III. Ökonomie in Krafterzeugung, Kraftübertragung und Baulichkeiten

[107] In seinem Bericht für Oktober 1852 zitiert L. Horner einen Brief des berühmten Ingenieurs James Nasmyth von Patricroft, des Erfinders des Dampfhammers, worin es u. a. heißt:

»Das Publikum ist sehr wenig bekannt mit dem ungeheuren Zuwachs an Triebkraft, der durch solche Systemänderungen und Verbesserungen« (an Dampfmaschinen) »erlangt worden ist, wie die, von denen ich spreche. Die Maschinenkraft unsres Bezirks« (Lancashire) »lag unter dem Alpdruck furchtsamer und vorurteilsvoller Überlieferung während fast 40 Jahren, aber jetzt sind wir glücklicherweise emanzipiert. Während der letzten 15 Jahre, aber besonders im Lauf der letzten 4 Jahre« (also seit 1848) »haben einige sehr wichtige Änderungen stattgefunden in der Betriebsweise kondensierender Dampfmaschinen... Der Erfolg war... daß dieselben Maschinen einen weit größern Arbeitsbetrag leisteten, und das obendrein bei sehr bedeutender Verringerung des Kohlenverbrauchs... Während sehr vieler Jahre seit der Einführung der Dampfkraft in die Fabriken dieser Bezirke war die Geschwindigkeit, mit der man kondensierende Dampfmaschinen glaubte arbeiten [lassen] zu dürfen, ungefähr 220 Fuß Pistonhub per Minute; d.h. eine Maschine mit 5 Fuß Kolbenhub war schon vorschriftsmäßig auf 22 Drehungen der Kurbelwelle beschränkt. Es galt nicht für angemessen, die Maschine rascher zu treiben; und da das ganze Geschirr dieser Geschwindigkeit von 220 Fuß Kolbenbewegung per Minute angepaßt war, beherrschte diese langsame und unsinnig beschränkte Geschwindigkeit den ganzen Betrieb während vieler Jahre. Endlich aber, sei es durch glückliche Unkenntnis der Vorschrift, sei es aus bessern Gründen bei irgendeinem kühnen Neuerer, wurde eine größre Geschwindigkeit versucht und, da der Erfolg höchst günstig war, das Beispiel von andren befolgt; man ließ, wie man sagte, der Maschine die Zügel schießen und änderte die Haupträder des Übertragungsgeschirrs derart ab, daß die Dampfmaschine 300 Fuß und mehr per Minute machen konnte, während die Maschinerie auf ihrer frühern Geschwindigkeit gehalten wurde... Diese Beschleunigung der Dampfmaschine ist jetzt fast allgemein, weil es sich zeigte, daß nicht nur aus derselben Maschine mehr verwendbare Kraft gewonnen wurde, sondern die Bewegung auch, infolge des größern Moments des Schwungrads, viel regelmäßiger war. Bei gleichbleibendem Dampfdruck und gleichbleibendem[107] Vakuum im Kondenser erhielt man mehr Kraft durch einfache Beschleunigung des Kolbenhubs. Können wir z.B. eine Dampfmaschine, die bei 200 Fuß per Minute 40 Pferdekraft gibt, durch passende Änderung dahin bringen, daß sie, bei gleichem Dampfdruck und Vakuum, 400 Fuß per Minute macht, so werden wir genau die doppelte Kraft haben; und da Dampfdruck und Vakuum in beiden Fällen dieselben sind, so wird die Anstrengung der einzelnen Maschinenteile und damit die Gefahr von ›Unfällen‹ mit der vermehrten Geschwindigkeit nicht wesentlich vermehrt. Der ganze Unterschied ist, daß wir mehr Dampf konsumieren im Verhältnis zur beschleunigten Kolbenbewegung oder annähernd; und ferner tritt etwas rascherer Verschleiß der Lager oder Reibungsteile ein, aber kaum der Rede wert... Aber um von derselben Maschine mehr Kraft durch beschleunigte Kolbenbewegung zu erlangen, muß mehr Kohle unter demselben Dampfkessel verbrannt oder ein Kessel von größrer Verdunstungsfähigkeit angewandt, kurz, mehr Dampf erzeugt werden. Dies geschah, und Kessel mit größrer Fähigkeit der Dampferzeugung wurden bei den alten ›beschleunigten‹ Maschinen angelegt; diese lieferten so in vielen Fällen 100% mehr Arbeit. Gegen 1842 begann die außerordentlich wohlfeile Krafterzeugung der Dampfmaschinen in den Bergwerken von Cornwall Aufmerksamkeit zu erregen; die