2. Verwandlung von Kapital oder Revenue in Geld, das in Leihkapital verwandelt wird

[518] Wir betrachten hier die Akkumulation des Geldkapitals, soweit sie nicht Ausdruck ist entweder einer Stockung im Fluß des kommerziellen Kredits oder aber einer Ökonomisierung, sei es des wirklich umlaufenden Mittels, sei es des Reservekapitals der in der Reproduktion beschäftigten Agenten.

Außer diesen beiden Fällen kann Akkumulation von Geldkapital entstehn durch außergewöhnlichen Goldzufluß, wie 1852 und 1853 infolge der australischen und kalifornischen neuen Goldminen. Solches Gold wurde in der Bank von England deponiert. Die Depositoren nahmen Noten dagegen, die sie nicht wieder direkt bei Bankiers deponierten. Dadurch wurde das zirkulierende Mittel außergewöhnlich vermehrt. (Aussage von Weguelin, B. C. 1857, Nr. 1329.) Die Bank suchte diese Depositen zu verwerten durch Erniedrigung des Diskontos auf 2%. Die in der Bank aufgehäufte Goldmasse stieg während sechs Monaten von 1853 auf 22-23 Mill.

Die Akkumulation aller Geld verleihenden Kapitalisten geschieht selbstredend stets unmittelbar in der Geldform, während wir gesehn haben, daß die wirkliche Akkumulation der industriellen Kapitalisten in der Regel durch Vermehrung der Elemente des reproduktiven Kapitals selbst sich[518] vollzieht. Die Entwicklung des Kreditwesens und die ungeheure Konzentration des Geld verleihenden Geschäfts in den Händen großer Banken muß also an und für sich schon die Akkumulation des leihbaren Kapitals beschleunigen als eine von der wirklichen Akkumulation verschiedne Form. Diese rasche Entwicklung des Leihkapitals ist daher ein Resultat der wirklichen Akkumulation, denn sie ist die Folge der Entwicklung des Reproduktionsprozesses, und der Profit, der die Akkumulationsquelle dieser Geldkapitalisten bildet, ist nur ein Abzug von dem Mehrwert, den die Reproduktiven herausschlagen (zugleich Aneignung eines Teils des Zinses von fremden Ersparungen). Das Leihkapital akkumu liert auf Kosten zugleich der Industriellen und Kommerziellen. Wir haben gesehn, wie in den ungünstigen Phasen des industriellen Zyklus der Zinsfuß so hoch steigen kann, daß er für einzelne, besonders nachteilig gestellte Geschäftszweige den Profit zeitweilig ganz verschlingt. Gleichzeitig fallen die Preise der Staatseffekten und andren Wertpapiere. Dies ist der Moment, wo die Geldkapitalisten diese entwerteten Papiere massenhaft aufkaufen, die in den spätern Phasen bald wieder auf und über ihre normale Höhe steigen. Dann werden sie losgeschlagen und so ein Teil des Geldkapitals des Publikums angeeignet. Der Teil, der nicht losgeschlagen wird, wirft höhere Zinsen ab, weil unter dem Preis gekauft. Allen Profit aber, den die Geldkapitalisten machen und den sie in Kapital rückverwandeln, verwandeln sie zunächst in leihbares Geldkapital. Die Akkumulation des letzteren, als unterschieden von der wirklichen Akkumulation, obgleich deren Sprößling, folgt also schon, wenn wir nur die Geldkapitalisten, Bankiers etc. selbst betrachten, als Akkumulation dieser besonderen Klasse von Kapitalisten. Und sie muß wachsen mit jeder Ausdehnung des Kreditwesens, wie es die wirkliche Erweiterung des Reproduktionsprozesses begleitet.

Steht der Zinsfuß niedrig, so fällt diese Entwertung des Geldkapitals hauptsächlich auf die Depositoren, nicht auf die Banken. Vor der Entwicklung der Akti enbanken lagen in England 3/4 aller Depositen bei den Banken unverzinst. Wo jetzt Zins dafür gezahlt wird, beträgt dieser mindestens 1% weniger als der Tageszinsfuß.

Was die Geldakkumulation der übrigen Klassen von Kapitalisten anbetrifft, so sehn wir ab von dem Teil, der in zinstragenden Papieren angelegt wird und in dieser Form akkumuliert. Wir betrachten bloß den Teil, der als leihbares Geldkapital auf den Markt geworfen wird.

Wir haben hier erstens den Teil des Profits, der nicht als Revenue verausgabt, sondern zur Akkumulation bestimmt wird, wofür aber die industriellen Kapitalisten zunächst keine Verwendung in ihrem eignen Geschäft[519] haben. Unmittelbar existiert dieser Profit im Warenkapital, von dessen Wert er einen Teil ausmacht, und wird mit diesem in Geld realisiert. Wird er nun nicht (wir sehn zunächst vom Kaufmann ab, von dem wir besonders sprechen werden) rückverwandelt in die Produktionselemente des Warenkapitals, so muß er eine Zeitlang in Form des Geldes verharren. Diese Masse steigt mit der Masse des Kapitals selbst, auch bei abnehmender Profitrate. Der Teil, der als Revenue verausgabt werden soll, wird nach und nach verzehrt, bildet aber in der Zwischenzeit als Depositum Leihkapital beim Bankier. Also selbst das Wachsen des als Revenue verausgabten Teils des Profits drückt sich aus in einer allmählichen, sich beständig wiederholenden Akkumulation von Leihkapital. Und ebenso der andre Teil, der zur Akkumulation bestimmt ist. Mit Entwicklung des Kreditwesens und seiner Organisation drückt sich also selbst das Steigen der Revenue, d.h. der Konsumtion der industriellen und kommerziellen Kapitalisten aus als Akkumulation von Leihkapital. Und dies gilt von allen Revenuen, soweit sie nach und nach verzehrt werden, also von Grundrente, Arbeitslohn in seinen höhern Formen, Einnahme der unproduktiven Klassen etc. Sie alle nehmen für eine gewisse Zeit die Form der Geldrevenue an und sind daher verwandelbar in Depositen und damit in Leihkapital. Es gilt von aller Revenue, ob zur Konsumtion oder zur Akkumulation bestimmt, sobald sie in irgendwelcher Geldform existiert, daß sie ein in Geld verwandelter Wertteil des Warenkapitals ist und daher Ausdruck und Resultat der wirklichen Akkumulation, aber nicht das produktive Kapital selbst. Wenn ein Spinner sein Garn ausgetauscht hat gegen Baumwolle, den Teil aber, der Revenue bildet, gegen Geld, so ist das wirkliche Dasein seines industriellen Kapitals das Garn, das in die Hand des Webers oder auch etwa des Privatkonsumenten übergegangen, und zwar ist das Garn das Dasein – sei es für Reproduktion, sei es für Konsumtion – sowohl des Kapitalwerts wie des Mehrwerts, der in ihm steckt. Die Größe des in Geld verwandelten Mehrwerts hängt ab von der Größe des im Garn steckenden Mehrwerts. Sobald es aber in Geld verwandelt, ist dies Geld nur das Wertdasein dieses Mehrwerts. Und als solches wird es Moment des Leihkapitals. Dazu ist nichts nötig, als daß es sich in Depositum verwandelt, wenn nicht schon durch seinen Eigner selbst ausgeliehn. Um in produktives Kapital rückverwandelt zu werden, muß es dagegen schon eine bestimmte Minimalgrenze erreicht haben.[520]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1964, Band 25, S. 518-521.
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