig 120 Pfd. St. Rente, Zins etc. für ihr Land und Kapital zu verlangen statt wie bisher 100 Pfd. St.

Diese glänzende Entwicklung ist ganz des tiefen Denkers würdig, der auf der einen Seite dem A. Smith abschreibt, daß

»Arbeit die Quelle alles Reichtums ist« (p. 242),

daß die industriellen Kapitalisten

»ihr Kapital anwenden, um Arbeit zu bezahlen, die es mit Profit reproduziert« (p. 246),

und auf der andern Seite schließt, daß diese industriellen Kapitalisten

»alle übrigen Menschen ernähren, allein das öffentliche Vermögen vermehren und alle unsre Mittel des Genusses schaffen« (p. 242),

daß nicht die Kapitalisten von den Arbeitern, sondern die Arbeiter von den Kapitalisten ernährt werden, und zwar aus dem brillanten Grund, weil das Geld, womit die Arbeiter gezahlt werden, nicht in ihrer Hand bleibt, sondern[483] beständig zu den Kapitalisten zurückkehrt in Zahlung der von den Arbeitern produzierten Waren.

»Sie empfangen nur mit einer Hand und geben mit der andern zurück. Ihre Konsumtion muß also angesehn werden als erzeugt durch diejenigen, die sie besolden.« (p. 235.)

Nach dieser erschöpfenden Darstellung der gesellschaftlichen Reproduktion und Konsumtion, wie sie vermittelt ist durch die Geldzirkulation, fährt Destutt fort:

»Das ist es, was dies perpetuum mobile des Reichtums vervollständigt, eine Bewegung, die, obwohl schlecht verstanden« 〈mal connu – sicher!}, »mit Recht Zirkulation genannt worden ist; denn sie ist in der Tat ein Kreislauf und kommt immer zurück zu ihrem Ausgangspunkt. Dieser Punkt ist derjenige, wo die Produktion sich vollzieht.« (p. 239, 240.)

Destutt, that very distinguished writer, membre de l'Institut de France et de la Société Philosophique de Philadelphie, und in der Tat gewissermaßen ein Lumen unter den Vulgärökonomen, ersucht den Leser schließlich, die wundervolle Klarheit zu bewundern, womit er den Verlauf des gesellschaftlichen Prozesses dargestellt, den Lichtstrom, den er über den Gegenstand ausgegossen, und ist sogar herablassend genug, dem Leser mitzuteilen, wo all dies Licht herkommt. Dies muß im Original gegeben werden:

»On remarquera, j'espère, combien cette manière de considérer la consommation de nos richesses est concordante avec tout ce que nous avons dit à propos de leur production et de leur distribution, et en même temps quelle clarté elle répand sur toute la marche de la société. D'où viennent cet accord et cette lucidité? De ce que nous avons rencontré la vérité. Cela rappelle l'effet de ces miroirs où les objets se peignent nettement et dans leurs justes proportions, quand on est placé dans leur vrai point-de-vue, et où tout paraît confus et désuni, quand on en est trop près ou trop loin.« (p. 242, 243.)

Voilà le crétinisme bourgeois dans toute sa béatitude![484]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 476-485.
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