Konkurrenz in der Baumwollspinnerei zwang die Fabrikanten, die Hauptquelle ihres Profits in ›Ersparnissen‹ zu suchen; der merkwürdige Unterschied im Kohlenverbrauch per Stunde und Pferdekraft, den die cornischen Maschinen aufzeigten, und ebenso die außerordentlich ökonomischen Leistungen der Woolfschen Doppelzylindermaschinen brachten auch in unsrer Gegend die Ersparung an Heizstoff in den Vordergrund. Die cornischen und die Doppelzylindermaschinen lieferten eine Pferdekraft per Stunde für je 3 1/2 bis 4 Pfund Kohlen, während die Maschinen in den Baumwolldistrikten allgemein 8 oder 12 Pfund per Pferd und Stunde verbrauchten. Ein so bedeutender Unterschied bewog die Fabrikanten und Maschinenbauer unsers Bezirks, durch ähnliche Mittel solche außerordentlich ökonomischen Ergebnisse zu erreichen, wie sie in Cornwall und Frankreich bereits gewöhnlich waren, da dort der hohe Kohlenpreis die Fabrikanten gezwungen hatte, diesen kostspieligen Zweig ihres Geschäfts möglichst einzuschränken. Dies führte zu sehr wichtigen Resultaten. Erstens: Viele Kessel, deren halbe Oberfläche in der guten alten Zeit hoher Profite der kalten Außenluft ausgesetzt blieb, wurden jetzt mit dicken Filzlagen oder Ziegeln und Mörtel und andern Mitteln eingedeckt, wodurch die Ausstrahlung der mit so viel Kosten erzeugten Hitze verhindert wurde. Dampfröhren wurden in derselben Weise geschützt, ebenso der Zylinder mit Filz und Holz umgeben. Zweitens kam die Anwendung des Hochdrucks. Bisher war die Sicherheitsklappe nur soweit beschwert worden, daß sie schon bei 4, 6 oder 8 Pfund Dampfdruck auf den Quadratzoll sich öffnete; jetzt fand man, daß durch Erhöhung des Drucks auf 14 oder 20 Pfund... eine sehr bedeutende Kohlenersparnis erreicht wurde; in andern Worten, die Arbeit der Fabrik wurde durch einen bedeutend geringern Kohlenverbrauch geleistet... Diejenigen, die die Mittel und die Kühnheit dazu hatten, führten das System des vermehrten Drucks und der Expansion in seiner vollen Ausdehnung aus, und wandten zweckmäßig konstruierte Dampfkessel an, die Dampf von einem Druck von 30, 40, 60 und 70 Pfund per Quadratzoll lieferten; ein Druck, bei dem ein[108] Ingenieur der alten Schule vor Schrecken umgefallen wäre. Aber da das ökonomische Ergebnis dieses gesteigerten Dampfdrucks... sich sehr bald kundgab in der nicht mißzuverstehenden Form von Pfunden, Schillingen und Pence, wurden die Hochdruckkessel bei Kondensiermaschinen fast allgemein. Diejenigen, die die Reform radikal durchführten, wandten die Woolfschen Maschinen an, und dies geschah in den meisten der neuerdings gebauten Maschinen; nämlich die Woolfschen Maschinen mit 2 Zylindern, in deren einem der Dampf aus dem Kessel Kraft leistet vermöge des Überschusses des Drucks über den der Atmosphäre, worauf er dann, statt wie früher nach jedem Kolbenhub in die freie Luft zu entweichen, in einen Niederdruckzylinder von ungefähr vierfach größerm Rauminhalt tritt und, nachdem er dort weitre Expansion geleistet, in den Kondensator geleitet wird. Das ökonomische Resultat, das man bei solchen Maschinen erhält, ist die Leistung einer Pferdekraft für eine Stunde, für jede 3 1/2 bis 4 Pfund Kohlen; während bei den Maschinen alten Systems hierzu 12 bis 14 Pfund erforderlich waren. Eine geschickte Vorrichtung hat erlaubt, das Woolfsche System des doppelten Zylinders oder der kombinierten Hoch- und Niederdruckmaschine auf schon bestehende ältere Maschinen anzuwenden und so ihre Leistungen zu steigern bei gleichzeitig vermindertem Kohlenverbrauch. Dasselbe Resultat ist erreicht worden während der letzten 8-10 Jahre durch Verbindung einer Hochdruckmaschine mit einer Kondensiermaschine, derart, daß der verbrauchte Dampf der erstern in die zweite überging und diese trieb. Dies System ist in vielen Fällen nützlich.«

»Es würde nicht leicht möglich sein, eine genaue Aufstellung der vermehrten Arbeitsleistung derselben identischen Dampfmaschinen zu erhalten, bei denen einige oder alle dieser neuern Verbesserungen angebracht sind. Ich bin aber sicher, daß für dasselbe Gewicht Dampfmaschinerie wir jetzt mindestens 50% mehr Dienst oder Arbeit im Durchschnitt erhalten und daß in vielen Fällen dieselbe Dampfmaschine, die zur Zeit der beschränkten Geschwindigkeit von 220 Fuß in der Minute 50 Pferdekraft gab, jetzt über 100 liefert. Die höchst ökonomischen Resultate der Anwendung des Hochdruckdampfs bei Kondensiermaschinen sowie die weit größern Anforderungen, die zum Zweck von Geschäftsausdehnungen an die alten Dampfmaschinen gemacht werden, haben in den letzten drei Jahren zur Einführung von Röhrenkesseln geführt und hierdurch die Kosten der Dampferzeugung wieder bedeutend vermindert.« (»Rep. Fact., Oct. 1852«, p.23-27.)

Was von der Kraft erzeugenden, gilt ebenfalls von der Kraft übertragenden und von der Arbeitsmaschinerie.

»Die raschen Schritte, womit die Verbesserungen in der Maschinerie in den letzten wenigen Jahren sich entwickelten, haben die Fabrikanten befähigt, die Produktion auszudehnen ohne zusätzliche Triebkraft. Die sparsamere Verwendung der Arbeit ist notwendig geworden durch die Verkürzung des Arbeitstags, und in den meisten gutgeleiteten Fabriken wird immer erwogen, auf welchem Wege die Produktion vermehrt werden kann bei verminderter Auslage. Ich habe eine Aufstellung vor mir, die ich der Gefälligkeit eines sehr intelligenten Herrn in meinem Bezirk verdanke, über die Zahl und das Alter der in seiner Fabrik beschäftigten Arbeiter, die angewandten Maschinen[109] und den bezahlten Lohn während der Zeit von 1840 bis jetzt. Im Oktober 1840 beschäftigte seine Firma 600 Arbeiter, wovon 200 unter 13 Jahren, Oktober 1852 nur 350 Arbeiter, wovon nur 60 unter 13 Jahren. Dieselbe Anzahl von Maschinen, bis auf sehr wenige, waren in Betrieb, und dieselbe Summe wurde in Arbeitslohn ausgezahlt in beiden Jahren.« (Redgraves Bericht, in »Rep. Fact., Oct. 1852«, p. 58, 59.)

Diese Verbesserungen in der Maschinerie zeigen erst ihre volle Wirkung, sobald sie in neuen, zweckmäßig eingerichteten Fabrikgebäuden aufgestellt werden.

»Mit Beziehung auf Verbesserungen in der Maschinerie muß ich bemerken, daß vor allem ein großer Fortschritt gemacht worden ist im Bau von Fabriken, die zur Aufstellung dieser neuen Maschinerie geeignet sind... Im Erdgeschoß zwirne ich all mein Garn, und hier allein stelle ich 29000 Doublierspindeln auf. In diesem Zimmer und dem Schuppen allein bewirke ich eine Ersparung an Arbeit von mindestens 10%; nicht sosehr infolge von Verbesserungen im Doubliersystem selbst, als von Konzentration der Maschinen unter einer einzigen Leitung; und ich kann dieselbe Anzahl Spindeln mit einer einzigen Triebwelle treiben, wodurch ich gegenüber andern Firmen an Wellenleitung 60 bis 80% erspare. Außerdem ergibt dies eine große Ersparnis an Öl, Fett etc.... kurz, mit vervollkommneter Einrichtung der Fabrik und verbesserter Maschinerie habe ich, gering gerechnet, an Arbeit 10% gespart und daneben große Ersparnis an Kraft, Kohlen, Öl, Talg, Triebwellen und Riemen etc.« (Aussage eines Baumwollspinners, »Rep. Fact., Oct. 1863«, p. 109, 110.)

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1964, Band 25, S. 107-110.
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